Read Ebook: J. W. v. Goethe's Biographie by D Ring Heinrich
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Ebook has 230 lines and 37667 words, and 5 pages
Biographien deutscher Classiker.
Supplement zu der G?schen-Cottaischen Ausgabe "deutscher Classiker."
Zweites B?ndchen.
Joh. W. v. Goethe.
Jena, 1853.
J. W. v. Goethe's Biographie
von
Dr. H. Doering
Complet in Einem B?ndchen
Jena, 1853.
Goethe's Leben.
Manche ihrer Eigenschaften waren auf Goethe ?bergegangen. Er war ein munterer Knabe, aufgeweckt zu allerlei muthwilligen Streichen. Durch seine Spielkameraden, die S?hne des dem elterlichen Hause gegen?ber wohnenden Schultheissen v. Ochsenstein, liess er sich einst verleiten, mehrere Sch?sseln und T?pfe, mit denen er gespielt, von einem obern Stockwerk auf die Strasse zu werfen, und freute sich herzlich ?ber das dadurch verursachte Ger?usch. Einen g?nstigen Einfluss auf seine fr?h erwachte Wissbegierde, die ihn zu mancherlei Fragen ?ber die verschiedenartigsten Gegenst?nde antrieb, hatte seine Grossmutter v?terlicher Seite, Cornelia, eine sanfte, wohlwollende Frau, die ihren Enkel gern belehrte.
Fr?h entwickelte sich in dem Knaben der Sinn f?r die Sch?nheiten der Natur, die er besonders in ihren erhabenen Erscheinungen, bei aufsteigenden Gewittern gern betrachtete. Sein Lieblingsaufenthalt im elterlichen Hause war ein hochgelegenes Zimmer, von welchem er ?ber die Stadtmauern und W?lle die sch?ne und fruchtbare Ebne nach H?chst hin ?berschauen konnte. Oft erg?tzte ihn dort der Anblick der untergehenden Sonne. Eine ernste ahnungsvolle Gem?thsstimmung, die ihn, seines lebhaften Temperaments ungeachtet, oft in seinem Knabenalter ergriff, weckte in ihm das Gef?hl der Einsamkeit. Von der Furcht, die ihn bei eintretendem Abenddunkel in dem d?stern, winkelhaften elterlichen Hause ergriff, suchte ihn sein Vater fr?hzeitig zu heilen. Mit umgewandtem Schlafrock, wie eine Spukgestalt, trat er dem Knaben und seiner Schwester Cornelia entgegen, wenn sie aus Furcht ihr einsames Schlafzimmer verliessen und sich in die Kammern des Gesindes fl?chteten. Ein wirksameres Mittel wandte Goethe's Mutter an, indem sie ihren Kindern, wenn sie Nachts ihre Furcht ?berw?nden, Obst und allerlei N?schereien versprach.
Von der Aussenwelt wandte sich Goethe's Blick wieder nach dem elterlichen Hause zur?ck, das durch einen bedeutenden Bau erweitert und versch?nert worden war. Seine Wissbegierde lockte ihn bisweilen in seines Vaters Bibliothek, die ausser mehreren juristischen Werken, auch Schriften ?ber Alterthumskunde, Reisebeschreibungen und einzelne Dichter enthielt. Es waren jedoch, ausser Virgil, Horaz u.a. r?mischen Classikern, gr?sstenteils italienische Poeten, wie Tasso, Ariost u. A., von denen der Knabe, bei seiner Unkenntniss der italienischen Sprache keinen Gebrauch machen konnte. Einen immer neuen Genuss gew?hrten ihm die Gem?lde und Landschaften von Trautmann, Sch?tz, Junker, Seekatz u.a. Frankfurter K?nstlern. Diese Gem?lde, fr?her hie und da in der elterlichen Wohnung an mehreren Orten zerstreut, waren von Goethe's Vater bei dem Umbau seines Hauses in einem besondern Zimmer vereinigt worden. Goethe's Sinn f?r die Kunst ward zuerst geweckt durch die Betrachtung jener Werke.
Nur durch anhaltenden Fleiss und Wiederholung des Gelernten war Goethe's Vater zum Besitz mannigfacher Kenntnisse gelangt. Um so mehr sch?tzte er das angeborne Talent seines Sohnes, der durch eine schnelle Auffassungsgabe und ein treffliches Ged?chtniss bald dem von seinem Vater und seinen Lehrern ihm ertheilten Unterricht entwachsen war. Den grammatischen Regeln, mit ihren mannigfachen Ausnahmen, vermochte er zwar keinen sonderlichen Geschmack abzugewinnen. Doch machte er sich mit den Sprachformen und rhetorischen Wendungen schnell bekannt. Sein heller Kopf zeigte sich vorz?glich in der raschen Entwicklung von Begriffen. Durch seine schriftlichen Aufs?tze, ihrer Sprachfehler ungeachtet, erwarb er sich im Allgemeinen seines Vaters Zufriedenheit, und manches kleine Geschenk belohnte seinen Fleiss. Der Privatunterricht, den er gemeinschaftlich mit mehreren Knaben seines Alters erhielt, f?rderte ihn wenig, da die von seinen Lehrern eingeschlagene Methode nicht geeignet war, ihm ein besonderes Interesse an wissenschaftlichen Gegenst?nden einzufl?ssen. Ueberdiess beschr?nkte sich jener Unterricht fast nur auf die Erkl?rung des Cornelius Nepos und auf das Neue Testament.
Durch das Lesen deutscher Dichter bem?chtigte sich seiner, wie er in sp?tern Jahren gestand, "eine unbeschreibliche Reim- und Versewuth." In dem Kreise seiner Jugendfreunde fanden seine poetischen Versuche grossen Beifall. Um so mehr fand sich seine jugendliche Eitelkeit gekr?nkt, als einer seiner Mitsch?ler durch h?chst mittelm?ssige Verse ihm seinen Dichterruhm streitig zu machen suchte. Dar?ber entr?stet, stockte seine poetische Fruchtbarkeit ziemlich lange, bis ihn sein erwachtes Selbstgef?hl und eine von seinen Lehrern mit Beifall aufgenommene Probearbeit ?ber seine Anlagen und F?higkeiten beruhigte.
Reiche Nahrung f?r seine Wissbegierde fand Goethe in dem Orbus pictus, in Merians Kupferbibel, in der Acerra philologica und ?hnlichen Werken, die damals die Stelle einer noch nicht vorhandenen Kinderbibliothek vertraten. Ovids Metamorphosen machten ihn mit der Mythologie bekannt. Seine Phantasie ward dadurch vielfach angeregt zu allerlei poetischen Entw?rfen. Eine wohlth?tige Wirkung auf sein Gem?th verdankte er den moralischen Schilderungen in Fenelon's Telemach. Unterhaltung und Belehrung sch?pfte er ais Robinson Crusoe und aus der Insel Felsenburg. Aus dem romantischen Gebiet ward er wieder in die Wirklichkeit zur?ckgef?hrt durch die anziehenden Schilderungen in Anton's Reise um die Welt. Ein Zufall verhalf ihm in dem Laden eines Antiquars zum Besitz einer Reihe mannigfacher Schriften. Darunter befanden sich der Eulenspiegel, die vier Haimonskinder, die sch?ne Magelone, der Kaiser Octavian, Fortunatus und ?hnliche Volksb?cher.
Dieser anmuthigen Lect?re musste Goethe, als sie kaum begonnen, wieder entsagen. Er ward von den Blattern befallen, und brachte unter einem heftigen Fieber mehrere Tage beinahe blind zu. Die Aeusserung einer seiner Tanten: "Ach, Wolfgang, wie h?sslich bist Du geworden?" kr?nkte ihn um so mehr, da die Blattern auf seinem Gesicht durchaus keine Spur zur?ckgelassen hatten. Auch von den Masern blieb er nicht verschont, und hatte dadurch Gelegenheit, sich im Stoicismus zu ?ben. Einigen Trost gew?hrte es ihm, dass er auf seinem Krankenlager an seinem j?ngern Bruder Jacob, der in der Bl?the seiner Jahre starb, einen Leidensgef?hrten hatte.
Seines Vaters Strenge n?thigte ihn, durch verdoppelte Unterrichtsstunden das w?hrend der Krankheit Vers?umte wieder nachzuholen. Die Wohnung seiner Grosseltern und ein daran stossender Garten in der Friedberger Strasse bot ihm dann und wann einen Zufluchtsort, sich seinen Lectionen zu entziehen. Besonders angenehm war ihm auch der Aufenthalt in dem Laden seiner Tante, Maria Melber, der Gattin eines Gew?rzh?ndlers, die ihn mit allerlei Naschwerk beschenkte. Ihre Schwester war mit dem Pfarrer und Consistorialrath Stark verheiratet, in dessen Bibliothek ein anderer geistiger Genuss sich ihm darbot. In der B?chersammlung jenes gelehrten Mannes fand Goethe eine prosaische Uebersetzung des Homer. Dieser Dichter und bald nachher Virgil machten einen tiefen und bleibenden Eindruck auf das poetisch gestimmte Gem?th des Knaben.
Weniger befriedigte sein Herz die trockene Moral, die ihm der bisher ertheilte Religionsunterricht gepredigt hatte. Er ward irre an den christlichen Dogmen. Entzweit mit seinen religi?sen Begriffen, kam ihm der sonderbare Gedanke, nach dem Beispiel der Separatisten, Herrnhuter und anderer Secten, mit dem h?chsten Wesen, das er aus seinem Walten in der Natur l?ngst erkannt, sich in eine Art von unmittelbarer Verbindung zu setzen, und demselben nach alttestamentlicher Weise einen Altar zu errichten. Dazu benutzte er ein rothlakirtes, mit goldnen Blumen verziertes Musikpult, auf welchem er mehrere R?ucherkerzen anz?ndete. Das Andachtsopfer stieg empor, misslang jedoch bei der Wiederholung durch einen ungl?cklichen Zufall so g?nzlich, dass die damit verbundene Feuersgefahr ihn warnte, in solcher Weise wieder dem h?chsten Wesen sich zu n?hern.
Aus den friedlichen und ruhigen Zust?nden, in denen Goethe seine Kindheit verlebt hatte, ward er aufgeschreckt durch den Ausbruch des siebenj?hrigen Krieges im Jahr 1756. Er war damals acht Jahre alt. Was er von Friedrich II und seiner Pers?nlichkeit erz?hlen geh?rt, begeisterte ihn. Er schrieb sich die Kriegslieder ab, durch welche Gleim unter der Maske eines preussischen Grenadiers die Heldenthaten des grossen K?nigs verherrlichte. Seinen Lieblingshelden verkleinern zu h?ren, war ihm ein unertr?gliches Gef?hl. Als sich nach einigen Jahren durch die Theilnahme Frankreichs der Kriegsschauplatz bis in die N?he Frankfurts zu ziehen drohte, hatte diess f?r Goethe die Folge, dass er weniger, als bisher, das elterliche Haus verlassen durfte.
Unter mannichfachen Besch?ftigungen griff er wieder nach den Figuren des Puppenspiels, das er von seiner Grossmutter zum Geschenk erhalten hatte. Mit H?lfe einiger Jugendgespielen ward das fr?here Drama, f?r welches die Puppen hinreichten, mehrmals vorgestellt. Die Garderobe und die Decorationen nach und nach zu ver?ndern, war eine Lieblingsbesch?ftigung des Knaben. Sein Versuch, gr?ssere St?cke ufzuf?hren , scheiterte jedoch an dem beschr?nkten Schauplatz. Unter diesen Umst?nden leistete ihm ein Bedienter seines Vaters wesentliche Dienste, indem er ihm Panzer und R?stungen verfertigen half. Goethe und seine Gespielen erg?tzten sich eine Zeitlang an den gegenseitigen Parteiungen und Gefechten, die mitunter in ernsthafte H?ndel ausarteten, bei denen es ohne derbe Schl?ge nicht abging.
Durch einen andern Zeitvertreib, durch das Talent, M?hrchen zu erz?hlen, die er meist selbst erfunden, empfahl sich Goethe seinen Jugendfreunden. Eins dieser M?hrchen, "der neue Paris" betitelt, hat sich in Goethe's gesammelten Werken erhalten. Er bediente sich dabei des Kunstgriffs, in eigner Person zu sprechen, wodurch die von ihm geschilderten abenteuerlichen Ereignisse den Anschein bekamen, als w?ren sie ihm selbst begegnet. Durch die Localit?ten, die er in seine M?hrchen verwebte, erh?hte er ihre Wirkung auf seine Zuh?rer, die unter lautem Beifall sich beeilten, den in dem M?hrchen "der neue Paris" erw?hnten Ort mit den Nussb?umen, der Tafel und dem Brunnen aufzusuchen, in ihren Berichten ?ber das, was sie gefunden, jedoch sehr variirten. Erhalten hat sich noch aus jener Zeit in einem alten Exercitienheft Goethe's ein von ihm verfasstes Gespr?ch, "Wolfgang und Maximilian" ?berschrieben. In diesem Dialog, dem ersten dramatischen Versuch des achtj?hrigen Knaben trat besonders die Naivit?t hervor, womit Goethe, durch seinen Vornamen Wolfgang bezeichnet, seinem Schulcameraden Maximilian gegen?ber, sich als den Soliden und Wohlerzogenen geschildert hatte.
Einen tiefen Eindruck auf Goethe's poetisch gestimmtes Gem?th machte um diese Zeit Klopstocks Messias. Er musste dies ber?hmte Epos heimlich lesen, denn sein Vater, durch Canitz, Hagedorn, Gellert und andere Dichter an den Reim gew?hnt, ?usserte die entschiedenste Abneigung gegen den Hexameter, oder, wie er sich ausdr?ckte, gegen Verse, die eigentlich gar keine Verse w?ren. Goethe und seine Schwester Cornelia benutzten jede Freistunde, um in irgend einem Winkel verborgen, die zartesten und ergreifendsten Stellen der Messiade sich einzupr?gen, n?chst Portia's Traum besonders das verzweiflungsvolle Gespr?ch zwischen Satan und Adramelech im zehnten Gesange der Klopstockschen Dichtung. Als jene geistlichen Verw?nschungen, die sie schon oft recitirt, einst ziemlich laut hinter dem Ofen, wo sie sich verborgen hatten, hervorschollen, liess der Barbier, der eben Goethe's Vater rasirte, vor Schreck das Seifenbecken fallen, wodurch der Alte, ?ber und ?ber besch?ttet, doch nicht von seiner Abneigung gegen die Hexameter, denen er jenes Unheil beimass, geheilt ward.
Goethe's Kunstsinn ward geweckt und gen?hrt, als der franz?sische K?nigslieutenant Graf Thorane, ein enthusiastischer Freund und Kenner von Gem?lden, bald nach der Besitznahme Frankfurts durch die franz?sischen Truppen, in Goethe's elterlichem Hause einquartirt ward. Das Mansardzimmer, welches Goethe bisher bewohnt hatte, war dem Grafen zu einem Atelier einger?umt worden, in welchem er mehrere Frankfurter K?nstler f?r sich arbeiten liess. F?r Goethe, der ihn dort oft besuchte, ging daraus noch der Vortheil hervor, dass er in der franz?sischen Sprache, die er bisher sehr vernachl?ssigt, sich immer mehr vervollkommnete. Mangelhaft blieb jedoch seine Kenntniss des Franz?sischen, da er sie nicht auf dem Wege eines grammatikalischen Unterrichts erlangt hatte.
Dies ward ihm besonders f?hlbar, als ein Freibillet ihm den Eintritt in das franz?sische Theater verschaffte, das damals in Franfurt errichtet worden war. Da er, besonders im Lustspiel, wo sehr schnell gesprochen ward, nur wenig von den Reden der Schauspieler verstand, richtete er seine Aufmerksamkeit vorzugsweise auf die Bewegung der auftretenden Personen und auf ihre Mimik. Er gelangte dadurch zu einer, wenn auch nur oberfl?chlichen Kenntniss des franz?sischen Lust- und Trauerspiels, und ward einigermassen vertraut mit den dramatischen Regeln der franz?sischen B?hne. Der abgemessene Schritt, in dem sich die Trag?die bewegte, der gleichm?ssige Tact der Alexandriner machte auf ihn einen wunderbaren Eindruck. Aus Racine's Trauerspielen, die er in seines Vaters Bibliothek fand, recitirte er mehrere auswendig gelernte Stellen nach Art und Weise der franz?sischen Schauspieler, deren Ton und Accent sich seinem Ohr scharf eingepr?gt hatte. Fast noch mehr als die Trag?die, behagten ihm die damals sehr beliebten Lustspiele von Destouches, Marivaux, la Chauss?e und andern franz?sischen Dichtern. Auch mehrere Opern und Sch?ferspiele sagten seinem damaligen Geschmacke zu, und noch lange nachher erinnerte er sich mit Vergn?gen einzelner Scenen und der darin auftretenden Personen.
Seinem Wunsch, auch mit der innern Einrichtung des Theaters bekannt zu werden, kam ein franz?sischer Knabe, Derones mit Namen, zuvor, der ihn auf die B?hne und in die Garderobe f?hrte. Der Uebermuth und die Prahlerei seines jungen Freundes ward ihm jedoch bald so l?stig, dass zwischen beiden ein sehr gespanntes Verh?ltniss eintrat, welches sogar eine Herausforderung und ein Duell in ?cht theatralischer Weise, dann aber wieder eine aufrichtige Vers?hnung zur Folge hatte. Erleichtert ward ihm dadurch sein h?ufiger Theaterbesuch, den aber sein Vater sehr lebhaft missbilligte. Die B?hne, meinte er, habe durchaus keinen Nutzen. Goethe bot seinen ganzen Scharfsinn auf, ihn vom Gegentheil zu ?berzeugen. Lessing's Trauerspiel, Miss Sara Sampson, der Kaufmann von London und ?hnliche St?cke lieferten ihm die Beweise, wie das Laster im Gl?ck, die Tugend im Ungl?ck durch die poetische Gerechtigkeit wieder ausgeglichen werde. Dieser Behauptung, gegen die er nichts einzuwenden vermochte, stellte Goethes Vater den Einwurf entgegen, dass die in die theatralischen Vorstellungen oft verwebten Schelmstreiche und Betr?gereien auf das unverdorbene Gem?th der Jugend nicht anders als nachtheilig wirken k?nnten. Wenn ihn irgend etwas mit der B?hne vers?hnen konnte, so war es die Bemerkung, dass sein Sohn dadurch seine franz?sischen Sprachkenntnisse vermehrte.
Diese Kenntnisse benutzte Goethe zum Entwurf eines dramatischen Products, in welchem meistens allegorische Personen, wie Jupiter, Merkur und andere G?tter mit ihren bekannten Attributen auftraten. Das St?ck bestand gr?sstentheils in Reminiscenzen aus Ovid's Metamorphosen. Seine Autoreitelkeit f?hlte sich jedoch gekr?nkt, als der unl?ngst erw?hnte franz?sische Knabe, welchem er sein Product mitgetheilt und ihn um sein Urtheil gebeten, sich erlaubte, mehrere Stellen, ja ganze Scenen zu streichen. F?r Goethe hatte dies Verfahren den Nutzen, dass er mit der franz?sischen Dramaturgie, gegen deren Regeln er gefehlt haben sollte, sich n?her bekannt machte. Zu diesem Zweck las er Corneille's Abhandlung ?ber die Aristotelische dreifache Einheit, und studirte Racine's Werke, die ihm zum Theil schon bekannt waren, da er einige Jahre fr?her auf einem Kindertheater in dem Trauerspiel Brittannicus den Nero gespielt hatte. Bei seiner immer noch sehr mangelhaften Kenntniss des Franz?sischen f?rderten ihn jedoch diese Studien ?usserst wenig, und er gab sie wieder auf, als er nicht ohne M?he die Vorreden gelesen hatte, in denen Corneille und Racine sich gegen die Kritiker und das Publikum vertheidigten.
Entschieden regte sich in dem Knaben der in sp?tern Jahren wachsende Trieb, mancherlei Naturgegenst?nde, deren innere Beschaffenheit sich dem Auge entzog, n?her kennen zu lernen. Er zerpfl?ckte Blumen, um zu sehen, wie die Bl?tter in ihren Kelch eingef?gt waren. Seine jugendliche Neugier und Forschungslust besch?ftigte sich mit den verschiedenartigsten Gegenst?nden. Er bewunderte die geheime Anziehungskraft des Magnet's, und erm?dete nicht, jene ihm unerkl?rliche Wirkung an Feilsp?nen und N?hnadeln zu erproben. Mit H?lfe eines alten Spinnrades und einiger Arzneigl?ser versuchte er fruchtlos den Effect einer Electrisirmaschine hervorzubringen. Weniger aus eigner Neigung, als aus Gef?lligkeit gegen seinen Vater, unterzog er sich dann und wann der Wartung und Pflege der im elterlichen Garten gehegten Seidenw?rmer.
Dieser gesch?ftige M?ssiggang behagte ihm mehr, als der Unterricht im Englischen, zu welchem er von seinem Vater mit Strenge angehalten ward. Indess gelangte er durch Fleiss in kurzer Zeit zu einer ziemlichen Fertigkeit im Englischen. Auch seine ?brigen Sprachstudien vernachl?ssigte er nicht ganz. Seinem Wunsche, hebr?isch zu lernen, um das Alte Testament in der Ursprache lesen zu k?nnen, gab Goethe's Vater seine Zustimmung. Durch den Magister Albrecht in der genannten Sprache unterrichtet, machte er darin ziemlich rasche Fortschritte.
Wichtig und einflussreich wurden Goethe's Bibelstudien besonders dadurch, dass sie ihn zu einem epischen Gedicht begeisterten. Den Stoff dazu fand er in der Geschichte Josephs. Ueber die Form jedoch war er lange Zeit mit sich nicht einig. Nach reiflicher Ueberlegung w?hlte er die Prosa. Von jenem Gedicht, das einen ziemlichen Umfang gewann, hat sich nicht einmal ein Fragment erhalten. Auch manche lyrische Poesien, unter andern mehrere Gedichte in Anakreons Manier, gingen verloren. Einigen geistlichen Oden und andern religi?sen Dichtungen, unter andern einer "H?llenfahrt Christi", zollte Goethe's Vater besondern Beifall. Auch durch mehrere Predigtausz?ge, die er Sonntags in einem verborgnen Kirchstuhl entwarf, empfahl Goethe sich seinem Vater, zog sich jedoch seine lebhafte Missbilligung zu, als er jene Arbeit wieder saumseliger betrieb und zuletzt g?nzlich unterliess.
Seinen Sohn zu einem t?chtigen Juristen zu bilden, war ein v?terlicher Lieblingswunsch. Goethe erhielt von seinem Vater ein in catechetischer Form abgefasstes B?chlein. Dadurch sollte ihm das Studium des Corpus Juris erleichtert werden. Er erlangte auch ziemliche Gewandtheit im Aufschlagen einzelner Stellen, vermochte jedoch, als er sp?ter das Struvische Compendium erhielt, der Rechtswissenschaft keinen sonderlichen Geschmack abzugewinnen. Damit es ihm nicht an der n?thigen k?rperlichen Bewegung fehlen m?chte, liess sein Vater ihn das Fechten, sp?terhin auch die Reitkunst lernen. Es war im Herbst 1761, als er auf die Reitbahn geschickt ward. Seines Lehrers pedantische Methode war jedoch nicht geeignet, ihn f?r die Reitkunst besonders zu interessiren.
Der Dichtkunst war Goethe nicht untreu geworden. Eine f?r einen Jugendfreund geschriebene poetische Epistel, die sich leider nicht erhalten hat, empfahl sich durch ihre innere Wahrheit und Naivit?t, und hob jeden Zweifel, der ?ber sein poetisches Talent noch obwalten konnte. Sein Product in mehreren H?nden zu sehen, schmeichelte seiner jugendlichen Eitelkeit. Er theilte es daher mehreren jungen Leuten mit, die er zuf?llig kennen gelernt hatte. Die n?here Ber?hrung, in die er mit ihnen trat, ward um so entscheidender f?r ihn, da sich daran ein Liebeshandel mit einem jungen M?dchen kn?pfte, deren Namen er sp?terhin in seinem "Faust" verewigte. Seinem Stande nicht angemessen und f?r seine sittlichen Grunds?tze von keinem wohlth?tigen Einflusse war der Kreis, in den er eingetreten war, und der ihn von seiner geregelten Lebensweise entfernte und zu manchen Abentheuern und jugendlichen Uebereilungen verlockte. Nach seinen eignen Aeusserungen in sp?tern Jahren bestand jener Kreis aus jungen Menschen, s?mmtlich ?lter als er, die der mittlern und niedern Volksklasse angeh?rend, mit oberfl?chlichen Schulkenntnissen, durch Abschreiben, durch Besorgung kleiner Gesch?fte f?r die Kaufleute und M?kler sich einen nothd?rftigen Erwerb sicherten. Ihr zweideutiger Ruf war ihm unbekannt, und ein Licht dar?ber ging ihm erst auf, als seine Eltern ihn ?ber den gew?hlten Umgang und seinen jugendlichen Leichtsinn die bittersten Vorw?rfe machten. Ein tiefes Gef?hl von Scham ergriff ihn, als er erfuhr, dass seine Genossen zum Verf?lschen von Papieren, zur Nachahmung von Handschriften und andern str?flichen Handlungen ihre Zuflucht genommen hatten.
Von der trostlosen Stimmung, in die er dadurch versetzt ward, konnte ihn nur Fleiss und Th?tigkeit befreien. Er hatte aber auch noch manches nachzuholen, um sich zur Universit?t vorzubereiten, die er bald beziehen sollte. Ein weites Feld zu mannigfachen Betrachtungen er?ffneten ihm seine fortgesetzten philosophischen Studien, gr?sstenteils nach Brucker's Compendium. Dieser Besch?ftigung ward er wieder untreu, als der eintretende Fr?hling ihn in die freie Natur lockte. Mit seinen Freunden besuchte er die in der Umgegend von Frankfurt gelegenen Vergn?gungsorte. Noch mehr aber behagte ihm, in seiner Gem?thsstimmung die Einsamkeit der W?lder. In dem dunkeln Schatten alter Eichen und Buchen weilte er am liebsten. Unwillk?hrlich regte sich in ihm wieder der schon fr?h im elterlichen Hause erwachte Trieb, nach der Natur zu zeichnen. Alles, was er sah, gestaltete sich ihm zum Bilde. F?hlbar aber ward ihm bald, dass ihm nur die Gabe verliehen war, die ihm entgegentretenden Gegenst?nde im Ganzen aufzufassen. Zum Zeichnen des Einzelnen schien ihn die Natur aber so wenig bestimmt zu haben, als zum betreibenden Dichter. Demungeachtet setzte er seine Uebungen mit einer gewissen Hartn?ckigkeit fort. Er erm?dete nicht in der schwierigen Zeichnung eines alten Baumstammes, an dessen gekr?mmte Wurzeln sich bl?hende Farrenkr?uter hingen.
Mit Goethe's Skizzen, so unvollkommen sie auch seyn mochten, war sein Vater im Allgemeinen zufrieden, wenn er auch Einzelnes daran tadelte. Gern liess er seinen Sohn umherstreifen, weil er von solchen Ausfl?gen eine neue Zeichnung erwartete. Zu Fusswanderungen mit einigen Freunden g?nnte er ihm v?llige Freiheit. Einen besondern Reiz hatten f?r G?the die Gebirgsgegenden. Er besuchte Homburg, Kroneburg, bestieg den Feldberg und K?nigsstein, verweilte einige Tage in Wiesbaden und Schwalbach, und kam bis an den Rhein. Den jugendlichen Sinn, der sich mehr in der grossen Natur, als in abgeschlossenen R?umen gefiel, konnte Mainz nicht fesseln. Einen erfreulichen Eindruck auf Goethe machte die anmuthige Lage von Biberich. Von da kehrte er in seine Vaterstadt zur?ck, mit einer ziemlich reichen Ausbeute von landschaftlichen Skizzen und Zeichnungen der verschiedensten Art, unter denen manche seines Vaters Beifall erhielten, andere jedoch auch scharf von ihm getadelt wurden.
Dadurch verstimmt, schloss sich Goethe enger an seine Mutter an, die ihm mehr Milde und Nachsicht bewies, und selbst noch jugendlich, mit seinen Gef?hlen und Lebensansichten mehr harmonirte, als der ernster gestimmte Vater. Ein fast noch innigeres Verh?ltniss bestand zwischen Goethe und seiner ungef?hr ein Jahr j?ngern Schwester Cornelia. Gemeinschaftliches Spiel und Lernen in den Jahren der Kindheit hatte sp?terhin, als sich beider physische und geistige Kr?fte entwickelten, ein festes Vertrauen und eine wahrhaft geschwisterliche Liebe erzeugt. Goethe ward von seiner Schwester zum Vertrauten aller ihrer Empfindungen und Herzensangelegenheiten gew?hlt. Ziemlich gut bestand er im Allgemeinen, als sein Vater seine Kenntnisse in einzelnen Materien der Jurisprudenz pr?fte. Mehrere wissenschaftliche F?cher besch?ftigten seinen strebenden Geist, vorz?glich die Geschichte der ?ltern Literatur. Durch das fortgesetzte Studium von Gessners Isagoge und Morhofs Polyhistor, gerieth er fast auf den Irrweg, selbst ein Vielwisser zu werden. Sein Tag und Nacht fortgesetzter Fleiss drohte ihn eher zu verwirren, als wahrhaft zu bilden. Bayle's historisch-kritisches W?rterbuch f?hrte ihn vollends in ein Labyrinth, aus welchem er sich kaum wieder herauszufinden wusste. Von der grossen Wichtigkeit einer gr?ndlichen Sprachkenntniss hatte er sich l?ngst ?berzeugt. Das Hebr?ische war allm?lig in den Hintergrund getreten. Auch Goethe's Kenntnisse in der griechischen Sprache reichten nicht viel weiter, als zum Verst?ndniss des Neuen Testaments im Urtexte. Ernstlicher hatte er sich mit dem Lateinischen besch?ftigt. Er war, obschon er keinen grammatikalischen Unterricht genossen, ziemlich bewandert in den r?mischen Classikern.
Unter diesen Sprachstudien regte sich wieder in ihm der nie ganz schlummernde Trieb poetischer Nachbildung. Seine Productionskraft, die Leichtigkeit, womit er die Erzeugnisse seines Geistes niederschrieb, hatte sich vermehrt. Jugendliche Eitelkeit liess ihn seine poetischen Producte mit einer gewissen Vorliebe betrachten. Der Tadel, den sie mitunter erfuhren, raubte ihm nicht die Ueberzeugung, k?nftig wohl Geisteserzeugnisse zu liefern, die sich mit denen eines Gellert, Uz, Hagedorn und andern damals hochgefeierten Dichtern messen k?nnten. Aber die poetische Laufbahn, so viel Lockendes sie auch f?r ihn hatte, schien ihm doch zu schwankend und unsicher, um sie zu seinem k?nftigen Lebensberuf zu w?hlen. Ein akademisches Lehramt lag im Bereich seiner W?nsche. Dazu wollte er sich f?hig machen, um zur Bildung Anderer, wie zu seiner eigenen, etwas beitragen zu k?nnen.
Viel Lockendes hatte f?r Goethe der Aufenthalt in G?ttingen, wo Heyne, Michaelis und andere ber?hmte M?nner lehrten. Sein Vater bestand jedoch darauf, dass er seine akademische Laufbahn in Leipzig beginnen sollte. Wiederholt sch?rfte er ihm zugleich ein, seine Zeit auf's Zweckm?ssigste zu benutzen. Von seinem Vater ward er hierin so ausf?hrlich belehrt, dass er, ohnedies verstimmt durch das Aufgeben eines G?ttinger Lieblingsplans, beinahe den Entschluss fasste, in seiner Studien- und Lebensweise seinen eignen Weg zu verfolgen. Diese Idee schien ihm nicht blos romantisch, sondern auch ehrenvoll. Er dachte an seinen Landsmann Griesbach, der einen ?hnlichen Weg einschlagen und sich als gelehrter Theolog und Schriftsteller einen allgemein geachteten Namen erworben hatte.
Immer n?her r?ckte indess die Zeit, wo Goethe Frankfurt verlassen sollte. Begleitet von den Gl?ckw?nschen seiner Eltern und Freunde, fuhr er im October 1765 nach Leipzig. Seine Reisegenossen waren der in Frankfurt ans?ssige Buchh?ndler Fleischer und dessen Gattin, eine Tochter des damals gesch?tzten Dichters Triller, die ihren Vater in Wittenberg besuchen wollte. Die Jahreszeit, in der Goethe seine Reise antrat, war h?chst unfreundlich. Durch den fast ununterbrochenen Regen waren die Wege fast unfahrbar geworden, und in der Gegend von Auerstadt blieb der Wagen v?llig stecken. Es war die Zeit der Messe, als er in Leipzig ankam. In der sogenannten Feuerkugel, zwischen der Universit?tsstrasse und dem Neumarkt, bezog Goethe zwei nach dem Hofe hinaus gelegene Zimmer, die er w?hrend der Messe gemeinschaftlich mit seinem Reisegef?hrten, dem Buchh?ndler Fleischer, sp?ter jedoch allein bewohnte.
In dem Hause des Professors B?hme, der Geschichte und Staatsrecht lehrte, fand Goethe, nachdem er seine Empfehlungsbriefe abgegeben, eine freundliche Aufnahme. Als er jedoch seine Abneigung gegen die Jurisprudenz sich merken liess, und mit dem Plan hervortrat, sich den alten Sprachen und sch?nen Wissenschaften widmen zu wollen, missbilligte B?hme, der die Dichter, selbst den allgemein gefeierten Gellert nicht leiden konnte, dies ?bereilte Vorhaben. Dringend empfahl er das Studium der r?mischen Alterth?mer und der Rechtsgeschichte, und schloss seine Ermahnungen mit der Bitte, den gefassten Entschluss reiflich zu ?berlegen. Seine Ueberredung wirkte. Goethe gab seinen Plan auf, und entschied sich f?r die Jurisprudenz. Nach B?hme's Rath sollte er zuerst Philosophie, Rechtsgeschichte und die Institutionen h?ren. Er liess sich jedoch, ungeachtet der Abneigung B?hme's gegen Gellert, nicht abhalten, auch dessen Auditorium zu besuchen, besonders die Collegien ?ber Literaturgeschichte, die jener hochgefeierte Mann nach Stockhausens bekanntem Compendium las. Nach der Schilderung, welche Goethe in sp?tern Jahren von Gellert entwarf, war er von Gestalt nicht gross, schw?chlich, doch nicht hager. Er hatte sanfte, fast traurige Augen, eine sehr sch?ne Stirn, eine nicht ?bertriebene Habichtsnase, einen feinen Mund und ein gef?lliges Oval des Gesichts, was, verbunden mit der Freundlichkeit in seinem Benehmen, einen angenehmen Eindruck machte.
Durch die Vorlesungen, die Goethe, wenigstens anfangs, sehr regelm?ssig besuchte, ward er nicht sonderlich gef?rdert. In den philosophischen Collegien fand er nicht die gehofften Aufschl?sse ?ber einzelne, ihm dunkle Materien. Er ward bald nachl?ssig im Nachschreiben seiner Hefte. Sie wurden immer unvollst?ndiger, besonders in den philosophischen Collegien, die der Professor Winkler las. Auch die juristischen Vorlesungen behagten ihm nicht lange. Was durch ein wissenschaftliches System in enge, schroffe Grenzen, in d?rre Begriffe ohne Leben eingeschlossen worden war, konnte seinem poetisch gestimmten Gem?th nicht zusagen.
Zu diesem Zwiespalt mit dem starren Facult?tswesen und dem Geiste der akademischen Vorlesungen gesellten sich noch kleine Unannehmlichkeiten des Lebens, die ihm, verbunden mit seinen unbefriedigten Erwartungen, den Aufenthalt in Leipzig verleideten. Er musste hier und da manchen Spott h?ren ?ber seine altmodische Kleidung, die er aus dem elterlichen Hause mitgebracht hatte. Diese Kleidung mit einer andern zu vertauschen, die den Anforderungen der Mode mehr entsprach, ward Goethe erst veranlasst, als er in einem damals sehr beliebten Lustspiel von Destouches den Herrn von Masuren in einem ?hnlichen Tressenkleide, wie er selbst es trug, auftreten sah. Auch sein fremder Dialekt ward ein Gegenstand des Spotts. Unmuthig dar?ber, blieb er aus geselligen Cirkeln weg, in die er eingef?hrt worden war. Die Gattin des Professors B?hme, eine vielseitig gebildete Frau, in der er eine zweite Mutter fand, machte ihm seine Verst?sse gegen die feine Lebensart bemerklich. Auch auf seinen ?sthetischen Geschmack ?bte sie, wenn auch nur negativ, einen wohlth?tigen Einfluss aus, indem sie dazu beitrug, ihm Gottsched's und seiner Anh?nger Poesie zu verleiden. Ihr scharfes Urtheil ?ber talentvolle Dichter, unter andern ihren bittern Tadel des von Weisse geschriebenen Lustspiels: "die Poeten nach der Mode," konnte Goethe, dem diess St?ck sehr gefiel, ihr nicht verzeihen. Seine eigene Autoreitelkeit f?hlte sich verletzt durch ihre Aeusserungen ?ber einige seiner lyrischen Gedichte, die er ihr anonym mittheilte.
Kaum seinen Ohren traute Goethe, als er h?rte, wie Gellert in einem seiner Collegien seine Zuh?rer vor der Dichtkunst warnte, und sie zu prosaischen Ausarbeitungen aufforderte. Demungeachtet wagte Goethe, ihm einige seiner poetischen Versuche zu zeigen, die er, wie alle ?brigen, mit rother Dinte corrigirte und die zu grosse Leidenschaftlichkeit in Styl und Darstellung, mitunter auch einige psychologische Verst?sse tadelte. Eine scharfe R?ge, die seinen Lieblingsdichter Wieland traf, machte ihn so irre an seinem poetischen Talent, dass er in seinem Unmuth eines Tages alles, was er in Versen und Prosa geschrieben, den Flammen ?bergab. Ihn in seinem poetischen Streben zu f?rdern war der damalige Zustand der sch?nen Literatur in Deutschland nicht sonderlich geeignet. Aus den Dichtern, die Goethe sich h?tte zum Muster nehmen k?nnen, aus Gellert, Lessing, Klopstock, Wieland u. A. blickte eine zu entschiedene Individualit?t hervor. Vor sclavischer Nachahmung bewahrte ihn sein besseres Gef?hl. Was die Poesie der genannten Dichter Vortreffliches hatte, glaubte er nicht erreichen zu k?nnen; aber er f?rchtete, in ihre Fehler zu verfallen. Er hatte zu sich und seinem Talent das Vertrauen verloren, und fand es erst wieder in dem Umgange mit mehreren gebildeten und kenntnisreichen jungen M?nnern, zu denen unter andern sein Landsmann und nachheriger Schwager Schlosser geh?rte, der damals als geheimer Secret?r des Herzogs Ludwig von W?rtemberg diesen F?rsten nach Leipzig begleitet hatte.
Durch Schlosser, der als Schriftsteller nicht unr?hmlichbekannt war, erhielt Goethe Zutritt zu manchen gelehrten und einflussreichen M?nnern. Auch mit Gottsched, dem damaligen Tonangeber des ?sthetischen Geschmacks, dessen Ausspr?che, seinem Antagonisten Breitinger zum Trotz, noch immer als Orakel galten, ward Goethe auf die erw?hnte Weise bekannt. Er fand ihn im ersten Stockwerk des goldnen B?ren, welches ihm von seinem Verleger Breitkopf, aus Erkenntlichkeit f?r den grossen Absatz seiner Schriften, zur lebensl?nglichen Wohnung einger?umt worden war. In einem Schlafrock von gr?nem Damast, mit rothem Taft gef?ttert, trat Gottsched, wie Goethe in sp?tern Jahren erz?hlte, ihm und Schlosser entgegen. In demselben Augenblicke aber eilte ein Diener herbei, und reichte ihm eine grosse Per?cke, um sein kahles Haupt zu bedecken. Der Saumselige bekam jedoch eine t?chtige Ohrfeige, worauf Gottsched mit grosser Ruhe und Gleichg?ltigkeit die beiden Fremden zum Sitzen n?thigte und sich mit ihnen in ein Gespr?ch einliess, das meistens literarische Gegenst?nde betraf.
Die beliebtesten englischen Autoren sich zum Muster zu w?hlen, hielt Goethe f?r das wirksamste Mittel, um sich von dem seichten Geschmack Gottsched's und seiner Schule frei zu erhalten. Aber auch zu einem gr?ndlichen Studium der bessern deutschen Schriftsteller, die der Literatur eine neue Richtung gaben, ward Goethe durch den Umgang mit mehreren vielseitig gebildeten jungen M?nnern gef?hrt, zu denen, ausser einigen gebildeten Livl?ndern, ein Bruder des Dichters Zachari?, der nachherige Privatgelehrte Pfeil und der durch seine geographischen und genealogischen Compendien bekannte Schriftsteller Krebel geh?rten. Fleissig las Goethe in Lessings, Gleims, Hallers, Ramlers u. A. Schriften. Keiner dieser Dichter aber raubte ihm die Vorliebe f?r Wieland. Den Eindruck, den das Lehrgedicht "Muserion" damals auf ihn gemacht, schilderte er in sp?tern Jahren mit den Worten: "Hier, in diesem Gedicht war es, wo ich das Antike lebendig und neu vor mir zu sehen glaubte. Alles, was in Wielands Natur plastisch war, zeigte sich hier aufs Vollkommenste, und da der zu ungl?ckseliger N?chternheit verdammte Phanias-Timon sich zuletzt wieder mit seinem M?dchen und mit der Welt vers?hnte, so mochte ich die menschenfeindliche Epoche wohl mit ihm durchleben."
Ein fl?chtiges Interesse nahm Goethe an der lange dauernden liter?rischen Fehde, welche die Verschiedenheit religi?ser Meinungen zwischen den beiden Leipziger Professoren Ernesti und Crusius hervorrief. Jener ging bekanntlich in der biblischen Hermeneutik von allgemeinen philologischen Grunds?tzen aus, w?hrend Crusius zu einer mystischen Erkl?rungsweise der heiligen Schrift sich hinneigte. Lebhafter, als f?r diese theologische Polemik, interessirte sich Goethe, neben seiner Besch?ftigung mit der Dichtkunst und den sch?nen Wissenschaften, f?r die eifrigen Bem?hungen Jerusalems, Zollikofers, Spaldings und anderer ber?hmten Theologen, in Predigten und Abhandlungen der Religion und Moral aufrichtige Verehrer zu verschaffen. Zur?ckgeschreckt durch die barocke Schreibart der Juristen, bildete Goethe nach jenen Mustern, besonders nach Mendelssohn und Garve, seinen Styl.
Poetischen Stoff sammelte er auf einsamen Spazierg?ngen durch das Rosenthal, nach Gohlis und andern benachbarten Orten. Zu einer Idylle, auf die er noch in sp?tern Jahren einigen Werth legte, begeisterte ihn Annette, die Tochter eines Wirths, bei welchem er mit mehreren Freunden seinen Mittagstisch hatte. Ueber sein Liebesverh?ltniss entwarf Goethe in sp?tern Lebensjahren eine anziehende Schilderung in den Worten: "Ich war nach Menschenweise in meinen Namen verliebt, und schrieb ihn, wie junge Leute zu thun pflegen, ?berall an. Einst hatte ich ihn auch sehr sch?n und genau in die glatte Rinde eines Lindenbaums geschnitten. Den Herbst darauf, als meine Neigung zu Annetten in ihrer besten Bl?the war, gab ich mir die M?he, den ihrigen oben dar?ber zu schneiden. Indess hatte ich gegen Ende des Winters, als ein launischer Liebhaber, manche Gelegenheit vom Zaun gebrochen, sie zu qu?len und ihr Verdruss zu machen. Im Fr?hjahr besuchte ich zuf?llig die Stelle. Der Saft, der m?chtig in die B?ume trat, war durch die Einschnitte, die ihren Namen bezeichneten, und die noch nicht verharrscht waren, hervorgequollen, und benetzte mit unschuldigen Pflanzenthr?nen die schon hart gewordenen Z?ge des meinigen. Sie hier ?ber mich weinen zu sehen, der ich oft durch mein Benehmen ihre Thr?nen hervorgerufen hatte, versetzte mich in Best?rzung. In Erinnerung meines Unrechts und ihrer Liebe kamen mir selbst die Thr?nen in die Augen. Ich eilte, ihr Alles doppelt und dreifach abzubitten, und verwandelte jenes Ereigniss in eine Idylle, die ich niemals ohne R?hrung lesen oder Andern mittheilen konnte."
Aus der poetischen Gattung, zu der jenes Gedicht geh?rte, ward Goethe bald wieder auf die dramatische Dichtkunst hingewiesen durch den tiefen und bleibenden Eindruck, den Lessings Minna von Barnhelm auf ihn machte. Diess ganz eigentlich aus dem Leben gegriffene Lustspiel von ?chtem Nationalgehalt, lenkte seinen Blick zugleich auf die grossen Weltereignisse des siebenj?hrigen Krieges. Neben dem bedeutenden Stoff bewunderte er besonders die concise Behandlung. Ein solches Muster zu erreichen, traute er sich nicht zu. Schon sein beschr?nkter Umgang mit vielseitig gebildeten Personen verhinderte ihn daran. In den eignen Busen musste er greifen, wenn es ihm darum zu thun war, seinen Gedichten durch Empfindung oder Reflexion eine feste Basis zu geben. F?hlbar ward ihm wenigstens, dass er, um bei seinen poetischen Producten zu einer klaren Anschauung der einzelnen Gegenst?nde zu gelangen, aus dem Kreise, der ihn umgab und ihm ein Interesse einfl?sste, nicht heraustreten durfte. Solchen Ansichten verdankten mehrere lyrische Gedichte Goethe's, von denen sich jedoch nur wenige erhalten haben, ihre Entstehung. Goethe gab diesen Gedichten meistens die Form des Liedes, bisweilen auch ein freieres Versmass. Es waren weniger Produkte einer sehr lebhaften Phantasie, als des ruhigen Verstandes, wof?r schon die epigrammatische Wendung in einigen jener Gedichte zu sprechen schien. Unver?ndert blieb seinem Geiste die Richtung, Alles, was ihn erfreute, beunruhigte oder ?berhaupt in irgend einer Weise lebhaft besch?ftigte, in ein poetisches Gewand zu kleiden. Seine Natur, die leicht von einem Extrem in's andre geworfen ward, gelangte dadurch zu einer gewissen Ruhe.
Aus seinem, durch eigene Schuld, vorz?glich durch grundlose Eifersucht wieder aufgel?sten Lebensverh?ltniss sch?pfte Goethe die Idee zu seinem ersten dramatischen Werke. 1769 dichtete er sein Schauspiel: "die Laune des Verliebten", das er jedoch erst nach einer bedeutenden Reihe von Jahren dem Druck ?bergab. Seinem Inhalt nach war das St?ck dem sp?ter gedichteten Schauspiel: "Erwin und Elmire" ?hnlich, so wesentlich es sich von demselben durch die Form und Behandlungsart unterschied. Erhalten hat sich unter mehreren literarischen Entw?rfen aus jener Zeit nur der Anfang einer in Alexandrinern verfassten Uebersetzung von Corneille's Lustspiel: Le Menteur, unter dem Titel: "der L?gner", und ausserdem das Fragment eines in Briefen zwischen "Arianne und Wetty" geschriebenen Romans. Man findet diese Bruchst?cke in den neuerlich von A. Scholl herausgegebenen Briefen und Aufs?tzen Goethes aus den Jahren 1766-1786. Vollendet ward von Goethe nur das Lustspiel: "Die Mitschuldigen." Er bedauerte in sp?tern Jahren, dass er ?ber der ernsten Richtung in seinen ersten dramatischen Werken manchen heitern Stoff, den ihn das Studentenleben darbot, unbenutzt gelassen hatte. Seine Empfindungen legte er in einzelnen Liedern und Epigrammen nieder, die jedoch, nach seinem eignen Gest?ndnisse in sp?terer Zeit, zu subjectiv waren, um ausser ihn selbst, noch irgend Jemand zu interessiren.
Einen fr?hen Jugendeindruck erneuerte in Goethe Gellerts wiederholte und dringende Ermahnung an seine Zuh?rer, sich dem ?ffentlichen Gottesdienste und dem Genuss des heiligen Abendmahls nicht zu entziehen. Etwas Furchtbares hatte f?r Goethe von jeher die neutestamentliche Vorstellung gehabt: wer das Sakrament unw?rdig gen?sse, ?sse und tr?nke sich selbst den Tod. Von mannigfachen Gewissensscrupeln beunruhigt, hatte er sich der Abendmahlsfeier lange entzogen, und Gellerts Ermahnungen fielen ihm um so schwerer aufs Herz. Ueber die ernsten Betrachtungen, denen er sich eine Zeit lang ?berliess, siegte indess bald wieder angeborner Humor und jugendlicher Leichtsinn.
Einflussreich und belehrend durch seine vielseitigen Sprach- und Literaturkenntnisse ward f?r Goethe die Bekanntschaft mit dem Hofmeister eines jungen Grafen von Lindenau. Er hiess Behrisch, und war, nach Goethes eigner Schilderung, ungeachtet seines redlichen Charakters und seiner vielen l?blichen Eigenschaften, einer der gr?ssten Sonderlinge. Trotz der W?rde seines ?ussern Benehmens war er immer zu allerlei muthwilligen Possen aufgelegt. Durch seine sarkastischen Bemerkungen weckte er in Goethe den Hang zur Satyre. Zur besondern Zielscheibe seines Witzes w?hlte sich dieser den Professor Clodius, der die stylistischen Vorlesungen ?bernommen, welche Gellert, seiner Kr?nklichkeit wegen, hatte aufgeben m?ssen. Durch den Tadel eines Gedichts, mit welchem Goethe die Hochzeit eines Oheims in Frankfurt verherrlichen wollte, hatte Clodius seine Autoreitelkeit verletzt. Gemeinschaftlich mit seinem Freunde Behrisch r?chte sich Goethe durch lauten Spott ?ber die mittelm?ssigen Oden, mit denen Clodius mehrmals bei feierlichen Gelegenheiten hervorgetreten war. Die darin enthaltenen Kraftspr?che und Sentenzen benutzte Goethe zu einer Parodie. Es war ein an den damals sehr beliebten Conditor H?ndel gerichtetes Gedicht, welches zwar nicht gedruckt, doch bald in mehreren Abschriften verbreitet ward. Die Wirkung seiner Parodie verst?rkte Goethe noch durch einen satyrischen Prolog, den er bald nachher zu dem von Clodius geschriebenen Lustspiel: "Medon oder die Rache des Weisen" dichtete. Nach seiner eignen Schilderung in sp?tern Jahren hatte Goethe in jenem Prolog Harlekin mit zwei S?cken auftreten lassen, mit moralisch-?sthetischem Sande gef?llt, den die Schauspieler den Zuschauern in die Augen streuen sollten. Der eine Sack, ?usserte Harlekin, sei mit Wohlthaten gef?llt, die nichts kosteten, der andere mit allerlei hochtrabenden Sentenzen, hinter denen nichts stecke. Darum m?chten die Zuschauer ja die Augen zudr?cken u.s.w.
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