Read Ebook: Die Italienische Plastik by Bode Wilhelm
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Ebook has 395 lines and 54479 words, and 8 pages
Anmerkungen zur Transkription:
Im Original steht hier "altitalischen" anstatt "altitalienisch". Im Original steht hier "italischer" anstatt "italienischer". Im Original steht hier "s?ditalischen" anstatt "s?ditalienischen". Im Original steht hier "Eine" anstatt "eine". Im Original steht hier "Forsetzung" anstatt "Fortsetzung". Im Original steht hier "Ein" anstatt "ein". Im Original steht hier "Aller" anstatt "aller". Im Original steht hier "norditalischen" anstatt "norditalienischen". Im Original steht hier "Jahrzente" anstatt "Jahrzehnte". Im Original steht hier "s?ditalische" anstatt "s?ditalienische". Im Original steht hier "oberitalischen" anstatt "oberitalienischen". Im Original steht hier "Querzia" anstatt "Quercia". Im Original steht hier "Einem" anstatt "einem".
HANDB?CHER DER K?NIGLICHEN MUSEEN ZU BERLIN MIT ABBILDUNGEN
DIE ITALIENISCHE PLASTIK
VON
WILHELM BODE
MIT 86 ABBILDUNGEN IM TEXT
ZWEITE AUFLAGE
BERLIN W. SPEMANN 1893
Altchristliche Plastik .
Das Auftreten und der schliessliche Sieg des Christentums, welches die alte Welt zertr?mmerte und eine neue Kultur an seine Stelle setzte, hat zur Belebung der Kunst zun?chst nicht beigetragen. Die k?nstlerische Sch?pfungskraft war im westr?mischen Reiche zur Zeit Konstantin's schon v?llig erloschen; die Kunst, zumal die bildnerische, die recht eigentlich die Kunst der Antike gewesen war, zehrte von Traditionen, welche mehr und mehr verblassten; und in den immer roheren und empfindungsloseren, immer sp?rlicheren Nachbildungen verlor sich allm?hlich auch die handwerksm?ssige Fertigkeit. F?r den Bronzeguss fehlte es, von Werken der Kleinkunst abgesehen, an Ausdauer und technischem K?nnen, f?r die Ausf?hrung von Freifiguren ?berhaupt an k?nstlerischem Verm?gen; die bildnerische Th?tigkeit wurde daher bald auf das Relief beschr?nkt, und auch dieses wurde vorwiegend im Kleinen ausgef?hrt.
Die christliche Religion war schon an sich f?r die plastische Gestaltung ihrer Ideen und Personen wenig geeignet, sie war ihr auch durch ihren Zusammenhang mit dem mosaischen Gesetz abgeneigt; in Folge dessen wurde die Plastik von den grossen monumentalen Werken, welche die Anerkennung des Christentums als Staatsreligion notwendig machte, so gut wie ganz ausgeschlossen. Aber auch der greisenhafte Zustand der Zeit, das Fehlen jeder erfinderischen Kraft f?r die neuen k?nstlerischen Aufgaben, welche durch das Christentum und die christliche Staatskirche erwuchsen, machte ein Zur?ckgehen auf antike Vorbilder und teilweise selbst auf antike Motive, ja eine knechtische Entlehnung derselben notwendig. Selbst die Aufgaben blieben im Grunde die alten; man erf?llte sie nur mit neuem Geist.
In erster Linie steht, als Ausfluss des tiefgewurzelten altitalienisch Totenkultus, der Schmuck der Sarkophage; daneben die kleine Plastik, namentlich die Elfenbeinschnitzerei und der Schmuck der Lampen, die in den Katakomben eine reiche Verwendung zu heiligen Zwecken fanden. Bei der Ausf?hrung dieser Bildwerke schl?ssen sich die K?nstler den heidnischen Vorbildern unmittelbar an; Stil und Technik blieben dieselben, verloren aber schliesslich auch den letzten Zusammenhang mit der Natur. Zur Sch?pfung heiliger Typen, wie sie der neue Glaube erfordert h?tte, war eine solche Plastik nicht mehr bef?higt. F?r Christus und einige der vornehmsten Apostel, namentlich Petrus, hatte die historische Tradition in der vorausgegangenen Zeit die Vorbilder festgestellt; im ?brigen sind fast alle anderen Gestalten schemenhafte Nachbildungen heidnischer Vorbilder. Die Einzelfigur trat zur?ck; das erz?hlende Relief, von der Malerei abh?ngig und ein notd?rftiger Ersatz derselben, wurde fast ausschliesslich, wie in den Anf?ngen der Kunst, eine bildliche Erl?uterung des neuen Glaubens.
Diese aus sp?tr?mischer Tradition herausgewachsene und in r?mischer Form und Auffassungsweise in die Erscheinung tretende Kunst?bung, die als altchristliche Kunst bezeichnet wird, starb langsam ab unter den St?rmen der V?lkerwanderung, in denen das westr?mische Reich durch deutsche V?lkerschaften zertr?mmert wurde, die nicht im Stande waren, dauerhafte Zust?nde an die Stelle zu setzen.
Die romanische Epoche .
Nach den furchtbaren Verheerungen und Plagen, mit welchen Italien seit der Zertr?mmerung des westr?mischen Reiches in verst?rktem Masse heimgesucht wurde, war die Begr?ndung des Longobardenreiches eine erste, wenn auch nur schwache und kurze Erholung f?r das verw?stete, menschenleere Land. In solchen N?ten hatten die K?nste keine Pflege finden k?nnen, waren selbst die Keime erstickt, aus denen sich Neues h?tte entwickeln k?nnen. Aber auch nach der Aufrichtung des Longobardenreiches verging fast ein halbes Jahrtausend unter fortw?hrendem politischen Elend, bis in Italien der Boden f?r eine nationale Kunstentwickelung wieder bestellt war. Freilich war das Bed?rfnis zu k?nstlerischer Ausgestaltung und Ausschm?ckung der Umgebung, namentlich der Gottesh?user, selbst in dieser kunstarmen, unk?nstlerischen Zeit nicht erloschen; und wo h?here Anforderungen gestellt wurden, musste man sich an das Ausland wenden. Schon die ersten unter den Longobardenk?nigen zogen daher byzantinische K?nstler an ihren Hof, und sp?ter sehen wir wiederholt in den verschiedensten Teilen von Italien, namentlich in Venedig und S?ditalien, byzantinische K?nstler eine hervorragende Th?tigkeit entfalten. Regelm?ssig wiederholt sich dabei dieselbe Erscheinung: die Vorbilder, welche diese fremden K?nstler schufen, wurden barbarisch nachgeahmt, ohne dass sich daran eine eigenartige lebensf?hige Kunstth?tigkeit anzuschliessen im Stande war.
Alle diese Werke halten sich auf dem Niveau der Arbeiten von Steinmetzen, welche die Ornamente an den Kirchenbauten auszuf?hren gewohnt sind. Sie behandeln daher ihre Reliefs in der Komposition und in der Wiedergabe der menschlichen Gestalt genau wie ihre Ornamente: die Figuren sind ganz in der Fl?che gehalten und m?glichst zur Ausf?llung des Raumes benutzt, so dass der Grund ringsum ausgehoben erscheint und die Gestalten in der Regel mit den F?ssen den unteren, mit den K?pfen den oberen Rand ber?hren. In den Verh?ltnissen, in Bewegung und Ausdruck der Figuren noch v?llig kindlich und in der Ausf?hrung mehr oder weniger roh, konnten dennoch diese Arbeiten durch die Selbst?ndigkeit und die Naivet?t der Empfindung und durch den Ernst des Strebens den Grund zu einer wirklich k?nstlerischen Entwickelung der Plastik legen.
Niccolo Pisano und die Protorenaissance .
Der Bildhauer Niccolo di Piero, der sich nach seinem Geburtsort Pisano nennt, steht auf den Schultern jener ?lteren lombardisch-toskanischen Bildnerschule: speziell hat er in den Arbeiten an der Domfassade zu Lucca seine unmittelbaren Vorl?ufer. Dies gilt sowohl f?r die plastische Gestaltung wie f?r den geistigen Inhalt seiner Kunstwerke, w?hrend die dekorative, an byzantinischen Vorbildern grossgezogene Plastik S?ditaliens, mit der man den Niccolo hat in Verbindung bringen wollen, im vollen Gegensatze zu Niccolo's Kunst steht. Aber auch gegen?ber jener ?lteren Plastik, aus der er hervorgeht, erscheint der K?nstler recht eigentlich als Reformator. Niccolo Pisano ist kein Naturalist wie die Meister des Quattrocento; er steht den K?nstlern des Cinquecento weit n?her, denn sein h?chstes Streben ist klassische Sch?nheit, der er durch das Studium und gelegentlich selbst durch unmittelbare Nachbildung der Antike nahe zu kommen sucht. Freilich waren in Italien die antiken Reste schon fr?her, ja regelm?ssig im Mittelalter das Vorbild f?r die bildnerische Th?tigkeit gewesen; aber diese hatte aus eigenem Unverm?gen in halb unbewusster, sklavischer Weise die alten Vorbilder nachzuahmen gestrebt. Bei Niccolo Pisano ist der Anschluss an die Antike, deren Sch?nheit er zuerst wieder klar erfasste, ein v?llig bewusster; erw?hlt die Vorbilder aus den antiken Monumenten und bildet ihre Gewandung, ihre Technik nach, wie er sie f?r seine Zwecke verwenden zu k?nnen glaubt. Der Weg zum Verst?ndnis und zur Wiedergabe der Natur geht bei Niccolo durch die Antike; die Abh?ngigkeit von derselben verhindert ihn, sich zu wirklichem Naturverst?ndnis durchzuarbeiten; daher die Erscheinung, dass der K?nstler im ersten Ergreifen seiner Aufgabe am gr?ssten und freiesten erscheint, in seinen sp?teren Arbeiten zum Teil handwerksm?ssiger und manierierter wird. Verh?ngnisvoll war ihm in seinem Streben der Umstand, dass seine klassischen Vorbilder, zumeist Sarkophagreliefs, die heute noch im Campo Santo zu Pisa erhalten sind, schon der Zeit des tiefen Verfalls der antiken Kunst angeh?ren, dass sie handwerksm?ssige Nachbildungen aus dritter und vierter Hand nach schlecht verstandenen Originalen sind. Die Eigent?mlichkeiten dieser antiken Vorbilder finden sich daher auch bei Niccolo: das starke Hochrelief, die ?berf?llung der Kompositionen, die ungleichen Verh?ltnisse der Figuren unter einander wie die derbe, untersetzte Bildung derselben, die dicken gleichm?ssigen Stoffe der Gew?nder mit antikem Schnitt und der einf?rmige br?chige Faltenwurf, die starke Anwendung des Bohrers und die Vorliebe f?r das Stehenlassen der Bohrl?cher, namentlich in den Haaren. Mit jenen Vorbildern hat der K?nstler daf?r auch die Sch?nheit der Formen und die Gr?sse der Erscheinung gemein; seine Madonna ist eine thronende Juno, seine K?nige in der >>Anbetung<< erscheinen wie antike G?ttergestalten, sein Priester in der >>Darstellung im Tempel<< ist die Gestalt des indischen Bacchus, und unter den Tugenden finden wir, als St?rke, einen nackten Herkules. Je mehr sich der K?nstler der Antike n?hern kann, je direkter er aus ihr seine Gestalten entnimmt, desto gr?sser und t?chtiger erscheint er; je mehr sich dagegen das Motiv von der Antike entfernt, desto geringer sind regelm?ssig seine Leistungen. Dies zeigt sich namentlich in den Darstellungen der Passion Christi. In solchen Kompositionen macht sich auch der Mangel an dramatischem Sinn und die Leere in Ausdruck und Empfindung als Folge jenes engen Anschlusses an die Antike am st?rksten geltend.
Urkundlich begegnen wir Niccolo Pisano zuerst an der Kanzel im Baptisterium zu Pisa, die er 1260 vollendete; nach dem Charakter der Arbeit und dem Gange seiner sp?teren Besch?ftigung ist es aber sehr wahrscheinlich, dass die Skulpturen am Domportal in Lucca der Pisaner Kanzel vorausgehen, also etwa um die Mitte des Jahrhunderts entstanden. Am Architrav sind die Verk?ndigung, die Anbetung der Hirten und die K?nige aus dem Morgenlande vereinigt; Kompositionen so klar und ausdrucksvoll wie keines dieser Motive in seiner sp?teren Zeit wiederkehrt. Die Abnahme vom Kreuz im Tympanon ist in der Anordnung im Raum, in den Proportionen, in der grossen, teilweise selbst fein empfundenen Auffassung die bedeutendste Sch?pfung des Niccolo.
In der Kanzel zu Pisa f?llt diesen Arbeiten gegen?ber der engere Anschluss an die antiken Vorbilder in seinen Vorz?gen und Nachteilen ins Auge. Was ?ber den K?nstler im Allgemeinen gesagt ist, gilt f?r dieses sein Hauptwerk im Besonderen. Wenn ihm Mangel an Innerlichkeit in den einzelnen Darstellungen vorgeworfen werden muss und dadurch die Auffassung als eine wenig kirchliche erscheint, so ist daf?r die Kanzel in dem Zusammenhang der Darstellungen, in dem Ideengehalt ihres Bilderschmuckes um so mehr durchdacht, um so tiefer und gewaltiger. Das Evangelium von der Erl?sung ist der Grundgedanke, der in allen seinen Teilen hier zum ersten Mal v?llig klar durchgef?hrt ist, von den Verheissungen durch die Propheten an, dann in den einzelnen geschichtlichen Thatsachen bis zu den Wirkungen, die in den Gestalten der christlichen Tugenden verk?rpert sind und in den Tieren als Tr?ger der S?ulen und Lesepulte ihren symbolischen Ausdruck erhalten. Der Inhalt der Predigt, f?r welche die Kanzel geschaffen ist, ist wohl nie wieder so eindringlich der gl?ubigen Gemeinde bildnerisch zur Anschauung gebracht worden.
Der Kanzel in Pisa soll der Figurenschmuck am Marmorschrein des hl. Dominicus in S. Domenico zu Bologna gefolgt sein; die Reliefs mit Darstellungen aus dem Leben des Heiligen wurden bis 1267 fertig gestellt. Auf die Besichtigung aus der N?he berechnet, sind sie gleichm?ssiger, ja fast zu zierlich durchgef?hrt und gl?cklicher in den Verh?ltnissen; sie bleiben auch einfacher in der Auffassung, was wohl die Aufgabe von Darstellungen aus der Zeitgeschichte mit sich brachte. Niccolo stand bei der Arbeit ein junger Sch?ler, Fra Guglielmo, zur Seite; der abweichende Charakter der Bildwerke macht es sogar nicht unwahrscheinlich, dass Guglielmo dieselben allein ausf?hrte.
Noch vor Beendigung dieses Monuments ?bernahm Niccolo wieder die Ausf?hrung einer Kanzel: die f?r den Dom von Siena, welche er in der ausserordentlich kurzen Zeit zwischen dem M?rz 1266 und dem November 1268 fertigstellte. Als Geh?lfen Niccolo's werden Arnolfo, Lapo und Donato schon im Kontrakt namhaft gemacht und die Besch?ftigung seines noch nicht erwachsenen Sohnes Giovanni wurde ihm freigestellt. Der architektonische Aufbau wie der Ideengang in den Darstellungen bleibt im Wesentlichen der gleiche wie in Pisa; doch macht sich in diesen Kompositionen die ?berf?llung mit Figuren, der Mangel an Klarheit im Aufbau und eine ungleichm?ssigere Durcharbeitung empfindlich geltend, und es fehlt den Gestalten meist die klassische Gr?sse der Erscheinung, welche in jener ersten Kanzel so ?berraschend wirkt. Daf?r sind die K?pfe hier jedoch ausdrucksvoller, die Figuren richtiger in den Verh?ltnissen und naturwahrer, die Scenen lebendiger und bewegter als in Pisa.
Wenn hier schon der abweichende Charakter durch die verschiedenen Mitarbeiter Niccolo's wesentlich mit bedingt sein wird, so l?sst sich dies um so mehr f?r die letzte beglaubigte Arbeit des bejahrten K?nstlers, f?r die Skulpturen am grossen Brunnen in Perugia, annehmen, welche um 1280 unter Beih?lfe von Arnolfo und Giovanni Pisano vollendet wurden: am unteren Becken f?nfzig Tafeln mit Einzelgestalten und kleinen Kompositionen in ziemlich flachem Relief, am oberen Becken vierundzwanzig Statuetten der Sibyllen, Tugenden u. s. f.; zumeist ausgezeichnet durch gute Verh?ltnisse und saubere Arbeit, einzelne auch durch tiefere dramatische Auffassung. Diese besten Arbeiten lassen sich leicht als Werke Giovanni's erkennen.
Die Berliner Sammlung besitzt ein aus Pistoja stammendes Marmorrelief, das den Anspruch auf eine Arbeit des Niccolo erheben darf: zwei Engel, welche das Brustbild des Bischofs Beato Buonacorso von Pistoja in einem Tuche zwischen sich emporhalten ; urspr?nglich wohl die Unterseite eines Lesepultes, welches vielleicht w?hrend der Restauration eines Altars in Pistoja, die Niccolo 1272 ?bernahm, entstanden ist. Die vollen Gestalten, die Typen, die Faltenbildung, sogar so auffallende Eigent?mlichkeiten, wie die flatternden Zipfel des Tuches, stimmen mit den beglaubigten Arbeiten des K?nstlers, namentlich mit der Verk?ndigung an der Kanzel zu Pisa so sehr ?berein, dass wohl nur auf Niccolo als Urheber dieser Arbeit geschlossen werden kann.
Der enge Anschluss des Niccolo Pisano an die Antike sollte eine weitere Entwickelung der italienischen Plastik im Sinne der Renaissance erwarten lassen. Gerade das Gegenteil ist der Fall: schon seine Sch?ler wenden sich vom Studium der Antike ab, und sein eigener Sohn Giovanni schl?gt eine Richtung ein, welche von der des Vaters wesentlich verschieden ist. Sie beherrscht die italienische Plastik ein volles Jahrhundert; offenbar weil Niccolo's Nachahmung der Antike ohne tieferes Naturstudium eine ?usserliche blieb und einer tieferen Auffassung, wie sie die christlichen Stoffe verlangten, entbehrte.
Giovanni Pisano und die Kunst des Trecento .
Giovanni's Reliefstil ist der seines Vaters: das Hochrelief, welches der K?nstler noch weit malerischer behandelt als sein Vorg?nger; freilich unter Beeintr?chtigung der architektonischen Wirkung. Auch im Inhalt seiner Darstellungen folgt er im Wesentlichen dem Niccolo; nur in der Auffassung und Wiedergabe ist er grundverschieden von ihm.
Giovanni muss ein sehr fr?hreifes Talent gewesen sein, da sein Vater den etwa f?nfzehnj?hrigen J?ngling 1265 im Kontrakt ?ber die Kanzel f?r den Dom von Siena schon als Geh?lfen mit namhaft machen durfte; bei dem jugendlichen Alter k?nnen wir hier aber die Beth?tigung einer eigenartigen Richtung bei der Arbeit nicht annehmen. Anders ist dies bei der Ausf?hrung des Brunnens in Perugia, bei welcher Giovanni 1278 neben dem Vater besch?ftigt war. Hier l?sst sich eine Reihe der Bildwerke, namentlich verschiedene weibliche Gestalten durch die K?hnheit der Bewegung, den Ernst des Ausdrucks und die malerische Gewandbehandlung unschwer als Arbeiten Giovanni's herauserkennen, der dieselben mit besonderer Sorgfalt ausf?hrte. Als Jugendarbeit Giovanni's darf wohl auch das ihm in S. Giovanni fuorcivitas zu Pistoja zugeschriebene Weihwasserbecken gelten, an dem die Gestalten der Tugenden noch ganz die Grossartigkeit der Formen und Haltung haben, die Niccolo eigent?mlich ist. Im Jahre 1278 wurde Giovanni zum Bau des Campo Santo nach Pisa gerufen; damals entstanden wohl die gross empfundenen Madonnenstatuen, von denen die eine ?ber einem Portal des Baptisteriums; die andere, eine Halbfigur, jetzt im Campo Santo steht. Wieder neue architektonische Aufgaben zogen den K?nstler von Pisa nach Siena, wo er als Dombaumeister zwischen den Jahren 1290 bis 1295 erw?hnt wird. Hier gehen die alten Figuren an der Fassade teilweise noch auf Giovanni zur?ck, sind aber, mit Ausnahme der grossartigen Gestalt einer Sibylle an der Ecke des Seitenschiffs, derbe und selbst rohe Arbeiten seiner Werkstatt.
Von Siena scheint der K?nstler sich nach Pistoja gewandt zu haben, wo er 1301 die Kanzel in S. Andrea vollendete. Sie bezeichnet den H?hepunkt von Giovanni's Kunst; was zur Charakteristik derselben im Allgemeinen gesagt ist, gilt daher ganz besonders von diesem Werke: die Kompositionen sind von ausserordentlich dramatischer Gewalt, die Einzelfiguren, namentlich die Gestalten der Sibyllen, erscheinen in der die innere Begeisterung aussprechenden Bewegung als Vorahnung der Sibyllen Michelangelo's an der Decke der Sixtina. Gleich nach Vollendung dieser Kanzel erhielt Giovanni den Auftrag auf eine ?hnliche, noch reichere Kanzel f?r seine Heimatstadt, deren einzelne Teile jetzt im Dom und im Campo Santo zerstreut aufgestellt sind; sie wurde erst 1311 vollendet. Den Bildwerken der Kanzel in S. Andrea nahe verwandt, sind hier die Reliefs und Freifiguren wom?glich noch dramatischer und bewegter, noch mannigfaltiger in den Motiven, st?rker in den Verk?rzungen und reicher in genrehaften Nebenbeziehungen, aber auch noch fl?chtiger in der Ausf?hrung und willk?rlicher in den Proportionen. Der architektonische Aufbau wird stark beeintr?chtigt durch die grossen tragenden Figuren, deren Sockel zum Teil wieder mit Statuen geschm?ckt sind.
Von dieser Kanzel in Pisa stammt ein kleines Lesepult im Berliner Museum , das an der Unterseite zwei Engel mit dem Brustbild Christi zwischen sich tr?gt; eine charakteristische Arbeit in der Art der ?brigen Reliefs an der Pisaner Kanzel. Ein zweites Werk des K?nstlers in der Berliner Sammlung, die Marmorstatuette der Madonna , scheint zur Zeit, als er an der Kanzel in Pistoja arbeitete, gemeisselt zu sein. Wenigstens zeigt sie die n?chste Verwandtschaft zu der Silberstatuette im Dom zu Prato, deren Entstehung auf die Zeit seiner Th?tigkeit hier als Architekt im Jahre 1300 zur?ckgef?hrt wird. Im Berliner Privatbesitz befinden sich ausserdem ein Paar ebenso wertvolle Bruchst?cke einer anscheinend f?r Florenz gearbeiteten Kanzel: zwei sitzende Sibyllen, deren schlichtere Haltung und grosse Gewandbehandlung die Entstehung jener Kanzel noch vor die Kanzel in Pistoja verweist.
Giovanni Pisano gilt mit vollem Recht als der einflussreichste K?nstler seiner Zeit: er ist der wahre Lehrer von Giotto; seine Stellung zur plastischen Kunst des Trecento, zur italienischen Gotik, entspricht der Stellung Donatello's zum Quattrocento und der Michelangelo's zum Cinquecento und Barock. Mit beiden z?hlt er zu den bahnbrechenden Meistern auf dem Gebiete der bildnerischen Kunst in Italien.
Trotz dieser ausserordentlichen Wirkung der Kunst des Giovanni hat derselbe keine treuen Nachfolger seiner eigenen Richtung gehabt; denn die dekorativen Skulpturen an der Madonna della Spina in Pisa , am Dom zu Siena u. s. f., welche noch ganz den Charakter des K?nstlers tragen, sind in seiner Werkstatt ausgef?hrt. Die Kunst des Giovanni war eine zu subjektive, um einen Nachfolger in derselben Richtung zu gestatten; die Nachahmung h?tte hier, wie manche Arbeiten der Werkstatt beweisen, zur ?rgsten Manier und Roheit f?hren m?ssen. Es war daher von besonderem Gl?ck f?r die Entwickelung der italienischen Kunst, dass ein so verschieden und eigenartig veranlagtes Genie, wie das des Malers Giotto, die Erbschaft des grossen Pisaner Bildhauers antrat. Giotto ist auch f?r die Plastik der Vermittler zwischen Giovanni Pisano und der Fr?hrenaissance. Von seinem allgemeinen Einfluss als Maler abgesehen, hat er in seinen Entw?rfen zu den Reliefs an dem von ihm begonnenen Bau des Campanile in Florenz auch unmittelbar in die bildnerische Kunst eingegriffen; ja angeblich hat er auch selbst bei der Ausf?hrung desselben mit Hand angelegt. Gegen?ber der ungez?gelten Gewalt seines Vorg?ngers macht sich bei ihm ein m?ssigender, ausgleichender Einfluss, ein Streben nach abgeschlossener Komposition, nach tiefer, aber gehaltener Empfindung in Ausdruck und Bewegung, nach schlichter Wiedergabe der Natur recht deutlich geltend.
Die sienische Plastik des Trecento hat die hervorragenden Eigent?mlichkeiten mit der sienischen Malerei gemein, zeigt aber gerade die Schw?chen der letzteren in besonders starkem Masse. Da den Bildwerken die malerische Wirkung der Gem?lde durch den gl?nzenden, zierlich gearbeiteten Goldgrund, zumal bei ihrer jetzigen Farblosigkeit, abgeht, so machen sich hier der Mangel an Gr?sse der Auffassung wie an Monumentalit?t in Aufbau und Anordnung, die eigent?mliche Breite und Redseligkeit in der Erz?hlung der Reliefs, die weiche, knochenlose Wiedergabe der menschlichen Gestalt meist in st?render Weise geltend und lassen die gem?tvolle, weiche Empfindung und die saubere Ausf?hrung als Gemeingut so vieler sienischen Kunstwerke nur selten oder doch nicht voll zur Geltung kommen.
F?r den Einfluss franz?sischer Gotik, der sich in diesen Monumenten S?ditaliens unter der Herrschaft der Anjou gelegentlich geltend macht, sind ein Paar Marmorstatuetten der Berliner Sammlung, die aus Neapel stammen , charakteristische Beispiele. Von ungew?hnlich feiner Empfindung, erscheinen sie den Leidtragenden an gleichzeitigen franz?sischen und burgundischen Sarkophagen in Ausdruck, Haltung und selbst in der Tracht nahe verwandt. Wie lange sich hier im S?den, namentlich in Sicilien und Calabrien, diese Mischung franz?sischer und Pisaner Gotik erh?lt, daf?r ist die reich bemalte Alabasterfigur der Madonna ein charakteristisches Beispiel; sie kann nach den Ornamenten wie nach der Behandlung kaum vor 1500 entstanden sein.
Die reiche Arca di S. Agostino im Dom zu Pavia und andere einfachere Monumente in den lombardischen St?dten zeigen den unter der Einwirkung solcher Pisaner Vorbilder allm?hlich entwickelten Stil der lombardischen Plastik der zweiten H?lfte des Trecento, der mehr durch Sauberkeit der Arbeit und Schlichtheit der Auffassung als durch Gr?sse oder feine Belebung sich auszeichnet. Wie weit die franz?sische Kunst schon ein Jahrhundert fr?her dieser Kunst ?berlegen war, beweist der ber?hmte Bronzeleuchter des Mail?nder Domes, das Beutest?ck eines Trivulzio in einem Kriege gegen Frankreich.
In Venedig nahm, wie die Baukunst, so auch die Plastik im Laufe des Trecento eine ganz neue und eigenartige Entwickelung. Zur Erkl?rung dieser Erscheinung l?sst Vasari sowohl den Niccolo wie den Giovanni Pisano in Venedig th?tig sein. F?r Niccolo ist dies mehr als unwahrscheinlich; auch ein Aufenthalt Giovanni's ist uns in Venedig selbst nicht bezeugt, wohl aber in dem benachbarten Padua, wo Giovanni mit Giotto zusammen an der Ausschm?ckung der Madonna dell' Arena besch?ftigt war . Dass also die bildnerische Kunst in Venedig direkt und indirekt durch die Pisaner Meister beeinflusst und belebt worden, erscheint zweifellos; aber gerade der Umstand, dass keiner der Pisaner K?nstler hier selbst th?tig war, hat in Venedig einer selbst?ndigeren Entwickelung der Plastik im Trecento Vorschub geleistet, welche der gleichzeitigen Malerei wesentlich ?berlegen ist.
Die Fr?hrenaissance .
Wenn derart das Innere der Kirchen zu einer Ruhmeshalle pers?nlichen und nationalen Stolzes wird, so sind die Aussenseiten nicht selten der Platz f?r den Wetteifer individueller Meisterschaft unter den Bildhauern des Quattrocento geworden: die W?nde von Or San Michele und des Campanile wie die Fassade des Domes in Florenz sind die klassischen Beispiele daf?r; sie galten schon dem Cinquecento gewissermassen als Sammelpl?tze der Meisterschaft der vorausgegangenen grossen Zeit.
Das h?ufigste und f?r vornehmere Aufgaben bevorzugte Material ist nach wie vor der Marmor. Die seit der Zeit des Niccolo Pisano stark ausgebeuteten Br?che von Carrara lieferten eine F?lle des sch?nsten Marmors, dessen kalter F?rbung die italienischen K?nstler einen warmen gelblichen Ton zu geben verstanden. Der Marmor wurde als solcher zur Erscheinung gebracht; nur einzelne Ornamente an den Gew?ndern, die Heiligenscheine und Haare wurden noch vergoldet und der Hintergrund des Reliefs, falls er nicht ein landschaftlicher oder architektonischer war, erhielt regelm?ssig eine graublaue Farbe; reichere Bemalung des Marmors kommt nur ausnahmsweise und zu dekorativen Zwecken vor. F?r die in Verbindung mit der Architektur arbeitende Plastik wird der Marmor h?ufig durch billigeren Stein ersetzt: im Venezianischen und im Herzogtum Urbino durch den feinen italienischen Kalkstein , in Florenz durch den feink?rnigen gr?nlichgrauen Sandstein aus der Umgebung von Florenz .
Die Bearbeitung des Marmors, wie im Allgemeinen auch der als Ersatz daf?r eintretenden geringeren Steinarten geschah fast ausschliesslich durch verschiedenartige Meissel. Der Bohrer wurde zwar daneben angewendet, aber man verstand noch nicht, wie im Altertum, denselben auch lang zu f?hren; um z. B. eine tiefe Falte zu machen, setzte man ein Bohrloch neben das andere und meisselte dann die kleinen Zwischenw?nde fort . Durch diese verschiedene Behandlungsweise lassen sich die Arbeiten der Antike und des Quattrocento im Zweifelfalle meist unschwer auseinander halten. Die Bearbeitung des feinen Kalksteins konnte, bei der grossen Dichtigkeit und Weichheit desselben, wenn er frisch gebrochen war, in einem vorgeschrittenen Stadium der Arbeit mit Messern oder messerartigen Instrumenten erfolgen, wodurch eine ausserordentliche Sch?rfe der Ausf?hrung m?glich wurde . Die Politur, welche die Marmorbildwerke regelm?ssig erhielten, war lange nicht so stark wie im Trecento oder im sp?ten Altertum, sie wurde aber in der Wirkung verst?rkt durch die T?nung, welche der Marmor zum Schluss erhielt.
Alle diese Thonbildwerke wurden regelm?ssig bemalt; selbst die meisten Modelle und Skizzen, da dieselben wegen ihres k?nstlerischen Wertes in den Ateliers aufbewahrt oder an andere K?nstler vergeben wurden, die Naturfarbe des gebrannten Thons aber dem Farbensinn der Zeit widerstrebte. Ausgef?hrt wurde die Bemalung in Wasserfarben, und zwar ganz naturalistisch, wie bei einem Gem?lde. Die Farben wurden meist nicht direkt auf den Thon aufgetragen, sondern man ?berzog denselben vorher, wie die Tafel bei Gem?lden, mit einer d?nnen Kreideschicht, weil auf dieser Farben und Vergoldung besser haften. Da manche dieser Bildwerke, wie Strassentabernakel, L?netten, Friese u. a., zur Aufstellung in freier Luft bestimmt waren, so gab man den Farben zum Widerstande gegen die Witterung einen Lack?berzug, wie er z. B. noch bei dem Madonnenrelief erhalten ist. Ein solcher ?berzug konnte jedoch nur kurze Zeit dem Einfl?sse von Wasser und Sonne widerstehen; daher kam Luca della Robbia auf den Gedanken, seine Thonskulpturen in derselben Art wie die Thongef?sse mit einer Glasur zu ?berziehen. Seine Versuche hatten den besten Erfolg und fanden allgemeinsten Beifall, so dass sich eine Industrie daran ankn?pfte, welche ein Jahrhundert lang in der Familie dieses K?nstlers durch verschiedene Generationen ausge?bt wurde. Florenz und der von Florenz abh?ngige Teil Mittelitaliens verdankt derselben eine ausserordentlich grosse Zahl von Alt?ren, Tabernakeln, L?netten, Wappen, Friesen, ausnahmsweise auch Freifiguren, Taufbecken u. s. f., die meist noch an Ort und Stelle erhalten sind. Das Thonmodell wurde leicht gebrannt , dann bemalt und nach ?berzug mit einer Emailschicht zum zweiten Mal ins Feuer gebracht. Die Bemalung war entweder ganz farbig; dann waren die Farben auf weiss, blau, gr?n, gelb, violett und schwarz beschr?nkt; oder die Figuren wurden, in Nachahmung des Marmors, weiss gelassen; dann erhielt nur der Hintergrund bei Reliefs einen blauen Ton und die Ornamente, Heiligenscheine und Muster wurden vielfach vergoldet. Die Einrahmung besteht meist aus plastischen, farbig gehaltenen Frucht- oder Blumenkr?nzen von stilvoller Anordnung, aber feinster naturalistischer Durchf?hrung.
Die neue Zeit tritt nur langsam und vielfach sch?chtern ins Leben; selbst der Meister, der ihr recht eigentlich zu ihrem Rechte verholfen hat, selbst Donatello macht sich doch nur sehr allm?hlich von den Gewohnheiten los, in denen er gross gezogen war. Aber auch, als er schon frei und r?cksichtslos die neuen Wege ging, die er sich selbst gebahnt hatte, wirkten die Traditionen des Trecento doch in anderen K?nstlern, selbst in Florenz, noch Jahrzehnte lang nach.
F?r Ghiberti's Stellung zwischen der Kunst des Trecento und des Quattrocento, welche ihn mehr als den Abschluss des ersteren wie als Vorl?ufer oder gar als Bahnbrecher der letzteren erscheinen l?sst, ist es charakteristisch, dass er fast gar keinen Einfluss auf die Entwickelung der Kunst in Florenz gehabt, dass er trotz zahlreicher Mitarbeiter keine Schule gemacht hat. Selbst sein Sohn Vittorio, bis zu des Vaters Tode dessen Mitarbeiter, geht in den selbst?ndigen Werken seine eigenen Wege.
Neben Ghiberti hat eine kleine Gruppe von gleichzeitigen florentiner Bildhauern, die ihrem Namen nach meist noch unbekannt sind, in ihrer Stellung zwischen der ?lteren und der neuen Zeit eine verwandte, eigene Bedeutung. W?hrend sie dem Ghiberti an Phantasie und sch?pferischem Talent weit nachstehen, in der naturalistischen Durchbildung oft noch hinter ihm zur?ckbleiben und in ihrer Ornamentik an den ?berlieferten gotischen Formen festhalten, die sie in barocker Weise ausbilden, zeigen sie doch gerade in der Auffassung einen modernen naturalistischen Zug, der Ghiberti noch abgeht. Ihre einfachen Kompositionen oder Einzelfiguren sind durch Naivet?t und Nat?rlichkeit der Empfindung ausgezeichnet; namentlich in der Madonna, die ausserordentlich h?ufig von ihnen dargestellt ist, bringen sie das rein menschliche Verh?ltnis von Mutter und Kind mit eben so viel Einfachheit wie Zartheit der Empfindung zum Ausdruck. Mit ihrer Auffassungsweise sind sie offenbar der Anschauung des Volkes entgegengekommen; dies beweist schon der Umstand, dass sie regelm?ssig den billigen Thon zur Ausf?hrung ihrer Werke w?hlen, und dass gerade durch ihre Arbeiten sich als h?uslicher Andachtsgegenstand der Florentiner das Madonnenrelief, an Stelle des Madonnenbildes im Trecento, einb?rgert. In diesen Madonnenreliefs, die, in bemaltem Thon oder Stuck ausgef?hrt, auch dem wenig bemittelten B?rger zug?nglich waren, sind die h?uslichen B?rgertugenden des Florentiners dieser Zeit: Keuschheit und Liebe zwischen Eltern und Kindern, in der edelsten Weise verkl?rt zum Ausdruck gebracht.
W?hrend die Berliner Sammlung von Ghiberti, der ausserhalb Toskana ?berhaupt fehlt, und von den vorher genannten K?nstlern keine Werke aufzuweisen hat, sind diese florentiner >>Thonbildner<< besonders reich und gut vertreten, so dass sich die verschiedenen K?nstler dieser Gruppe nirgends besser als in Berlin in ihrer Eigenart unterscheiden lassen.
Die Richtung dieses Meisters hat mit der des Quercia in Siena manche Verwandtschaft, weshalb dieser auch gew?hnlich als der Urheber der hier in Frage kommenden Thonwerke gilt. Aber neben dem Meister der Pellegrinikapelle sehen wir noch verschiedene florentiner Bildner dieselbe Richtung verfolgen, und zwar meist freier und naturalistischer. Von eigenartiger Gr?sse in der Erfindung erscheint ein K?nstler, dem die Maria mit dem schlafenden Kinde angeh?rt. ?hnlich gross empfunden ist die Maria, welche das nackte, vor ihr stehende Kind kitzelt . Einem anderen Meister geh?ren ein Paar grosse Madonnenkompositionen, denen besonders zarte Empfindung und reiche Gewandung eigent?mlich ist . Besonders h?ufig als Stuckreliefs verbreitet sind verschiedene unter sich nahe verwandte Madonnen, in denen sich das Kind z?rtlich an die Mutter anschmiegt; alle, wie das nebenstehend abgebildete Relief , ausgezeichnet durch die gl?ckliche Gruppierung von Mutter und Kind, das innige, rein menschliche Verh?ltnis zwischen beiden und die einfache, volle Faltengebung; nur in der Ausf?hrung der Extremit?en, namentlich der H?nde, verr?t sich noch ein naturalistisch nicht zu voller Freiheit durchgebildeter K?nstler.
Donatello hatte das Gl?ck, von vornherein zu monumentalen Aufgaben herangezogen zu werden. Erst zwanzig Jahre alt, erhielt er im Jahre 1406 den Auftrag, zwei kleine Marmorstatuen jugendlicher Propheten f?r das Nordportal des Domes zu fertigen; nachdem er die Probe mit Gl?ck bestanden hatte, wurde er zu den grossen Aufgaben der Dombauh?tte, und bald darauf auch zu der ?hnlichen Aufgabe der Ausschm?ckung von Or San Michele herangezogen. Als er 1408 die Prophetenstatuetten ablieferte, erhielt er den Auftrag zu der Marmorstatue des David , und noch in demselben Jahre wurde die Kolossalstatue des sitzenden Johannes f?r die Fassade bei ihm bestellt . Die Vollendung dieser Figur zog sich durch neue und bedeutende Auftr?ge in die L?nge: 1412 arbeitete der K?nstler gleichfalls f?r den Dom, die Statue des Josua ; schon einige Jahre fr?her entstand der in Holz geschnitzte Crucifixus in Sa. Croce, und bis zum Jahre 1416 vollendete der K?nstler drei grosse Marmorstatuen f?r die Nischen von Or San Michele: Petrus , Markus und zuletzt den ber?hmten Georg. Kaum hatte Donatello diese Arbeiten abgeliefert, so erfolgte wieder von Seiten der Dom-Opera ein neuer ?hnlicher Auftrag: die Statuen f?r die Nischen des Campanile. Im Jahre 1416 wurde die Johannesstatue in Auftrag gegeben, dann der Prophet Habakuk, der Jeremias und K?nig David; und gleichzeitig schuf der K?nstler gemeinsam mit dem von ihm abh?ngigen Giovanni Rosso den Abraham mit Isaak und den Josua . Daneben gehen Werke her, f?r welche die Besteller nicht mehr bekannt sind: wie die Marmorstatuen des jugendlichen Johannes im Bargello und die j?ngere und vollendetere in Casa Martelli, und die Bronzestatue des hl. Ludwig innen ?ber dem Hauptportal von Sa. Croce.
In dieser ansehnlichen Zahl meist kolossaler statuarischer Arbeiten, die einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten ausf?llen, liegt eine reiche Entwickelung des K?nstlers beschlossen. In der fr?hesten Zeit, welche die Kolossalfigur des Evangelisten Johannes und der hl. Georg am gl?nzendsten vertreten, ist das Streben nach Formensch?nheit vorwaltend: sch?ne regelm?ssige Z?ge, vornehme ruhige Haltung und einfache grosse Motive der Faltengebung kennzeichnen alle diese Gestalten, deren inneres Leben verhalten erscheint, wie unter der Asche glimmende Kohlen. Mit den Statuen f?r den Campanile beginnt das Streben nach individueller Belebung, die im >>Zuccone<< am weitesten getrieben ist; die Figuren werden f?r den hohen Platz perspektivisch gearbeitet; die K?pfe sind Bildnisse von Zeitgenossen, in ungeschminkter Wahrheit wiedergegeben; die Gewandung zeigt tiefe Falten von malerischer Wirkung und f?r die Haltung ist ein Heraustreten aus jener verhaltenen Ruhe der fr?heren Zeit charakteristisch; f?r einzelne Figuren ist diese Bewegung sogar ein ausgesprochenes Ausschreiten, wodurch der K?nstler zur Freistellung der Beine gelangt. Der allm?hliche Fortschritt im Verst?ndnis der Natur zeigt sich in der feineren Belebung und individuelleren Durchbildung des K?rpers, in der Bekundung anatomischer Studien, in der Durchbildung der Extremit?ten und in der Betonung der Gelenke.
Die Berliner Sammlung besitzt eine Bronzefigur in halber Lebensgr?sse, den T?ufer im Mannesalter darstellend , die in Haltung, Gewandung und Durchbildung ein charakteristisches gutes Beispiel von Donatello's Statuen dieser letzgenannten Gruppe ist. In der That l?sst sich ihre Entstehung mit Wahrscheinlichkeit in das Jahr 1423 setzen.
In jenem Himmelfahrtsrelief und gleichzeitig in dem ber?hmten Bronzerelief mit dem Tanz der Salome an Quercia's Taufbrunnen in San Giovanni zu Siena hatte Donatello zuerst sein ausserordentliches Talent f?r die Komposition figurenreicher Darstellungen in Anordnung, Perspektive, Reliefstil und vor Allem in der dramatischen Belebung des Motivs zeigen k?nnen. Auch sind diese Arbeiten wie verschiedene nach ihrer Verwandtschaft der gleichen Zeit einzureihende Monumente ausgezeichnet durch ungew?hnlichen Sch?nheitssinn in den Typen wie in der Haltung und Gewandung, der sich mit einem hohen Ernste paart. Das Berliner Museum besitzt verschiedene Arbeiten, welche die charakteristischen Merkmale dieser Zeit tragen, vorwiegend Madonnenreliefs. Eigenh?ndig ist, nach der meisterhaften Behandlung, das grosse Marmorrelief der Madonna aus Casa Pazzi , wohl die fr?heste dieser Arbeiten. Ein zweites Marmorrelief , aus Palazzo Orlandini, zeigt dagegen in der Ausf?hrung die Hand eines Sch?lers. Dasselbe gilt von einem Thonrelief , der Nachbildung eines Sch?lers nach einer verschollenen, auch in Plaketten erhaltenen Komposition Donatello's aus dieser Zeit. Wichtiger noch ist ein Marmorrelief der St?upung Christi , das in der Komposition eine Vorahnung des bekannten Fresko von Sebastiano del Piombo ist und in der Behandlung des Nackten schon Michelangelo nahekommt.
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