Read Ebook: Briefe an eine Freundin by Humboldt Wilhelm Von
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Ebook has 482 lines and 113940 words, and 10 pages
WILHELM VON HUMBOLDT
BRIEFE AN EINE FREUNDIN
HERAUSGEGEBEN VON DR. HUHNH?USER
BERLIN 1921 VOLKSVERBAND DER B?CHERFREUNDE
WEGWEISER-VERLAG G. M. B. H.
Vorbericht von Charlotte Diede.
Die Briefe, welche hier erscheinen, werden gewiss als eine willkommene Zugabe zu den gesammelten Werken Wilhelm von Humboldts empfangen werden. Oft ist der Wunsch ausgesprochen, dass, ausser den gelehrten Schriften, die man allein und getrennt von denen w?nschte, die nicht in dieses Fach geh?ren, noch mehr Ungedrucktes, besonders Briefe, erscheinen m?chten. Die hier vorliegenden fallen in die Jahre von 1788 bis 1835. Jahre waren n?tig, bis die Herausgeberin den Entschluss fassen und festhalten konnte, von dem, was ihr verborgenes Heiligtum war, etwas durch den Druck mitzuteilen. Endlich ?berzeugte sie sich, dass das nicht untergehen darf, was wesentlich zur Charakteristik eines wahrhaft grossen Mannes geh?rt.
Was Wilhelm von Humboldt in bewegter, geschichtlich-wichtiger Zeit dem Staat war; was er voll hoher Humanit?t und edler Freisinnigkeit den V?lkern, der Menschheit leistete; was er f?r Wissenschaft und Gelehrsamkeit erforschte, bewahrt die Geschichte und verzeichnet ihr Griffel auf unverg?ngliche Tafeln. Aber in dem unersch?pflichen Reichtum der Gedanken, der Tiefe der Empfindung, der Mannigfaltigkeit, H?he und Reinheit der Ideen, worin der Verewigte lebte, waltete vor allem - wie der edle Bruder sich ausdr?ckt - >>das herrliche Gem?t, die Seele voll Hochsinn und Adel<<, die ihn belebte. Und wer kleidete seine Gesinnungen in eine so kraftvolle und w?rdige Sprache! Doch ist diese, wie sch?n sie auch war, nur die ?ussere Schale und H?lle des hohen Geistes. Die ihm inwohnende Seele war: ein ganz uneigenn?tziger, sich immer selbst verleugnender, starker, ganz selbstloser Wille; mit diesem verband sich der tiefe Sinn, der heilige Ernst, der der Wahrheit entstammt, die Macht der ?berzeugung, die liebevollste Schonung, die Milde im Urteilen, und der unendliche Zauber der zartesten Empfindung, der alles umfasste.
Alles das spricht sich hinreissend in diesen Briefen an eine Freundin aus, die nach dem Ableben derselben f?r den Druck hinterlassen worden. Ausserdem, dass sie den Verfasser verkl?ren, k?nnte in der Herausgabe noch ein anderer, h?her belohnender Zweck erkannt werden: die Briefe wirkten sehr wohlt?tig einst bei jedem Empfange. Sie waren an eine vom Gl?ck vergessene Freundin geschrieben, f?r sie gedacht und empfunden, dieser sollten sie segensvoll werden, und sie erreichten ihren Zweck. Sie k?nnen nur so auf die Leser wirken, f?r welche sie ausgew?hlt sind. Bleibt ja von grossen Menschen ihr Geist, oder was aus ihm hervorging, fortwirkend der Nachwelt, wenn er gleich selbst die Welt verlassen hat.
Die Briefe sind nicht f?r jedermann, wie das kein Buch ist. Aber es sind, f?r die rechten Leser und Leserinnen, reiche mannigfache Gaben, die allerdings immer auf einen Gegenstand sich bezogen, wo sie voll Verehrung und Dankbarkeit empfangen wurden. Sie ber?hrten das Aussenleben nur, um einen Ankn?pfungspunkt f?r Ideen daraus zu nehmen. Sie gingen hervor aus einem unersch?pflichen Quell inneren, geistigen Reichtums. Der eigene Stoff, der nie von aussen genommen, nie ausgehen konnte, belebte alles.
Wie viel aus einem solchen, das innere Leben vertrauungsvoll ber?hrenden Briefe ausgeschaltet werden muss, wie nicht die H?lfte bleiben kann, auch vieles durch Mitteilung entweiht werden w?rde, darf kaum angedeutet werden. Zugleich ist anderes wieder in dem Sch?nen und selbst Lobenden so charakteristisch, spricht den inneren Gem?tsreichtum und die F?lle des g?tigsten, gerechtesten Herzens so hinreissend aus, dass es denen nicht entzogen werden darf, die jede Erinnerung der Art gewiss heilig verehren. Dass alle diese die hier erscheinenden Briefe wie eine zwiefache Stimme aus einer unsichtbaren Welt, wie ein doppeltes Verm?chtnis ansehen, ist mein Wunsch. Zuerst die teuern Hinterbliebenen des Verfassers, dann die grosse Zahl seiner Verehrer und Freunde, in deren Herzen gewiss nie sein Bild erl?schen wird, da ihm die Stelle darin durch Liebe und Ehrfurcht geweiht ist. Demn?chst sind sie ein Verm?chtnis f?r den engen Kreis der Freunde der Herausgeberin, welche alle Papiere sorgf?ltig gesammelt, bewahrt, geordnet und treu-gewissenhaft ausgew?hlt hat. Jeder, der das Gl?ck hatte, dem Vollendeten n?her zu stehen und den er w?rdigte, ihm das Innere seiner hohen Seele aufzuschliessen, wird ihn in den Briefen, in dem Gange seiner Ideen und den ?fteren Selbstzeichnungen wiederfinden.
Manches bedarf, nur um nicht ganz unverst?ndlich zu sein, einer Erkl?rung, wozu ich mich ungern entschliesse. Welche Frau, geehrt und begl?ckt durch Wilhelm von Humboldts Teilnahme und Freundschaft, gew?rdigt vielj?hriger, vertrauungsvoller Briefe und im Besitz so vieler geistreicher Bl?tter, k?nnte den Mut haben, ihre Ansichten und ihr Geschreibe neben das zu stellen, was aus seiner Feder floss! Ihn allein reden zu lassen ist geziemend und nat?rlich. Die Briefe selbst sind es und sie allein, worauf es ankommt, und welche Tendenz der Briefwechsel haben sollte, geht klar daraus hervor.
?ber den Beginn desselben m?chte einige Nachricht dem einen und andern interessant sein. Kurz und einfach will ich sie geben.
Es war die letzte Epoche einer sch?nen, bl?ten- und hoffnungsreichen, poetischen Zeit, worin ein Teil der Jugend ideal und begeistert lebte, w?hrend der andere, wie heute, im Realismus prosaisch fortschritt. Wir geh?rten beide zu dem ersten. Und es herrschte damals noch die sch?ne Ruhe vor dem nahen Sturm, der bald furchtbar ausbrach.
Wenn die Jugend auch den klaren Begriff der Gr?sse noch nicht hat, so ahnt und empfindet sie doch solche. Wilhelm von Humboldts Charakter war schon im J?ngling derselbe, wie er sich sp?ter und bis an das Ende seines Lebens aussprach. Schon 1788 lebte er in hohen und klaren Ideen, schon damals war die einzig heitere Ruhe ?ber sein ganzes Wesen ausgegossen, die im Umgang h?chst wohlt?tig ergriff und sich jeder Unterhaltung ebenso mitteilte. Jedes Wort war ?berzeugend und beleuchtete hell den Gegenstand, wor?ber er sprach.
Herr von Humboldt reiste nach drei Tagen ab. Wir blieben l?nger. Mir blieb die Erinnerung von drei gl?cklichen Jugendtagen, die ein gew?hnliches, allt?gliches langes Leben an Gehalt aufwiegen. Das Andenken derselben hat mich durch mein ganzes Leben begleitet. Mein neuer junger Freund hatte auf mich einen tiefen, nie vorher gekannten, nie in mir erloschenen Eindruck gemacht, der gesondert von andern Empfindungen, in sich geheiligt, wie ein geheimnisvoller Faden durch alle folgenden Verh?ngnisse meines Lebens ungesehen lies, und fest in mir verborgen blieb, den ich immer gesegnet und als eine g?tige F?gung der Vorsehung angesehen habe. Es kn?pften sich an diese Erinnerungen, so wenig als an die drei Tage selbst, weder W?nsche, noch Hoffnungen, noch Unruhe. Ich f?hlte mich unendlich bereichert im Innern und meine Seele war mehr noch als vorher aufs Ernste gerichtet. Manches, was wir besprochen hatten, besch?ftigte mich noch lange, und >>das Gef?hl f?rs Wahre, Gute und Sch?ne<< wurde klarer und st?rker in mir.
Wir sahen uns nicht wieder, auch hegte ich nicht die leiseste Hoffnung des Wiedersehens. Ich schloss die vor?bergegangene sch?ne Erscheinung in das Allerheiligste und gab es nie heraus, sprach nie dar?ber und sicherte es so vor Entweihung durch fremde Ber?hrung.
Ein Stammbuchbl?ttchen, ein in jener Zeit mehr als jetzt gebr?uchliches Erinnerungszeichen, blieb mir ein sehr teures Andenken durch mein ganzes Leben. Ich ahnte nicht, wie bedeutend es noch werden w?rde, als ein Dokument, das hierher geh?rt, da es beides charakterisiert, den jugendlichen Humboldt und unser jugendliches Verh?ltnis.
Bald nach dieser f?r mich in den sp?teren Folgen so wichtigen Bekanntschaft, im Fr?hjahr 1789, wurde ich verheiratet. Ich lebte in dieser kinderlosen Ehe nur f?nf Jahre und trat in keine zweite.
Mich trafen ungew?hnliche und schmerzlich-verwickelte Schicksale, und durch r?tselhafte, geheime, erst sp?t enth?llte Intriguen und Feindschaften blieb mein ganzes Leben ein Gewebe von Widerw?rtigkeiten, die ich sp?ter gesegnet habe, da nichts anders sein durfte, als es war, sollte ich der segensvollen Teilnahme des edelsten Freundes teilhaftig werden.
In dieser Zeit begannen die grossen Weltbegebenheiten und griffen mehr oder weniger in die Schicksale von Tausenden ein, die nichts damit zu tun hatten. Auch auf mich ?bten sie ihre Gewalt, indem sie mich eines Verm?gens beraubten, das eben ausreichte, mir bei m?ssigen W?nschen Unabh?ngigkeit zu sichern, wodurch mir viele Lebensbitterkeiten fern blieben, die ich sp?ter kennen lernte.
In der ereignisschweren Zeit 1806 wohnte ich als Fremde in Braunschweig. Eine Reihe von Jahren hatte ich dort unter der milden Regierung des alten, allgeliebten, verehrten Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand gelebt. Es war nach der Schlacht bei Jena, wovon man so grosse Erwartungen hegte, als die Besitznahme deutscher L?nder und die franz?sische Herrschaft begann. Braunschweig traf der Schlag zuerst. Wie gewaltsam die Schritte auch waren, die geschahen, man sah sie als kriegerische Massregeln an, aber nicht als Vorspiel dessen, was folgte. Man besorgte und bef?rchtete keine Fremdherrschaft.
Jetzt erging eine Aufforderung, die allgemeine Last freiwillig oder gezwungen mitzutragen. An mich erging aber keine Anforderung, gern und freiwillig gab ich einen grossen Teil meines Verm?gens. Es war mir gerade ein Kapital ausgezahlt, das vorerst auf Wechsel stand, wor?ber ich gleich disponieren konnte; gef?hrlich schien es durchaus nicht, die Obligationen wurden von den Landst?nden ausgestellt und garantiert, die Gelder von ihnen empfangen. Man hielt das f?r sehr sicher. Mich hatten schwere Privatleiden in der Zeit getroffen, so, im Schmerz befangen, handelte ich wohl nicht vorsichtig genug. Wie es bald mit diesen Papieren ging, ist bekannt genug und geh?rt nicht weiter hierher.
Bald kamen die wichtigen weltgeschichtlichen Jahre 1812, 13 und 14 heran. Wer, der sie erlebte, denkt nicht gern und mit Freuden der Begeisterung jener Zeit, in der man des eigenen Geschicks vergass, wenn es nicht zu schwer war! Ich lebte in dieser Zeit im Braunschweigischen. Wer hatte mehr gelitten als der Herzog selbst, wie hing ihm sein Volk an mit deutscher Treue und Liebe! Auf eine den g?tigen F?rsten hochehrende Art war er mit meinen Verlusten und meiner daraus hervorgegangenen Lage bekannt geworden. Er rechnete mir, als einer Fremden, mein fr?heres Darlehn h?her an, als es solches verdiente. Freunde von mir standen ihm nahe und machten ihn genauer mit allem bekannt. Der h?chst g?tige F?rst bezeigte mir in zwei Briefen seine Teilnahme an meinen Verlusten und den Wunsch, meine Lage gr?ndlich zu ?ndern. Man riet mir, das Wohlwollen gleich in Anspruch zu nehmen und um eine Pension zu bitten. Das vermochte ich nicht. Ich vertraute dem f?rstlichen Wort: nach gl?cklich beendeter Sache die Sorge f?r mich selbst zu ?bernehmen. Dies Vertrauen h?tte mich gewiss nicht get?uscht, w?re er nicht bei Waterloo gefallen. -
Mehrere einflussreiche M?nner in hoher Stellung interessierten sich f?r meine Sache, um mir einigen Ersatz zu verschaffen, aber vergeblich. Meine grossen Verluste blieben, wie hart und dr?ckend sie waren, unersetzt.
Ich bekam auf der Stelle Antwort.
Jeder, der den Vollendeten kannte, wird seinen Brief, den treuen Ausdruck des edelsten Gem?ts, nicht ohne ger?hrtes Interesse lesen.
Ehe jedoch zu den wertvollen Briefen ?bergegangen wird, m?chte es n?tig sein zu sagen, wie die Ver?ffentlichung oder vielmehr der Entschluss dazu entstanden ist. Es m?chte dies Pflicht sein in einer Zeit, worin so viele Briefe von vertrautem Inhalt erscheinen, die neben dem Interesse, das sie gew?hren, notwendig verletzen m?ssen und gerechten Tadel verdienen, ohne die Wahrhaftigkeit zu beweisen.
Die letzten Jahre meines Lebens gew?hrten mir wieder mehr Musse, so konnte ich mehr und tiefer in den Geist der Briefe, der in allen und jedem einzelnen weht, mich versenken und vertiefen, in diesen reichen, hocherleuchteten Geist, voll lauterer himmlischer Gesinnungen! Jahre habe ich mit diesen Briefen, und nur mit ihnen gelebt.
Oft vertieft in die Ideen des vollendeten Freundes und zugleich versenkt in Nachdenken ?ber dies einzige Verh?ltnis und das, was dadurch f?r Zeit und Ewigkeit in mir gereift war, schien es mir nicht recht, dass so viel Wahres, Grosses und Gutes mit mir untergehen sollte. Es war allerdings nur f?r mich geschrieben, f?r mich und meine Art zu empfinden berechnet, aber die ?berzeugenden Wahrheiten, so klar ausgesprochen, die sicheren Wege zu innerem Gl?ck und Ruhe so unverkennbar, so klar und milde gezeigt, dass die Erkenntnis heilsam f?r jedes gutgeartete Gem?t sein muss.
Und das alles sollte mit mir untergehen? mit mir zernichtet werden? -
Das war vielleicht die erste innere Aufforderung, das Segensreiche so oder anders zu erhalten!
Ich fing an Ausz?ge zu machen, um solche im Manuskript Freunden zu hinterlassen, und erkannte bald, wie verg?nglich solche Verm?chtnisse sind und wie schnell verlesen. So stiegen nach und nach Gr?nde auf, so wertvolle Papiere durch den Druck zu erhalten. Ein grosses Hindernis trat mir entgegen: der Widerwille an aller ?ffentlichkeit. Was Freunden f?r mich hochehrend erschien, d?nkte mir Entweihung. Ein zweites Hindernis war die Forderung einer strengen Durchsicht, selbst teilweise einer g?nzlichen Umschreibung der gemachten Ausz?ge. Schwierigkeiten aller Art entstanden. So waren, wie schon gesagt, Jahre n?tig, den Entschluss der Ver?ffentlichung zu reifen. Auch kann diese erst nach meinem Ableben stattfinden. Die Zeit, die das Unbedeutende bald erbleichen l?sst, verkl?rt das Grosse und wird auch den hohen Wert der Gaben steigern, die ich denen hinterlasse, die sie verstehen, w?rdigen und gewiss mit Freuden empfangen.
Als heilige Pflicht erschien es mir nach dem gefassten Entschluss, alle Ausz?ge selbst zu machen und eigenh?ndig zu schreiben. So sicherte ich Wahrheit und Treue auf einer Seite, indem ich auf der andern niemand verantwortlich machte. So kann ich aber nicht daf?r einstehen, dass nicht Wiederholungen vorfallen. Ich bemerke dies im Vorbericht, um nicht sp?ter bei jedem einzelnen Fall daran zu erinnern. Ich bedarf gewiss Nachsicht und Verzeihung f?r solche Fehler, die ich begehen, ja nicht werde vermeiden k?nnen, da ich den Entschluss der Herausgabe zu sp?t gefasst habe, und keine fremde Hilfe erbitten noch zulassen will. Man ist wohl so g?tig, wenn bei aller Sorgfalt Wiederholungen der Art vorfallen, solche Stellen zu ?berschlagen. Der Verfasser ist es ja allein, der Interesse erregt und gew?hrt, und was er schreibt, entsch?digt reichlich, wo mich Tadel trifft.
Von meinen Briefen ist, wie ich das gew?nscht und erbeten hatte, nichts erhalten; nur von einzelnen habe ich Abschrift oder Fragmente bewahrt, um Ereignisse im Ged?chtnis festzuhalten, die mir selbst nicht entschwinden sollten. Dies werde ich als Zus?tze nachtragen, wo es n?tig ist.
Nicht an Ew. Exzellenz, nicht an den Preussischen Staatsminister, - an den unvergessenen, unvergesslichen Jugendfreund schreibe ich, dessen Bild ich eine lange Reihe von Jahren verehrend im Gem?t bewahrt, und gern und viel dabei verweilt habe, der nie wieder von dem jungen M?dchen h?rte, das ihm einst begegnete, mit dem er drei fr?hliche Jugendtage verlebte in jenen sch?nen Gef?hlen, die uns sp?t in Erinnerung beseligen und erheben. Der Name, auf den die Welt jetzt mit grossen Erwartungen blickt, der Platz, auf den Sie fr?h durch Geist und Namen gestellt waren, machte es mir nicht sehr schwer, von Ihnen zu h?ren und Sie mit meinen Gedanken zu begleiten. Ich erfreute mich an allem Grossen und Sch?nen, was ich las oder h?rte, nahm meinen Anteil von dem Wahren und Guten, suchte den Sinn wie fr?her zu verstehen, dem Geist zu folgen, wenn ich ihn nicht gleich fasste. Das alles l?sst sich nur durch Worte andeuten, aber nicht sagen. Nur einmal Sie wiederzusehen, w?re es auch nur in der Ferne, war und blieb mir ein vergeblicher Wunsch. Durch Freunde, welche k?rzlich einige Zeit in Berlin lebten, erfuhr ich ausf?hrlicher, was ich schon wusste, dass Ew. Exzellenz mit einer h?chst geistreichen und ebenso edlen Dame sehr gl?cklich verm?hlt und Vater sehr liebensw?rdiger Kinder sind, welche reiche Hoffnungen geben.
Ich lege hier ein Bl?ttchen ein, das Ihnen drei in Pyrmont verlebte Jugendtage zur?ckrufen wird. Ich habe das liebe Bl?ttchen unter den kleinen Heiligt?mern der Jugend sorgf?ltig vor allen andern bewahrt, als das einzige Pfand und Siegel der reinsten und zugleich der einzigen wahren Lebensfreude, die mir das Schicksal zugewogen. Dies Bl?ttchen wird Ew. Exzellenz eine Bekanntschaft zur?ckrufen, welche die grossen Bilder und Erscheinungen des Lebens l?ngst verwischt und ausgel?scht haben werden. Im weiblichen Gem?te bleiben solche Eindr?cke tiefer und sind unwandelbar, um so mehr, wenn es wie bei mir, die ersten, ungekannten Regungen erster, erwachender Liebe waren, so geistiger Art, wie sie wohl bei der edleren Jugend immer sind. F?r die weibliche Jugend und die Entwickelung des Charakters aber ist es gewiss von der h?chsten Wichtigkeit, f?r welchen Gegenstand die ersten Gef?hle erwachen. Auch kn?pften sich, was selten ist, durchaus keine tr?ben oder schmerzlichen Gef?hle daran, sondern sie wurden von grossem Einfluss auf die Ausbildung meines Charakters und Gem?ts.
Die Gef?hle wandelte die Zeit. Das tief ins Gem?t gesenkte, teure Bild erbleichte nie mehr. An dies geliebte Bild, das h?her und immer h?her erschien, lehnte sich fort und fort mein Ideal von M?nnerwert und Hoheit. Hier ruhte ich aus, wenn ich unter dem schweren Leben am Erliegen war, hier ermutigte ich mich, wenn aller Mut sank, hier richtete ich mich auf im Glauben, wenn der Glaube an Menschen schwankte. Glauben Sie mir, ewig geliebter Freund! ich bin gereift unter grossem, mannigfaltigem Schmerz, nicht entadelt, noch je durch unw?rdige Empfindungen entweiht. Ew. Exzellenz sind, das erkenne ich im eigenen Busen, noch derselbe, der Sie waren, wie wir uns einst begegneten. Die H?he des Lebens, der Glanz der ?usseren Stellung m?gen f?r viele Klippen sein - hohe Naturen erlangen Reife und Vollendung, gleich viel, ob im Sonnenstrahl des Gl?cks oder im Schatten schwerer Verh?ngnisse. Der Gehalt in unserer Brust, wie die Form unseres Geistes, beides ist gewiss ohne Wandel, beides ewig.
Die Zeit, bis wo wir uns kennen lernten, geh?rte der ersten Jugend, und diese war harmlos im stillen, friedlichen Schatten eines gebildeten, sorgenlosen Familienlebens auf dem Lande hingeflossen. An teuern Eltern hatte ich nur Rechtschaffenheit und G?te und Beispiele vieler Tugenden gesehen. Ein mehr als ausreichendes Verm?gen erlaubte ihnen in jener einfachen Zeit viele Annehmlichkeiten des Lebens, besonders auch des h?uslichen Lebens; demgem?ss war auch die Erziehung ihrer Kinder; sie war vor allem, wof?r ich sehr dankbar bin, in sittlicher Hinsicht sehr sorgf?ltig. Mein Vater, in ziemlich freier, unabh?ngiger Lage, indem meine Mutter dem Hause mit seltener Einsicht und W?rde vorstand, liess sich in seinen Neigungen gehen, die ihn vor allem in die Vorzeit und die Studien der Vorzeit zogen. Er lebte nur im Klassischen, war nur umgeben mit klassischen Werken. Die neue Lekt?re zog ihn nicht an, ja liess ihn unbefriedigt. Damit in ?bereinstimmung war auch sein Umgang. Aus den nicht immer gelehrten, aber immer ernsten Unterhaltungen, die ich still anh?rte, nahm ich vielleicht fr?h, und fr?her als andere, den Grund meiner intellektuellen Bildung, und genoss auch fr?her, als es gew?hnlich ist, das Gl?ck, bedeutenden Personen n?her zu stehen, mit grosser G?te behandelt und ihres Anteils gew?rdigt zu werden. Auf diese Art wurde ich, meinen nat?rlichen Anlagen gem?ss, fr?h zum Nachdenken gef?hrt, und mehr durch Zuh?ren als durch Unterricht, mehr durch Nachdenken als durch Kenntnisse und Talente auf den Weg der Bildung geleitet. Die ernste Richtung, die so, schon als Kind m?chte ich sagen, meine Seele nahm, sch?tzte vor vielen jugendlichen Torheiten und Frivolit?ten, n?hrte aber zugleich mehr, als es wenigstens zum Gl?ck des Lebens gut ist, den Hang zum Idealen. Dabei bildete sich mehr und mehr, denn es war schon sehr fr?h, ja schon in der Kindheit entstanden, ein hohes, beseligendes Bild von Freundschaft in mir aus, das mir das gr?sste, einzige Erdengl?ck erschien. Die erste Erz?hlung, die mir durch ?fteres Lesen genau bekannt wurde und mich begeisterte, war die allerdings wundersch?ne Gesinnung und Handlungsart Jonathans gegen den zur?ckstehenden David. Alle Beispiele aus alter und neuer Zeit sammelte ich - Richardsons Clarisse gab den vollen Ausschlag. Jeder Aufopferung f?hig, glaubte ich, nur f?r dies Gl?ck geboren zu sein, und verlangte nichts H?heres. In Pyrmont war nun diese ?berzeugung bis zur Begeisterung gesteigert und wurde bald die tiefe und unendliche Quelle vielfacher, leidenvoller Verh?ngnisse und schmerzlicher Verwickelungen. Verzeihen Sie diese Einleitung, die ich n?tig glaube, um das Folgende richtig zu beurteilen.
Nun gehe ich ?ber zu der schmerz- und ereignisschweren Vergangenheit, und von da zu der dr?ckenden und zerdr?ckenden Gegenwart, die mir eigentlich zu diesem Schritt den Mut gegeben hat. Es wird schon leichter werden, da w?hrend des Schreibens bis hierher nach und nach das seelenvolle Vertrauen zur?ckgekehrt ist, womit wir uns einst in den Pyrmonter Alleen besprachen und verstanden.<<
Darauf folgte eine m?glichst kurz zusammengefasste ?bersicht der haupts?chlichsten Ereignisse meines Lebens, worunter die am meisten herausgehoben und beglaubigt wurden, die mich zum Schreiben ermutigt hatten: meine grossen Verluste an den Staat. Daran kn?pften sich Pl?ne f?r mein Fortkommen, denen aber ?berall meine zerst?rte Gesundheit, ein Mangel und Ersch?pftsein aller Lebenskr?fte entgegentraten. Das alles geh?rt nicht hierher und ist nicht erforderlich als Kommentar oder Einleitung zu den nun folgenden wertvollen Briefen, welche dadurch entstanden. Der Schluss war dann ungef?hr so: >>Jetzt haben Sie die Umrisse meines Lebens in dem langen Zeitraum ?bersehen, geben Sie der treuen, immer schweigenden Teilnahme etwas zur?ck! Sie kennen das Herz der Frauen und wissen besser, als ich das sagen kann, wie teuer uns alles ist, was dem einst geliebten Manne angeh?rt und ihn begl?ckt. Sagen Sie mir etwas von den teuern Ihrigen, geben Sie mir etwas ab von Ihrem Gl?ck!
Jetzt schliesse ich die vielen Bl?tter ohne Furcht. Ich lege meine Angelegenheiten an Ihr Herz, da sind sie gut aufgehoben, und es geschieht, was geschehen kann. Wie sehe ich einer Antwort entgegen, die ich gewiss empfange!<<
H., den 18. Oktober 1814.
WILHELM VON HUMBOLDT
Nun nehmen Sie noch einmal meinen herzlichen Dank. Ich weiss nicht, ob ich Sie je wiedersehen werde, und ich darf es kaum hoffen. Ich kann mir auch jetzt kein deutliches Bild von Ihnen machen. Allein wenn daher auch das, was ich von Ihnen in der Seele trage, eine Erscheinung der Vergangenheit ist, sogar eine, an die meine Einbildungskraft vieles, ?ber die augenblickliche Dauer unseres Zusammenseins hinaus, legte, so glauben Sie gewiss, dass es nie eine fl?chtige war und nie eine solche sein wird.
Ganz der Ihrige. H.
Die Originalbriefe und das Erinnerungsblatt schicke ich zur?ck.
Ihr Brief, liebe Charlotte, hat mir grosse Freude gemacht, und ich danke Ihnen recht herzlich daf?r. Sie legen zu viel Wert auf das, was so nat?rlich war und nicht anders sein konnte. Ihr Andenken hat sich nie bei mir verloren, noch verlieren k?nnen, allein es fiel mir nicht ein, zu glauben, dass ich je wieder von Ihnen h?ren w?rde, noch weniger, dass Sie meiner auch nur irgend gedachten. Auf einmal rufen Sie mir mit G?te und mit dem ungezwungenen Gest?ndnis, dass Sie, ohne die Umst?nde, die uns trennten, vielleicht mehr empfunden h?tten, die Bilder der Vergangenheit und Jugend zur?ck. In der R?hrung und in der Freude, die das in mir weckte, habe ich Ihnen geantwortet und werde ich Ihnen immer antworten. Erheben Sie mich also nicht deshalb, aber bleiben Sie mir gut, erhalten Sie mir Ihr Vertrauen; schreiben Sie mir so herzlich, so vertrauend als jetzt, lassen Sie sich ganz mit mir gehen, wie ich mit Ihnen, und glauben Sie nicht, dass mir Ihre Briefe je zu h?ufig kommen, je zu weitl?ufig sein k?nnten. Es gibt nichts Begl?ckenderes f?r einen Mann, als die unbedingte Ergebenheit eines weiblichen Gem?ts. Ich bin weit entfernt, den mindesten Anspruch an Sie zu machen. Ich kann kein Recht dazu besitzen. Sie k?nnen nur ein schwankendes Bild von mir in der Seele tragen. Ich muss jetzt, von Gesch?ften, Sorgen, Zerstreuungen zerrissen, Verzicht darauf tun, Ihnen irgend etwas sein zu k?nnen. Aber Sie k?nnen mir, wenn Sie fortfahren mir zu schreiben, wie Sie tun, mir von Ihrem ?ussern und innern Leben zu erz?hlen, mit mir ohne R?ckhalt so vertraulich umzugehen, wie es Ihren ersten Empfindungen f?r mich entsprochen h?tte, eine Freude geben, die ich mit inniger und wahrer Dankbarkeit empfangen werde. Schreiben Sie mir also ja von Zeit zu Zeit. Sie schreiben nat?rlich und ausgezeichnet gut ausserdem, und lassen Sie mich die Kinderei gestehen, schon Ihre Hand macht mir Freude, sie ist h?bsch an sich, und ich erinnere mich ihrer von ehemals. Reden Sie mir aber vor allem von sich selbst. Ihr letzter Brief enth?lt kaum ein Wort ?ber Ihre Gesundheit. Lassen Sie mich wissen, ob Ihre Kr?fte, Ihr gesundes Aussehen, Ihre Heiterkeit zunehmen. Dann muss ich Sie um Eines bitten: Warten Sie nie eine Antwort ab, mir zu schreiben; seien Sie grossm?tig, rechnen Sie nicht um Briefe mit mir. Ich habe sehr wenig Zeit. Ich kann nur selten, nur abgerissen schreiben, geben Sie mir, und fordern Sie nicht von mir. Sie finden vielleicht in dieser Bitte mehr Freim?tigkeit, als ich haben sollte. Aber ich leugne es nicht, dass ich eigenn?tzig mit Ihnen bin, und Sie haben eine zu gute Meinung von mir, die ich gern zur Wahrheit herunterstimme.
Sie fragen mich, liebe Charlotte, ob Sie vorerst in G?ttingen oder Braunschweig leben sollen, und wollen nichts ohne meinen Willen tun. Damit ber?hren Sie eine sonderbare Seite in mir. Ich habe es sehr gern, wenn man meiner Bestimmung folgt. Ich will also, dass Sie nach G?ttingen gehen sollen, und nicht bloss aus Gef?lligkeit f?r Sie, weil Sie es vorziehen, sondern weil es mir lieber ist. Sie werden dies sehr sonderbar finden und nicht erraten, was mich bestimmen mag. Auch kann ich es Ihnen kaum recht erkl?ren; allein es ist doch nun so, w?re es auch nur, weil ich Sie von G?ttingen aus sah, wie ich in Braunschweig war, Sie nicht kannte, und in G?ttingen sehr oft an Sie dachte. ?berhaupt liebe ich G?ttingen, weil ich da in einer Zeit einsam lebte, in der die Einsamkeit bildend ist. Gr?ssen Sie in meiner Seele den Wall, und schreiben Sie mir, wenn Sie da sind, auch von den Menschen dort.
Nun leben Sie wohl, teure Frau, und werden mir nicht wieder fremd. Es ist ein wunderbares Verh?ltnis unter uns. Zwei Menschen, die sich vor langen Jahren drei Tage sahen und schwerlich wieder sehen werden! Aber es gibt in dieser Art der reinen und tiefen Freuden so wenige, dass ich mich sch?men w?rde, geizig mit dem Gest?ndnis zu sein, dass Ihr Bild von damals her, mit allen Gef?hlen meiner Jugend, jener Zeit, und selbst eines sch?neren und einfacheren Zustandes Deutschlands und der Welt, als der jetzige ist, innig in mir zusammenh?ngt. Ich habe ?berdies eine grosse Liebe f?r die Vergangenheit. Nur was sie gew?hrt, ist ewig und unver?nderlich wie der Tod, und zugleich, wie das Leben, warm und begl?ckend. Mit diesen unwandelbaren Gesinnungen Ihr H.
Es ist sehr lange, dass ich ohne Nachricht von Ihnen bin, es tut mir leid, ja es schmerzt mich, so ganz von Ihnen vergessen zu sein, w?hrend ich Ihrer oft gedachte. Schreiben Sie mir, liebe Charlotte, sobald Sie diese Zeilen empfangen haben, wie es Ihnen ergangen hat und ergeht? Es mahnte mich schon lange, Ihnen zu schreiben und um Nachricht zu bitten. Vielleicht bin ich selbst schuld an Ihrem Schweigen. Meine kurzen Briefe k?nnen Sie eingesch?chtert haben, Sie mochten besorgen, mir l?stig zu werden. Adressieren Sie Ihren Brief nach Burg?rner bei Eisleben; ich bin hier auf einem der G?ter meiner Frau. Leben Sie wohl und antworten mir gleich. H.
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