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Read Ebook: Der Weihnachtsabend Eine Geistergeschichte by Dickens Charles Seybt Julius Translator

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Ebook has 719 lines and 29785 words, and 15 pages

Translator: Julius Seybt

Der Weihnachtsabend.

Eine Geistergeschichte

von

Charles Dickens.

Aus dem Englischen

von

Julius Seybt.

Leipzig.

Druck und Verlag von Philipp Reclam jun.

Inhalt

Erstes Kapitel: Marleys Geist. 3 Zweites Kapitel: Der erste der drei Geister. 25 Drittes Kapitel: Der zweite der drei Geister. 45 Viertes Kapitel: Der letzte der drei Geister. 71 F?nftes Kapitel: Das Ende. 89

Erstes Kapitel.

Marleys Geist.

Marley war tot, damit wollen wir anfangen. Ein Zweifel dar?ber kann nicht stattfinden. Der Schein ?ber seine Bestattung wurde von dem Geistlichen, dem K?ster, dem Leichenbesorger und den vornehmsten Leidtragenden unterschrieben. Scrooge unterschrieb ihn und Scrooges Name wurde auf der B?rse respektiert, wo er ihn nur hinschrieb. Der alte Marley war so tot wie ein Th?rnagel.

Merkt wohl auf! Ich will nicht etwa sagen, dass ein Th?rnagel etwas besonders Totes f?r mich h?tte. Ich selbst m?chte fast zu der Meinung geneigt sein, ein Sargnagel sei das toteste St?ck Eisenwerk auf der Welt. Aber die Weisheit unsrer Altvordern liegt in dem Gleichnisse und meine unheiligen H?nde sollen sie dort nicht st?ren, sonst w?re es um das Vaterland geschehen. Man wird mir daher erlauben, mit besonderem Nachdruck zu wiederholen, dass Marley so tot wie ein Th?rnagel war.

Scrooge wusste, dass er tot war? Nat?rlich wusste er's. Wie konnte es auch anders sein? Scrooge und er waren, ich weiss nicht seit wie vielen Jahren, Handlungsgesellschafter. Scrooge war sein einziger Testamentsvollstrecker, sein einziger Administrator, sein einziger Erbe, sein einziger Freund und sein einziger Leidtragender. Und selbst Scrooge war von dem traurigen Ereignis nicht so entsetzlich ger?hrt, dass er selbst an dem Begr?bnistage nicht ein vortrefflicher Gesch?ftsmann gewesen w?re und ihn mit einem unzweifelhaft guten Handel gefeiert h?tte.

Die Erw?hnung von Marleys Begr?bnistag bringt mich zu dem Ausgangspunkt meiner Erz?hlung wieder zur?ck. Es ist ganz unzweifelhaft, dass Marley tot war. Das muss scharf ins Auge gefasst werden, sonst kann in der Geschichte, die ich eben erz?hlen will, nichts Wunderbares geschehen. Wenn wir nicht vollkommen fest ?berzeugt w?ren, dass Hamlets Vater tot ist, ehe das St?ck beginnt, w?rde durchaus nichts Merkw?rdiges in seinem n?chtlichen Spaziergang bei scharfem Ostwind auf den Mauern seines eignen Schlosses sein. Nicht mehr, als bei jedem andern Herrn in mittleren Jahren, der sich nach Sonnenuntergang rasch zu einem Spaziergang auf einem luftigen Platze, zum Beispiel Sankt Pauls Kirchhof, entschliesst, bloss um seinen schwachen Sohn in Erstaunen zu setzen.

Scrooge liess Marleys Namen nicht ausstreichen. Noch nach Jahren stand ?ber der Th?r des Speichers >>Scrooge und Marley.<< Die Firma war unter dem Namen Scrooge und Marley bekannt. Zuweilen nannten Leute, die ihn noch nicht kannten, Scrooge Scrooge und zuweilen Marley; aber er h?rte auf beide Namen, denn es war ihm ganz gleich.

O, er war ein wahrer Blutsauger, der Scrooge! ein gieriger, zusammenscharrender, festhaltender, geiziger alter S?nder; hart und scharf wie ein Kiesel, aus dem noch kein Stahl einen warmen Funken geschlagen hat; verschlossen und selbstbegn?gt und f?r sich, wie eine Auster. Die K?lte in seinem Herzen machte seine alten Z?ge erstarren, seine spitze Nase noch spitzer, sein Gesicht von Runzeln, seinen Gang steif, seine Augen rot, seine d?nnen Lippen blau, und klang aus seiner kr?chzenden Stimme heraus. Ein frostiger Reif lag auf seinem Haupt, auf seinen Augenbrauen, auf den starken kurzen Haaren seines Bartes. Er schleppte seine eigene niedere Temperatur immer mit sich herum; in den Hundstagen k?hlte er sein Comptoir wie mit Eis; zur Weihnachtszeit w?rmte er es nicht um einen Grad.

Aeussere Hitze und K?lte wirkten wenig auf Scrooge. Keine W?rme konnte ihn w?rmen, keine K?lte ihn fr?steln machen. Kein Wind war schneidender als er, kein fallender Schnee mehr auf seinen Zweck bedacht, kein schlagender Regen einer Bitte weniger zug?nglich. Schlechtes Wetter konnte ihm nichts anhaben. Der ?rgste Regen, Schnee oder Hagel konnten sich nur in einer Art r?hmen, besser zu sein als er: Sie gaben oft im Ueberfluss, und das that Scrooge nie.

Niemals trat ihm jemand auf der Strasse entgegen, um mit freundlichem Gesicht zu ihm zu sagen: Mein lieber Scrooge, wie geht's, wann werden Sie mich einmal besuchen? Kein Bettler sprach ihn um eine Kleinigkeit an, kein Kind frug ihn, welche Zeit es sei, kein Mann und kein Weib hat ihn je in seinem Leben um den Weg gefragt. Selbst der Hund des Blinden schien ihn zu kennen, und wenn er ihn kommen sah, zupfte er seinen Herrn, dass er in ein Haus trete und wedelte dann mit dem Schwanze, als wollte er sagen: kein Auge ist besser, als ein b?ses Auge, blinder Herr.

Doch was k?mmerte das Scrooge? Gerade das gefiel ihm. Allein seinen Weg durch die gedr?ngten Pfade des Lebens zu gehen, jedem menschlichen Gef?hl zu sagen: bleib' mir fern, das war das, was Scrooge gefiel.

Die Th?r von Scrooges Comptoir stand offen, damit er seinen Commis beaufsichtigen k?nne, welcher in einem unheimlich feuchten, kleinen Raume, einer Art Burgverliess, Briefe kopierte. Scrooge hatte nur ein sehr kleines Feuer, aber des Dieners Feuer war um so viel kleiner, dass es wie eine einzige Kohle aussah. Er konnte aber nicht nachlegen, denn Scrooge hatte den Kohlenkasten in seinem Zimmer und allemal, wenn der Diener, mit der Kohlenschaufel in der Hand, hereinkam, meinte der Herr, es w?rde wohl n?tig sein, dass sie sich trennten, worauf der Diener seinen weissen Shawl umband und versuchte, sich an dem Lichte zu w?rmen, was, da er ein Mann von nicht zu starker Einbildungskraft war, immer fehlschlug.

>>Fr?hliche Weihnachten, Onkel, Gott erhalte Sie!<< rief eine heitere Stimme. Es war die Stimme von Scrooges Neffen, der ihm so schnell auf den Hals kam, dass dieser Gruss die erste Ank?ndigung seiner Ann?herung war.

>>Pah,<< sagte Scrooge, >>dummes Zeug!<<

Der Neffe war vom schnellen Laufen so warm geworden, dass er ?ber und ?ber gl?hte; sein Gesicht war rot und h?bsch, seine Augen gl?nzten und sein Atem rauchte.

>>Weihnachten dummes Zeug, Onkel?<< sagte Scrooges Neffe, >>das kann nicht Ihr Ernst sein.<<

>>Es ist mein Ernst,<< sagte Scrooge. >>Fr?hliche Weihnachten? Was f?r ein Recht hast du, fr?hlich zu sein? was f?r einen Grund, fr?hlich zu sein? Du bist arm genug.<<

>>Nun,<< antwortete der Neffe heiter, >>was f?r ein Recht haben Sie, gr?mlich zu sein? was f?r einen Grund, m?rrisch zu sein? Sie sind reich genug.<<

Scrooge, der im Augenblick keine bessere Antwort bereit hatte, sagte noch einmal >>Pah!<< und brummte ein >>Dummes Zeug!<< hinterher.

>>Seien Sie nicht b?s, Onkel,<< sagte der Neffe.

>>Was soll ich anders sein,<< antwortete der Onkel, >>wenn ich in einer Welt voll solcher Narren lebe? Fr?hliche Weihnachten! Der Henker hole die fr?hlichen Weihnachten! Was ist Weihnachten f?r dich anders, als ein Tag, wo du Rechnungen bezahlen sollst, ohne Geld zu haben, ein Tag, wo du dich um ein Jahr ?lter und nicht um eine Stunde reicher findest, ein Tag, wo du deine B?cher abschliessest und in jedem Posten durch ein volles Dutzend von Monaten ein Deficit siehst? Wenn es nach mir ginge,<< sagte Scrooge heftig, >>so m?sste jeder Narr, der mit seinem fr?hlichen Weihnachten heruml?uft, mit seinem eigenen Pudding gekocht und mit einem Pfahl von Stecheiche im Herzen begraben werden.<<

>>Onkel!<< sagte der Neffe.

>>Neffe!<< antwortete der Onkel heftig, >>feiere du Weihnachten nach deiner Art und lass es mich nach meiner feiern.<<

>>Feiern!<< wiederholte Scrooges Neffe; >>aber Sie feiern es nicht.<<

>>Lass mich ungeschoren,<< sagte Scrooge. >>Mag es dir Nutzen bringen! viel gen?tzt hat es dir schon.<<

>>Es giebt viel Dinge, die mir h?tten n?tzen k?nnen und die ich nicht benutzt habe, das weiss ich,<< antwortete der Neffe, >>und Weihnachten ist eins von denen. Aber ich weiss gewiss, dass ich Weihnachten, wenn es gekommen ist, abgesehen von der Verehrung, die wir seinem heiligen Namen und Ursprung schuldig sind, immer als eine gute Zeit betrachtet habe, als eine liebe Zeit, als die Zeit der Vergebung und Barmherzigkeit, als die einzige Zeit, die ich in dem ganzen langen Jahreskalender kenne, wo die Menschen eintr?chtig ihre verschlossenen Herzen aufthun und die andern Menschen betrachten, als wenn sie wirklich Reisegef?hrten nach dem Grabe w?ren und nicht eine ganz andere Art von Gesch?pfen, die einen ganz andern Weg gehen. Und daher, Onkel, ob es mir gleich niemals ein St?ck Gold oder Silber in die Tasche gebracht hat, glaube ich doch, es hat mir Gutes gethan und es wird mir Gutes thun, und ich sage: Gott segne es!<<

Der Diener in dem Burgverliesse draussen applaudierte unwillk?rlich; aber den Augenblick darauf f?hlte er auch die Unschicklichkeit seines Betragens, sch?rte die Kohlen und verl?schte den letzten kleinen Funken auf immer.

>>Seien Sie nicht b?s, Onkel. Essen Sie morgen mit uns.<<

Scrooge sagte, dass er ihn erst verdammt sehen wollte, ja wahrhaftig, er sprach sich ganz deutlich aus.

>>Aber warum?<< rief Scrooges Neffe, >>warum?<<

>>Warum hast du dich verheiratet?<< sagte Scrooge.

>>Weil ich mich verliebte.<<

>>Weil er sich verliebte!<< brummte Scrooge, als ob das das einzige Ding in der Welt w?re, noch l?cherlicher als eine fr?hliche Weihnacht. >>Guten Nachmittag!<<

>>Aber, Onkel, Sie haben mich ja auch nie vorher besucht. Warum soll es da ein Grund sein, mich jetzt nicht zu besuchen?<<

>>Guten Nachmittag!<< sagte Scrooge.

>>Ich brauche nichts von Ihnen, ich verlange nichts von Ihnen, warum k?nnen wir nicht gute Freunde sein?<<

>>Guten Nachmittag!<< sagte Scrooge.

>>Ich bedaure wirklich von Herzen, Sie so hartn?ckig zu finden. Wir haben nie einen Zank miteinander gehabt, an dem ich schuld gewesen w?re. Aber ich habe den Versuch gemacht, Weihnachten zu Ehren und ich will meine Weihnachtsstimmung bis zuletzt behalten. Fr?hliche Weihnachten, Onkel!<<

>>Guten Nachmittag!<< sagte Scrooge.

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