Read Ebook: Ehstnische Märchen. Zweite Hälfte by Kreutzwald Friedrich Reinhold Compiler L We F Ferdinand Translator
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Ebook has 290 lines and 73370 words, and 6 pages
Am anderen Tage kamen unsere Reisenden in einen dichten Wald, wo sich Alles so begab, wie es der Weise vorausgesagt hatte. Zuerst kam ihnen die Hirschkuh, sodann der alte Wolf und zuletzt ein B?r entgegen. Masikas lockte die Thiere eins nach dem anderen zu sich und heftete dann jedem sein Zeichen an: der Hirschkuh einen blauen Seideng?rtel, dem Wolfe einen Lederriemen um den Hals, und dem B?ren steckte sie ihren von der Mutter ererbten Ring an die Vorderpfote. Der B?r leckte ihr wie zum Danke die Hand und lief brummend in den Wald zur?ck. Viel gr?sslicher war, was ihnen nach drei Tagen begegnete. Schon von weitem h?rte man ein Sausen und Rauschen als w?rde das schwerste Heufuder am Boden hingeschleift. Endlich wurde des Schlangenk?nigs Kopf mit goldener Krone sichtbar, aber in demselben Augenblicke hatte Masikas ein Steinlein in einen Nord-Adler verwandelt, setzte sich mit ihren drei Dienern auf seinen R?cken und der Vogel trug sie hoch in die L?fte. Von da oben sahen sie, wie die ungeheure Schlange Wagen und Pferde hinunterschluckte, als w?ren es junge M?uslein gewesen. Sieben Tage flog der Nord-Adler mit seiner Last in Wolkenh?he weiter; die N?chte schlief er auf dem Wolkenrande und die auf seinem R?cken Sitzenden litten an Nichts Mangel, da ihnen die Steinchen in den Goldsch?chtelchen der Masikas alles gew?hrten was sie brauchten.
Am Morgen des siebenten Tages liess sich der Nord-Adler mit seiner Last nieder. Sie kamen gerade dazu, als die Pferde sammt dem Wagen aus dem Rachen des todten Schlangenk?nigs wieder herausfuhren. W?hrend sie dieses Wunder noch anstaunten, sahen sie einen alten Mann und eine alte Frau in pr?chtigen k?niglichen Gew?ndern herantreten. Der Mann trug einen ledernen Riemen und die Frau einen blauen Seideng?rtel, und beide St?cke erkannte Masikas sofort als diejenigen, welche sie dem Wolfe und der Hirschkuh umgethan hatte. Bald darauf nahte sich auch ein bl?hender J?ngling, an dessen Finger der Ring gl?nzte, den Masikas dem B?ren gegeben. Der Fremde Alte sagte: >>Dank dir, Masikas, theures Gl?ckskind! du hast uns aus langer Gefangenschaft erl?st. Ich war vor siebenhundert Jahren ein reicher K?nig im S?dlande, hier steht meine Gemahlin und dort mein Sohn; unsere drei T?chter sind dahin. Der b?se Schlangenk?nig des Nordens ?berw?ltigte mein Reich und verschlang alle meine Unterthanen. Mich verwandelte er in einen Wolf, meine Gemahlin in eine Hirschkuh und meinen Sohn in einen B?ren. Wohin die T?chter gekommen sind, habe ich nicht erfahren, m?glich, dass die Schlange sie gefressen hat.<< -- Masikas vermuthete sogleich, dass ihre Pathen aus der Grotte die verschwundenen T?chter sein k?nnten, aber sie wollte nichts sagen bis sich ihre Vermuthung best?tigen w?rde, damit die Freude der Eltern desto gr?sser w?re. Sie liess nun aus einem Steinchen eine zweite Kutsche entstehen, in welche sich der K?nig nebst Gemahlin und Sohn setzten, und dann machte man sich auf den Heimweg. Schon am dritten Morgen kamen ihnen die Pathen der Masikas entgegen. Aber wer verm?chte der Eltern und der T?chter Freude zu schildern, als sie nach siebenhundertj?hriger Trennung sich pl?tzlich wieder zusammenfanden! Des K?nigs Sohn nahm dann die Masikas zu seiner Gemahlin und wurde Herrscher im Reiche seines Vaters, da dieser seines Alters wegen nicht mehr selbst regieren wollte. Auch die drei T?chter verm?hlten sich mit der Zeit, aber Niemand hat je aus ihrem Munde geh?rt, wohin ihre Goldsch?chtelchen mit den Steinchen gekommen und wo dieselben schliesslich geblieben seien.
Vormals lebte ein unermesslich reicher junger Kaufmann, der neun hundert neun und neunzig Schiffe hatte, welche unaufh?rlich Waaren weithin in fremde L?nder f?hrten und von da wieder andere Waaren oder baares Geld dem Schiffsherrn zur?ckbrachten. Um das Tausend voll zu machen, liess er noch ein neues Schiff bauen. Als das Schiff fertig war und eben vom Stapel gelassen werden sollte, geschah es zuf?llig, dass ein Hebebaum den Schiffsherrn streifte und seine Hose vom Querl bis zum Beinling aufriss. Nun ist f?r einen reichen Mann eine geplatzte Hose eine viel schlimmere Sache als f?r einen Armen, an welchem dergleichen nicht besonders auff?llt -- w?hrend der Allen wohlbekannte Kaufherr f?rchten musste, dass die Leute ihre Blicke auf nichts anderes mehr richten w?rden, als auf seine zerrissenen Hosen. Deshalb erkundigte er sich angelegentlich nach dem Wege zum n?chsten Bockreiter, der den Schaden wieder gut machen k?nnte. Man wies ihn in ein Querg?sschen in der N?he des Hafens, wo ein Schneider wohnte. Der kleine Nadelk?nig besah den Schaden durch seine grosse Brille, liess durch seinen Lehrburschen dem Kaufherrn die Hosen herunterziehen und gab diesem einen langen weiten Rock zur Bedeckung, bis die Hosen wieder zugen?ht w?ren. Und damit dem Herrn die Zeit nicht lang w?rde, bat der Schneider ihn, sich so lange in ein anderes Gemach zu seinen T?chtern zu verf?gen. Gott hatte den kleinen Bockreiter mit drei sehr sch?nen T?chtern gesegnet, von denen namentlich die j?ngste eben so stattlich von Ansehn als zierlich in ihrem Wesen war. Des Kaufmannes Herz war alsbald dem j?ngsten T?ubchen des Schneiders zugeflogen und die Freundschaft war schon geschlossen, ehe noch die Hosen zusammengen?ht waren. Als dann des Schneiders Bursche mit dem ausgebesserten Kleidungsst?ck eintrat, ?rgerte sich der Kaufmann ?ber die geschwinden Finger, die ihm nicht mehr Zeit geg?nnt hatten, sich mit der holden Jungfrau angenehm zu unterhalten. Nachdem er die Hosen wieder angezogen und dem Meister eine reichliche Bezahlung eingeh?ndigt hatte, ging er noch einmal in das Zimmer der T?chter, um Abschied zu nehmen und zugleich die Jungfrauen in sein Haus einzuladen, wo nach zwei Wochen ein pr?chtiges Fest stattfinden w?rde. Die M?dchen dankten f?r die Ehre der freundlichen Einladung, f?gten aber mit Bedauern hinzu, dass sie nicht so sch?ne Kleider anzulegen h?tten, wie f?r ein solches Fest erforderlich w?re. >>Die Kleider seien meine Sorge,<< erwiderte der Kaufmann -- >>und somit bleibt es dabei, dass ich euch am genannten Tage unter meinem Dache empfange.<<
Nach Hause gekommen, hatte er nichts Eiligeres zu thun, als vierzehn St?ck des allersch?nsten Seidenzeuges aus seinem Laden auszusuchen und den T?chtern des Schneiders zuzuschicken, die er dabei ersuchen liess, sie m?chten sich selbdritt aus jedem St?cke einen Anzug machen lassen, so dass jede vierzehn eigene Anz?ge h?tte, denn das Fest w?rde vierzehn Tage w?hren und da m?ssten die drei Schwestern jeden Tag ein anderes Kleid und zwar jedesmal alle drei von dem gleichen St?cke haben. Jetzt flogen einmal die Nadeln in der Stadt; in zwei Wochen sollten zwei und vierzig seidene Damenkleider mit Spitzen, B?ndern und Bes?tzen fertig gen?ht sein und sollten auch den M?dchen passen wie angegossen, so dass nirgends eine fehlerhafte Falte zum Vorschein k?me. Und wirklich wurde die Arbeit in der genannten Zeit fertig, denn der reiche Kaufmann zahlte doppelten Lohn f?r die rasche F?rderung der Arbeit.
Als nun am ersten Abend des Bockreiters T?chter so reich geschm?ckt auf dem Feste des jungen Kaufmanns erschienen, da machten viele Fr?ulein und Demoisellen lange Gesichter, vor Neid dar?ber, dass sie keine so sch?nen Kleider hatten. Ihr Neid stieg mit jedem Tage, als des Schneiders T?chter jeden Abend in einem andern neuen Anzuge erschienen. Was aber den Neid der weiblichen Gesellschaft noch h?her entflammte, war der Umstand, dass der reiche Kaufmann Niemanden so freundlich aufnahm, als des Schneiders T?chter. Am vierzehnten Abende, am Schluss des Festes, schenkte der Kaufmann der j?ngsten Tochter des Schneiders eine schwere Goldkette und einen goldenen mit Edelsteinen besetzten Ring, der auf mehrere Tausend Rubel gesch?tzt wurde. Mit diesem Liebespfand hatte er sich der Jungfrau verlobt. Vier Wochen sp?ter wurde die gl?nzende Hochzeit ausgerichtet, worauf des Schneiders j?ngste Tochter, jetzt die Frau eines reichen Mannes, dessen stattliches Haus bezog.
Bosheit und Neid ?ber das unerwartete Gl?ck der Schneiderstochter machte die Leute in der Stadt fuchswild; aber den gr?ssten Verdruss davon hatte ein verarmter Graf, dessen nicht unter die Haube gekommene Schwester gern dem Kaufmann ihre Hand gereicht und ihm statt der Mitgift den Glanz ihrer vornehmen Geburt in's Haus gebracht h?tte; es w?re dann auch wohl in den leeren Beutel des Bruders manches Goldst?ck aus dem Verm?gen des reichen Schwagers gefallen. Die Heirath des Kaufmanns hatte beider Hoffnung zunichte gemacht, was ihm der Graf nicht verzeihen konnte; er sann also im Stillen dar?ber nach, wie er die Verschm?hung seiner Schwester an des Schneiders Eidam r?chen k?nnte. Der Kaufmann pflegte des Abends ein Wirthshaus zu besuchen, um sich mit seinen Bekannten die Zeit zu vertreiben; hier traf er auch manchmal mit dem Grafen zusammen. Eines Abends setzte dieser dem Kaufmann einen Floh in's Ohr, indem er folgendermassen zu reden anhub: >>Ihr habt ein gar h?bsches junges Weib zu Hause, ich wundere mich, wie ihr euch getraut, Abends von Hause zu gehen und die junge Frau allein zu lassen. Glaubt ihr denn an Weibestreue? Es ist sicherlich noch nirgends in der Welt vorgekommen, dass ein h?bsches Weib ihrem Manne treu geblieben w?re.<< Der Kaufmann erwiderte: >>Ihr verl?umdet meine Frau aus Neid; aber wie k?nntet ihr eure Rede wahr machen, wenn ich euch nach Beweisen fragen w?rde?<< -- Der Graf machte sich sogleich anheischig, seine Worte wahr zu machen, wenn ihm der Kaufmann erlauben w?rde, die junge Dame ?fter zu besuchen. Der Kaufmann erz?rnte ob des Grafen unversch?mten Rede mehr, als er sich merken liess; gleichwohl war sein Sinn zweifelhaft geworden und er machte endlich mit dem Grafen eine Wette, kraft welcher sein grosses Verm?gen dem Grafen zufallen sollte, wenn dieser die schmachvolle Bez?chtigung wahr machen k?nnte. Die Frau durfte nat?rlich von der Wette nichts erfahren. Nachdem die Uebereinkunft vor Zeugen geschlossen war, sollte der Graf nun sein Gl?ck versuchen.
Als der Kaufmann Abends nach Hause kam, sagte er seiner jungen Frau, er m?sse auf l?ngere Zeit in Gesch?ften verreisen und k?nne wohl erst nach einigen Wochen von der langen Reise zur?ck sein. Alle Gesch?fte des Hauses wolle er bis dahin dem Herrn Grafen anvertrauen, der deshalb noch heute einziehen werde. Die Frau ?usserte, mitreisen zu d?rfen, als ihr aber der Mann dies abschlug, sagte sie: >>Thut was ihr wollt, ich muss mit Allem zufrieden sein.<< Als der Kaufmann am andern Morgen noch manches, auf die Wette Bez?gliche insgeheim mit dem Grafen besprochen hatte, machte er sich auf den Weg, von den Thr?nen der jungen Frau begleitet.
Die grosse Reise ging freilich diesmal nicht weit; der Kaufmann hatte sich in der Vorstadt eine Wohnung gemiethet, wo er still wie eine Maus lebte, aber immer die Ohren gespitzt hielt, den Nachrichten ?ber die junge Frau zu lauschen. Das keusche Weib hatte sich nach dem Scheiden des Mannes in ihre Kammer zur?ckgezogen, fest entschlossen, so lange der Mann von Hause fern sein w?rde, nirgends hin zu Gaste zu gehen, noch irgend Jemand als Gast aufzunehmen, mit Ausnahme ihrer eigenen Schwestern. Dadurch hoffte sie alles leere Geschw?tz der Leute abzuschneiden. Armes Gesch?pf, das die Fallstricke nicht ahnte, welche man ihr legte! Ihre Nahrung liess sie sich t?glich durch die Magd in ihre Kammer bringen, und wenn sie Sonntags in die Kirche ging, musste das M?dchen sie jedesmal begleiten. -- Nach einem Vierteljahre lief von dem Manne ein Brief ein, des Inhalts, dass das Gesch?ft sich weit mehr in die L?nge ziehe, als er vorausgesetzt habe, weshalb es ihm durchaus nicht m?glich sei, den Zeitpunkt seiner R?ckkehr anzugeben. Diesen Brief ?bergab der Graf der Frau nicht, sondern setzte einen andern falschen Brief auf, worin der Kaufmann das lustige herrliche Leben in der Fremde r?hmte und zuletzt der Frau rieth, sich mit dem Herrn Grafen die Zeit zu vertreiben, damit ihr das Warten nicht langweilig werde. Die Frau schrieb der Wahrheit gem?ss zur?ck: >>Ich lebe allein in meiner stillen Kammer, und mich verlangt auch nicht nach einem Gesellschafter, der mir die Zeit vertreibe, sondern ich bitte nur alle Tage Gott, dass er euch gl?cklich heimkehren lasse, meine Sehnsucht zu stillen.<< Auch diese Antwort kam dem Kaufmann nie zu Gesicht; der Graf schrieb wieder einen L?genbrief, als von der Frau herr?hrend, worin sie sich r?hmte, dass sie alle Tage entweder in die Stadt zu Gaste gehe, oder zu Hause G?ste empfange, oder auch in des Herrn Grafen Gesellschaft die Zeit verbringe, so dass sie niemals Sehnsucht nach ihrem Manne empfunden habe. Diesen ruchlosen Betrug ver?bte der Graf jedesmal, wenn Mann und Frau sich einander schrieben, denn er verstand anderer Leute Handschrift so k?nstlich nachzumachen, dass die Eheleute nicht dahinter kamen. Als endlich der Kaufmann schrieb, er hoffe binnen einigen Wochen wieder nach Hause zu kommen, da unterschlug der Herr Graf diesen Brief und liess das falsche Ger?cht aussprengen, dass der Kaufmann in der Fremde sein Ende gefunden habe. Die arme sich f?r eine Wittwe haltende Frau weinte und jammerte bitterlich; liess die W?nde des Gemachs mit schwarzem Zeuge beschlagen, legte Trauerkleider an und liess nicht einmal ihre Schwestern zum Besuch kommen; zur Kirche aber ging sie jeden Sonntag nach wie vor.
Alle List und Betr?gerei, die der Graf bis jetzt angewandt, war vergeblich gewesen, es war ihm nicht m?glich geworden, mit des Kaufmanns Frau zusammen zu kommen oder eine n?here Verbindung anzukn?pfen; ebenso wenig hatte er ein Beweisst?ck, auf welches er die Frau h?tte bezichtigen k?nnen. Da entschloss er sich, es noch einmal mit List zu versuchen. Er liess eines Tages die Frau durch ihr M?dchen bitten, sie m?chte eine Kleiderkiste ?ber Nacht in ihrer Kammer verwahren, bis er sie am n?chsten Morgen wieder wegbringen lasse, denn es sei sonst nirgends im Hause Raum f?r eine Kiste. Die Frau, welche sich keiner Arglist versah, willigte ein. Der Graf war aber selber heimlich in die Kiste geschl?pft und auf diese Weise in die Kammer der Frau gelangt. Beim Schlafengehen hatte die Frau eine goldene Kette vom Halse genommen und auf den Tisch vor dem Bette gelegt; es war die Kette, die der Mann ihr bei der Verlobung geschenkt hatte, deshalb trug sie dieselbe Kette t?glich am Halse. Als sie in der Nacht ruhig schlief, kroch der Graf ganz sachte aus der Kiste, raffte die goldene Kette vom Tische, steckte sie in die Tasche und eilte sich wieder in die Kiste zu verstecken, mit welcher er dann sp?ter fortgetragen wurde. -- Die gestohlene Kette sollte dem Kaufmanne bezeugen, dass seine Frau die Ehe gebrochen und die Kette als Liebespfand geschenkt habe. Als die Frau am Morgen aufstand, hatte sie in ihrem Herzenskummer der goldenen Kette nicht weiter Acht gehabt, wiewohl sie sonst immer des geliebten Mannes Geschenk umzulegen pflegte.
Als sie am Nachmittag zuf?llig zum Fenster hinaus auf die Strasse sieht, sieht sie den f?r todt gehaltenen Gatten zur?ckkommen. Augenblicklich reisst sie die schwarzen Trauerbeh?nge von den W?nden, l?uft in Freudenthr?nen ausbrechend ihrem Eheherrn entgegen und f?llt ihm um den Hals. Der Kaufmann, fremd und kalt wie Eis, giebt keine frohe Regung zu erkennen, da er die Freude der Frau f?r ein tr?gerisches Blendwerk h?lt; der Herr Graf hatte ihm einen Floh in's Ohr gesetzt, der ihm keine Ruhe mehr liess. Die Frau wollte sogleich in die K?che eilen, um f?r den von der Reise kommenden Gemahl Speise zu bereiten, allein dieser wehrte es ihr, da er selber f?r das Abendessen sorgen wolle.
Als die Zeit dazu herangekommen war, wurde eine h?lzerne Sch?ssel mit einem Mehlbrei aufgetragen, in welchem zwei h?lzerne L?ffel staken. Die Frau machte grosse Augen und wusste nicht, was sie davon halten solle. Der Kaufmann aber sagte mit bek?mmertem Ernste: >>Heut' Abend wollen wir uns aus der Breisch?ssel zum letzten Male satt essen, denn das ist Alles, was mir von meinem grossen Verm?gen geblieben ist. Morgen sind wir Bettler, die nicht das St?ck Brot haben.<< Weinend bat die Frau, ihr zu sagen, durch welches unvermuthete Ungl?ck sie mit einem Male arm geworden w?ren. >>Dieses Ungl?ck hast du selbst verursacht,<< -- erwiderte der Mann -- >>deine Vers?ndigung gegen die eheliche Treue hat uns so weit gebracht, dass wir zum Bettelstabe greifen m?ssen. Wo ist deine goldene Kette, die ich dir als Verlobungspfand schenkte?<< Erst jetzt bemerkte die Frau, dass die Kette sich nicht an ihrem Halse befand; sie sprang erschreckt vom Tische auf und lief in ihre Kammer, die vergessene Kette zu holen, fand sie aber dort nicht. Sie wollte jetzt die Kette suchen, aber der Kaufmann hinderte es und sagte: >>Lass nur die leeren Grimassen, womit du mich zu t?uschen suchst! Ich weiss, dass du selbst die Kette verschenkt hast, die jetzt dein Galan besitzt.<< Was konnte da der Frau ihr Leugnen helfen und ihre Vertheidigung? Der ruchlose Graf fand mit seiner goldenen Kette ?berall mehr Glauben, denn die Menschen glauben viel leichter das B?se als das Gute; konnte er doch auch vor Gericht seine Worte durch dieses Beweisst?ck erh?rten und obendrein beschw?ren, dass er eine Nacht in der Kammer der Frau zugebracht habe. -- Ohne also auf die Vertheidigung der Frau weiter R?cksicht zu nehmen, f?llte das Gericht schliesslich den Spruch: die ehebrecherische Frau solle auf einem Schiffe in die hohe See hinaus gefahren und dort vom Schiffe in's Meer geworfen werden den Fischen zur Speise. Der Kaufmann aber solle zur Strafe f?r seine leichtsinnige Wette und Andern zur Abschreckung auf Lebenszeit in's Gef?ngniss gesetzt werden. Ueber den leichtsinnigen Mann hatte das Gericht ein angemessenes Urtheil gesprochen, allein der schuldlosen Frau f?gte das weltliche Gesetz schweres Unrecht zu. Dem Grafen wurde das Verm?gen des reichen Kaufherrn zuerkannt. Dieser Ungl?ckliche erbat f?r seine Gattin noch die einzige Gnade, dass sie vor der Ertr?nkung in ein getheertes Gewand eingen?ht w?rde, und dass ihr zwanzig in den G?rtel eingen?hte Golddukaten mitgegeben w?rden, damit die Leute bei dem an's Land geworfenen Leichnam das Geld f?nden und ihm daf?r ein Grab bereiteten. Das Gericht gew?hrte diese Bitte.
So wurde der einst reiche Kaufherr in Ketten in's Gef?ngniss gebracht, w?hrend seine unschuldige Gattin auf einem Schiffe viele Meilen weit in die See gef?hrt und dann ?ber Bord geworfen wurde. Das aus getheertem Zeuge gemachte Obergewand bl?hte sich hoch auf wie eine Blase und hielt die ungl?ckliche Frau ?ber Wasser. Die unbarmherzigen Schiffsleute riefen lachend: >>Mit der Zeit wird das Wasser schon seine Beute schlucken!<< kehrten um und dachten nicht weiter an das arme Gesch?pf, das wie eine wilde Gans auf den Wellen dahin schwamm.
Gottes Wege waren nicht die der irrenden Menschen. Seine Huld liess nicht zu, dass ein schuldloses Wesen in der Tiefe des Meeres versinke, sondern wies auf wunderbare Weise den Weg der Rettung. Die Meereswellen mussten die in ein getheertes Gewand eingen?hte Frau drei Tage und drei N?chte auf dem R?cken tragen und endlich in einem fernen fremden Lande an's Ufer schleudern. -- Obgleich die Frau sehr erm?det war, als sie auf's Trockene kam, vergass sie doch nicht, Gott, der sie aus Todesn?then errettet hatte, f?r seine wunderbare H?lfe zu danken. Dann warf sie sich auf den Rasen, um zu schlafen, sich von der durch das lange Treiben auf dem Wasser verursachten Ersch?pfung zu erholen und ihre Lebenskraft f?r die kommenden Tage neu zu st?rken. Noch hatte sie die Augenlider nicht geschlossen, als sie zwei Raben auf hohem Fichtenwipfel so reden h?rte: >>Da liegt jetzt<< -- sagte der erste Vogel -- >>ein ungl?ckliches Gesch?pfchen am Strande, welches die kurzsichtigen Menschen ausgestossen haben. Die Arme wird hier, wo keine Menschen wohnen, doch zuletzt umkommen, obwohl sie sich gar leicht retten k?nnte.<< -- >>Wie denn?<< fragte der andere Vogel. >>Siehe,<< erwiderte der erste Plauderer -- >>obgleich die Arme sehr erm?det scheint, sollte sie doch ihre letzte Kraft zusammen nehmen und rechts am Ufer weiter gehen, da wohnt ein frommer Dorfgeistlicher, der sie freundlich aufnehmen und ihren ermatteten K?rper st?rken w?rde. Hat sie sich dann einige Tage ausgeruht und ihre Kr?fte erfrischt, dann k?nnte sie in die grosse Stadt gehen, die nicht weit von da liegt und wo die Leute Mangel an Wasser leiden, weil ein b?ser Zauberer vor vielen hundert Jahren alle unterirdischen Wasseradern festgemacht hat, so dass in die Brunnen kein Wasser kommt, als was die Regenschauer dem Schoosse der Wolken entlocken. Und doch w?re es eine Kleinigkeit, den Bewohnern der Stadt Trinkwasser zu schaffen.<< >>Wie denn das?<< fragte der andere Rabe. >>Sieh nur,<< erwiderte der erste -- >>mitten auf dem Markte liegt ein grosser grauer Granitblock, welcher alle Quelladern deckt und schliesst. Es bed?rfte weiter keiner Arbeit, als diesen Verschluss-Block heben zu lassen, dann w?rden die Quellen aus der Tiefe reichliches Nass ergiessen. Und derjenige k?nnte reichen Lohn verdienen, welcher der Stadt Wasser verschaffte. -- Aber diese arme Frau k?nnte noch mehr Ehre und Gl?ck finden, wenn sie in die K?nigsstadt ginge und dort des K?nigs einzigen Sohn gesund machte, den bis jetzt weder Doctoren noch Wund?rzte heilen konnten. So liegt der arme J?ngling schon sieben Jahre im Bette und findet nirgends H?lfe, weil menschlicher Verstand seine Krankheit nicht erkennen kann. Und doch k?nnte der K?nigssohn leicht gesunden, wenn ihm die rechte Arznei gegeben w?rde.<< >>Was f?r Kr?uter k?nnten denn seinem Uebel abhelfen?<< fragte der andere Vogel. >>Es w?re eine Kleinigkeit, ihn gesund zu machen<< -- liess sich der Sprecher weiter vernehmen. -- >>Es w?re dazu nichts weiter erforderlich, als in der Domkirche an die dritte Bank, rechts vom Altare, zu gehen und dort die Diele aufzubrechen, unter welcher ein M?usenest liegt. Wenn das Nest sammt den Jungen herausgenommen, in einem Grapen oder Kessel gekocht, und die Fl?ssigkeit dann durch ein Tuch geseiht und in Flaschen gegossen w?rde, so w?re die Arznei fertig. Jeden Morgen und Abend ein L?ffel voll von dem M?usekraft-Trank dem Kranken eingegeben und mit derselben Fl?ssigkeit die Brust eingerieben, w?rde den Kranken in einigen Tagen gesund machen.<< -- Wohl sehr schade ist es, dass in unseren Tagen weder Stadt- noch Land-Aerzte die Vogelsprache verstehen, welche sie manches Mal auf den richtigen Weg bringen k?nnte, wenn ihr eigener Kopf ihnen nicht mehr aushelfen will. Und auch manchem eingebildeten Naseweis, der menschliche Belehrung verschm?ht, k?nnten durch die Rede der V?gel vern?nftigere Gedanken in sein einf?ltiges Gehirn kommen. -- Doch fahren wir jetzt in unserer Erz?hlung fort.
Nachdem die ungl?ckliche Frau die Raben-Weisheit vernommen hatte, schlief sie ein. Auf wunderbare Weise liess Gottes G?te ihrem K?rper im Schlaf neue Kraft zustr?men; obwohl sie drei Tage ohne einen Bissen Nahrung gewesen war, f?hlte sie doch beim Erwachen weder M?digkeit noch Hunger. Der klugen V?gel Zwiegespr?ch fiel ihr alsbald ein; doch konnte sie sich nicht klar machen, ob sie das wachend oder tr?umen erlebt habe. Da ihr aber nichts Besseres ?brig blieb, wollte sie es mit dem angegebenen Wege versuchen. Mit gr?sster M?he erreichte sie vor Abend des Predigers Haus, wo die guten Menschen sie freundlich aufnahmen und pflegten. Nach einigen Tagen f?hlte sie sich stark genug, weiter zu wandern. Der Prediger und die Hausleute baten sie, noch einige Tage bei ihnen zu Gaste zu bleiben, denn sie war ihnen allen lieb geworden; aber sie wollte ihnen nicht l?nger zur Last fallen, sondern dankte f?r die genossene Wohlthat, nahm Abschied und macht sich dann auf den Weg, um der Anleitung der V?gel gem?ss ihr Gl?ck weiter zu versuchen. Da die Wegweisung der Raben sich das erste Mal bew?hrt hatte, so richtete sie ihre Schritte nach der wasserbed?rftigen Stadt. Da fiel es ihr ein, dass, wenn sie in Weiberkleidern die Stadt betr?te, die Leute wohl nicht viel von ihrer Einsicht halten w?rden. In der guten alten Zeit duldete man noch nicht das Gegacker der Henne, wie in unseren Tagen, wo der Hahn wohl selber r?hmt, wie h?bsch sein Sch?tzchen schon gesungen, als es erst drei Spannen hoch war, weshalb er das sangreiche junge Huhn selbst auf den Markt tr?gt und ruft: >>Kommt und h?rt, wie h?bsch mein H?hnchen singt.<<
Die Frau kaufte sich also Mannskleider und gab sich das Ansehn eines Mannes. Sie schnitt ihre langen Haare kurz am Kopfe ab, zog einen Rock an, band einen rothen G?rtel um die H?ften und zog das bunte Hemd ?ber die Hosen, so dass sie ganz wie ein Russe aussah. Als sie nach einigen Tagen in die Stadt kam und in einem Wirthshause ein Quartier bezog, fand sie auf dem Esstische mancherlei Getr?nke, Branntweine und Weine, Bier und Meth, aber kein Tropfen Wasser war zu sehen. Sie bat, man m?ge ihr ein Glas Wasser bringen. >>Geehrter Herr, ihr k?nnt in unserer Stadt alle Arten von Getr?nk haben, um euren Durst zu l?schen, aber frisches Wasser k?nnen wir euch auch um den h?chsten Preis nicht geben: Wasser m?ssen wir in der heissen Zeit von weitem herf?hren, wie eben jetzt, wo Gott keinen Regen giebt.<< >>Warum lasset ihr keine Brunnen graben?<< fragte die als Mann verkleidete Frau. Der Gastwirth erwiderte: >>Brunnen haben wir von Alters her genug gegraben, aber es kommt kein anderes Wasser hinein als was der Regen hineinbringt. Unsere Obrigkeit hat schon Unsummen daran gewendet, und hat auch demjenigen eine grosse Belohnung verheissen, der Wasser in die Brunnen leiten w?rde, aber wenn auch von ?berall her viel geschickte Brunnenmeister kamen, um ihr Gl?ck zu versuchen, so hat doch keiner von ihnen Wasseradern gefunden.<< -- Die Frau sagte: >>Die Sache scheint sehr wunderbar! Ich will Nachmittags in eurer Stadt umhergehen, vielleicht finde ich zuf?llig Pflanzen, welche auf eine Wasserader weisen.<< >>Das wird wohl vergebliche M?he sein,<< -- meinte der Gastwirth -- >>doch k?nnt ihr ja immerhin euer Heil versuchen.<<
Die Kaufmannsfrau schlenderte nun aus einer Strasse in die andere, bis sie auf den Markt kam. Da fand sie den grossen grauen Granitblock, wie es die Raben in ihrem Gespr?che angegeben hatten; und da nun so die beiden ersten Verk?ndigungen wahr geworden waren, so wuchs ihr der Muth, den Wasserkerker zu erschliessen. Sie ging zum Oberhaupt der Stadt, gab sich f?r einen Brunnenmeister aus und versprach der Stadt Wasser zu schaffen, wenn man ihr soviel Arbeiter und Werkzeuge geben w?rde, wie es die Sachlage erfordere. Das Stadtoberhaupt aber bedachte, welchen Geldaufwand die fruchtlose Arbeit schon verursacht hatte und sprach deshalb die Bitte aus, den vergeblichen Versuch lieber zu unterlassen. Der Brunnenmeister liess sich aber nicht so leicht irre machen, sondern sagte: >>Gebt mir f?nfzig oder sechzig Arbeiter und die n?thigen Werkzeuge, wie Stangen, Stricke und dergleichen, so mache ich mich verbindlich, eurer Stadt soviel Wasser zu schaffen, dass Menschen und Thiere genug haben.<< -- Das Stadtoberhaupt verlangte jetzt ein Pfand von solchem Werthe, dass es alle Ausgaben decke, wenn die Arbeit den verheissenen Nutzen nicht bringe. Die Frau entgegnete: >>Geld habe ich jetzt gerade nicht soviel, um das Pfand zu hinterlegen, aber ich mache mich anheischig, f?r jeden Arbeiter f?nfzig, oder wenn ihr wollt, hundert Tage zu arbeiten, wenn ich euch das versprochene Wasser nicht liefere. Falls ich aber meine Versprechungen erf?lle, dann zahlt ihr mir die Belohnung, welche ihr f?r die Auffindung von Wasser ?ffentlich ausgeboten habt.<< Auf diese Bedingung hin wurde der Vertrag geschlossen.
Nachdem die Vorbereitungen beendigt waren, begab sich die Frau mit f?nfzig Arbeitern auf den Markt: eine ungeheure Volksmenge zog hinterdrein, um das Wunderwerk mit anzusehen. Die Frau Meister liess zuerst hart um den Block herum Gr?ben ziehen, dann starke Balken als Hebel unter den Block schieben, Stricke mit dem einen Ende an die Balken befestigen, mit dem andern um den Block legen, und als nun die M?nner auf das gegebene Zeichen mit einem Male aus Leibeskr?ften anzogen und aufwanden, ging der Block in die H?he. Und o Wunder! zischend ergoss sich ein breiter Wasserstrahl unter dem Blocke hervor. -- Freudengeschrei erscholl aus dem Munde von Tausenden. Das Stadtoberhaupt und die anderen obrigkeitlichen Personen traten n?her und f?llten Becher und Kannen mit frischen Wasser, das klar, k?hl und erquickend war. Alle, die das Wasser schmeckten, r?hmten es einstimmig und die klugen Doctoren erkl?rten, es sei der Gesundheit sehr zutr?glich. Da nun der Brunnenmeister sein Versprechen erf?llt hatte, wurde ihm die f?r das Auffinden von Wasser ausgesetzte Belohnung unweigerlich ausgezahlt und ?berdies folgten ihm die Dankes- und Segensw?nsche der Bewohner nach.
Jetzt brauchte die Frau nicht mehr zu Fusse zu gehn, sondern konnte in einer Kutsche mit sechs Pferden fahren, wenn sie wollte. Sie fuhr alsbald in die K?nigsstadt. Als sie mit Dank gegen Gott dessen gedachte, wie der V?gel Anleitung sie unverhofft auf den Weg des Gl?ckes gef?hrt hatte, beschloss sie zugleich sich andere Kleider zu besorgen, weil denn doch die russische Bauerkleidung f?r einen Doctor nicht passte. Sie liess ihr Haar anders ordnen und kaufte sich einen Anzug, wie ihn die st?dtischen Aerzte zu tragen pflegen. Als sie dann nach einigen Tagen die Residenz des K?nigs erreichte, miethete sie in einem vornehmen Gasthof eine Wohnung und gab sich f?r einen Arzt aus, der aus weiter Ferne gekommen sei.
Die Ankunft eines ber?hmten Arztes aus weiter Ferne drang rasch zu des K?nigs Ohren. Er schickte seine Diener in den Gasthof und liess den Doctor zu seinem kranken Sohne bitten. Als der Doctor kam, redete er ihn so an: >>Ich bin ein grosser K?nig, aber bei allem Ansehn und Reichthum ein ungl?cklicher Vater. Mein einziger Sohn siecht schon sieben Jahre lang auf dem Krankenlager dahin und Niemand kann ihm helfen; obgleich die ber?hmtesten ?rzte meines Landes und fremder L?nder die verschiedensten Arzeneimittel versucht haben, konnten sie doch sein Uebel nicht heilen. Mit tiefem Kummer sehe ich, wie mein liebes Kind mit jedem Tage rascher dem Grabe sich n?hert.<< Der neue Arzt bat, den Kranken sehen zu d?rfen, worauf er in dessen Gemach gef?hrt wurde. Der kranke K?nigssohn im Bette sah mehr einem Schatten als einem menschlichen Wesen ?hnlich; dass er athmete, war das einzige Lebenszeichen, sonst h?tte man ihn f?r eine Leiche halten k?nnen. Der Doctor sagte: >>Weil sich die Krankheit so sehr in die L?nge gezogen hat, ist die Behandlung sehr schwierig geworden, doch gebe ich die Hoffnung noch nicht ganz auf.<< Er versprach dann die n?thigen Arzeneien zu bereiten und nach einigen Tagen die Behandlung zu beginnen.
Am andern Tage ging der vermeintliche Doctor, die herrliche Domkirche zu besehen, wie denn jeder Fremde diese sch?nste Zierde der Stadt in Augenschein nimmt. Nachdem er die Kirche von aussen und von innen genugsam betrachtet hatte, z?hlte er die dritte Bank rechts vom Altar ab, brach die Diele auf, fand dort das von dem Raben angegebene M?usenest mit den Jungen, band Alles in sein Schnupftuch, brachte die Diele wieder in Ordnung und eilte in seine Wohnung zur?ck. Hier machte er sich in aller Stille daran, den Gesundheitstrank zu kochen, und liess ihn dann ein Weile stehen, ehe er die Fl?ssigkeit durch ein Tuch seihte, worauf er sie in eine Flasche goss. Nach einigen Tagen ging er wieder zum kranken K?nigssohn, gab ihm einen L?ffel voll von dem Krafttrank ein und rieb ihm die Brust damit. Die Kraft des Wundertranks war so stark, dass der Kranke um Mittag zu essen verlangte und ihm auch die vorgesetzte Speise zum ersten Male schmeckte. Der K?nig war ?ber das Verlangen nach Speise anfangs erschrocken; er hielt dasselbe f?r ein krampfhaftes und meinte, die Todesstunde sei gekommen, in welcher zuweilen die schwersten Kranken Esslust zeigen. Da aber der weibliche Doctor nichts dagegen hatte, so wurde des Kranken Begehr erf?llt. Als der K?nigssohn nach dem Essen einige Stunden geschlafen hatte, war sein Aussehen beim Erwachen freundlicher und er sagte, dass er sich st?rker f?hle. Schon am andern Tage richtete er sich allein im Bette auf, am sechsten Tage aber f?hlte er sich stark genug, aufzustehen und sich auf einem Stuhle niederzulassen.
W?hrend er so sass, fielen seine Blicke h?ufig auf den jungen Doctor, den der alte K?nig nicht eher ziehen lassen wollte, als bis der Sohn sich vollst?ndig erholt habe. Eines Tages sagte der K?nigssohn seufzend zum Doctor: >>Es thut mir herzlich leid, dass Gott euch nicht ein Frauenzimmer hat werden lassen. Mir ist in meinem Leben noch kein sch?neres Antlitz vorgekommen als das eurige -- ich w?rde euch gewiss freien, wenn ihr ein Weib w?ret.<< Der Doctor erwiderte: >>Seid zufrieden mit dem, was Gott gemacht hat, und danket ihm daf?r, dass ihr von schwerer Krankheit genesen seid. Ihr k?nnt euch jetzt, da ihr wohlauf seid, jeden Tag aus den edelsten Geschlechtern eine Lebensgef?hrtin w?hlen.<<
Des K?nigs Freude ?ber die gl?ckliche Wiederherstellung seines Sohnes war grenzenlos. Er h?tte dem Arzte gern das Zehnfache der versprochenen Belohnung gezahlt -- der Arzt aber lehnte diese Gnade ab und verlangte keinen gr?sseren Lohn als ein St?ck Land in der Gegend des Reiches, wo seine Geburtsstadt stand, und wo der Gatte gefangen sass, wenn ihn der Tod nicht befreit hatte. Die Bitte wurde nicht nur ohne Weiteres zugestanden, sondern der K?nig befahl auch, die Grenzen des geschenkten Landstriches so weit auszudehnen, dass beinahe der vierte Theil des Reiches an Land und Leuten des Doctors Erbeigenthum wurde. Nach einigen Tagen war die Schenkungsurkunde gerichtlich ausgestellt und mit dem k?niglichen Insiegel bekr?ftigt. Dann verliess der neue Grundeigenth?mer des K?nigs Palast, nahm dankend Abschied und schlug den Weg nach seinem k?nftigen Wohnsitz ein.
Als sich die Frau demselben n?herte, fielen ihr mancherlei Gedanken und Gef?hle schwer auf's Herz, wenn sie sich die Vergangenheit zur?ckrief und ?berdachte, wie sie als Kind in D?rftigkeit aufgewachsen, dann pl?tzlich im Hause des Kaufmanns reich gewesen sei, und endlich solche Tr?bsal erlebt habe. Doch Reichthum und Tr?bsal waren ohne ihre Schuld ?ber sie gekommen, und ihr Gewissen f?hlte sich nicht beschwert. -- Sie trug noch immer m?nnliche Kleidung und wollte sie auch nicht eher ablegen und sich zu erkennen geben, als bis Alles geordnet w?re. Vor ihrem fr?herem Hause liess sie die Kutsche halten und durch einen Diener anfragen, ob sie da wohl auf einige Tage eine Wohnung miethen k?nne. Der gegenw?rtige Besitzer, der uns wohlbekannte Graf, obwohl jetzt durch schn?den Betrug steinreich geworden, war doch ?usserst geldgierig und suchte, wo er konnte, seinen Mammon zu vermehren. Er war darum gleich bereit, dem reichen fremden Herrn eine Wohnung zu vermiethen, als ihm der hohe Preis, den er unversch?mter Weise forderte, unweigerlich zugestanden wurde.
Die Frau legte am folgenden Tage eine reiche M?nnerkleidung an und erschien vor der Obrigkeit, wo sie den k?niglichen Schenkungsbrief vorzeigte und sich als Grundherrn zu erkennen gab. Man kann leicht denken, dass der neue Gebieter mit grosser Ehrerbietung und Unterw?rfigkeit empfangen wurde. Sein erster Befehl lautete dahin, den vormals reichen Kaufmann, der vor Jahren wegen leichtsinnigen Wettens in's Gef?ngniss gesetzt worden, sowie den Grafen, der dessen Verm?gen erhalten, desgleichen die Magd, welche damals bei der Frau des Kaufmanns gedient habe und jetzt beim Grafen diene -- diese drei Personen vorzuf?hren. Der Befehl wurde sofort vollzogen.
Der in der langen Haft schwach und bleich gewordene Kaufmann hatte schon graues Haar bekommen und einen langen Bart, der ihm bis zur halben Brust reichte. H?nde und F?sse waren gefesselt und ein zerfetztes Gewand bedeckte seinen Leib. Der Herr Graf trat stolzen Schrittes in den Gerichtssaal; f?r ihn, den reichen, hochgeborenen Mann, gab es wohl keinen Grund zur Furcht. Der neue Grundherr befahl sogleich, dem bis dahin gefangen gehaltenen Kaufmanne die Fesseln abzunehmen und sie dem Grafen anzulegen. Obwohl die Gerichtsherren einander verwundert ansahen, wagte doch keiner ein Wort gegen die Anordnung des gebietenden Grundherrn vorzubringen. Jetzt fragte die in M?nnerkleidung dastehende Frau den Grafen: >>Bekennet, wie ist damals die goldene Kette der Kaufmannsfrau in eure H?nde gekommen?<< Der Graf erwiderte mit schamloser Frechheit: >>Die Frau schenkte mir die Kette als Liebespfand.<< -- Darauf wurde die Magd in Ketten gelegt und in's Verh?r genommen; sie sollte erkl?ren, wie es sich mit der Kette verhalte. Die erschrockene Magd deckte nun den ganzen Betrug auf. Hierauf f?llte das Gericht den Spruch, dass der Graf und die Magd auf Lebenszeit in's Gef?ngniss kommen sollten und zwar wurden sie in denselben Thurm gebracht, in welchem der Kaufmann bis jetzt gesessen hatte.
Nachdem so die Uebelth?ter ihren verdienten Lohn erhalten hatten, entfernte sich die Frau, legte ihre Frauenkleider an und gab sich ihrem Manne zu erkennen. Der Kaufmann bereute voll Scham sein Vergehen und wagte nicht zu seiner Frau, die er ohne ihr Verschulden verstossen und in den Tod geschickt hatte, die Augen aufzuheben. Die liebende Frau aber, welche ihrem Manne die am Altare gelobte Treue stets rein bewahrt hatte, verzieh ihm all' sein Unrecht. Darauf segnete der Geistliche ihre Ehe zum zweiten Male ein und es wurde eine stattlichere Hochzeit gefeiert als die erste war. Aber der Vater der Frau, der alte Schneider, schlief schon im Grabe und hatte den Freudentag, wo seine verl?umdete Tochter wieder zu Ehren kam, nicht mehr erleben sollen. Vom Tage der zweiten Hochzeit an lebte das Paar gl?cklich bis an's Ende und dem Kaufmann stieg niemals wieder ein Zweifel an der Treue seiner Frau auf. Und gl?cklich darf man den Mann preisen, der eine fromme Frau gewonnen hat, deren Leben so klar dahinfliesst, wie ein Quellbach, auf dessen Grunde nicht Schlamm noch Schutt gefunden wird.
Einmal lebte ein reicher Mann mit seiner Frau und einer einzigen Tochter, welche die Eltern mehr als ihren Augapfel liebten, und deshalb auf's z?rtlichste erzogen; und die gute Tochter war dieser Liebe werth. Die Mutter hatte einst einen Traum gehabt, aus dem sie auf ein schweres Missgeschick schloss, und sie h?tte viel darum gegeben, wenn Jemand ihr den Traum richtig h?tte deuten k?nnen. Aber noch ehe sie einen klugen Traumdeuter fand, erkrankte sie schwer an einer Brustentz?ndung und f?hlte schon am andern Tage ihre Todesstunde herannahen. Der Mann war fortgegangen um Aerzte zu holen, da rief die Frau ihr T?chterchen an ihr Bett, streichelte ihm die Wangen und sagte mit betr?bter Miene: >>Der Himmel ruft mich aus dieser Welt ab zur Ruhe; ich muss in's Grab und dich L?mmchen zur?cklassen. Dein Vater und ein anderer h?herer im Himmel werden f?r dich Sorge tragen, und mein m?tterliches Auge wird von jener Welt her ?ber dich wachen. Wenn du ein frommes und gutes Kind bleibst, so werden unsere Herzen ewig vereinigt bleiben, denn auch Tod und Grab k?nnen die Liebesbande zwischen Mutter und Kind nicht zerreissen. Pflanze auf meinem Grabh?gel zum Schmuck eine Eberesche, damit die V?gel im Herbste Beeren darauf finden und dir gutes daf?r erweisen, wenn du keine andern Freunde mehr haben solltest. Sollte dein Herz einmal einen heimlichen Wunsch hegen, dann sch?ttle den Wipfel der Eberesche, damit ich Kunde davon erhalte; oder sollten bittere Stunden in dein Leben treten, dann schl?pfe unter den Schatten der Eberesche, welche dich trostreich aufnehmen wird wie der Schooss einer Mutter und deinem betr?bten Herzen Erquickung bringen wird.<< Nicht lange darnach und noch ehe der Vater von seinem Gange nach dem Arzte zur?ck war, schlossen sich die Augen der guten Mutter auf immer. Das T?chterchen weinte bitterlich und wollte weder bei Tage noch bei Nacht aus der N?he der Todten weichen, bis der Mutter kalter Leichnam in den Sarg gelegt und zu Grabe getragen wurde. Die Tochter pflanzte eine Eberesche auf das Grab, grub die Wurzeln in die Erde und feuchtete sie mit ihren Thr?nen; und als sp?ter das Nass der Wolke dazu kam, wuchs der Baum in die H?he, dass es eine Lust war zu sehen. Das Kind setzte sich gar oft unter diesen der Mutter geweihten Baum, der ihm jetzt der liebste Platz auf Erden geworden war.
Inzwischen hatte der K?nig ein pr?chtiges Fest vorbereitet und ?berallhin Boten ausgesandt, welche im ganzen Reiche ?ffentlich kund machen und auf Wegen und Stegen ausrufen sollten: dass alle jungen bl?henden M?dchen zwischen sechzehn und zwanzig Jahren zum Freudenfeste des K?nigs kommen sollten, welches drei Tage hinter einander dauern w?rde, weil sein einziger Sohn gesonnen sei zu freien, und sich aus der M?dchenschaar diejenige auszusuchen, welche ihm die h?bscheste und verst?ndigste zu sein d?nkte. O du liebe Zeit! Was hob da f?r ein Treiben an ?berall! Zum Gl?ck war nicht befohlen worden, die Taufscheine mitzubringen, so dass auch diejenigen hinkommen konnten, ihr Gl?ck zu versuchen, die schon eine Kleinigkeit ?ber die Zwanzig hinaus geschritten waren.
Der Aschen-Trine Stiefschwestern, die Goldt?chterchen der Mutter, sollten beide auf des K?nigs Fest gehen; da hatte denn die Waise vom Morgen bis zum Abend zu thun: sie wusch und pl?ttete Kleider, n?hte neuen Putz und musste dabei noch alle ?brigen h?uslichen Gesch?fte besorgen. Und als ob es daran noch nicht genug w?re, warf die ?ltere Stiefschwester eine Sch?ssel voll Linsen in die Asche und rief: >>Lies sie heraus und setze sie auf's Feuer!<< Zum Gl?ck fiel der Trine die am Grabe der Mutter erhaltene Weisung ein, darum sagte sie:
>>H?hnelein und Hennelein! Kommt die Linsen lesen fein!<<
Augenblicklich waren die gerufenen H?lfsarbeiter da und begannen zu lesen und in kurzer Zeit hatten sie die letzten K?rner aus der Asche gescharrt und mit ihren Schn?beln in die Sch?ssel gethan. Als dann der erste Tag des Festes anbrach, musste Aschen-Trine die Schwestern schm?cken, ihren Kopf k?mmen, ihr Antlitz waschen und sie pr?chtig ankleiden, wof?r sie zum Danke nur Schimpfreden und mehr als eine Maulschelle erhielt, so dass ihr Augen und Ohren brannten. Aschen-Trine ertrug den Frevel geduldig und seufzte nur zuweilen zum Himmel auf; als aber die Stiefschwestern nun auf's Fest gegangen waren und sie allein mit der Stiefmutter zu Hause geblieben war, da stieg ein heisses Verlangen in ihrem Herzen auf, welches ihr die Thr?nen in die Augen trieb. Sie w?re auch gar gern zum Feste gegangen, wenn sie Erlaubniss erhalten oder Kleider gehabt h?tte, in denen sie sich unter die andern G?ste h?tte mischen k?nnen.
Als sie sich recht satt geweint und dadurch den ersten Kummer beschwichtigt hatte, nahm sie den Strickstrumpf zur Hand und setze sich auf die kleine Bank am Heerde, wo ihr das Herz allm?hlich wieder leicht wurde. Sie gedachte der verstorbenen Mutter und bat Gott, ihr auch einst die Ruhe im Grabe zu verleihen, so lange sie aber noch hier im Staube wandle, gelobte sie Alles fromm zu dulden, bis sie einst in einer besseren Welt wieder in den Armen der Mutter ruhen werde. Pl?tzlich h?rte sie ihren Namen rufen; als sie aber die Augen aufschlug, sah sie Niemanden. Nach einer Weile sagte das unsichtbare Stimmchen: >>Geh und sch?ttle die Eberesche!<< Aschen-Trine eilte das Geheiss zu erf?llen. Nachdem sie den Baum ein paar Mal gesch?ttelt hatte, wurde es hell und auf dem Wipfel sass ein ellenhohes Frauenbild in Goldgew?ndern, ein kleines K?rbchen in der einen und ein goldenes St?bchen in der anderen Hand. Die kleine Fremde fragte das M?dchen nach diesem und jenem, wie es ihr bis jetzt ergangen sei, und als sie Bescheid erhalten, liess sie sich zur Erde nieder. Sie streichelte der Waise die Wangen und sagte tr?stend: >>Binnen kurzem wirst du bessere Tage erleben, du musst aber heute auf des K?nigs Fest gehen.<< Aschen-Trine sah sie ungl?ubig an und hielt die Rede f?r Spott.
Das kleine Frauenzimmer nahm jetzt ein H?hnerei aus dem Korbe und ber?hrte es mit dem goldenen St?bchen -- sofort stand eine sch?ne Kutsche auf dem Rasen. Dann nahm sie wieder sechs junge M?use heraus, und verwandelte sie in sechs sch?ne isabellfarbene Pferde, welche vor die Kutsche gespannt wurden. Aus einem schwarzen K?fer wurde dann ein Kutscher gemacht und zwei bunte Schmetterlinge wurden in Diener verwandelt. Diese baten Aschen-Trine, sich in die Kutsche zu setzen und auf des K?nigs Fest zu fahren. Wie durfte aber die Waise in schmutzigen Kleidern zum Feste kommen? Die kleine Zauberin, oder was sie sonst sein mochte, ber?hrte mit ihrem Goldst?bchen Trinen's Kopf und siehe! augenblicklich war sie zum stattlichsten deutschen Fr?ulein geworden, das man nur sehen konnte; ihre alten schlechten Kleider waren in einen kostbaren Anzug verwandelt, der ganz aus Sammt und Seide bestand und von Gold und Silber schimmerte. Am sch?nsten aber war ein goldener Kranz auf dem Haupte, der von Edelsteinen funkelte, die wie die Sterne am Himmel gl?nzten.
Die kleine Zauberin mahnte: >>Fahre jetzt zum Feste und geniesse mit den Andern alles Wohlsein und Vergn?gen, damit das Andenken an die vergangenen Leidenstage in deinem Herzen erl?sche und die Freude darin aufd?mmere. Wenn aber der Hahn um Mitternacht drei Mal kr?ht, dann darfst du keinen Augenblick l?nger bleiben, sondern musst nach Hause eilen, als ob es dir auf den N?geln brenne. Sonst h?rt die Zauberkraft auf, und Kutsche, Pferde, Kutscher, Diener und du selbst verwandeln sich wieder in das, was sie vorher waren. Darum vergiss meine Mahnung nicht, sonst ger?thst du in Schande und verscherzest dein Gl?ck.<<
Aschen-Trine versprach die Zeit genau in Obacht zu nehmen; setzte sich in die Kutsche und fuhr in gestrecktem Galopp auf des K?nigs Fest. Als sie aber in den Festsaal trat, war es als ob die Sonne aufgegangen w?re, so dass alle andern Fr?ulein und Damen neben ihr erbleichten, wie der Mond und die Sterne in der lichten Morgenr?the. Die Stiefschwestern erkannten sie zwar nicht in dieser Pracht und Sch?nheit, aber doch drohte ihr Herz vor Neid zu bersten. Der Sohn des K?nigs hatte f?r keine Andere mehr Auge noch Ohr, sondern wollte der Aschen-Trine keinen Augenblick von der Seite weichen; mit ihr unterhielt er sich auf's Angenehmste, mit ihr scherzte und tanzte er, als ob sonst Niemand weiter im Saale w?re. Auch der alte K?nig und seine Gemahlin beeiferten sich dem stattlichen Fr?ulein, an dem sie eine Schwiegertochter zu bekommen hofften, alle Ehre zu erweisen. Aschen-Trine war wie im Himmel, so dass die Freude ihr nicht Zeit liess, an irgend etwas Anderes zu denken, als das Gl?ck des Augenblickes zu geniessen. Beinahe h?tte sie die Mahnung der kleinen Zauberin g?nzlich vergessen, h?tte nicht der Hahnenschrei um Mitternacht sie aufgescheucht und angetrieben nach Hause zu eilen. Als sie den Saal verliess, kr?hte der Hahn schon zum zweiten Male, aber ehe sie sich in die Kutsche setzen konnte, hatte er zum dritten Male gerufen. In demselben Augenblicke verschwanden aber auch Kutscher, Pferde und Diener, als w?ren sie in die Erde gesunken; Aschen-Trine f?hlte sich wieder in ihren alten schmutzigen staubigen Kleidern und eilte nun in vollem Laufe nach Hause -- mit solcher Hast, dass ihr der Kopf rauchte und der Schweiss von den Wangen troff. Sie warf sich dann auf ihr Lager am Heerde, dachte an die schmeichelhafte Ehre, welche ihr im Hause des K?nigs erwiesen worden und konnte lange den Schlaf nicht finden. Endlich entschlummerte sie und schlief ruhig bis zum Morgen, obwohl bunte Tr?ume das gl?ckselige Fest ihr wieder vor Augen brachten.
Die Stiefschwestern waren erst gegen Mittag erwacht, so sehr hatte das Fest sie erm?det. Als sie aus dem Bette stiegen, musste Aschen-Trine sie waschen, anziehen und k?mmen, wobei sie von nichts Anderem sprachen, als von dem gestrigen Feste beim K?nige und von dem unbekannten fremden Fr?ulein, dessen Sch?nheit, Pracht und zierlicher Anstand die andern so sehr ?berstrahlt hatten, dass von dem Augenblicke an, wo sie ?ber die Schwelle getreten war, des K?nigssohnes Augen sich nicht mehr von ihr gewendet hatten. War sie ?berhaupt eines sterblichen Menschen Kind gewesen, so konnte sie nur eines steinreichen K?niges Tochter, etwa aus Land Kungla sein. Als sie fortgegangen, sei der K?nigssohn missmuthig geworden, und habe nicht mehr getanzt, noch mit irgend Jemand sich unterhalten. Der Aschen-Trine h?pfte das Herz vor Freude, als sie solches vernahm, sie brachte deshalb dreimal mehr Zeit als gew?hnlich damit zu, ihre Stiefschwestern anzukleiden und achtete weder ihre Schimpfreden noch ihre Schl?ge: Alles glitt von ihr ab wie Wasser, das auf eine Gans gegossen wird. Am Heerde hatte sie den Tag ?ber keinen andern Gedanken als an das gestern genossene Vergn?gen und an den K?nigssohn, der -- sie zweifelte kaum -- ein Auge auf sie geworfen hatte.
Als nun am Abend die Stiefschwestern wieder zum Feste gingen, blieb Aschen-Trine ruhig zu Hause und ging auch nicht wieder die Eberesche zu sch?tteln, da sie Alles der F?rsorge des himmlischen Vaters ?berlassen wollte. Noch vor Mitternacht kamen die Schwestern von des K?niges Fest zur?ck und sprachen davon, dass der K?nigssohn die Fl?gel habe h?ngen lassen, mit Niemanden getanzt noch gesprochen, sondern nur unverwandten Blickes nach der Th?r gesehen habe, ob nicht das Fr?ulein von gestern wieder kommen w?rde. Der K?nig hatte deshalb erkl?rt, sein Sohn sei unwohl und der dritte Tag des Festes k?nne nicht gefeiert werden.
Wir haben vergessen zu erw?hnen, dass Aschen-Trine bei ihrem raschen Ausbruch aus dem Festsaale einen ihrer goldenen Schuhe draussen an der Schwelle verloren hatte. Am andern Morgen hatte der K?nigssohn den verlorenen Schuh gefunden und die Hoffnung gefasst, dadurch dem M?dchen auf die Spur zu kommen. Seine Sehnsucht liess ihm nicht Tag noch Nacht Ruhe; er w?re eher in den Tod gegangen, als dass er die unbekannte fremde Dame f?r immer aufgegeben h?tte, aber wo sollte er sein Liebchen finden? -- Nach einigen Tagen ertheilte er Befehl, in Stadt und Land ?berall zu verk?nden, dass es sein fester Entschluss sei, diejenige Jungfrau zu seiner Gemahlin zu machen, deren Fuss in den zur?ckgelassenen goldenen Schuh passen w?rde. Auf diesen Ruf eilten nun alle jungen M?dchen herbei, ihr Heil zu versuchen, ob ihr Fuss so gebaut sei, dass er sie zur Gemahlin des K?nigssohnes machen k?nne.
In dem sch?nsten der Gem?cher des K?nigssohnes stand der h?bsche goldene Schuh auf einem seidenen Kissen; dahin wurden die M?dchen, hoch und nieder, eine nach der andern gef?hrt, damit jegliche den Schuh anpassen k?nne. Aber der Einen war der Schuh zu lang, der Andern wieder zu kurz, der Dritten zu eng, so dass keiner Einzigen Fuss hineinpasste. Manche Zehe und manche Hacke musste Pein leiden, ohne dass es half. Eines Tages waren auch Aschen-Trine's Stiefschwestern hingegangen, ihr Gl?ck zu versuchen. Nach ihrer Meinung hatten sie so kleine F?sse, dass ihnen schon der Frauenschuh h?tte passen m?ssen. Darum schoben, stopften, dr?ckten und stiessen sie mit Gewalt den Fuss in den goldenen Schuh, dass das Blut unter den Zehen durchschien. Aber alle ihre M?he war umsonst. Die j?ngere Schwester sagte mit Nasenr?mpfen: >>Das ist ein dummer Schuh, den man zum Schabernack gemacht hat und in den kein menschlicher Fuss hineingeht.<< Im n?chsten Augenblicke schon sollte ihre Rede L?gen gestraft werden.
Gross war n?mlich der Schwestern Erstaunen, als pl?tzlich die Th?r aufging und -- Aschen-Trine eintrat, in ihrem allt?glichen mit Staub und Asche bedeckten Anzuge, den sie immer am Heerde trug. Zornig gaben die Schwestern Befehl, das schmutzige Ding hinauszuwerfen, aber noch ehe Jemand diesem Befehl nachkommen konnte, hatte Aschen-Trine schon ihren Fuss in den goldenen Schuh gesteckt, der ihr passte wie angegossen. Und ehe die Zuschauer noch Zeit hatten, sich von ihrem Erstaunen zu erholen, begab sich etwas noch Seltsameres vor ihren Augen. Das Gemach erf?llte sich pl?tzlich mit dichtem Nebel, so dass man keinen Schritt weit vor sich sehen konnte. Aus dem Nebel schimmerte dann pl?tzlich etwas wie ein helles Feuer hervor, und aus diesem entwickelte sich die gl?nzende Gestalt der kleinen Zauberin; sie ber?hrte mit dem Goldst?bchen Aschen-Trine, deren geringe H?lle mit Gedankenschnelle von ihr abfiel, so dass sie als die leuchtende Jungfrau da stand, welche an jenem ersten Festabend dem K?nigssohne als die lieblichste von allen erschienen war. Dieser st?rzte nun jauchzend auf die sch?ne Jungfrau zu und umarmte sie mit den Worten: >>Diese Jungfrau hat Gott mir zur Gef?hrtin geschaffen.<<
Die kleine Zauberin, oder wer sie sein mochte, schenkte der Aschen-Trine eine so grosse Mitgift, dass man sie fuhrenweise in die Stadt bringen musste, wo dann ein pr?chtiges Hochzeitsfest gefeiert wurde, welches einen vollen Monat dauerte. So war aus der verachteten Waise die Gemahlin eines K?nigssohnes geworden. Ihre Stiefschwestern wollten vor Neid bersten, dass die Aschen-Trine sich so hoch ?ber sie erhoben hatte -- Aschen-Trine, welche sie bis dahin schlimmer als den Hofhund gehalten hatten. Aber Aschen-Trinen's gutes Herz mochte ihnen nicht B?ses mit B?sem vergelten, sondern verzieh ihnen all' ihr Unrecht, ja sie that ihnen noch obendrein Gutes, als sie nach des Schwiegervaters Tode K?nigin geworden war.
Obwohl sie nun schon l?ngst unter dem Rasen ruht, so lebt doch ihr Andenken noch ungeschw?cht im Munde des Volkes, und sie wird gepriesen als die beste und auch als die sch?nste der K?niginnen.
Gleichwohl begab sich sp?ter etwas, was den ersten Theil der Prophezeiung wahr machte: der junge Bauer wurde nach zwei Jahren zum Soldaten genommen und der Reiterei zugetheilt. Man sollte meinen, dass ihm dieses Begegniss das Zusammentreffen mit dem fremden Manne in's Ged?chtniss zur?ckgerufen h?tte, aber dem war nicht also, vielmehr schien jener Tag g?nzlich aus seiner Erinnerung geschwunden. Er war nun schon eine Zeit lang mit seinem Regimente von einem Ort zum andern gezogen und endlich, nachdem er ?ber vier Jahre lang Kronsbrot gegessen hatte, im n?rdlichen Finnland in's Quartier gekommen. Hier in der Fremde, fern von Hause und von den lieben Seinigen, wurde ihm das Herz oft schwer, und die Sehnsucht presste ihm Thr?nen aus, wenn er allein ?ber seine Gedanken br?tete. Eines Tages traf ihn die Reihe, die Pferde auf die Weide zu f?hren. Als er nun wieder so allein und missmuthig auf dem Felde da sass und seine sehns?chtigen Gedanken in die Heimath wandern liess, trafen seine Augen zuf?llig auf eine krumm gewachsene Birke, die nicht weit von ihm stand. Da wurde ihm wunderbarer Weise mit einem Male fr?hlich zu Muthe, die Tage seiner Kindheit und Jugend stiegen lebendig in seiner Erinnerung auf, und auch der Ort, wo er sich befand, schien ihm l?ngst bekannt, wiewohl er sich keine klare Rechenschaft dar?ber geben konnte, ob er dieses Bekanntsein tr?umend oder wachend empfinde. Als er sich mit der Hand die Stirn rieb, gleichsam um sein Ged?chtniss zu wecken, fiel ihm pl?tzlich die Begegnung mit dem fremden Manne deutlich wieder ein, wie ein Sonnenstrahl aus dichtem Gew?lk bricht. Das Zusammennehmen der Schwaden, die drohend aufsteigende Gewitterwolke, der fremde Schl?fer am Waldessaum und dessen bedeutungsvolle Prophezeiung -- Alles stand vor ihm, als w?re es erst gestern geschehen. Als er nun alle seine Lebensschicksale bis heute im Geiste durchflog, fand er, dass die Prophezeiung eingetroffen war. Was kann mir denn der Versuch schaden, dass ich zur Birke gehe und an ihren Stamm klopfe? dachte der Mann. Einmal weiss doch hier Niemand, weshalb ich es thue und dann sieht mich ja auch jetzt kein Mensch, der mich sp?ter wegen meines n?rrischen Beginnens verspotten k?nnte.
In der Birke erhob sich ein Ger?usch und pl?tzlich stand der fremde Mann vor ihm, wie vom Winde hergeblasen. >>Nun, mein Lieber!<< sagte er freundlich -- >>es ist sehr gut, dass du mir mein Versprechen in's Ged?chtniss zur?ckgerufen hast. Ich glaubte, du habest ganz vergessen, was ich dir einst sagte, und es w?re mir sehr leid gewesen, wenn es mir deshalb nicht m?glich geworden w?re, dir meine Schuld abzutragen. Kinder, he!<< rief er in die Birke hinein: >>wer von euch kann am schnellsten sein?<< -- >>Ich<< -- erwiderte eine Stimme -- >>kann so schnell sein, wie der Vogel fliegt.<< -- >>Schon gut,<< sagte der Krumme, >>aber wer kann noch schneller sein?<< Ein andere Stimme erwiderte: >>Ich kann mit dem Winde um die Wette laufen!<< -- >>Wollen wir sehen ob ein anderer noch schneller sein kann<< -- sagte der Alte und fragte dann zum dritten Male. Darauf erwiderte ein feines Stimmchen: >>Vater, ich kann so schnell sein, wie der menschliche Gedanke!<< >>Komm, mein Sohn,<< rief der Krumme -- >>dich kann ich heute gerade brauchen.<< Darauf stellte er einen mannshohen, mit Gold- und Silberm?nzen gef?llten Sack vor den Kriegsmann hin, fasste diesen am Hute und sagte: >>Kriegsmann und Hut auseinander! und Mann und Sack nach Hause!<< Augenblicklich f?hlte der Reitersmann, wie sein Hut ihm vom Kopfe flog, als er sich aber umsah, wo der Hut hingekommen sei -- fand er sich pl?tzlich daheim in Mitte der Seinigen und der gewaltige Geldsack stand neben ihm auf dem Boden. Anfangs hielt er das Begegniss f?r einen Traum, bis er sich endlich ?berzeugte, dass sein Gl?ck ein wirkliches sei.
Da kein Mensch auf ihn als einen Ausreisser fahndete, so kam er endlich auf die Vermuthung, dass der abhanden gekommene Hut an seiner Statt im Dienste geblieben sei. Vor seinem Tode erz?hlte er die wunderbare Begebenheit seinen Kindern und sprach dabei die Meinung aus: da das geschenkte Geld ihm Gl?ck gebracht habe -- so k?nne der Geber kein b?ser Geist gewesen sein.
Ein noch junger Wittwer hatte zum zweiten Male gefreit, dabei aber seine Augen zu Hause vergessen, so dass er ein gar t?ckisches Weib in's Haus gebracht hatte. Ein wahres Hundeleben hatte bei ihr das T?chterchen der ersten Frau, welches zwei Jahre alt nachgeblieben war, wie ein L?mmlein. Als die Stiefmutter dann selber ein T?chterchen zur Welt gebracht hatte, ging es dem Stiefkinde vollends gar j?mmerlich. Dennoch ertrug das arme mutterlose Gesch?pfchen alles Bittere und Schwere, und klagte seine Noth Niemanden, als oftmals unter Thr?nen seinem Gott im Himmel. -- Die schlaue b?se Stiefmutter wusste vor den Leuten ihre Bosheit zu verstecken und geberdete sich so, dass Unkundige glauben konnten, sie verh?tschele ihre Stieftochter mehr, als ihre eigene leibliche Tochter. Gingen die T?chter Sonntags zur Kirche oder sonst wohin auf Besuch, so sah man stets die Stieftochter h?bscher angezogen als das eigene Kind. Es wohnte aber in der Nachbarschaft eine kluge alte Kinderbesprecherin, welche die Sache durchschaute und recht gut wusste, wie es der Stieftochter zu Hause ging, wenn keine Zuschauer da waren. Wenn diese Alte zuweilen hin kam, so streichelte sie heimlich dem Stiefkinde Kopf und Wangen und sagte: >>Harre aus und hoffe! es bricht schon noch einmal eine bessere Zeit f?r dich an.<< Dem Wartenden aber wird die Zeit lang; und als Jahr auf Jahr verstrich, ohne ein besseres Leben herbeizuf?hren, kam die Waise zu der Ansicht, dass das Dorfm?tterchen ihr nur leere Worte vorgeschwatzt habe.
Beide T?chter waren herangewachsen, da kam eines Morgens ein Freier auf den Hof. Aber zum Verdruss der Mutter begehrte der Mann nicht ihre eigene Tochter, sondern die Stieftochter zur Frau. Die Mutter sagte: >>Meine T?chter sind beide noch sehr jung, und ihr Nacken ist noch zu schwach f?r das Joch der Ehe; ich will sie nicht so fr?h verheirathen.<< Der Mann mochte aber nicht mehr lange warten und man kam endlich ?berein, dass er nach einem halben Jahre mit dem Branntwein wieder kommen solle. Die Mutter dachte bei sich: vielleicht gelingt es mir, die Sache so zu wenden, dass er dennoch meine Tochter zum Weibe nimmt. Als nun der Freier nach einem halben Jahre wieder kam, hatte die Mutter den Anzug der T?chter vertauscht und beide so an den Spinnrocken gesetzt, dass der in die Stube Tretende nur ihren R?cken erblickte. Der Branntwein wurde angenommen und freundlich sagte die Mutter: >>Wohlan, lieber Freier, wenn das alte Wort Wahrheit redet, so muss das Herz dich zu deinem Liebchen ziehen, ohne dass du es siehest. Sage mir jetzt: welche von den beiden Spinnerinnen ist dein Schatz?<< Der Freier schritt alsbald gerade auf den Rocken der Stieftochter zu sagte: >>Die Schale ist wohl anders aber der Kern steckt doch hier in meinem Schatze.<< So musste denn der Freierbranntwein getrunken werden und obgleich der Mutter das Herz vor heissem Zorne zu springen drohte, zeigte sie doch dem Freier ein freundliches Gesicht. Als der aber fort war, fiel sie ?rger als ein Hagelwetter ?ber die arme Stieftochter her, die -- so meinte die Frau -- dem Br?utigam heimlich ein Zeichen gegeben habe.
Am Hochzeitsmorgen putzte sie ihre eigene Tochter mit pr?chtigen Kleidern heraus und h?llte ihr das Gesicht in seidene T?cher ein, so dass kaum die Nasenspitze frei blieb, weshalb auch weder Br?utigam noch Hochzeitsg?ste den Betrug merkten. Die Stelle der Tochter durfte aber nicht leer bleiben, deshalb hatte sie eine Strohpuppe gemacht, derselben die Kleider ihrer Tochter angezogen und sie an den Heerd gesetzt, so dass sie die G?ste glauben sollten, ihr Kind bleibe zu Hause und koche f?r die Hochzeitsg?ste, w?hrend die Stiefschwester in der Kirche dem Manne angetraut werde. Die arme Stieftochter sass aber inzwischen in der Riege in einer alten umgest?lpten und mit vielem Ger?ll bedeckten Tonne, wie eine Maus in der Falle.
Der Hochzeitstag war noch nicht weit, als die alte Nachbarin dem M?dchen zu H?lfe eilte, es aus seinem Gef?ngniss befreite und ihm befahl dem Zuge hurtig nachzulaufen, um in der Kirche die Traurede des Geistlichen anzuh?ren, auf dem Wege zur Kirche aber sangen des Br?utigams Schlittensohlen unaufh?rlich:
>>Liebchen st?hnet unterem Fass, H?hnchen seufzet unterm Deckel, Zieht dein Pferd doch eine Fremde Ja ein Unhold f?hrt im Schlitten.<<
Der Br?utigam fragte: Was denn die Schlittensohlen so wunderlich quiekten? Schlau erwiderte die Schwiegermutter:
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