Read Ebook: Geschichte Alexanders des Grossen by Droysen Johann Gustav
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Ebook has 1086 lines and 201976 words, and 22 pages
Anmerkung: Gegen?ber dem Originaltext wurden folgende ?nderungen vorgenommen:
Vom Autor vorgegebene unterschiedliche Schreibweisen wie "Tyros" und "Tyrus", "Ach?er" und "Achaier", wurden beibehalten. Offensichtliche Druckfehler im Text wurden berichtigt.
Geschichte Alexanders des Grossen
von
Joh. Gust. Droysen
Mit einem Vorwort von
Sven Hedin
und einer Einleitung von
Dr. Arthur Rosenberg
Privatdozent der alten Geschichte an der Universit?t Berlin
Mit dem einzigen bisher bekannten authentischen Alexander-Portr?t, der sogenannten Azara-Herme im Louvre, als Titelbild und einer Karte der Feldz?ge Alexanders
R. v. Decker's Verlag
G. Schenck, K?niglicher Hofbuchh?ndler
Berlin 1917
Der Anhang enth?lt:
Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig
Vorwort
Die erste Auflage von J. G. Droysens >>Geschichte Alexanders des Grossen<< erschien im Jahre 1833 und erwies sich von vornherein als eine derjenigen seltenen und ausgezeichneten historischen Ver?ffentlichungen, die lange Jahre hindurch ihren Wert unver?ndert beibehalten. Im Jahre 1898 kam eine f?nfte Auflage heraus. Jetzt, da diese wertvolle Arbeit zum sechsten Male der ?ffentlichkeit ?bergeben wird, sind seit ihrem ersten Erscheinen 84 Jahre vergangen.
Dass eine historische Arbeit w?hrend so langer Zeit ihre hohe Rangstufe hat behaupten k?nnen, beruht ohne Zweifel zum grossen Teil auf der Natur ihres Quellenmaterials. Die Schicksale Alexanders sind von seinen klassischen Geschichtschreibern geschildert worden, und innerhalb der von diesen gezogenen Grenzen musste der moderne Forscher sich bewegen. Jedoch schliesst das nicht aus, dass sich in den letzten Jahren neues Licht ?ber viele Einzelheiten verbreitet hat. Die von Alexander durchzogenen Gebiete von West-Asien sind heute unvergleichlich viel besser bekannt, als zur Zeit Droysens, und man hat deshalb jetzt die Spuren des makedonischen K?nigs weit besser verfolgen k?nnen, als ehedem. An der Hand der vorhandenen genauen Karten vom Hindukusch, hat man bez?glich der P?sse, ?ber die Alexander seine Heere gef?hrt hat, seine Schl?sse ziehen k?nnen. Wiederholt sind neue Beitr?ge zur Kenntnis seiner M?rsche gegeben worden und nicht zum wenigsten haben deutsche Forscher dazu beigetragen.
Alexanders Feldzug geh?rt zu den gl?nzendsten Taten der Kriegsgeschichte, und kaum irgendeiner der grossen Namen der alten Zeit ist von solchem Glanz umstrahlt wie der seine. Jahrtausende haben nicht vermocht, seinen Ruhm erblassen zu lassen. ?ber seine Eigenschaften als Feldherr sagt Hans Delbr?ck in seiner Geschichte der Kriegskunst : >>Alexander war nicht nur ein grosser Feldherr, sondern auch ein Feldherr im grossen Stil. Aber er war noch mehr. Er nimmt dadurch eine einzigartige Stellung ein, dass er den welterobernden Strategen und den un?bertroffenen, tapferen, ritterlichen Vork?mpfer in einer Person vereinigt. Kunstvoll f?hrt er das Heer an den Feind heran, ?berwindet Gel?ndehindernisse, l?sst es aus Engp?ssen aufmarschieren, kombiniert die verschiedenen Waffen je nach den verschiedenen Umst?nden verschieden von st?rkster Gesamtwirkung, sichert strategisch seine Basis und seine Verbindungen, sorgt f?r die Verpflegung, wartet ab, bis die Vorbereitungen und R?stungen vollendet sind, st?rmt vorw?rts, verfolgt nach dem Siege bis zur ?ussersten Ersch?pfung der Kr?fte, und derselbe Mann k?mpft in jedem Gefecht an der Spitze seiner Ritterschaft mit Speer und Schwert, dringt an der Spitze der Sturmkolonne in die Bresche oder ?berspringt als erster die feindliche Mauer.<<
Nicht nur Europa ist es, das seinem Namen Bewunderung zollt. Auch im westlichen Asien, das so reich an sagen- und legendenhaften Gestalten ist, lebt seine Erinnerung noch fort. Wie oft h?rt man nicht in Turkestan geographische Namen, wie Iskender-tagh, Iskender-kul oder andere Gegenst?nde als Berge und Seen, die mit seinem Namen verkn?pft sind. Oberhalb Babylon gibt es einen Kanal, der noch seinen Namen tr?gt, Nahr Iskenderije. In Unkenntnis betreffend den Platz, wo er starb, und die Stelle, wohin seine Leiche ?bergef?hrt wurde, machen verschiedene Orte in Zentralasien darauf Anspruch, seine irdische H?lle zu bergen. Im Jahre 1890 besuchte ich in Margelan ein >>Gur-i-Iskender Bek<< oder Alexanders Grab. Die Margelan-Bewohner waren stolz darauf, dieses Grab zu besitzen. Auf dem in ihrer Einbildung bemerkenswerten Platz erhob sich eine kleine Moschee, auf deren Mauer eine Inschrift bekundete, dass der Zar die Mittel zur Wiederherstellung der Grabmoschee bewilligt hatte. Mitten auf dem Hofe sah man einen grossen gemauerten Grabstein, unter welchem der Heldenk?nig angeblich ruht.
Auch andere als Geschichtsforscher haben Grund, sich in das Studium des Feldzuges Alexanders zu vertiefen. So habe ich z. B. in meinem Buche >>?ber Land nach Indien<< an der Hand der Schilderungen, die wir ?ber Alexanders Feldzug durch das s?dliche Belutschistan besitzen, zu beweisen versucht, dass das Klima in diesem Teil von Asien seit jener Zeit keine nennenswerten Ver?nderungen aufzuweisen hat. Wenn man das erste Kapitel von Delbr?cks Heereszahlen liest, f?hlt man sich doch versucht, in Frage zu stellen, ob Alexander wirklich vermocht hat, mit 30 bis 40 000 K?mpfern, einer Anzahl, die Droysen ebenfalls anf?hrt, nach Westen aufzubrechen.
F?r einen Forschungsreisenden, der das Gl?ck gehabt hat, bis zur Quelle des Indus vorzudringen, ist es von grossem Interesse, Arrians Geschichte ?ber Alexanders Vorstellungen ?ber das Verh?ltnis des Indussystems zum Nil zu lesen. Der grosse Feldherr tritt hier auch als Entdeckungsreisender im grossen Stil hervor, und es wird einem klar, dass auch die geographischen Probleme Gegenstand seiner Aufmerksamkeit waren. >>Zwar hatte er fr?her in dem Indus, dem einzigen Flusse ausser dem Nil, Krokodile gesehen, und an den Ufern des Acesines ebensolche Bohnen, wie sie der Boden ?gyptens hervorbringt, und zudem geh?rt, dass der Acesines sich in den Indus ergiesse, und bildete sich nun ein, die Quellen des Nils aufgefunden zu haben: der Nil, glaubte er n?mlich, entspringe hier irgendwo in Indien, durchstr?me hierauf viel ?des Land und verliere daselbst seinen Namen Indus; wo er sodann seinen Lauf wieder durch bewohntes Land fortsetze, werde er nun von den ?thiopen jener Gegend und den ?gyptern Nil genannt, -- wie ihm auch Homer nach dem Lande ?gyptos den Namen ?gyptos beigelegt habe -- und ergiesse sich dann endlich in das Mittelmeer. Und demgem?ss habe er auch in einem Briefe an die Olympias neben anderen Nachrichten ?ber das indische Land ihr geschrieben, dass er die Quellen des Nil glaube aufgefunden zu haben, wobei er freilich seine Schl?sse in einer so wichtigen Sache auf recht unbedeutende und nichtssagende Beweisgr?nde st?tzte. Als er sich jedoch genauer ?ber den Fluss Indus erkundigt, habe er von den Eingeborenen erfahren: der Hydaspes fliesse in den Acesines, der Acesines in den Indus, und beide geben an diesen ihren Namen ab; der Indus dagegen ergiesse sich in das grosse Meer, und zwar in zwei M?ndungen, ohne in irgendeiner Verbindung mit ?gypten zu stehen. Darauf habe er im Briefe an seine Mutter die Nachricht ?ber den Nil wieder getilgt<<....
Da er also anf?nglich in dem Glauben lebte, dass er die Quelle des Nils entdeckt h?tte , aber nachher erfuhr, dass er es nur mit dem Indus zu tun hatte, muss er seine Fahrt abw?rts dieses Flusses, in der Annahme, dessen Quelle entdeckt zu haben, begonnen haben. Denn dass er davon ?berzeugt war, sich in unmittelbarer N?he der Quelle befunden zu haben, geht sowohl aus Arrian als aus Strabo hervor, von denen letzterer vom Aornus sagt: #cujus radices Indus non procul a fonte suo alluit#. Um ausfindig machen zu k?nnen, was die alten Geographen unter >>Indus-Quelle<< verstanden, w?re es von Wert gewesen, zu erfahren, wo Aornus lag. Aller Wahrscheinlichkeit nach glaubte man, dass die Quelle gerade an dem Punkt gelegen war, wo die gewaltige Wassermenge der Talm?ndung entstr?mte, hinter der nichts anders als hohe, un?bersteigbare Berge sichtbar waren. Noch vor 250 Jahren wurde die Hydrographie des Himalaja in dieser Weise dargestellt; man konnte ja auch nichts anderes erwarten, da das ganze Bergland im Norden eine vollst?ndige #Terra incognita# war.
Droysens Arbeit ?ber Alexander geh?rt zu den B?chern, die ich stets nahe zur Hand habe und zu denen ich immer gleich gerne zur?ckkehre. Die am meisten sagen?hnliche Epoche im Leben des Heldenk?nigs spielt sich ja auf dieser alten asiatischen Erde, wo ich dreizehn gl?ckliche Jahre verbracht habe, ab. Einzig und allein dieser Umstand erkl?rt es, dass ich dazu aufgefordert wurde, zu dieser neuen Auflage von Droysens Buch ?ber Alexanders Leben ein Vorwort zu schreiben. Noch im Sommer 1916 hatte ich Gelegenheit, mich seines Namens zu erinnern, als ich in Begleitung des Professors Koldewey die Ruinen Babylons durchwanderte. Wir kamen damals auch zu den ?berresten von Emach, Ninmachs Tempel, von denen Koldewey annimmt, dass es hier war, wo Alexander, auch w?hrend seiner letzten Krankheit, seine t?glichen Opfer darbrachte.
In Hindenburgs Vaterland, in diesem Deutschland, das mit unsterblichem Ruhm seinen Kampf fast gegen die ganze ?brige Welt ausk?mpft, wird Makedoniens K?nig, Asiens Eroberer zahlreichere Freunde und Bewunderer finden, als jemals zuvor.
Stockholm, 28. M?rz 1917. Sven Hedin
Einleitung
Droysen hat den K?nig Alexander f?r einen ganz grossen Menschen, f?r einen Genius ersten Ranges, gehalten. Die moderne Forschung ist zum Teil andere Wege gegangen. Es l?sst sich, bei der D?rftigkeit des auf uns gekommenen authentischen Materials, nicht ganz sicher entscheiden, wer recht hat, ob Johann Gustav Droysen, oder -- um gleich den Namen seines Antipoden zu nennen, Julius Beloch. Fest steht es, dass die hellenische Welteroberung zugleich eine Tat des K?nigs Alexander gewesen ist, dass sich die Entwicklung der Nation und das Leben des einen Mannes nicht trennen l?sst.
Aber auch schon f?r Droysen selbst ist die Sache wichtiger gewesen als die Person: die Bedeutung Alexanders liegt f?r ihn darin, dass er das Ende einer Weltepoche bezeichnet, und den Anfang einer neuen. Diese neue Epoche bringt die >>Verbreitung griechischer Herrschaft und Bildung ?ber die V?lker ausgelebter Kulturen<<, mit einem Wort: die Entstehung des Hellenismus. Es bleibt f?r alle Zeiten eine wissenschaftliche Grosstat Droysens, dass er, man kann wohl sagen, der Entdecker des Hellenismus geworden ist. Drei Jahre nach dem Erscheinen der Alexandergeschichte folgte ihre Fortsetzung, die Schilderung der Epoche der Diadochen , 1843 schloss sich die Geschichte der n?chsten Generation griechischer Herrscher, der sog. Epigonen an. In einer zweiten Auflage hat Droysen alle drei B?nde als >>Geschichte des Hellenismus<< vereinigt . F?r den einseitigen Klassizismus h?rt das vorbildliche Griechentum mit Chaironeia und Demosthenes auf: was danach kommt, ist Entartung und Verfall. Tats?chlich ist es aber gerade die hellenistische Periode, in der das griechische Volk politisch die gr?ssten Erfolge gehabt hat, so dass man direkt berechtigt ist, von einer griechischen Weltherrschaft im Zeitalter des Hellenismus zu sprechen, und auch die kulturellen Sch?pfungen dieser Epoche lassen sich aus der Entwicklung der abendl?ndischen Menschheit nicht wegdenken. Droysen hat als erster durch ein grossz?giges Geschichtswerk die welthistorische Bedeutung des Jahrhunderts von Alexander bis zur Intervention der R?mer im Osten klargelegt, sowie den Zusammenhang der politischen Begebenheiten dieser Zeit mit gl?nzender Kombinationskraft aus der vielhaft tr?mmerhaften ?berlieferung zu gewinnen gesucht.
Zur rechten W?rdigung Alexanders und des Hellenismus waren freilich zwei Vorfragen zu l?sen, die wieder untereinander eng zusammenh?ngen: es sind die Probleme der Nationalit?t der Makedonen, und der Politik des Demosthenes. In beiden Fragen hat Droysen den gleichen Standpunkt gewonnen, wie ihn im wesentlichen auch die neueste Forschung einnimmt. Freilich ist der Streit ?ber beide Probleme noch nicht beendet. Die Frage, ob die Makedonen Griechen gewesen sind, oder nicht, ist von einschneidender Bedeutung: wenn ja, dann haben Philipp und Alexander den Hellenen die nationale Einigung gegeben, wenn nein -- dann sind die Griechen unter die Herrschaft ausl?ndischer Zwingherren geraten, welche sie f?r ihre Zwecke ausnutzten. Eine Entscheidung der Frage kann nur eine Pr?fung der Sprache der Makedonen geben; leider ist unsere Kenntnis des makedonischen Dialekts nur m?ssig, aber das sprachliche Material l?sst doch den Schluss ziehen, dass die Makedonen ein griechischer Stamm gewesen sind: diese ?berzeugung hat bereits Droysen trefflich vertreten. Wenn er freilich die Makedonen, ebenso wie die anderen, in ihrer Entwicklung zur?ckgebliebenen Nordst?mme, als >>Pelasger<< bezeichnet, so werden wir diesen Namen hier lieber nicht anwenden; denn die Theorie von den >>Pelasgern<< als den Urgriechen l?sst sich heutzutage nicht mehr aufrechterhalten. Sie ist eine Spekulation der Mythenhistoriker des sechsten vorchristlichen Jahrhunderts. Von der Auffassung der Makedonenfrage h?ngt auch gutenteils das Urteil ?ber die Politik des Demosthenes ab. Waren K?nig Philipp und sein Sohn keine Hellenen, dann war Demosthenes der Vork?mpfer gegen die Fremdherrschaft, im anderen Falle aber nur der Vertreter eines ?berlebten Partikularismus. Die Bewunderung f?r Demosthenes als literarische Erscheinung hat in alter und neuer Zeit dazu gef?hrt, dass man auch seine politische Wirksamkeit in der Verkl?rung sah. Mit ausgezeichneten Gr?nden bek?mpft Droysen diese Auffassung: den Patriotismus des Atheners will er nicht leugnen, und das Attribut des >>gr?ssten Redners aller Zeiten<< will er ihm nicht entziehen. Aber Droysen bezweifelt es, dass Demosthenes als Staatsmann gross, und dass er ?berhaupt >>der Staatsmann der nationalen Politik Griechenlands<< gewesen ist. In einer gl?cklichen Kombination malt Droysen das Bild der griechischen Zust?nde aus, wie sie sich nach einem Siege des Demosthenes unstreitig gestaltet h?tten: >>Mochten die attischen Patrioten den Kampf gegen Philipp im Namen der Freiheit, der Autonomie, der hellenischen Bildung, der nationalen Ehre zu f?hren glauben oder vorgeben, keins dieser G?ter w?re mit dem Siege Athens sichergestellt gewesen.<< Die neueste Forschung ist in der Kritik an Demosthenes noch weiter gegangen als Droysen: es scheint sich immer mehr herauszustellen, dass Demosthenes zwar ein grosser Advokat, aber ein recht kleiner Mensch gewesen ist. Aber dar?ber darf man ein Zweites nicht vergessen: das ist die r?hrende Aufopferung, mit der das athenische Volk sein Blut f?r all die Dinge verspritzt hat, die ihm seine Politiker vorgaukelten. Droysen geht viel zu weit, wenn er von dem >>schwatzhaft, unkriegerisch, banausisch gewordenen B?rgertum Athens<< spricht. Der wahre Held von Chaironeia ist nicht der Redner, der auf dem Marktplatz mit seinen gut vorbereiteten Tiraden den Makedonenk?nig vernichtete, sondern es ist der schlichte athenische Handwerksmeister und Familienvater, der pflichtgem?ss f?r seine republikanische Freiheit unter den Lanzen der makedonischen Veteranen den Tod findet. Die Stimmung der K?mpfer von Chaironeia ist in einer Grabschrift f?r die Gefallenen r?hrend zum Ausdruck gekommen. Die vier Verszeilen m?gen hier -- in der ?bersetzung von Wilamowitz -- Platz finden:
Zeit, du ?berschauest alles Menschenschicksal, Freud und Leid, Das Geschick, dem wir erlagen, k?nde du der Ewigkeit. Auf Boiotiens Schlachtfeld sanken wir, gef?llt vom Feindesspeere, Was wir wollten, war, zu wahren unseres heiligen Hellas Ehre.
Freilich, man mag der ?berwundenen Partei die Gerechtigkeit widerfahren lassen, die ihr zukommt, sachlich bleibt die Auffassung Droysens unanfechtbar, dass nur der Sieg des makedonischen K?nigtums die griechische Nation von dem Fluch der Kleinstaaterei erl?sen und die in ihr schlummernden Kr?fte erwecken konnte.
Das Thema der Alexandergeschichte hatte ohne Zweifel f?r Droysen einen aktuellen Reiz: in der Einigung der Hellenen durch die makedonische Dynastie wird er ein Vorbild gesehen haben, in dessen Art er auch die L?sung der deutschen Frage erstrebte. Am 6. April 1848 hat Droysen erkl?rt, dass >>Preussen sich Deutschland eingliedern, durch seine grosse und gesunde Machtorganisation, sein Heer und seine Finanzen den Rahmen des neuen Ganzen bilden m?sse<<. Als Abgeordneter in der Paulskirche war er bem?ht, >>der Einigung Deutschlands unter der Oberherrschaft der Hohenzollern Anh?nger zu werben<<. Der starke Anteil an den Forderungen seiner eigenen Zeit hat ja dazu gef?hrt, dass Droysen auch als Forscher das Gebiet der griechischen Geschichte mit dem der preussischen vertauschte, dass er auf die >>Geschichte des Hellenismus<< die Biographie des Feldmarschalls Yorck und die vielen B?nde der >>Preussischen Politik<< folgen liess.
Hat aber auch f?r den Leser von 1917 die Geschichte Alexanders einen unmittelbaren Reiz, abgesehen von der Belehrung ?ber eine wichtige Epoche der Vergangenheit? Man wird diese Frage wohl bejahen d?rfen, und zwar wegen des hervorragenden kriegsgeschichtlichen Interesses, das die Feldz?ge des makedonischen K?nigs erwecken. Man kann wohl sagen, dass wir bei der Eroberung des Perserreiches durch Alexander zum erstenmal in der Weltgeschichte die systematische Arbeit eines denkenden Generalstabs verfolgen k?nnen. Gr?ssere Truppenbewegungen sind nat?rlich auch schon in der Epoche vor Alexander erdacht und geleitet worden. Achtbar sind z. B. die Leistungen des Perserreichs auf diesem Gebiete. Als K?nig Darius seinen sog. Skythenzug vorbereitete, hatte er eine Armee etwa aus der Gegend des heutigen Bagdad in die Dobrudscha zu versetzen: eine Leistung, die auch im Zeitalter der Eisenbahnen und Automobile recht achtbar w?re; um so mehr im Altertum mit seiner primitiven Technik. Aber die Soldaten des Perserk?nigs hatten diesen Weg im eigenen Lande, unterst?tzt von der eigenen Reichsverwaltung zur?ckzulegen: das Feindesland begann eigentlich erst an der Donaum?ndung. Als nun aber die wirkliche milit?rische Aufgabe einsetzte, die Perser die untere Donau ?berschritten und in Bessarabien vordrangen, da begannen auch die Schwierigkeiten des Unternehmens deutlich zu werden: bekanntlich haben die Perser bald den R?ckzug antreten m?ssen. Das ist etwa ein Beispiel f?r das milit?rische K?nnen der Epoche um 500 vor Christus. Die kriegerischen Unternehmungen der griechischen Staaten des 5. und 4. Jahrhunderts zeichnen sich ebenfalls durch ihre Langsamkeit, Schwerf?lligkeit und relative Ergebnislosigkeit aus. Welch anderes Bild geben da die Feldz?ge Alexanders! Die makedonische Armee beginnt ihre Offensive mit der ?berschreitung der Dardanellen und schl?gt einen starken, durchaus achtbaren Feind ?berall, wo sie ihn trifft. Ein geheimer Mechanismus scheint dieses Heer zu lenken, im Winter geht es ebenso vorw?rts wie im Sommer, Flusslinien, Hochgebirgsketten, W?sten werden glatt ?berwunden. Jede feindliche Festung f?llt, wenn es auch manchmal recht viel Zeit und M?he kostet. Etappenlinien von vielen Hunderten von Kilometern, im Feindesland, werden in Ordnung gehalten, weite Gebiete okkupiert und sofort in eigene Verwaltung genommen. So passiert diese Armee Kleinasien und dringt dann ?ber Syrien nach ?gypten vor, es folgt der Vormarsch nach Mesopotamien, Babylon wird genommen, das eigentliche Persien betreten. Das gewaltige Iran wird durchzogen; ?ber Afghanistan und den Hindukusch zieht die griechische Armee nordw?rts bis tief in die W?sten von Turkestan; daran schliesst sich der letzte Akt: die Expedition nach Indien. All diese erstaunlichen Leistungen sind nicht denkbar ohne eine vorbedachte, mit einem fein verzweigten Apparat arbeitende Heeresleitung. Einen zwanzigj?hrigen K?nig, und sei er noch so geistvoll, wird man nicht gut als den alleinigen Urheber solcher Erfolge ansehen: hier arbeitet ein Generalstab, so gut wie in den Operationen des deutschen Heeres 1870/71 oder 1914/17. Wir wissen auch genau, wer die Generalst?bler Alexanders gewesen sind: es sind die alten Generale aus der Schule seines Vaters, die sog. Adjutanten , welche dem K?nig bei der Kriegf?hrung zur Seite stehen, und als Chef des makedonischen Generalstabs tritt, auch noch in unserer h?fisch gef?rbten ?berlieferung, der alte Parmenion deutlich genug hervor.
In den Feldz?gen Alexanders fehlt, wenn man sie richtig erfasst, das romantisch-enthusiastische Element durchaus; im Gegenteil, mit ruhiger ?berlegung, und geradezu pedantischer Vorsicht, werden die n?tigen Entschl?sse gefasst. Diesen Charakter der milit?rischen Dispositionen Alexanders hat Droysen vortrefflich hervorgehoben, nur f?hrt er durchweg den K?nig selbst als den geistigen Leiter des Krieges ein, w?hrend tats?chlich Alexander in den meisten F?llen nach dem Rat seiner Adjutanten gehandelt haben wird.
Die vorliegende neue Auflage des Droysenschen Werkes gibt ohne jede ?nderung den Text der letzten, vom Verfasser selbst veranstalteten Ausgabe wieder. Das Material zur Geschichte Alexanders hat sich seitdem nur unbedeutend vermehrt, aber in einigen immerhin bemerkenswerten Gesichtspunkten ist doch die moderne Forschung ?ber Droysen hinausgekommen. Im folgenden sollen diese Punkte wenigstens kurz er?rtert werden. Der Leser kann sich dann ohne M?he selbst die Auffassung Droysens von den betreffenden Fragen berichtigen.
In erster Linie ist hier die Schilderung des persischen Heeres und die Sch?tzung seiner St?rke zu nennen. Droysen h?lt noch an den ?berlieferten Zahlen fest. Am Granikos nimmt er 20 000 persische Reiter und ebenso viele griechische, im Dienste des Perserk?nigs stehende S?ldner an. Die Armee, welche Alexander bei Issos besiegte, sch?tzt er auf Hunderttausende, darunter 30 000 griechische und 100 000 asiatische Schwerbewaffnete, und auch bei Gaugamela l?sst er eine persische Riesenarmee auftreten. Indessen haben die Forschungen von Eduard Meyer und Hans Delbr?ck ?ber das persische Heerwesen zu dem Ergebnis gef?hrt, dass der Perserk?nig niemals ein Millionenheer aufgestellt hat; die Armeen, mit denen K?nig Alexander zu k?mpfen hatte, sind erheblich schw?cher gewesen; schwerlich st?rker an Zahl als die makedonischen Sieger selbst. An sich w?re es ja durchaus m?glich gewesen, dass das Perserreich, das etwa 50 Millionen Einwohner z?hlte, ein Millionenheer aufgebracht h?tte. Aber im persischen Reich hat eine allgemeine Wehrpflicht, wie in den antiken griechischen und in den modernen Staaten, niemals existiert. Die persische Armee war vielmehr eine Berufsarmee, und Berufsheere sind niemals sehr stark. Die iranische Nation, welche die eigentlich staatserhaltende Kraft im Perserreich darstellte, lieferte dem K?nig zun?chst eine ausgezeichnete Adelsreiterei, sodann eine grosse Zahl erprobte Bogensch?tzen. Mit diesen Tausenden von Rittern und Zehntausenden von Sch?tzen haben die ersten Perserk?nige die milit?risch nur wenig leistungsf?higen orientalischen Grossm?chte: Babylonien, Lydien, ?gypten niedergeworfen. Im eroberten Gebiet richteten sich die Perser ?hnlich ein wie sp?ter die T?rken im 15. bis 17. Jahrhundert: der Herrscher wies seinen Rittern grosse Lehensg?ter an. Auf dem Besitze eines solchen Gutes lastete die Verpflichtung, im Kriegsfalle eine Anzahl Reiter zu stellen; vielleicht auch ein paar iranische Bogensch?tzen zu unterhalten. Neben diesen Lehenstruppen stand dann die k?nigliche Garde, die 10 000 sog. >>Unsterblichen<<, entsprechend etwa den Janitscharen des Sultans. Eine solche Berufsarmee bleibt auf der H?he, solange der Staat dauernd Krieg f?hrt und die Maschinerie im Gang bleibt. Wenn aber l?ngere Perioden des Friedens kommen, verrostet das Uhrwerk leicht. So ist es dem T?rkischen Reich im 18. Jahrhundert ergangen: aus den Janitscharen wurde ein Korps von Staatspension?ren, das keinen Feind mehr schreckte. ?hnlich gestaltete sich die Entwicklung im Perserreich, als die Periode der st?ndigen Kriege mit K?nig Xerxes aufh?rte. Die Inhaber der Lehen wurden allm?hlich zu bequem, um wirkliche Krieger zu unterhalten, und wenn der K?nig die Heeresfolge ansagte, schickten sie statt dessen ihre Hausdiener . Immerhin hat sich wenigstens die persische Reiterei in den Alexanderschlachten tapfer geschlagen. Die asiatische Infanterie dagegen war v?llig verkommen, statt ihrer stellte man schon seit dem Ausgang des 5. Jahrhunderts lieber griechische S?ldner ein.
Der griechische Bund, an dessen Spitze K?nig Alexander stand, hatte nur etwa 1/10 der Einwohnerzahl des Perserreichs. Aber seine milit?rische Kraft war weit ?berlegen. Hellas war damals stark ?berv?lkert: viele Tausende von k?hnen und kr?ftigen M?nnern waren bereit, in den Osten zu ziehen, um sich dort eine neue Heimat zu erobern. Dem makedonischen Volksheer winkte im Orient ein ruhmvoller, leichter Sieg und unermessliche Beute; auch die kr?ftigen Barbarenst?mme der Balkanhalbinsel, die dem makedonischen K?nig unterstanden, waren milit?risch nicht unwichtig. Alles in allem war K?nig Alexander imstande, zur Zeit der Schlacht bei Gaugamela mit 50 000 Mann Kerntruppen -- mit einer Kavallerie, die dem Feind zumindest gewachsen, und einer Infanterie, die ihm in jeder Beziehung ?berlegen war -- die Perser anzugreifen. Etwa ebenso viele Leute m?gen zur selben Zeit als Etappentruppen und Garnisonen das weite Gebiet von den Dardanellen bis Mesopotamien gedeckt haben. Endlich stand noch eine starke Reservearmee daheim, bereit, etwaige partikularistische Bewegungen in Griechenland niederzuwerfen. Im ganzen ist es wohl kaum ?bertrieben, wenn man die damalige Gesamtst?rke der Heere Alexanders auf etwa 150 000 gute Soldaten berechnet. Das war eine Heeresmacht, gegen die kein anderer Staat der Welt aufkommen konnte, auch nicht das Perserreich mit seinem durchaus ?berlebten Wehrsystem. Diese Erw?gungen m?gen die Leistungen K?nig Alexanders und seines Heeres leichter verst?ndlich machen; sie k?nnen aber die Bewunderung f?r die Taten der makedonischen Heeresleitung nicht vermindern.
Eine der merkw?rdigsten Episoden in der Geschichte Alexanders ist unstreitig sein Zug zu der Oase des Ammon, wo er sich von den Priestern als der Sohn des Gottes begr?ssen liess. Droysen schildert dieses Ereignis in anschaulicher und eindringlicher Art. Die Frage dr?ngt sich auf, was Alexander bei dem ?gyptischen Gott gewollt, welche Absichten er mit seiner Erkl?rung zum Gottessohn verfolgt hat. Droysen meint, der K?nig habe gewollt, dass ihn >>in das Innere des Morgenlandes eine geheimere Weihe, eine h?here Verheissung begleiten<< sollte, >>in der die V?lker ihn als den zum K?nig der K?nige, zum Herrn von Aufgang bis Niedergang Erkorenen erkennen sollten<<. Aber tats?chlich hat wohl Alexander mit jenem mystischen Vorgang gar nicht auf die Orientalen, sondern allein auf die Griechen wirken wollen. Der Gedanke von der G?ttlichkeit des Herrschers war den Untertanen des Perserk?nigs -- ausserhalb von ?gypten -- fremd: den Iraniern, welche sich zur Religion des Zarathustra bekannten, den babylonischen Verehrern des Marduk und der Istar, den semitischen Dienern ihrer Stammesgottheiten, und all den anderen V?lkern des Ostens wurde der fremde Eroberer wahrlich deshalb nicht ehrw?rdiger oder sympathischer, weil er sich als der Sohn des ?gyptischen Ammon ausgab. In ?gypten war freilich die Auffassung zu Hause, dass der Pharao der Sohn des grossen Sonnengottes sei, und die Priester waren gern bereit, auch jedem fremden Herrscher, der es w?nschte, dieses Attribut zu erteilen. Aber eine solche Anerkennung konnte Alexander in jedem beliebigen ?gyptischen Heiligtum empfangen; h?tte er wirklich dem Herzen des ?gyptischen Volkes n?herkommen wollen, dann w?rde er sich an einen der f?hrenden nationalen Tempel gewandt haben, aber sicher nicht an den Ammon der libyschen Oase, der im ?gyptischen Kulturleben so gut wie nichts bedeutete. Indessen, und das bringt uns der L?sung des R?tsels n?her, der Ammon von Siwas war -- ?ber Kyrene -- schon seit dem 5. Jahrhundert in Griechenland bekannt geworden, und sein Orakel erfreute sich dort einer gewissen Autorit?t, seitdem Delphi aus der Mode gekommen war. Wenn also Alexander f?r die Hellenen ein Gott sein wollte, dann war das Ammonsorakel die Stelle, deren Autorit?t er sich mit Aussicht auf Erfolg zu bedienen vermochte. Was bedeutete aber die Anerkennung der Gottheit Alexanders durch die griechischen Gemeinden? Nichts mehr und nichts weniger als eine vollkommene Reform der hellenischen Bundesverfassung. Die beschr?nkten Kompetenzen des Bundespr?sidenten, wie sie f?r K?nig Philipp ausreichend gewesen waren, gen?gten f?r Alexander nicht. Er w?nschte, wenn er es f?r n?tig hielt, ohne Hindernis in die griechischen Angelegenheiten eingreifen zu k?nnen, ohne zugleich die Selbst?ndigkeit der griechischen Republiken ganz aufzuheben. Da bot sich der bequeme Ausweg, dass der ehemalige Bundespr?sident zum Staatsgott der einzelnen Gemeinden wurde: nunmehr mussten seine Erlasse als g?ttliche Gebote befolgt werden. Was dies in der Praxis zu bedeuten hatte, zeigte sich sofort, als Alexander die Verordnung ?ber die R?ckkehr der Verbannten erliess. Dieser Akt, der die Parteik?mpfe in den griechischen Kleinstaaten formell abschliessen sollte, w?re nach den Artikeln des Korinthischen Bundes -- wie auch Droysen treffend hervorhebt -- nicht m?glich gewesen. Dagegen konnte der >>Gott<< Alexander ohne weiteres eine solche Massregel durchf?hren.
Das >>Gottk?nigtum<<, wie es Alexander begr?ndete, sollte noch die bedeutsamsten Folgen f?r die sp?tere Entwicklung des Altertums haben. Es blieb die massgebende Form, in der sich eine starke monarchische Gewalt mit der republikanischen Selbst?ndigkeit einer gr?sseren Zahl von Stadtstaaten wenigstens einigermassen vereinigen liess. Die hellenistischen Monarchien des Orients waren so organisiert, und das r?mische Kaisertum ging dann die gleiche Bahn.
Hat Alexander selbst an seine G?ttlichkeit geglaubt? Droysen deutet die M?glichkeit an, dass der K?nig gewisse pantheistische Gedanken von einer Einheit zwischen der Gottheit und den Menschen gehabt hat; Gedanken, in denen sich griechische Philosophie und ?gyptische Priesterweisheit vereinigten. Aber wenn wir die praktisch-politische Bedeutung des Zuges zum Ammonion in den Vordergrund stellen, in der Art, wie es von den neueren Forschern vor allem Eduard Meyer getan hat, werden wir auch hier wohl eine einfachere L?sung suchen m?ssen. ?ber das wirkliche religi?se Innenleben Alexanders l?sst sich kaum etwas Bestimmtes sagen. Wenn er sich den >>Kinderglauben<< bewahrt hatte, kann es nur der an die G?tter seiner makedonischen Heimat gewesen sein. Aber daneben konnte er sehr wohl glauben, dass er f?r die Angeh?rigen seines Reichs selbst ein >>Gott<< sei. Perikles hat einmal in einer ber?hmten Rede erkl?rt, dass man die Existenz der G?tter erschliesse aus der Verehrung, die sie finden, und aus den Wohltaten, die sie den Menschen erweisen. In diesem Sinne war auch der grosse K?nig, der all den vielen Griechenst?dten Frieden, Wohlstand, ja die Existenz sicherte, ein >>Gott<<. Dass er Wunder tun, durch seinen Willen die Naturgesetze aufheben k?nne, hat Alexander sicher nicht angenommen.
Wenn man die Geschichte Alexanders ?berdenkt, dr?ngt sich unwillk?rlich die Frage auf, ob es wirklich den wahren Interessen des griechisch-makedonischen Volkes entsprochen hat, dass ein hellenisches Riesenreich gegr?ndet wurde, das sich vom Adriatischen Meere aus bis tief nach Indien erstreckte. Dieses Problem, an dem man bei der W?rdigung des Staatsmannes Alexander nicht vor?bergehen kann, ist von Droysen nicht gestellt worden. Es ist doch bemerkenswert, dass der Hellenismus nichts von dem gewaltigen Gebiet behauptet hat, das er damals eroberte. Das griechische Volk bewohnt heute im grossen und ganzen denselben Raum, wie zur Zeit Philipps von Makedonien. Damit vergleiche man die Dauerhaftigkeit, welche die Eroberungen des Romanismus gehabt haben, wie sich aus dem r?mischen Kaiserreich heraus die lateinischen Nationen Westeuropas entwickeln, wie selbst ein so sp?t und oberfl?chlich romanisiertes Land wie Dakien seinen lateinischen Charakter bis auf den heutigen Tag behauptete. Der Unterschied erkl?rt sich daraus, dass Rom in weitem Umfang b?uerliche Kolonisten ansetzte, w?hrend die Griechen im Orient im wesentlichen nur in die St?dte gingen, sowie als Offiziere und Beamte die herrschende Oberschicht bildeten. Daher fegte der erste beste, politische Misserfolg die hellenische Kolonisation wieder weg, w?hrend der romanische, mit dem Boden verwachsene Bauer, sich nicht mehr verdr?ngen liess. Aber warum haben die R?mer so gr?ndlich kolonisiert und die Griechen der hellenistischen Zeit so oberfl?chlich?
Aus dem einfachen Grund, dass Griechenland gar nicht so viele Menschen ?brig hatte, um nach dem r?mischen System zu kolonisieren. Das r?mische Italien hatte zudem beschr?nktere Aufgaben zu l?sen, erst sog es die Lombardei und Venetien auf, dann wurden Spanien und S?dfrankreich lateinisch gemacht, und allm?hlich drang das R?mertum weiter vor. Das griechische Volk dagegen gewann mit einem Schlage ein Riesenreich, dessen Hellenisierung so gut wie unm?glich war. Dass schon K?nig Philipp den Eroberungskrieg in Asien geplant hat, steht fest. Aber es bleibt doch sehr zweifelhaft, ob er -- der gr?sste Staatsmann, den das griechische Volk hervorgebracht hat -- bis nach Indien und Turkestan gegangen w?re. Kleinasien h?tte sicher auch Philipp f?r das Griechentum erobern wollen; vielleicht h?tte er auch die Perser vom Mittelmeer verdr?ngt, indem er in irgendeiner Form Syrien und ?gypten unter seine Autorit?t brachte: den Zug ?ber den Euphrat m?chte man ihm nicht zutrauen. In Kleinasien waren die K?sten bereits griechisch, und auch die Eingeborenen, wie die Karer, Lyder und Lykier, waren auf dem besten Wege sich zu hellenisieren. W?re es m?glich gewesen, all die hellenischen Volkssplitter, die sich unter und nach Alexander im ganzen Orient zerstreuten, in Kleinasien zu vereinigen, so w?re dieses Land in wenigen Generationen vollkommen griechisch geworden. Aber daneben hatte das griechische Volk noch eine andere Aufgabe, deren L?sung freilich nicht so glanzvoll war wie die Eroberung des Ostens: das w?re die Gewinnung und Besiedlung des Rumpfes der Balkanhalbinsel gewesen. Hier wie ?berall hatte K?nig Philipp das Richtige erkannt und dessen Durchf?hrung angebahnt. Das von ihm gegr?ndete Philippopolis tr?gt noch heute seinen Namen und zeugt von der Absicht des Makedonen, das griechische Volks- und Sprachgebiet bis zum Balkangebirge auszudehnen. Es ist geradezu das Verh?ngnis der Griechen geworden, dass an dieser Aufgabe nicht weiter gearbeitet worden ist. Die Weltgeschichte h?tte eine andere Wendung genommen, wenn etwa die Balkanhalbinsel -- nebst dem westlichen Kleinasien -- ein einheitliches Nationalgebiet geworden w?re, in der Art, wie sich das zuerst so vielsprachige Italien unter dem r?mischen Einfluss umgewandelt hat. Eben dadurch, dass Alexander, die gerade damals vorhandene milit?rische ?berlegenheit Makedoniens voll ausnutzend, das griechische Weltreich gr?ndete, hat er seinem Volke den Weg zur wirklichen nationalen Gr?sse dauernd verbaut.
Es wird f?r die Leser dieses Buches von Interesse sein, dass w?hrend des Weltkrieges deutscher Forschung im fernen Asien eine nicht unwichtige Bereicherung unserer Kenntnis der Alexander-Zeit gelungen ist: Die Expedition Hentig, die 1915 in Afghanistan weilte, hat -- wie k?rzlich mitgeteilt wurde -- die Lage der von Alexander in diesem Lande gegr?ndeten Griechenst?dte zum ersten Male einwandfrei festgestellt.
Diese Betrachtungen sollen weiter nichts darstellen als eine kleine Erg?nzung zu Droysens trefflichem Werke, das hoffentlich auch in dieser Ausgabe der Wissenschaft und der Geschichte des Altertums neue Freunde werben wird.
Berlin. Arthur Rosenberg.
Erstes Buch
+Tade men leusseis, phaidim' Achilleu+
Erstes Kapitel
Der Name Alexander bezeichnet das Ende einer Weltepoche, den Anfang einer neuen.
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