Read Ebook: Tante Toni und ihre Bande by Brochowska Alberta Von
Font size:
Background color:
Text color:
Add to tbrJar First Page Next Page
Ebook has 887 lines and 37235 words, and 18 pages
Fritz Brehmer Nebel der Andromeda
Nebel der Andromeda
Das merkw?rdige Verm?chtnis eines Irdischen.
Von Fritz Brehmer
Sechstes bis zehntes Tausend
L. Staackmann Verlag / Leipzig / 1920
Alle Rechte vorbehalten F?r Amerika: Copyright 1920 by L. Staackmann, Leipzig
Druck von C. Grumbach in Leipzig
Ein Kapit?n, der einige Jahre in den westindischen Gew?ssern kreuzte, traf dort, und zwar in Venezuela, mit einem Manne zusammen, dessen Erlebnisse zu dem Sonderbarsten z?hlen, von dem man geh?rt haben d?rfte, und der auch sonst in seiner Pers?nlichkeit weit ab von den Bezirken des Allt?glichen stand.
Eine Verkettung von Umst?nden liess den Kapit?n in den Besitz der merkw?rdigen schriftlichen Hinterlassenschaft des Mannes gelangen, und gab damit die L?sung eines geheimnisvollen R?tsels, ?ber das hier berichtet werden soll, in seine H?nde. --
Nachdem der Kapit?n schon einige Male den venezolanischen Hafenplatz Porto Cabello angelaufen hatte, kam ihn dort eines Tages der Wunsch an, eine Wanderung in die Vorberge zu unternehmen, aus welchen der den Hafen bildende Fluss in einem Tale fliesst, dessen wildromantische Sch?nheit sowohl wie seine Fruchtbarkeit sehr ger?hmt werden.
Zwar befand sich das Land gerade wieder mitten in einer der dort ?blichen Revolutionen, und ein Dutzend Meilen landeinw?rts, beim Flecken San Felipe, war einige Tage zuvor gar eine Art von Schlacht geschlagen worden. Aber um den Hafen herum sollte noch alles ruhig sein.
Es empfahl sich also die Zeit zu nutzen, ehe die K?mpfe auch hierher ?bersprangen und das Spazierengehen in den Bergen unm?glich machten. --
Der Weg hat seine eigne Sch?nheit. Nach einer etwa einst?ndigen, recht heissen Wanderung durch die leichtansteigende Ebene gelangt man in den Taleingang, der von einem hochgelegenen, noch aus spanischer Kolonialzeit stammenden Bergfort bewacht wird.
Bald nachdem man in das Tal eingetreten ist, ziehen sich die Berge zu beiden Seiten enger zusammen. Der Fluss, der bisher dem Wanderer als ein tr?ger, recht langweiliger und versandeter Wassergreis entgegengeschlichen kam, zeigt sich hier in dem ?bermut tollender Jugend.
Mit sichtlicher Freude am Turnerischen springt er von Steinstufe zu Steinstufe, teilt sich gelegentlich vor widerborstig sich entgegenstemmenden m?rrischen Felsen gewandt in mehrere Teile, vereinigt sich hinter den Verdutzten wieder mit gurgelndem Lachen zu verdoppelter Spr?hkraft, spielt darauf in einem stillen, buchtartigen und tiefblauen Wasserbecken den Harmlosen, um sich gleich darauf wieder mit gewaltigem Satze brausend in eine Tiefe zu st?rzen, friedliche Steine und allerlei ob der St?rung ver?rgertes Ger?ll mit sich reissend.
Lustige Schlingels von B?chen springen ihm gelegentlich aus der Nachbarschaft zu, werfen sich spr?hend und zischend in seinen Lauf und beteiligen sich an dem ?berm?tigen Treiben. Sie kommen aus Nebent?lern, in denen Kakaoplantagen ihre kostbaren Produkte gedeihen lassen oder in dunklen Orangenw?ldern die goldenen ?pfel reifen. Im zerkl?fteten Tale des Flusses stehen hohe B?ume, Bananen wachsen ?berall, und auf den H?hen ragen die Kokospalmen.
Ein reiches, ?berreiches Land, geschaffen f?r ein Leben in Gl?ck und Friede, wenn seine Bewohner eben nicht -- Menschen w?ren.
Am Flusse entlang ist von Fischern und Plantagenarbeitern ein Pfad ausgetreten und gelegentlich auch in den Felsen eingehauen, den jetzt langsam hinanzusteigen dem solcher Freuden entw?hnten Kapit?n eine Wohltat war.
Nachdem er so, sich an der wechselnden Szenerie erfreuend, ein St?ndchen einsam emporgeklommen war, bemerkte er, dass jetzt ein anderer Mann vor ihm schritt, den er wohl eingeholt haben mochte.
Allm?hlich n?her kommend, stellte er fest, dass dieser ein Weisser war, ein hochgewachsener, fast riesenhafter Mann von ungew?hnlich sch?nem, ebenm?ssigem K?rperbau. Er schritt, sich auf einen hohen Stock st?tzend, langsam vorw?rts. Sein Gang war elastisch, und bei jedem Schritte spielten seine nicht massigen, aber sichtlich stahlharten Muskeln.
Der Mann trug ausser einer kurzen leinenen Hose und dem Korkhelm keinerlei Kleidung. Sein Gesicht war nicht zu sehen.
Da man in dieser Gegend ausserhalb der St?dte selten Weisse zu treffen pflegt, so bedeutete das Auftreten des Mannes ein Ereignis. Der nackte Mann, der wohl gemerkt haben musste, dass ihm jemand folge, begann jetzt mit seinen langen sehnigen Beinen auszuschreiten, und nun war f?r den Kapit?n nicht mehr daran zu denken, ihn einzuholen.
Dennoch wurde sein Wunsch erf?llt: Weit vorne ?ber einem Grat sah man jetzt zwischen den sich teilenden B?umen die Silhouette eines Reiters. Vorsichtig und anscheinend m?de stieg sein Maultier bergab. Der Reiter schien nicht fest darauf zu sitzen. Er hing stark vorn?ber.
Als der nackte weisse Mann mit ihm zusammentraf, hielten beide an, und dann war zu sehen, wie der Reiter mit Hilfe des anderen m?hsam vom Tiere stieg.
Der Kapit?n, an die Gruppe herankommend, sah bald, dass der Reiter, der nur mit einer Hose, hohen braunen Stiefeln und einem kokardengeschm?ckten Filzhut bekleidet war, am Oberk?rper schwere blutende Wunden trug und einen stark geschw?chten Eindruck machte.
Der weisse Riese sprach mit ihm in dem verdorbenen Spanisch jenes Landes, das aber trotz zahlreicher indianischer Beimischungen leidlich verst?ndlich ist.
Es handelte sich um einen Revolution?r, Halbindianer, gleich der Mehrzahl der ?brigen Landesbewohner Mischblut der alten spanischen Kolonisten und der Ureinwohner dieser Berge. Er war in der Schlacht bei San Felipe verwundet von seinem Trupp abgekommen, hatte sich in den Bergen verirrt und war ?berdies durch Raub w?hrend des Schlafes seines Gep?cks, seiner Waffen und seiner Oberkleidung verlustig gegangen. Jetzt suchte er nach Porto Cabello zu gelangen. Seine Kr?fte waren indessen schon derartig ersch?pft, dass man ihn unm?glich allein weiterziehen lassen konnte.
Mit offensichtlicher Sachkenntnis untersuchte der weisse Mann die Wunden des armen, j?mmerlich st?hnenden Kerls. Dabei stellte sich heraus, dass ein Geschoss den Brustkasten durchschlagen und, da sich auch Bluthusten zeigte, offenbar die Lunge verletzt hatte.
Es war dringend n?tig, die Wunden zu verbinden, zumal sich schon Insekten darin festsetzten. Da aber nat?rlich kein Verbandzeug zur Hand war, entledigte sich der Kapit?n kurzerhand seines leinenen Hemdes und zerschnitt es mit Hilfe des anderen in lange Streifen, aus denen dieser mit bemerkenswerter Geschicklichkeit einen Notverband herstellte. Gesprochen wurde dabei kein Wort.
Als die Prozedur des Verbindens beendet war, sank der Verwundete ohnm?chtig zusammen, konnte aber durch einen Schluck aus der Flasche des Kapit?ns wenigstens wieder so weit zu Kr?ften gebracht werden, dass man ihn auf sein Tier zu heben vermochte.
Der nackte Mann wandte sich nun zu dem Kapit?n und fragte ihn mit wohlt?nender, tiefer Stimme in reinem Spanisch, ob er helfen wolle, den Verwundeten in seine, des Fragenden, unferne Wohnung zu bringen. Die Zustimmung verstand sich von selber.
So schritten sie, den armen Teufel von Revolution?r st?tzend, links und rechts neben dem Maultier bergan.
Der Kapit?n konnte jetzt in Ruhe die Z?ge des sonderbaren Samariters betrachten, da dieser sich oft besorgt dem Verwundeten zukehrte, um dessen Zustand zu beobachten.
Der Mann war offenbar germanischer Herkunft. Man h?tte ihn etwa f?r einen Nordl?nder halten k?nnen, jedenfalls liess das schmale, bartlose Gesicht mit stark herausgearbeiteten Z?gen eine solche Vermutung zu. Mund und Nase waren kr?ftig entwickelt, und das Antlitz trotz reichlich grosser, aber gesunder Oberz?hne von auffallendem Ebenmass. Als er einmal den Korkhelm abnahm, erwies es sich, dass sein weiches volles Haar schon ergraut war.
Das Bemerkenswerteste an dem Gesicht waren die grossen, wasserklaren, blauen Augen, die mit beinahe unheimlich langem Blicke die Dinge fassten.
Das Alter des Mannes war schwer zu sch?tzen: Er mochte ebensogut ein fr?h ergrauter Dreissiger wie ein jugendlicher F?nfziger sein.
Ein Gespr?ch, das der Kapiteln einige Male anzukn?pfen versuchte, verlief jedesmal im Sande. Der Riese ging zwar h?flich darauf ein, antwortete jedoch mit derart knappen Worten, dass der andere es vorzog, weiterhin zu schweigen.
Nach einer kleinen halben Stunde beschwerlichen Weges an dem Flusse entlang war man am Ziele angekommen.
An einer Stelle, wo der Fluss ein stilles bewaldetes Becken bildete, mit kleinen Felseninseln darin, stand auf hohem Ufer, halb in den Fels hineingebaut, ein niedriges steinernes Haus. Zwischen den vorderen Ecken des Daches und zwei eingerammten Pf?hlen war ein altes Schiffssegel als Sonnendach ausgespannt, das die T?r und die beiden einzigen Fenster ?berschattete.
Unter dem Sonnensegel stand ein steinerner Tisch, und neben diesem ein bequemer grosser Korbsessel, wie er in den Tropen benutzt wird.
Unweit des Hauses, von dem aus man einen freien Blick ?ber das Becken und den unteren, mit einem Wasserfall beginnenden Flusslauf hatte, lag ein kleiner, dichter Orangenhain, symmetrisch angelegt, und bemerkenswerterweise von einem niedrigen, sauberen, festgezimmerten Holzzaune mit einer verschlossenen T?r umgeben. Rechts und links neben der T?r standen zwei hohe Zypressen. Die Anlage machte, zumal in dieser Umgebung, einen sonderbar ernsten und fast feierlichen Eindruck.
Der nackte Mann zog den Mulo unter das Sonnensegel und band ihn an einen der Pf?hle. Gemeinsam hob man den verwundeten Revolutionsmann, dessen Zustand immer bedenklicher zu werden schien, herab, und f?hrte ihn in den Korbstuhl.
Auf dem Tische standen die Reste eines Morgenmahles und daneben lag ein aufgeschlagenes Buch.
Der Herr dieses kleinen Anwesens lud den Kapit?n mit einer wortlosen Geb?rde ein, auf einem anderen Stuhle, den er aus dem Hause geholt, Platz zu nehmen. Dann ging er hinein und kam nach einigen Minuten wieder heraus. W?hrenddessen hatte der Gast das Buch aufgenommen und zu seinem Erstaunen es als Goethes >>Dichtung und Wahrheit<<, und zwar in der Sprache des Dichters, erkannt.
Nun trug man gemeinsam den Verletzten in das H?uschen, das nur einen einzigen Raum enthielt, dessen W?nde, wie der Kapit?n zu seinem Erstaunen feststellte, zum gr?ssten Teil mit B?chern bestanden waren.
Man legte den armen Menschen auf das grosse eiserne Bett, dessen Moskitonetz schon zur?ckgeschlagen war. Der Hauseigent?mer brachte Wasser herbei, goss ein Glas voll, dr?ckte eine Zitrone hinein, s?sste es mit Zucker und gab es dem Verwundeten, der es gierig austrank und dann matt zur?ckfiel.
Der grosse Mann beugte sich ?ber die Brust des Kranken und legte sein Ohr daran, drehte ihn dann behutsam auf die Seite, behorchte den R?cken und sagte, indem er sich achselzuckend aufrichtete, leise auf Spanisch: >>Es geht zu Ende.<<
Der Gast schlug vor, einen Arzt aus Porto Cabello zu holen. Der Nackte lehnte geringsch?tzig ab: Es seien Pfuscher. Als der andere aber erkl?rte, dass er der F?hrer eines im Hafen liegenden Kriegsschiffes sei, das einen Arzt an Bord habe, stimmte er zu, schlug jedoch vor, noch eine Stunde den weiteren Verlauf der Dinge abzuwarten. Vielleicht w?re es ?berhaupt zwecklos, den Arzt kommen zu lassen, der ohnehin kaum vor f?nf Stunden oben sein k?nne. Vorderhand sei es das Richtigste, dem Kranken, der schon ein Sterbender w?re, Ruhe zu g?nnen. Dies sagte er mit solcher Sicherheit, als sei ihm die Hilfeleistung in derartigen F?llen nichts Fremdes.
Darauf ging man hinaus und schickte sich an, indem man an dem Steintische Platz nahm, die verabredete Stunde zu warten.
Der Wirt ging ins Haus zur?ck, zog sich einen weissen Anzug an, brachte Wein, Weissbrot und Fr?chte heran, bot alles wortlos aber freundlich an, setzte sich dann und blickte in die Ferne.
Add to tbrJar First Page Next Page