Read Ebook: Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft by Steiner Rudolf
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Ebook has 130 lines and 40458 words, and 3 pages
Anmerkungen zur Transkription
Die beiden Druckfehler-Berichtigungen wurden durchgef?hrt. Es wurden einige ?nderungen in der Zeichensetzung vorgenommen. Das Inhaltsverzeichnis wurde vom Textende an den Anfang versetzt.
Weitere Anmerkungen befinden sich am Ende des Textes.
INTERNATIONALE B?CHEREI F?R SOZIAL- UND GEISTESWISSENSCHAFTEN
DIE KERNPUNKTE DER SOZIALEN FRAGE
IN DEN LEBENSNOTWENDIGKEITEN DER GEGENWART UND ZUKUNFT
VON
DR. RUDOLF STEINER
DER KOMMENDE TAG, A. G., VERLAG STUTTGART
Druckfehlerberichtigung.
Auf Seite 14, Zeile 9 von oben, muss es statt: in dem Urteil heissen: von dem Urteil.
Auf Seite 26, Zeile 11 von unten, muss es statt: angetrieben heissen: ausgetrieben.
Greiner & Pfeiffer, Druckerei und Verlagsanstalt, Stuttgart.
Inhalt
Seite
Vorrede und Einleitung 5
Vorbemerkungen ?ber die Absicht dieser Schrift 16
Vorrede und Einleitung zum 41. bis 80. Tausend dieser Schrift
Die Aufgaben, welche das soziale Leben der Gegenwart stellt, muss derjenige verkennen, der an sie mit dem Gedanken an irgendeine Utopie herantritt. Man kann aus gewissen Anschauungen und Empfindungen den Glauben haben, diese oder jene Einrichtung, die man sich in seinen Ideen zurechtgelegt hat, m?sse die Menschen begl?cken; dieser Glaube kann ?berw?ltigende ?berzeugungskraft annehmen; an dem, was gegenw?rtig die soziale >>Frage<< bedeutet, kann man doch v?llig vorbeireden, wenn man einen solchen Glauben geltend machen will.
Man kann heute diese Behauptung in der folgenden Art bis in das scheinbar Unsinnige treiben; und man wird doch das Richtige treffen. Man kann annehmen, irgend jemand w?re im Besitze einer vollkommenen theoretischen >>L?sung<< der sozialen Frage, und er k?nnte dennoch etwas ganz Unpraktisches glauben, wenn er der Menschheit diese von ihm ausgedachte >>L?sung<< anbieten wollte. Denn wir leben nicht mehr in der Zeit, in welcher man glauben soll, auf diese Art im ?ffentlichen Leben wirken zu k?nnen. Die Seelenverfassung der Menschen ist nicht so, dass sie f?r das ?ffentliche Leben etwa einmal sagen k?nnten: da seht Einen, der versteht, welche sozialen Einrichtungen n?tig sind; wie er es meint, so wollen wir es machen.
In dieser Art wollen die Menschen Ideen ?ber das soziale Leben gar nicht an sich herankommen lassen. Diese Schrift, die nun doch schon eine ziemlich weite Verbreitung gefunden hat, rechnet mit dieser Tatsache. Diejenigen haben die ihr zugrunde liegenden Absichten ganz verkannt, die ihr einen utopistischen Charakter beigelegt haben. Am st?rksten haben dies diejenigen getan, die selbst nur utopistisch denken wollen. Sie sehen bei dem Andern, was der wesentlichste Zug ihrer eigenen Denkgewohnheiten ist.
F?r den praktisch Denkenden geh?rt es heute schon zu den Erfahrungen des ?ffentlichen Lebens, dass man mit einer noch so ?berzeugend erscheinenden utopistischen Idee nichts anfangen kann. Dennoch haben viele die Empfindung, dass sie zum Beispiele auf wirtschaftlichem Gebiete mit einer solchen an ihre Mitmenschen herantreten sollen. Sie m?ssen sich davon ?berzeugen, dass sie nur unn?tig reden. Ihre Mitmenschen k?nnen nichts anfangen mit dem, was sie vorbringen.
Man sollte dies als Erfahrung behandeln. Denn es weist auf eine wichtige Tatsache des gegenw?rtigen ?ffentlichen Lebens hin. Es ist die Tatsache der Lebensfremdheit dessen, was man denkt gegen?ber dem, was zum Beispiel die wirtschaftliche Wirklichkeit fordert. Kann man denn hoffen, die verworrenen Zust?nde des ?ffentlichen Lebens zu bew?ltigen, wenn man an sie mit einem lebensfremden Denken herantritt?
Diese Frage kann nicht gerade beliebt sein. Denn sie veranlasst das Gest?ndnis, dass man lebensfremd denkt. Und doch wird man ohne dieses Gest?ndnis der >>sozialen Frage<< auch fern bleiben. Denn nur, wenn man diese Frage als eine ernste Angelegenheit der ganzen gegenw?rtigen Zivilisation behandelt, wird man Klarheit dar?ber erlangen, was dem sozialen Leben n?tig ist.
Auf die Gestaltung des gegenw?rtigen Geisteslebens weist diese Frage hin. Die neuere Menschheit hat ein Geistesleben entwickelt, das von staatlichen Einrichtungen und von wirtschaftlichen Kr?ften in einem hohen Grade abh?ngig ist. Der Mensch wird noch als Kind in die Erziehung und den Unterricht des Staates aufgenommen. Er kann nur so erzogen werden, wie die wirtschaftlichen Zust?nde der Umgebung es gestatten, aus denen er herausw?chst.
Man kann nun leicht glauben, dadurch m?sse der Mensch gut an die Lebensverh?ltnisse der Gegenwart angepasst sein. Denn der Staat habe die M?glichkeit, die Einrichtungen des Erziehungs- und Unterrichtswesens und damit des wesentlichen Teiles des ?ffentlichen Geisteslebens so zu gestalten, dass dadurch der Menschengemeinschaft am besten gedient werde. Und auch das kann man leicht glauben, dass der Mensch dadurch das bestm?gliche Mitglied der menschlichen Gemeinschaft werde, wenn er im Sinne der wirtschaftlichen M?glichkeiten erzogen wird, aus denen er herausw?chst, und wenn er durch diese Erziehung an denjenigen Platz gestellt wird, den ihm diese wirtschaftlichen M?glichkeiten anweisen.
Diese Schrift muss die heute wenig beliebte Aufgabe ?bernehmen, zu zeigen, dass die Verworrenheit unseres ?ffentlichen Lebens von der Abh?ngigkeit des Geisteslebens vom Staate und der Wirtschaft herr?hrt. Und sie muss zeigen, dass die Befreiung des Geisteslebens aus dieser Abh?ngigkeit den einen Teil der so brennenden sozialen Frage bildet.
Damit wendet sich diese Schrift gegen weitverbreitete Irrt?mer. In der ?bernahme des Erziehungswesens durch den Staat sieht man seit lange etwas dem Fortschritt der Menschheit heilsames. Und sozialistisch Denkende k?nnen sich kaum etwas anderes vorstellen, als dass die Gesellschaft den Einzelnen zu ihrem Dienste nach ihren Massnahmen erziehe.
Man will sich nicht leicht zu einer Einsicht bequemen, die auf diesem Gebiete heute unbedingt notwendig ist. Es ist die, dass in der geschichtlichen Entwickelung der Menschheit in einer sp?teren Zeit zum Irrtum werden kann, was in einer fr?heren richtig ist. Es war f?r das Heraufkommen der neuzeitlichen Menschheitsverh?ltnisse notwendig, dass das Erziehungswesen und damit das ?ffentliche Geistesleben den Kreisen, die es im Mittelalter innehatten, abgenommen und dem Staate ?berantwortet wurde. Die weitere Beibehaltung dieses Zustandes ist aber ein schwerer sozialer Irrtum.
Das will diese Schrift in ihrem ersten Teile zeigen. Innerhalb des Staatsgef?ges ist das Geistesleben zur Freiheit herangewachsen; es kann in dieser Freiheit nicht richtig leben, wenn ihm nicht die volle Selbstverwaltung gegeben wird. Das Geistesleben fordert durch das Wesen, das es angenommen hat, dass es ein v?llig selbst?ndiges Glied des sozialen Organismus bilde. Das Erziehungs- und Unterrichtswesen, aus dem ja doch alles geistige Leben herausw?chst, muss in die Verwaltung derer gestellt werden, die erziehen und unterrichten. In diese Verwaltung soll nichts hineinreden oder hineinregieren, was im Staate oder in der Wirtschaft t?tig ist. Jeder Unterrichtende hat f?r das Unterrichten nur so viel Zeit aufzuwenden, dass er auch noch ein Verwaltender auf seinem Gebiete sein kann. Er wird dadurch die Verwaltung so besorgen, wie er die Erziehung und den Unterricht selbst besorgt. Niemand gibt Vorschriften, der nicht gleichzeitig selbst im lebendigen Unterrichten und Erziehen drinnen steht. Kein Parlament, keine Pers?nlichkeit, die vielleicht einmal unterrichtet hat, aber dies nicht mehr selbst tut, sprechen mit. Was im Unterricht ganz unmittelbar erfahren wird, das fliesst auch in die Verwaltung ein. Es ist naturgem?ss, dass innerhalb einer solchen Einrichtung Sachlichkeit und Facht?chtigkeit in dem h?chst m?glichen Masse wirken.
Man kann nat?rlich einwenden, dass auch in einer solchen Selbstverwaltung des Geisteslebens nicht alles vollkommen sein werde. Doch das wird im wirklichen Leben auch gar nicht zu fordern sein. Dass das Best-M?gliche zustande komme, das allein kann angestrebt werden. Die F?higkeiten, die in dem Menschenkinde heranwachsen, werden der Gemeinschaft wirklich ?bermittelt werden, wenn ?ber ihre Ausbildung nur zu sorgen hat, wer aus geistigen Bestimmungsgr?nden heraus sein massgebendes Urteil f?llen kann. Wie weit ein Kind nach der einen oder der andern Richtung zu bringen ist, dar?ber wird ein Urteil nur in einer freien Geistgemeinschaft entstehen k?nnen. Und was zu tun ist, um einem solchen Urteil zu seinem Recht zu verhelfen, das kann nur aus einer solchen Gemeinschaft heraus bestimmt werden. Aus ihr k?nnen das Staats- und das Wirtschaftsleben die Kr?fte empfangen, die sie sich nicht geben k?nnen, wenn sie von ihren Gesichtspunkten aus das Geistesleben gestalten.
Es liegt in der Richtung des in dieser Schrift Dargestellten, dass auch die Einrichtungen und der Unterrichtsinhalt derjenigen Anstalten, die dem Staate oder dem Wirtschaftsleben dienen, von den Verwaltern des freien Geisteslebens besorgt werden. Juristenschulen, Handelsschulen, landwirtschaftliche und industrielle Unterrichtsanstalten werden ihre Gestaltung aus dem freien Geistesleben heraus erhalten. Diese Schrift muss notwendig viele Vorurteile gegen sich erwecken, wenn man diese -- richtige -- Folgerung aus ihren Darlegungen zieht. Allein woraus fliessen diese Vorurteile? Man wird ihren antisozialen Geist erkennen, wenn man durchschaut, dass sie im Grunde aus dem unbewussten Glauben hervorgehen, die Erziehenden m?ssen lebensfremde, unpraktische Menschen sein. Man k?nne ihnen gar nicht zumuten, dass sie Einrichtungen von sich aus treffen, welche den praktischen Gebieten des Lebens richtig dienen. Solche Einrichtungen m?ssen von denjenigen gestaltet werden, die im praktischen Leben drinnen stehen, und die Erziehenden m?ssen gem?ss den Richtlinien wirken, die ihnen gegeben werden.
Wer so denkt, der sieht nicht, dass Erziehende, die sich nicht bis ins Kleinste hinein und bis zum Gr?ssten hinauf die Richtlinien selber geben k?nnen, erst dadurch lebensfremd und unpraktisch werden. Ihnen k?nnen dann Grunds?tze gegeben werden, die von scheinbar noch so praktischen Menschen herr?hren; sie werden keine rechten Praktiker in das Leben hineinerziehen. Die antisozialen Zust?nde sind dadurch herbeigef?hrt, dass in das soziale Leben nicht Menschen hineingestellt werden, die von ihrer Erziehung her sozial empfinden. Sozial empfindende Menschen k?nnen nur aus einer Erziehungsart hervorgehen, die von sozial Empfindenden geleitet und verwaltet wird. Man wird der sozialen Frage niemals beikommen, wenn man nicht die Erziehungs- und Geistesfrage als einen ihrer wesentlichen Teile behandelt. Man schafft Antisoziales nicht bloss durch wirtschaftliche Einrichtungen, sondern auch dadurch, dass sich die Menschen in diesen Einrichtungen antisozial verhalten. Und es ist antisozial, wenn man die Jugend von Menschen erziehen und unterrichten l?sst, die man dadurch lebensfremd werden l?sst, dass man ihnen von aussen her Richtung und Inhalt ihres Tuns vorschreibt.
Der Staat richtet juristische Lehranstalten ein. Er verlangt von ihnen, dass derjenige Inhalt einer Jurisprudenz gelehrt werde, den er, nach seinen Gesichtspunkten, in seiner Verfassung und Verwaltung niedergelegt hat. Anstalten, die ganz aus einem freien Geistesleben hervorgegangen sind, werden den Inhalt der Jurisprudenz aus diesem Geistesleben selbst sch?pfen. Der Staat wird zu warten haben auf dasjenige, was ihm von diesem freien Geistesleben aus ?berantwortet wird. Er wird befruchtet werden von den lebendigen Ideen, die nur aus einem solchen Geistesleben erstehen k?nnen.
Innerhalb dieses Geisteslebens selbst aber werden diejenigen Menschen sein, die von ihren Gesichtspunkten aus in die Lebenspraxis hineinwachsen. Nicht das kann Lebenspraxis werden, was aus Erziehungseinrichtungen stammt, die von blossen >>Praktikern<< gestaltet und in denen von lebensfremden Menschen gelehrt wird, sondern allein das, was von Erziehern kommt, die von ihren Gesichtspunkten aus das Leben und die Praxis verstehen. Wie im einzelnen die Verwaltung eines freien Geisteslebens sich gestalten muss, das wird in dieser Schrift wenigstens andeutungsweise dargestellt.
Utopistisch Gesinnte werden an die Schrift mit allerlei Fragen heranr?cken. Besorgte K?nstler und andere Geistesarbeiter werden sagen: ja, wird denn die Begabung in einem freien Geistesleben besser gedeihen als in dem gegenw?rtigen vom Staat und den Wirtschaftsm?chten besorgten? Solche Frager sollten bedenken, dass diese Schrift eben in keiner Beziehung utopistisch gemeint wird. In ihr wird deshalb durchaus nicht theoretisch festgesetzt: dies soll so oder so sein. Sondern es wird zu Menschengemeinschaften angeregt, die aus ihrem Zusammenleben das sozial W?nschenswerte herbeif?hren k?nnen. Wer das Leben nicht nach theoretischen Vorurteilen, sondern nach Erfahrungen beurteilt, der wird sich sagen: der aus seiner freien Begabung heraus Schaffende wird Aussicht auf eine rechte Beurteilung seiner Leistungen haben, wenn es eine freie Geistesgemeinschaft gibt, die ganz aus ihren Gesichtspunkten heraus in das Leben eingreifen kann.
Die >>soziale Frage<< ist nicht etwas, was in dieser Zeit in das Menschenleben heraufgestiegen ist, was jetzt durch ein paar Menschen, oder durch Parlamente gel?st werden kann und dann gel?st sein wird. Sie ist ein Bestandteil des ganzen neueren Zivilisationslebens, und wird es, da sie einmal entstanden ist, bleiben. Sie wird f?r jeden Augenblick der weltgeschichtlichen Entwickelung neu gel?st werden m?ssen. Denn das Menschenleben ist mit der neuesten Zeit in einen Zustand eingetreten, der aus dem sozial Eingerichteten immer wieder das Antisoziale hervorgehen l?sst. Dieses muss stets neu bew?ltigt werden. Wie ein Organismus einige Zeit nach der S?ttigung immer wieder in den Zustand des Hungers eintritt, so der soziale Organismus aus einer Ordnung der Verh?ltnisse in die Unordnung. Eine Universalarznei zur Ordnung der sozialen Verh?ltnisse gibt es so wenig wie ein Nahrungsmittel, das f?r alle Zeiten s?ttigt. Aber die Menschen k?nnen in solche Gemeinschaften eintreten, dass durch ihr lebendiges Zusammenwirken dem Dasein immer wieder die Richtung zum Sozialen gegeben wird. Eine solche Gemeinschaft ist das sich selbst verwaltende geistige Glied des sozialen Organismus.
Wie sich f?r das Geistesleben aus den Erfahrungen der Gegenwart die freie Selbstverwaltung als soziale Forderung ergibt, so f?r das Wirtschaftsleben die assoziative Arbeit. Die Wirtschaft setzt sich im neueren Menschenleben zusammen aus Warenproduktion, Warenzirkulation und Warenkonsum. Durch sie werden die menschlichen Bed?rfnisse befriedigt; innerhalb ihrer stehen die Menschen mit ihrer T?tigkeit. Jeder hat innerhalb ihrer seine Teilinteressen; jeder muss mit dem ihm m?glichen Anteil von T?tigkeit in sie eingreifen. Was einer wirklich braucht, kann nur er wissen und empfinden; was er leisten soll, will er aus seiner Einsicht in die Lebensverh?ltnisse des Ganzen beurteilen. Es ist nicht immer so gewesen, und ist heute noch nicht ?berall so auf der Erde; innerhalb des gegenw?rtig zivilisierten Teiles der Erdbev?lkerung ist es im wesentlichen so.
Die Wirtschaftskreise haben sich im Laufe der Menschheitsentwickelung erweitert. Aus der geschlossenen Hauswirtschaft hat sich die Stadtwirtschaft, aus dieser die Staatswirtschaft entwickelt. Heute steht man vor der Weltwirtschaft. Es bleibt zwar von dem alten noch ein erheblicher Teil im Neuen bestehen; es lebte in dem alten andeutungsweise schon vieles von dem Neuen. Aber die Schicksale der Menschheit sind davon abh?ngig, dass die obige Entwickelungsreihe innerhalb gewisser Lebensverh?ltnisse vorherrschend wirksam geworden ist.
Es ist ein Ungedanke, die Wirtschaftskr?fte in einer abstrakten Weltgemeinschaft organisieren zu wollen. Die Einzelwirtschaften sind im Laufe der Entwickelung in die Staatswirtschaften in weitem Umfange eingelaufen. Doch die Staatsgemeinschaften sind aus anderen als bloss wirtschaftlichen Kr?ften entsprungen. Dass man sie zu Wirtschaftsgemeinschaften umwandeln wollte, bewirkte das soziale Chaos der neuesten Zeit. Das Wirtschaftsleben strebt darnach, sich aus seinen eigenen Kr?ften heraus unabh?ngig von Staatseinrichtungen, aber auch von staatlicher Denkweise zu gestalten. Es wird dies nur k?nnen, wenn sich, nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten, Assoziationen bilden, die aus Kreisen von Konsumenten, von Handeltreibenden und Produzenten sich zusammenschliessen. Durch die Verh?ltnisse des Lebens wird der Umfang solcher Assoziationen sich von selbst regeln. Zu kleine Assoziationen w?rden zu kostspielig, zu grosse wirtschaftlich zu un?bersichtlich arbeiten. Jede Assoziation wird zu der andern aus den Lebensbed?rfnissen heraus den Weg zum geregelten Verkehr finden. Man braucht nicht besorgt zu sein, dass derjenige, der sein Leben in reger Ortsver?nderung zuzubringen hat, durch solche Assoziationen eingeengt sein werde. Er wird den ?bergang von der einen in die andere leicht finden, wenn nicht staatliche Organisation, sondern wirtschaftliche Interessen den ?bergang bewirken werden. Es sind Einrichtungen innerhalb eines solchen assoziativen Wesens denkbar, die mit der Leichtigkeit des Geldverkehrs wirken.
Innerhalb einer Assoziation kann aus Fachkenntnis und Sachlichkeit eine weitgehende Harmonie der Interessen herrschen. Nicht Gesetze regeln die Erzeugung, die Zirkulation und den Verbrauch der G?ter, sondern die Menschen aus ihrer unmittelbaren Einsicht und ihrem Interesse heraus. Durch ihr Drinnenstehen im assoziativen Leben k?nnen die Menschen diese notwendige Einsicht haben; dadurch, dass Interesse mit Interesse sich vertragsm?ssig ausgleichen muss, werden die G?ter in ihren entsprechenden Werten zirkulieren. Ein solches Zusammenschliessen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist etwas anderes als zum Beispiele das in den modernen Gewerkschaften. Diese wirken sich im wirtschaftlichen Leben aus; aber sie kommen nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zustande. Sie sind den Grunds?tzen nachgebildet, die sich in der neueren Zeit aus der Handhabung der staatlichen, der politischen Gesichtspunkte heraus gestaltet haben. Man parlamentarisiert in ihnen; man kommt nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ?berein, was der eine dem andern zu leisten hat. In den Assoziationen werden nicht >>Lohnarbeiter<< sitzen, die durch ihre Macht von einem Arbeit-Unternehmer m?glichst hohen Lohn fordern, sondern es werden Handarbeiter mit den geistigen Leitern der Produktion und mit den konsumierenden Interessenten des Produzierten zusammenwirken, um durch Preisregulierungen Leistungen entsprechend den Gegenleistungen zu gestalten. Das kann nicht durch Parlamentieren in Versammlungen geschehen. Vor solchen m?sste man besorgt sein. Denn wer sollte arbeiten, wenn unz?hlige Menschen ihre Zeit mit Verhandlungen ?ber die Arbeit verbringen m?ssten. In Abmachungen von Mensch zu Mensch, von Assoziation zu Assoziation vollzieht sich alles neben der Arbeit. Dazu ist nur notwendig, dass der Zusammenschluss den Einsichten der Arbeitenden und den Interessen der Konsumierenden entspricht.
Damit wird nicht eine Utopie gezeichnet. Denn es wird gar nicht gesagt: dies soll so oder so eingerichtet werden. Es wird nur darauf hingedeutet, wie die Menschen sich selbst die Dinge einrichten werden, wenn sie in Gemeinschaften wirken wollen, die ihren Einsichten und ihren Interessen entsprechen.
Dass sie sich zu solchen Gemeinschaften zusammenschliessen, daf?r sorgt einerseits die menschliche Natur, wenn sie durch staatliche Dazwischenkunft nicht gehindert wird; denn die Natur erzeugt die Bed?rfnisse. Andrerseits kann daf?r das freie Geistesleben sorgen, denn dieses bringt die Einsichten zustande, die in der Gemeinschaft wirken sollen. Wer aus der Erfahrung heraus denkt, muss zugeben, dass solche assoziative Gemeinschaften in jedem Augenblick entstehen k?nnen, dass sie nichts von Utopie in sich schliessen. Ihrer Entstehung steht nichts anderes im Wege, als dass der Mensch der Gegenwart das wirtschaftliche Leben von aussen >>organisieren<< will in dem Sinne, wie f?r ihn der Gedanke der >>Organisation<< zu einer Suggestion geworden ist. Diesem Organisieren, das die Menschen zur Produktion von aussen zusammenschliessen will, steht diejenige wirtschaftliche Organisation, die auf dem freien Assoziieren beruht, als sein Gegenbild gegen?ber. Durch das Assoziieren verbindet sich der Mensch mit einem andern; und das Planm?ssige des Ganzen entsteht durch die Vernunft des Einzelnen. -- Man kann ja sagen: was n?tzt es, wenn der Besitzlose mit dem Besitzenden sich assoziiert? Man kann es besser finden, wenn alle Produktion und Konsumtion von aussen her >>gerecht<< geregelt wird. Aber diese organisatorische Regelung unterbindet die freie Schaffenskraft des einzelnen, und sie bringt das Wirtschaftsleben um die Zufuhr dessen, was nur aus dieser freien Schaffenskraft entspringen kann. Und man versuche es nur einmal, trotz aller Vorurteile, sogar mit der Assoziation des heute Besitzlosen mit dem Besitzenden. Greifen nicht andere als wirtschaftliche Kr?fte ein, dann wird der Besitzende dem Besitzlosen die Leistung notwendig mit der Gegenleistung ausgleichen m?ssen. Heute spricht man ?ber solche Dinge nicht aus den Lebensinstinkten heraus, die aus der Erfahrung stammen; sondern aus den Stimmungen, die sich nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus Klassen- und anderen Interessen heraus entwickelt haben. Sie konnten sich entwickeln, weil man in der neueren Zeit, in welcher gerade das wirtschaftliche Leben immer komplizierter geworden ist, diesem nicht mit rein wirtschaftlichen Ideen nachkommen konnte. Das unfreie Geistesleben hat dies verhindert. Die wirtschaftenden Menschen stehen in der Lebensroutine drinnen; die in der Wirtschaft wirkenden Gestaltungskr?fte sind ihnen nicht durchsichtig. Sie arbeiten ohne Einsicht in das Ganze des Menschenlebens. In den Assoziationen wird der eine durch den andern erfahren, was er notwendig wissen muss. Es wird eine wirtschaftliche Erfahrung ?ber das M?gliche sich bilden, weil die Menschen, von denen jeder auf seinem Teilgebiete Einsicht und Erfahrung hat, zusammen-urteilen werden.
Wie in dem freien Geistesleben nur die Kr?fte wirksam sind, die in ihm selbst liegen, so im assoziativ gestalteten Wirtschaftssystem nur die wirtschaftlichen Werte, die sich durch die Assoziationen herausbilden. Was in dem Wirtschaftsleben der einzelne zu tun hat, das ergibt sich ihm aus dem Zusammenleben mit denen, mit denen er wirtschaftlich assoziiert ist. Dadurch wird er genau so viel Einfluss auf die allgemeine Wirtschaft haben, als seiner Leistung entspricht. Wie Nicht-Leistungsf?hige sich dem Wirtschaftsleben eingliedern, das wird in dieser Schrift auseinandergesetzt. Den Schwachen gegen?ber dem Starken sch?tzen, kann ein Wirtschaftsleben, das nur aus seinen eigenen Kr?ften heraus gestaltet ist.
So kann der soziale Organismus in zwei selbst?ndige Glieder zerfallen, die sich gerade dadurch gegenseitig tragen, dass jeder seine eigenartige Verwaltung hat, die aus seinen besonderen Kr?ften hervorgeht. Zwischen beiden aber muss sich ein Drittes ausleben. Es ist das eigentliche staatliche Glied des sozialen Organismus. In ihm macht sich alles das geltend, was von dem Urteil und der Empfindung eines jeden m?ndig gewordenen Menschen abh?ngig sein muss. In dem freien Geistesleben bet?tigt sich jeder nach seinen besonderen F?higkeiten; im Wirtschaftsleben f?llt jeder seinen Platz so aus, wie sich das aus seinem assoziativen Zusammenhang ergibt. Im politisch-rechtlichen Staatsleben kommt er zu seiner rein menschlichen Geltung, insoferne diese unabh?ngig ist von den F?higkeiten, durch die er im freien Geistesleben wirken kann, und unabh?ngig davon, welchen Wert die von ihm erzeugten G?ter durch das assoziative Wirtschaftsleben erhalten.
In diesem Buche wird gezeigt, wie Arbeit nach Zeit und Art eine Angelegenheit ist dieses politisch-rechtlichen Staatslebens. In diesem steht jeder dem andern als ein gleicher gegen?ber, weil in ihm nur verhandelt und verwaltet wird auf den Gebieten, auf denen jeder Mensch gleich urteilsf?hig ist. Rechte und Pflichten der Menschen finden in diesem Gliede des sozialen Organismus ihre Regelung.
Die Einheit des ganzen sozialen Organismus wird entstehen aus der selbst?ndigen Entfaltung seiner drei Glieder. Das Buch wird zeigen, wie die Wirksamkeit des beweglichen Kapitales, der Produktionsmittel, die Nutzung des Grundes und Bodens sich durch das Zusammenwirken der drei Glieder gestalten kann. Wer die soziale Frage >>l?sen<< will durch eine ausgedachte oder sonstwie entstandene Wirtschaftsweise, der wird diese Schrift nicht praktisch finden; wer aus den Erfahrungen des Lebens heraus die Menschen zu solchen Arten des Zusammenschlusses anregen will, in denen sie die sozialen Aufgaben am besten erkennen und sich ihnen widmen k?nnen, der wird dem Verfasser des Buches das Streben nach wahrer Lebenspraxis vielleicht doch nicht absprechen.
Das Buch ist im April 1919 zuerst ver?ffentlicht worden. Erg?nzungen zu dem damals Ausgesprochenen habe ich in den Beitr?gen gegeben, die in der Zeitschrift >>Dreigliederung des sozialen Organismus<< enthalten waren und die soeben gesammelt als die Schrift >>In Ausf?hrung der Dreigliederung des sozialen Organismus<< erschienen sind.
Der Einf?hrung der Gedanken, die in diesen Schriften enthalten sind, in das praktische Leben dient der im April 1919 begr?ndete >>Bund f?r Dreigliederung des sozialen Organismus<<.
Man wird finden k?nnen, dass in den beiden Schriften weniger von den >>Zielen<< der sozialen Bewegung als vielmehr von den Wegen gesprochen wird, die im sozialen Leben beschritten werden sollten. Wer aus der Lebenspraxis heraus denkt, der weiss, dass namentlich einzelne Ziele in verschiedener Gestalt auftreten k?nnen. Nur wer in abstrakten Gedanken lebt, dem erscheint alles in eindeutigen Umrissen. Ein solcher tadelt das Lebenspraktische oft, weil er es nicht bestimmt, nicht >>klar<< genug dargestellt findet. Viele, die sich Praktiker d?nken, sind gerade solche Abstraktlinge. Sie bedenken nicht, dass das Leben die mannigfaltigsten Gestaltungen annehmen kann. Es ist ein fliessendes Element. Und wer mit ihm gehen will, der muss sich auch in seinen Gedanken und Empfindungen diesem fliessenden Grundzug anpassen. Die sozialen Aufgaben werden nur mit einem solchen Denken ergriffen werden k?nnen.
Aus der Beobachtung des Lebens heraus sind die Ideen dieser Schrift erk?mpft; aus dieser heraus m?chten sie auch verstanden sein.
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