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Read Ebook: Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft by Steiner Rudolf

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Ebook has 130 lines and 40458 words, and 3 pages

Aus der Beobachtung des Lebens heraus sind die Ideen dieser Schrift erk?mpft; aus dieser heraus m?chten sie auch verstanden sein.

Vorbemerkungen ?ber die Absicht dieser Schrift

Das soziale Leben der Gegenwart stellt ernste, umfassende Aufgaben. Forderungen nach Neueinrichtungen in diesem Leben treten auf und zeigen, dass zur L?sung dieser Aufgaben Wege gesucht werden m?ssen, an die bisher nicht gedacht worden ist. Durch die Tatsachen der Gegenwart unterst?tzt, findet vielleicht heute schon derjenige Geh?r, der, aus den Erfahrungen des Lebens heraus, sich zu der Meinung bekennen muss, dass dieses Nichtdenken an notwendig gewordene Wege in die soziale Verwirrung hineingetrieben hat. Auf der Grundlage einer solchen Meinung stehen die Ausf?hrungen dieser Schrift. Sie m?chten von dem sprechen, was geschehen sollte, um die Forderungen, die von einem grossen Teile der Menschheit gegenw?rtig gestellt werden, auf den Weg eines zielbewussten sozialen Wollens zu bringen. -- Ob dem einen oder dem andern diese Forderungen gefallen oder nicht gefallen, davon sollte bei der Bildung eines solchen Wollens wenig abh?ngen. Sie sind da, und man muss mit ihnen als mit Tatsachen des sozialen Lebens rechnen. Das m?gen diejenigen bedenken, die, aus ihrer pers?nlichen Lebenslage heraus, etwa finden, dass der Verfasser dieser Schrift in seiner Darstellung von den proletarischen Forderungen in einer Art spricht, die ihnen nicht gef?llt, weil sie, nach ihrer Ansicht, zu einseitig auf diese Forderungen als auf etwas hinweist, mit dem das soziale Wollen rechnen muss. Der Verfasser aber m?chte aus der vollen Wirklichkeit des gegenw?rtigen Lebens heraus sprechen, soweit ihm dieses nach seiner Erkenntnis dieses Lebens m?glich ist. Ihm stehen die verh?ngnisvollen Folgen vor Augen, die entstehen m?ssen, wenn man Tatsachen, die nun einmal aus dem Leben der neueren Menschheit sich erhoben haben, nicht sehen will; wenn man von einem sozialen Wollen nichts wissen will, das mit diesen Tatsachen rechnet.

Wenig befriedigt von den Ausf?hrungen des Verfassers werden auch #zun?chst# Pers?nlichkeiten sein, die sich in der Weise als Lebenspraktiker ansehen, wie man unter dem Einflusse mancher liebgewordener Gewohnheiten die Vorstellung der Lebenspraxis heute nimmt. Sie werden finden, dass in dieser Schrift kein Lebenspraktiker spricht. Von diesen Pers?nlichkeiten glaubt der Verfasser, dass gerade #sie# werden gr?ndlich umlernen m?ssen. Denn ihm erscheint ihre >>Lebenspraxis<< als dasjenige, was durch die #Tatsachen#, welche die Menschheit der Gegenwart hat erleben m?ssen, unbedingt als ein Irrtum erwiesen ist. Als derjenige Irrtum, der in unbegrenztem Umfange zu Verh?ngnissen gef?hrt hat. Sie werden einsehen m?ssen, dass es notwendig ist, manches als praktisch anzuerkennen, das #ihnen# als verbohrter Idealismus erschienen ist. M?gen sie meinen, der Ausgangspunkt dieser Schrift sei deshalb verfehlt, weil in deren ersten Teilen weniger von dem Wirtschafts- und mehr von dem Geistesleben der neueren Menschheit gesprochen ist. Der Verfasser #muss# aus seiner Lebenserkenntnis heraus meinen, dass zu den begangenen Fehlern ungez?hlte weitere werden hinzu gemacht werden, wenn man sich nicht entschliesst, auf das Geistesleben der neueren Menschheit die sachgem?sse Aufmerksamkeit zu wenden. -- Auch diejenigen, welche in den verschiedensten Formen nur immer die Phrasen hervorbringen, die Menschheit m?sse aus der Hingabe an rein materielle Interessen herauskommen und sich >>zum Geiste<<, >>zum Idealismus<< wenden, werden an dem, was der Verfasser in dieser Schrift sagt, kein rechtes Gefallen finden. Denn er h?lt nicht viel von dem blossen Hinweis auf >>den Geist<<, von dem Reden ?ber eine nebelhafte Geisteswelt. Er kann nur #die# Geistigkeit anerkennen, die der eigene Lebensinhalt des Menschen wird. Dieser erweist sich in der Bew?ltigung der praktischen Lebensaufgaben ebenso wirksam wie in der Bildung einer Welt- und Lebensanschauung, welche die seelischen Bed?rfnisse befriedigt. Es kommt nicht darauf an, dass man von einer Geistigkeit weiss, oder zu wissen glaubt, sondern darauf, dass dies eine Geistigkeit ist, die auch beim Erfassen der praktischen Lebenswirklichkeit zutage tritt. Eine solche begleitet diese Lebenswirklichkeit nicht als eine bloss f?r das innere Seelenwesen reservierte Nebenstr?mung. -- So werden die Ausf?hrungen dieser Schrift den >>Geistigen<< wohl zu ungeistig, den >>Praktikern<< zu lebensfremd erscheinen. Der Verfasser hat die Ansicht, dass er #gerade deshalb# dem Leben der Gegenwart werde in seiner Art dienen k?nnen, weil er der Lebensfremdheit manches Menschen, der sich heute f?r einen >>Praktiker<< h?lt, nicht zuneigt, und weil er auch demjenigen Reden vom >>Geiste<<, das aus Worten Lebensillusionen schafft, keine Berechtigung zusprechen kann.

Als eine Wirtschafts-, Rechts- und Geistesfrage wird die >>soziale Frage<< in den Ausf?hrungen dieser Schrift besprochen. Der Verfasser glaubt zu erkennen, wie aus den Forderungen des Wirtschafts-, Rechts- und Geisteslebens die >>wahre Gestalt<< dieser Frage sich ergibt. Nur aus dieser Erkenntnis heraus k?nnen aber die Impulse kommen f?r eine gesunde Ausgestaltung dieser drei Lebensgebiete innerhalb der sozialen Ordnung. -- In ?ltern Zeiten der Menschheitsentwicklung sorgten die sozialen Instinkte daf?r, dass diese drei Gebiete in einer der Menschennatur damals entsprechenden Art sich im sozialen Gesamtleben gliederten. In der Gegenwart dieser Entwicklung steht man vor der Notwendigkeit, diese Gliederung durch zielbewusstes soziales Wollen zu erstreben. Zwischen jenen ?ltern Zeiten und der Gegenwart liegt f?r die L?nder, die f?r ein solches Wollen zun?chst in Betracht kommen, ein Durcheinanderwirken der alten Instinkte und der neueren Bewusstheit vor, das den Anforderungen der gegenw?rtigen Menschheit nicht mehr gewachsen ist. In manchem, das man heute f?r zielbewusstes soziales Denken h?lt, leben aber noch die alten Instinkte fort. Das macht dieses Denken schwach gegen?ber den fordernden Tatsachen. Gr?ndlicher, als mancher sich vorstellt, muss der Mensch der Gegenwart sich aus dem herausarbeiten, das nicht mehr lebensf?hig ist. Wie Wirtschafts-, Rechts- und Geistesleben im Sinne des von der neueren Zeit selbst geforderten gesunden sozialen Lebens sich gestalten sollen, das -- so meint der Verfasser -- kann sich nur dem ergeben, der den guten Willen entwickelt, das eben Ausgesprochene gelten zu lassen. Was der Verfasser glaubt, ?ber eine solche notwendige Gestaltung sagen zu m?ssen, das m?chte er dem Urteile der Gegenwart mit diesem Buche unterbreiten. Eine #Anregung# zu einem Wege nach sozialen Zielen, die der gegenw?rtigen Lebenswirklichkeit und Lebensnotwendigkeit entsprechen, m?chte der Verfasser geben. Denn er meint, dass nur ein solches Streben ?ber Schwarmgeisterei und Utopismus auf dem Gebiete des sozialen Wollens hinausf?hren kann.

Wer doch etwas Utopistisches in dieser Schrift findet, den m?chte der Verfasser bitten, zu bedenken, wie stark man sich gegenw?rtig mit manchen Vorstellungen, die man sich ?ber eine m?gliche Entwicklung der sozialen Verh?ltnisse macht, von dem wirklichen Leben entfernt und in Schwarmgeisterei verf?llt. #Deshalb# sieht man das aus der wahren Wirklichkeit und Lebenserfahrung Geholte von der Art, wie es in dieser Schrift darzustellen versucht ist, als Utopie an. Mancher wird in dieser Darstellung deshalb etwas >>Abstraktes<< sehen, weil ihm >>konkret<< nur ist, was er zu denken gewohnt ist und >>abstrakt<< auch das Konkrete dann, wenn er nicht gew?hnt ist, es zu denken.

Dass stramm in Parteiprogramme eingespannte K?pfe mit den Aufstellungen des Verfassers zun?chst unzufrieden sein werden, weiss er. Doch er glaubt, viele Parteimenschen werden recht bald zu der ?berzeugung gelangen, dass die Tatsachen der Entwicklung schon weit ?ber die Parteiprogramme hinausgewachsen sind, und dass ein von solchen Programmen #unabh?ngiges# Urteil ?ber die n?chsten Ziele des sozialen Wollens vor allem notwendig ist.

Anfang April 1919.

#Rudolf Steiner.#

Offenbart sich nicht aus der Weltkriegskatastrophe heraus die moderne soziale Bewegung durch Tatsachen, die beweisen, wie unzul?nglich Gedanken waren, durch die man jahrzehntelang das proletarische Wollen zu verstehen glaubte?

Was gegenw?rtig sich aus fr?her niedergehaltenen Forderungen des Proletariats und im Zusammenhange damit an die Oberfl?che des Lebens dr?ngt, n?tigt dazu, diese Frage zu stellen. Die M?chte, welche das Niederhalten bewirkt haben, sind zum Teil vernichtet. Das Verh?ltnis, in das sich diese M?chte zu den sozialen Triebkr?ften eines grossen Teiles der Menschheit gesetzt haben, kann nur erhalten wollen, wer ganz ohne Erkenntnis davon ist, wie unvernichtbar solche Impulse der Menschennatur sind.

Manche Pers?nlichkeiten, deren Lebenslage es ihnen m?glich machte, durch ihr Wort oder ihren Rat hemmend oder f?rdernd einzuwirken auf die Kr?fte im europ?ischen Leben, die 1914 zur Kriegskatastrophe dr?ngten, haben sich ?ber diese Triebkr?fte den gr?ssten Illusionen hingegeben. Sie konnten glauben, ein Waffensieg ihres Landes werde die sozialen Anst?rme beruhigen. Solche Pers?nlichkeiten mussten gewahr werden, dass durch die Folgen ihres Verhaltens die sozialen Triebe erst v?llig in die Erscheinung traten. Ja, die gegenw?rtige Menschheitskatastrophe erwies sich als dasjenige geschichtliche Ereignis, durch das diese Triebe ihre volle Schlagkraft erhielten. Die f?hrenden Pers?nlichkeiten und Klassen mussten ihr Verhalten in den letzten schicksalsschweren Jahren stets von dem abh?ngig machen, was in den sozialistisch gestimmten Kreisen der Menschheit lebte. Sie h?tten oftmals gerne anders gehandelt, wenn sie die Stimmung dieser Kreise h?tten unbeachtet lassen k?nnen. In der Gestalt, die gegenw?rtig die Ereignisse angenommen haben, leben die Wirkungen dieser Stimmung fort.

Und jetzt, da in ein entscheidendes Stadium eingetreten ist, was jahrzehntelang vorbereitend heraufgezogen ist in der Lebensentwicklung der Menschheit: jetzt wird zum tragischen Schicksal, dass den gewordenen Tatsachen sich die Gedanken nicht gewachsen zeigen, die im Werden dieser Tatsachen entstanden sind. Viele Pers?nlichkeiten, die ihre Gedanken an diesem Werden ausgebildet haben, um dem zu dienen, was in ihm als soziales Ziel lebt, verm?gen heute wenig oder nichts in bezug auf Schicksalsfragen, die von den Tatsachen gestellt werden.

Noch glauben zwar manche dieser Pers?nlichkeiten, was sie seit langer Zeit als zur Neugestaltung des menschlichen Lebens notwendig gedacht haben, werde sich verwirklichen und dann als m?chtig genug erweisen, um den fordernden Tatsachen eine lebensm?gliche Richtung zu geben. -- Man kann absehen von der Meinung derer, die auch jetzt noch w?hnen, das Alte m?sse sich gegen die neueren Forderungen eines grossen Teiles der Menschheit halten lassen. Man kann seinen Blick einstellen auf das Wollen derer, die von der Notwendigkeit einer neuen Lebensgestaltung ?berzeugt sind. Man wird doch nicht anders k?nnen, als sich gestehen: es wandeln unter uns Parteimeinungen wie Urteilsmumien, die von der Entwicklung der Tatsachen zur?ckgewiesen werden. Diese Tatsachen fordern Entscheidungen, f?r welche die Urteile der alten Parteien nicht vorbereitet sind. Solche Parteien haben sich zwar mit den Tatsachen entwickelt; aber sie sind mit ihren Denkgewohnheiten hinter den Tatsachen zur?ckgeblieben. Man braucht vielleicht nicht unbescheiden gegen?ber heute noch als massgeblich geltenden Ansichten zu sein, wenn man glaubt, das eben Angedeutete aus dem Verlaufe der Weltereignisse in der Gegenwart entnehmen zu k?nnen. Man darf daraus die Folgerung ziehen, gerade diese Gegenwart m?sse empf?nglich sein f?r den Versuch, dasjenige im sozialen Leben der neueren Menschheit zu kennzeichnen, was in seiner Eigenart auch den Denkgewohnten der sozial orientierten Pers?nlichkeiten und Parteirichtungen ferne liegt. Denn es k?nnte wohl sein, dass die Tragik, die in den L?sungsversuchen der sozialen Frage zutage tritt, gerade in einem Missverstehen der wahren proletarischen Bestrebungen wurzelt. In einem Missverstehen selbst von seiten derjenigen, welche mit ihren Anschauungen aus diesen Bestrebungen herausgewachsen sind. Denn der Mensch bildet sich keineswegs immer ?ber sein eigenes Wollen das rechte Urteil.

Was die wissenschaftliche Denkungsart nicht aus der alten Lebensordnung mitbekommen hat: das ist das Bewusstsein, dass sie als geistiger Art in einer geistigen Welt wurzelt. ?ber diesen Charakter der modernen Wissenschaftlichkeit konnte sich der Angeh?rige der f?hrenden Klassen hinwegsetzen. Denn ihm erf?llt sich das Leben mit alten Traditionen. Der Proletarier konnte das nicht. Denn seine neue Lebenslage trieb die alten Traditionen aus seiner Seele. Er ?bernahm die wissenschaftliche Vorstellungsart von den herrschenden Klassen als Erbgut. Dieses Erbgut wurde die Grundlage seines Bewusstseins vom Wesen des Menschen. Aber dieser >>Geistesinhalt<< in seiner Seele wusste nichts von seinem Ursprung in einem wirklichen Geistesleben. Was der Proletarier von den herrschenden Klassen als geistiges Leben allein ?bernehmen konnte, verleugnete seinen Ursprung aus dem Geiste.

Mir ist nicht unbekannt, wie diese Gedanken Nichtproletarier und auch Proletarier ber?hren werden, die mit dem Leben >>praktisch<< vertraut zu sein glauben, und die aus diesem Glauben heraus das hier Gesagte f?r eine lebensfremde Anschauung halten. Die Tatsachen, welche aus der gegenw?rtigen Weltlage heraus sprechen, werden immer mehr diesen Glauben als einen Wahn erweisen. Wer unbefangen diese Tatsachen sehen kann, dem muss sich offenbaren, dass einer Lebensauffassung, welche sich nur an das ?ussere dieser Tatsachen h?lt, zuletzt nur noch Vorstellungen zug?nglich sind, die mit den Tatsachen nichts mehr zu tun haben. Herrschende Gedanken haben sich so lange >>praktisch<< an die Tatsachen gehalten, bis diese Gedanken keine ?hnlichkeit mehr mit diesen Tatsachen haben. In dieser Beziehung k?nnte die gegenw?rtige Weltkatastrophe ein Zuchtmeister f?r viele sein. Denn: was haben sie gedacht, dass werden kann? Und was ist geworden? Soll es so auch mit dem sozialen Denken gehen?

Die herrschenden Klassen erkennen sich nicht als die Urheber derjenigen Lebensgesinnung, die ihnen gegenw?rtig im Proletariertum kampfbereit entgegentritt. Und doch sind sie diese Urheber dadurch geworden, dass sie von ihrem Geistesleben diesem Proletariertum nur etwas haben vererben k?nnen, was von diesem als Ideologie empfunden werden muss.

Man wird auf diesem Gebiete zum Umdenken dessen kommen, was man gegenw?rtig denkt, wenn man das Gewicht der Tatsache wird richtig empfinden lernen, dass ein gesellschaftliches Zusammenleben der Menschen, in dem das Geistesleben als Ideologie wirkt, eine der Kr?fte entbehrt, welche den sozialen Organismus lebensf?hig machen. Der gegenw?rtige krankt an der Ohnmacht des Geisteslebens. Und die Krankheit wird verschlimmert durch die Abneigung, ihr Bestehen anzuerkennen. Durch die Anerkennung dieser Tatsache wird man eine Grundlage gewinnen, auf der sich ein der sozialen Bewegung entsprechendes Denken entwickeln kann.

Das neuzeitliche Denken hat nicht trennen gelernt die ganz verschiedenen Arten, wie sich auf der einen Seite dasjenige in das Wirtschaftsleben eingliedert, was als Arbeitskraft an den Menschen gebunden ist, und auf der andern Seite dasjenige, was, seinem Ursprunge nach, unverbunden mit dem Menschen auf den Wegen sich bewegt, welche die Ware nehmen muss von ihrer Erzeugung bis zu ihrem Verbrauch. Wird sich durch eine in dieser Richtung gehende gesunde Denkungsart die wahre Gestalt der Arbeitsfrage einerseits zeigen, so wird anderseits sich durch diese Denkart auch erweisen, welche Stellung das Wirtschaftsleben im gesunden sozialen Organismus einnehmen soll.

Man sieht schon hieraus, dass die >>soziale Frage<< sich in drei besondere Fragen gliedert. Durch die erste wird auf die gesunde Gestalt des Geisteslebens im sozialen Organismus zu deuten sein; durch die zweite wird das Arbeitsverh?ltnis in seiner rechten Eingliederung in das Gemeinschaftsleben zu betrachten sein; und als drittes wird sich ergeben k?nnen, wie das Wirtschaftsleben in diesem Leben wirken soll.

In diesen drei Systemen ist enthalten alles dasjenige, was in gesunder Art unterh?lt, wenn es aufeinander organisiert ist, den Gesamtvorgang des menschlichen Organismus.

Man ist mit Bezug auf naturwissenschaftliche Methoden noch nicht ganz so weit, um dasjenige, was ich hier angedeutet habe, was aus geisteswissenschaftlichen Untergr?nden heraus f?r die Naturwissenschaft von mir zu verwerten gesucht worden ist, auch schon innerhalb der naturwissenschaftlichen Kreise selbst zur allgemeinen Anerkennung in einem solchen Grade zu bringen, wie das w?nschenswert f?r den Erkenntnisfortschritt erscheinen kann. Das bedeutet aber: unsere Denkgewohnheiten, unsere ganze Art, die Welt vorzustellen, ist noch nicht vollst?ndig angemessen dem, was z. B. im menschlichen Organismus sich als die innere Wesenheit des Naturwirkens darstellt. Man k?nnte nun wohl sagen: Nun ja, die Naturwissenschaft kann warten, sie wird nach und nach ihren Idealen zueilen, sie wird schon dahin kommen, solch eine Betrachtungsweise als die ihrige anzuerkennen. Aber mit Bezug auf die Betrachtung und namentlich das Wirken des sozialen Organismus kann man nicht warten. Da muss nicht nur bei irgendwelchen Fachm?nnern, sondern da muss in jeder Menschenseele -- denn jede Menschenseele nimmt teil an der Wirksamkeit f?r den sozialen Organismus -- wenigstens eine instinktive Erkenntnis von dem vorhanden sein, was diesem sozialen Organismus notwendig ist. Ein gesundes Denken und Empfinden, ein gesundes Wollen und Begehren mit Bezug auf die Gestaltung des sozialen Organismus kann sich nur entwickeln, wenn man, sei es auch mehr oder weniger bloss instinktiv, sich klar dar?ber ist, dass dieser soziale Organismus, soll er gesund sein, ebenso dreigliedrig sein muss wie der nat?rliche Organismus.

Eines dieser Glieder ist das Wirtschaftsleben. Hier soll mit seiner Betrachtung begonnen werden, weil es sich ja ganz augenscheinlich, alles ?brige Leben beherrschend, durch die moderne Technik und den modernen Kapitalismus in die menschliche Gesellschaft hereingebildet hat. Dieses ?konomische Leben muss ein selbst?ndiges Glied f?r sich innerhalb des sozialen Organismus sein, so relativ selbst?ndig, wie das Nerven-Sinnes-System im menschlichen Organismus relativ selbst?ndig ist. Zu tun hat es dieses Wirtschaftsleben mit all dem, was Warenproduktion, Warenzirkulation, Warenkonsum ist.

Als drittes Glied, das ebenso selbst?ndig sich neben die beiden andern Glieder hinstellen muss, hat man im sozialen Organismus das aufzufassen, was sich auf das geistige Leben bezieht. Noch genauer k?nnte man sagen, weil vielleicht die Bezeichnung >>geistige Kultur<< oder alles das, was sich auf das geistige Leben bezieht, durchaus nicht ganz genau ist: alles dasjenige, was beruht auf der nat?rlichen Begabung des einzelnen menschlichen Individuums, was hineinkommen muss in den sozialen Organismus auf Grundlage dieser nat?rlichen, sowohl der geistigen wie der physischen Begabung des einzelnen menschlichen Individuums. Das erste System, das Wirtschaftssystem, hat es zu tun mit all dem, was da sein muss, damit der Mensch sein materielles Verh?ltnis zur Aussenwelt regeln kann. Das zweite System hat es zu tun mit dem, was da sein muss im sozialen Organismus wegen des Verh?ltnisses von Mensch zu Mensch. Das dritte System hat zu tun mit all dem, was hervorspriessen muss und eingegliedert werden muss in den sozialen Organismus aus der einzelnen menschlichen Individualit?t heraus.

Dieses ganze zusammengeh?rige Wesen, welches verl?uft in Vorg?ngen, die beginnen mit dem Verh?ltnis des Menschen zur Natur, die sich fortsetzen in all dem, was der Mensch zu tun hat, um die Naturprodukte umzuwandeln und sie bis zur Konsumf?higkeit zu bringen, alle diese Vorg?nge und nur diese umschliessen f?r einen gesunden sozialen Organismus sein Wirtschaftsglied. Dieses steht im sozialen Organismus wie das Kopfsystem, von dem die individuellen Begabungen bedingt sind, im menschlichen Gesamtorganismus drinnen steht. Aber wie dieses Kopfsystem von dem Lungen-Herzsystem abh?ngig ist, so ist das Wirtschaftssystem von der menschlichen Arbeitsleistung abh?ngig. Wie nun aber der Kopf nicht selbst?ndig die Atemregelung hervorbringen kann, so sollte das menschliche Arbeitssystem nicht durch die im Wirtschaftsleben wirksamen Kr?fte selbst geregelt werden.

Der gesunde soziale Organismus erfordert als zweites Glied neben dem Wirtschaftsk?rper das selbst?ndige politische Staatsleben. In dem selbst?ndigen Wirtschaftsk?rper werden die Menschen durch die Kr?fte des wirtschaftlichen Lebens zu Einrichtungen kommen, welche der Warenerzeugung und dem Warenaustausch in der m?glichst besten Weise dienen. In dem politischen Staatsk?rper werden solche Einrichtungen entstehen, welche die gegenseitigen Beziehungen zwischen Menschen und Menschengruppen in solcher Art orientieren, dass dem Rechtsbewusstsein des Menschen entsprochen wird.

Wie das Wirtschaftsleben auf der einen Seite den Bedingungen der Naturgrundlage unterworfen ist, so ist es auf der andern Seite von den Rechtsverh?ltnissen abh?ngig, welche der Staat zwischen den wirtschaftenden Menschen und Menschengruppen schafft. Damit sind die Grenzen dessen bezeichnet, was die T?tigkeit des Wirtschaftslebens umfassen kann und soll. Wie die Natur Vorbedingungen schafft, die ausserhalb des Wirtschaftskreises liegen und die der wirtschaftende Mensch hinnehmen muss als etwas Gegebenes, auf das er erst seine Wirtschaft aufbauen kann, so soll alles, was im Wirtschaftsbereich ein Rechtsverh?ltnis begr?ndet von Mensch zu Mensch im gesunden sozialen Organismus durch den Rechtsstaat seine Regelung erfahren, der wie die Naturgrundlage als etwas dem Wirtschaftsleben selbst?ndig Gegen?berstehendes sich entfaltet.

Es kommt eben bei einer Darlegung, die im Dienste des Lebens gemacht wird, nicht darauf an, Definitionen zu geben, die aus einer Theorie heraus stammen, sondern Ideen, die verbildlichen, was in der Wirklichkeit eine lebensvolle Rolle spielt. >>Ware<< im obigen Sinne gebraucht, weist auf etwas hin, was der Mensch erlebt; jeder andere Begriff von >>Ware<< l?sst etwas weg oder f?gt etwas hinzu, so dass sich der Begriff mit den Lebensvorg?ngen in ihrer wahren Wirklichkeit nicht deckt.

In der Lebenshaltung des einzelnen Menschen fliessen die Wirkungen aus den Rechtseinrichtungen mit denen aus der rein wirtschaftlichen T?tigkeit zusammen. Im gesunden sozialen Organismus m?ssen sie aus zwei verschiedenen Richtungen kommen. In der wirtschaftlichen Organisation hat die aus der Erziehung f?r einen Wirtschaftszweig und die aus der Erfahrung in demselben gewonnene Vertrautheit mit ihm f?r die leitenden Pers?nlichkeiten die n?tigen Gesichtspunkte abzugeben. In der Rechtsorganisation wird durch Gesetz und Verwaltung verwirklicht, was aus dem Rechtsbewusstsein als Beziehung einzelner Menschen oder Menschengruppen zueinander gefordert wird. Die Wirtschaftsorganisation wird Menschen mit gleichen Berufs- oder Konsuminteressen oder mit in anderer Beziehung gleichen Bed?rfnissen sich zu Genossenschaften zusammenschliessen lassen, die im gegenseitigen Wechselverkehr die Gesamtwirtschaft zustande bringen. Diese Organisation wird sich auf assoziativer Grundlage und auf dem Verh?ltnis der Assoziationen aufbauen. Diese Assoziationen werden eine bloss wirtschaftliche T?tigkeit entfalten. Die Rechtsgrundlage, auf der sie arbeiten, kommt ihnen von der Rechtsorganisation zu. Wenn solche Wirtschaftsassoziationen ihre wirtschaftlichen Interessen in den Vertretungs- und Verwaltungsk?rpern der Wirtschaftsorganisation zur Geltung bringen k?nnen, dann werden sie nicht den Drang entwickeln, in die gesetzgebende oder verwaltende Leitung des Rechtsstaates einzudringen , um da anzustreben, was ihnen innerhalb des Wirtschaftslebens zu erreichen nicht m?glich ist. Und wenn der Rechtsstaat in gar keinem Wirtschaftszweige mitwirtschaftet, dann wird er nur Einrichtungen schaffen, die aus dem Rechtsbewusstsein der zu ihm geh?renden Menschen stammen. Auch wenn in der Vertretung des Rechtsstaates, wie es ja selbstverst?ndlich ist, dieselben Personen sitzen, die im Wirtschaftsleben t?tig sind, so wird sich durch die Gliederung in Wirtschafts- und in Rechtsleben nicht ein Einfluss des Wirtschafts- auf das Rechtsleben ergeben k?nnen, der die Gesundheit des sozialen Organismus so untergr?bt, wie sie untergraben werden kann, wenn die Staatsorganisation selbst Zweige des Wirtschaftslebens versorgt, und wenn in derselben die Vertreter des Wirtschaftslebens aus dessen Interessen heraus Gesetze beschliessen.

Ein typisches Beispiel von Verschmelzung des Wirtschaftslebens mit dem Rechtsleben bot ?sterreich mit der Verfassung, die es sich in den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts gegeben hat. Die Vertreter des Reichsrates dieses L?ndergebietes wurden aus den vier Zweigen des Wirtschaftslebens heraus gew?hlt, aus der Gemeinschaft der Grossgrundbesitzer, der Handelskammern, der St?dte, M?rkte und Industrialorte und der Landgemeinden. Man sieht, dass f?r diese Zusammensetzung der Staatsvertretung an gar nichts anderes in erster Linie gedacht wurde, als dass aus der Geltendmachung der wirtschaftlichen Verh?ltnisse sich das Rechtsleben ergeben werde. Gewiss ist, dass zu dem gegenw?rtigen Zerfall ?sterreichs die auseinandertreibenden Kr?fte seiner Nationalit?ten bedeutsam mitgewirkt haben. Allein als ebenso gewiss kann es gelten, dass eine Rechtsorganisation, die neben der wirtschaftlichen ihre T?tigkeit h?tte entfalten k?nnen, aus dem Rechtsbewusstsein heraus eine Gestaltung des sozialen Organismus w?rde entwickelt haben, in der ein Zusammenleben der V?lker m?glich geworden w?re.

Wer f?r >>praktisch durchf?hrbar<< nur dasjenige h?lt, an das er sich aus engem Lebensgesichtskreis heraus gew?hnt hat, der wird das hier Angedeutete f?r >>unpraktisch<< halten. Kann er sich nicht bekehren, und beh?lt er auf irgend einem Lebensgebiete Einfluss, dann wird er nicht zur Gesundung, sondern zur weiteren Erkrankung des sozialen Organismus wirken, wie Leute seiner Gesinnung an der Herbeif?hrung der gegenw?rtigen Zust?nde gewirkt haben.

Die Bestrebung, mit der f?hrende Kreise der Menschheit begonnen haben und die zur ?berleitung gewisser Wirtschaftszweige in das Staatsleben gef?hrt hat, muss der entgegengesetzten weichen: der Herausl?sung alles Wirtschaftens aus dem Gebiete des politischen Staatswesens. Denker, welche mit ihrem Wollen glauben, sich in der Richtung nach einem gesunden sozialen Organismus zu befinden, ziehen die ?usserste Folgerung der Verstaatlichungsbestrebungen dieser bisher leitenden Kreise. Sie wollen die Vergesellschaftung aller Mittel des Wirtschaftslebens, insofern diese Produktionsmittel sind. Eine gesunde Entwicklung wird dem wirtschaftlichen Leben seine Selbst?ndigkeit geben und dem politischen Staate die F?higkeit, durch die Rechtsordnung auf den Wirtschaftsk?rper so zu wirken, dass der einzelne Mensch seine Eingliederung in den sozialen Organismus nicht im Widerspruche mit seinem Rechtsbewusstsein empfindet.

Durch eine solche Regelung wird der Ware eine Wertunterlage geschaffen, die sich vergleichen l?sst mit der andern, die in den Naturbedingungen besteht. Wie der Wert einer Ware gegen?ber einer andern dadurch w?chst, dass die Gewinnung der Rohprodukte f?r dieselbe schwieriger ist als f?r die andere, so muss der Warenwert davon abh?ngig werden, welche Art und welches Mass von Arbeit zum Hervorbringen der Ware nach der Rechtsordnung aufgebracht werden d?rfen.

Es ist leicht einzusehen, dass durch eine solche F?hrung des sozialen Organismus der wirtschaftliche Wohlstand sinken und steigen wird je nach dem Mass von Arbeit, das aus dem Rechtsbewusstsein heraus aufgewendet wird. Allein eine solche Abh?ngigkeit des volkswirtschaftlichen Wohlstandes ist im gesunden sozialen Organismus notwendig. Sie allein kann verhindern, dass der Mensch durch das Wirtschaftsleben so verbraucht werde, dass er sein Dasein nicht mehr als menschenw?rdig empfinden kann. Und auf dem Vorhandensein der Empfindung eines menschenunw?rdigen Daseins beruhen in Wahrheit alle Ersch?tterungen im sozialen Organismus.

In alles, was durch das Wirtschaftsleben und das Rechtsbewusstsein in der Organisation des sozialen Lebens hervorgebracht wird, wirkt hinein, was aus einer dritten Quelle stammt: aus den individuellen F?higkeiten des einzelnen Menschen. Dieses Gebiet umfasst alles von den h?chsten geistigen Leistungen bis zu dem, was in Menschenwerke einfliesst durch die bessere oder weniger gute k?rperliche Eignung des Menschen f?r Leistungen, die dem sozialen Organismus dienen. Was aus dieser Quelle stammt, muss in den gesunden sozialen Organismus auf ganz andere Art einfliessen, als dasjenige, was im Warenaustausch lebt, und was aus dem Staatsleben fliessen kann. Es gibt keine andere M?glichkeit, diese Aufnahme in gesunder Art zu bewirken, als sie von der freien Empf?nglichkeit der Menschen und von den Impulsen, die aus den individuellen F?higkeiten selbst kommen, abh?ngig sein zu lassen. Werden die durch solche F?higkeiten erstehenden Menschenleistungen vom Wirtschaftsleben oder von der Staatsorganisation k?nstlich beeinflusst, so wird ihnen die wahre Grundlage ihres eigenen Lebens zum gr?ssten Teile entzogen. Diese Grundlage kann nur in der Kraft bestehen, welche die Menschenleistungen aus sich selbst entwickeln m?ssen. Wird die Entgegennahme solcher Leistungen vom Wirtschaftsleben unmittelbar bedingt, oder vom Staate organisiert, so wird die freie Empf?nglichkeit f?r sie gel?hmt. Sie ist aber allein geeignet, sie in gesunder Form in den sozialen Organismus einfliessen zu lassen. F?r das Geistesleben, mit dem auch die Entwicklung der anderen individuellen F?higkeiten im Menschenleben durch un?bersehbar viele F?den zusammenh?ngt, ergibt sich nur eine gesunde Entwicklungsm?glichkeit, wenn es in der Hervorbringung auf seine eigenen Impulse gestellt ist, und wenn es in verst?ndnisvollem Zusammenhange mit den Menschen steht, die seine Leistungen empfangen.

Sowohl der politische Staat wie das Wirtschaftsleben werden den Zufluss aus dem Geistesleben, den sie brauchen, von dem sich selbst verwaltenden geistigen Organismus erhalten. Auch die praktische Bildung f?r das Wirtschaftsleben wird durch das freie Zusammenwirken desselben mit dem Geistesorganismus ihre volle Kraft erst entfalten k?nnen. Entsprechend vorgebildete Menschen werden die Erfahrungen, die sie im Wirtschaftsgebiet machen k?nnen durch die Kraft, die ihnen aus dem befreiten Geistesgut kommt, beleben. Menschen mit einer aus dem Wirtschaftsleben gewonnenen Erfahrung werden den ?bergang finden in die Geistesorganisation und in derselben befruchtend wirken auf dasjenige, was so befruchtet werden muss.

In das Wirtschaftsleben fliessen ein die aus dem geistigen Leben stammenden technischen Ideen. Sie stammen aus dem geistigen Leben, auch wenn sie unmittelbar von Angeh?rigen des Staats- oder Wirtschaftsgebietes kommen. Daher kommen alle die organisatorischen Ideen und Kr?fte, welche das wirtschaftliche und staatliche Leben befruchten. Die Entsch?digung f?r diesen Zufluss in die beiden sozialen Gebiete wird entweder auch durch das freie Verst?ndnis derer zustande kommen, die auf diesen Zufluss angewiesen sind, oder sie wird durch Rechte ihre Regelung finden, welche im Gebiete des politischen Staates ausgebildet werden. Was dieser politische Staat selber f?r seine Erhaltung fordert, das wird aufgebracht werden durch das Steuerrecht. Dieses wird durch eine Harmonisierung der Forderungen des Rechtsbewusstseins mit denen des Wirtschaftslebens sich ausbilden.

Neben dem politischen und dem Wirtschaftsgebiet muss im gesunden sozialen Organismus das auf sich selbst gestellte Geistesgebiet wirken. Nach der Dreigliederung dieses Organismus weist die Richtung der Entwicklungskr?fte der neueren Menschheit. Solange das gesellschaftliche Leben im wesentlichen durch die Instinktkr?fte eines grossen Teiles der Menschheit sich f?hren liess, trat der Drang nach dieser entschiedenen Gliederung nicht auf. In einer gewissen Dumpfheit des sozialen Lebens wirkte zusammen, was im Grunde immer aus drei Quellen stammte. Die neuere Zeit fordert ein bewusstes Sichhineinstellen des Menschen in den Gesellschaftsorganismus. Dieses Bewusstsein kann dem Verhalten und dem ganzen Leben der Menschen nur dann eine gesunde Gestaltung geben, wenn es von drei Seiten her orientiert ist. Nach dieser Orientierung strebt in den unbewussten Tiefen des Seelischen die moderne Menschheit; und was sich als soziale Bewegung auslebt, ist nur der getr?bte Abglanz dieses Strebens.

Man kann nicht zu einem Urteile dar?ber kommen, welche Handlungsweise auf sozialem Gebiete gegenw?rtig durch die laut sprechenden Tatsachen gefordert wird, wenn man nicht den Willen hat, dieses Urteil bestimmen zu lassen von einer Einsicht in die Grundkr?fte des sozialen Organismus. Der Versuch, eine solche Einsicht zu gewinnen, liegt der hier vorangehenden Darstellung zugrunde. Mit Massnahmen, die sich nur auf ein Urteil st?tzen, das aus einem eng umgrenzten Beobachtungskreis gewonnen ist, kann man heute etwas Fruchtbares nicht bewirken. Die Tatsachen, welche aus der sozialen Bewegung herausgewachsen sind, offenbaren St?rungen in den Grundlagen des sozialen Organismus, und keineswegs solche, die nur an der Oberfl?che vorhanden sind. Ihnen gegen?ber ist notwendig, auch zu Einsichten zu kommen, die bis zu den Grundlagen vordringen.

Spricht man heute von Kapital und Kapitalismus, so weist man auf das hin, worin die proletarische Menschheit die Ursachen ihrer Bedr?ckung sucht. Zu einem fruchtbaren Urteil ?ber die Art, wie das Kapital f?rdernd oder hemmend in den Kreisl?ufen des sozialen Organismus wirkt, kann man aber nur kommen, wenn man durchschaut, wie die individuellen F?higkeiten der Menschen, wie die Rechtsbildung und wie die Kr?fte des Wirtschaftslebens das Kapital erzeugen und verbrauchen. -- Spricht man von der Menschenarbeit, so deutet man auf das, was mit der Naturgrundlage der Wirtschaft und dem Kapital zusammen die wirtschaftlichen Werte schafft und an dem der Arbeiter zum Bewusstsein seiner sozialen Lage kommt. Ein Urteil dar?ber, wie diese Menschenarbeit in den sozialen Organismus hineingestellt sein muss, um in dem Arbeitenden die Empfindung von seiner Menschenw?rde nicht zu st?ren, ergibt sich nur, wenn man das Verh?ltnis ins Auge fassen will, welches Menschenarbeit zur Entfaltung der individuellen F?higkeiten einerseits und zum Rechtsbewusstsein anderseits hat.

Wenn nicht rechte Quellen vorhanden sind, aus denen die Kr?fte, welche in diesen Urgedanken liegen, immer von neuem dem sozialen Organismus zufliessen, dann nehmen die Einrichtungen Formen an, die nicht lebenf?rdernd, sondern lebenhemmend sind. In den instinktiven Impulsen der Menschen aber leben mehr oder weniger unbewusst die Urgedanken fort, auch wenn die vollbewussten Gedanken in die Irre gehen und lebenhemmende Tatsachen schaffen, oder schon geschaffen haben. Und diese Urgedanken, die einer lebenhemmenden Tatsachenwelt gegen?ber chaotisch sich ?ussern, sind es, die offenbar oder verh?llt in den revolution?ren Ersch?tterungen des sozialen Organismus zutage treten. Diese Ersch?tterungen werden nur dann nicht eintreten, wenn der soziale Organismus in der Art gestaltet ist, dass in ihm jederzeit die Neigung vorhanden sein kann, zu beobachten, wo eine Abweichung von den durch die Urgedanken vorgezeichneten Einrichtungen sich bildet, und wo zugleich die M?glichkeit besteht, dieser Abweichung entgegenzuarbeiten, ehe sie eine verh?ngnistragende St?rke gewonnen hat.

Nur, wer gar keinen Sinn hat f?r die soziale Wirkung des innerlichen vereinten Erlebens einer in Gemeinschaft betriebenen Sache, der wird das Gesagte f?r bedeutungslos halten. Wer einen solchen Sinn hat, der wird durchschauen, wie die wirtschaftliche Produktivit?t gef?rdert wird, wenn die auf Kapitalgrundlage ruhende Leitung des Wirtschaftslebens in dem Gebiete des freien Geisteslebens seine Wurzeln hat. Das bloss wegen des Profites vorhandene Interesse am Kapital und seiner Vermehrung kann nur dann, wenn diese Voraussetzung erf?llt ist, dem sachlichen Interesse an der Hervorbringung von Produkten und am Zustandekommen von Leistungen Platz machen.

Die sozialistisch Denkenden der Gegenwart streben die Verwaltung der Produktionsmittel durch die Gesellschaft an. Was in diesem ihrem Streben berechtigt ist, das wird nur dadurch erreicht werden k?nnen, dass diese Verwaltung von dem freien Geistesgebiet besorgt wird. Dadurch wird der wirtschaftliche Zwang unm?glich gemacht, der vom Kapitalisten dann ausgeht und als menschenunw?rdig empfunden wird, wenn der Kapitalist seine T?tigkeit aus den Kr?ften des Wirtschaftslebens heraus entfaltet. Und es wird die L?hmung der individuellen menschlichen F?higkeiten nicht eintreten k?nnen, die als eine Folge sich ergeben muss, wenn diese F?higkeiten vom politischen Staate verwaltet werden.

Das Ertr?gnis einer Bet?tigung durch Kapital und individuelle menschliche F?higkeiten muss im gesunden sozialen Organismus wie jede geistige Leistung aus der freien Initiative des T?tigen einerseits sich ergeben und anderseits aus dem freien Verst?ndnis anderer Menschen, die nach dem Vorhandensein der Leistung des T?tigen verlangen. Mit der freien Einsicht des T?tigen muss auf diesem Gebiete im Einklange stehen die Bemessung dessen, was er als Ertr?gnis seiner Leistung -- nach den Vorbereitungen, die er braucht, um sie zu vollbringen, nach den Aufwendungen, die er machen muss, um sie zu erm?glichen usw. -- ansehen will. Er wird seine Anspr?che nur dann befriedigt finden k?nnen, wenn ihm Verst?ndnis f?r seine Leistungen entgegengebracht wird.

Durch soziale Einrichtungen, die in der Richtung des hier Dargestellten liegen, wird der Boden geschaffen f?r ein wirklich freies Vertragsverh?ltnis zwischen Arbeitleiter und Arbeitleister. Und dieses Verh?ltnis wird sich beziehen nicht auf einen Tausch von Ware f?r Arbeitskraft, sondern auf die Festsetzung des Anteiles, den eine jede der beiden Personen hat, welche die Ware gemeinsam zustande bringen.

In der Gegenwart ist man allerdings wenig darauf vorbereitet, die soziale Idee, die den Kapitalismus in gesunde Bahnen lenken soll, in einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Geistesleben zu bringen. Man kn?pft an dasjenige an, was dem Kreis des Wirtschaftslebens angeh?rt. Man sieht, wie in der neueren Zeit die Warenproduktion zum Grossbetrieb, und dieser zur gegenw?rtigen Form des Kapitalismus gef?hrt hat. An die Stelle dieser Wirtschaftsform solle die genossenschaftliche treten, die f?r den Selbstbedarf der Produzenten arbeitet. Da man aber selbstverst?ndlich die Wirtschaft mit den modernen Produktionsmitteln beibehalten will, verlangt man die Zusammenfassung der Betriebe in eine einzige grosse Genossenschaft. In einer solchen, denkt man, produziere ein jeder im Auftrage der Gemeinschaft, die nicht ausbeuterisch sein k?nne, weil sie sich selbst ausbeutete. Und da man an Bestehendes ankn?pfen will oder muss, blickt man nach dem modernen Staat aus, den man in eine umfassende Genossenschaft verwandeln will.

Man bemerkt dabei nicht, dass man von einer solchen Genossenschaft sich Wirkungen verspricht, die um so weniger eintreten k?nnen, je gr?sser die Genossenschaft ist. Wenn nicht die Einstellung der individuellen menschlichen F?higkeiten in den Organismus der Genossenschaft so gestaltet wird, wie es in diesen Ausf?hrungen dargestellt worden ist, kann die Gemeinsamkeit der Arbeitsverwaltung nicht zur Gesundung des sozialen Organismus f?hren.

Dass f?r ein unbefangenes Urteil ?ber das Eingreifen des Geisteslebens in den sozialen Organismus gegenw?rtig wenig Veranlagung vorhanden ist, r?hrt davon her, dass man sich gew?hnt hat, das Geistige m?glichst fern von allem Materiellen und Praktischen vorzustellen. Es wird nicht wenige geben, die etwas Groteskes in der hier dargestellten Ansicht finden, dass in der Bet?tigung des Kapitals im Wirtschaftsleben die Auswirkung eines Teiles des geistigen Lebens sich offenbaren soll. Man kann sich denken, dass in dieser Charakterisierung des als grotesk Dargestellten Zugeh?rige der bisher leitenden Menschenklassen mit sozialistischen Denkern ?bereinstimmen. Man wird, um die Bedeutung dieses grotesk Befundenen f?r eine Gesundung des sozialen Organismus einzusehen, den Blick richten m?ssen in gewisse Gedankenstr?mungen der Gegenwart, die in ihrer Art redlichen Seelenimpulsen entspringen, die aber des Entstehen eines wirklich sozialen Denkens dort hemmen, wo sie Eingang finden.

Aus dem Kreise solcher Menschen stammen diejenigen, die in diesem welthistorischen Augenblick, wo die sozialen Fragen so dr?ngend geworden sind, sich als die Schwarmgeister, die sich aber f?r echte Lebenspraktiker halten, hemmend der wahren Lebenspraxis entgegenstellen. Man kann von ihnen Reden h?ren wie diese: Wir haben n?tig, dass die Menschen sich erheben aus dem Materialismus, aus dem ?usserlich materiellen Leben, das uns in die Weltkriegs-Katastrophe und in das Ungl?ck hineingetrieben hat, und dass sie sich einer geistigen Auffassung des Lebens zuwenden. Man wird, wenn man so die Wege des Menschen zur Geistigkeit zeigen will, nicht m?de, diejenigen Pers?nlichkeiten zu zitieren, die man in der Vergangenheit wegen ihrer dem Geiste zugewendeten Denkungsart verehrt hat. Man kann erleben, dass jemand, der versucht, gerade auf dasjenige hinzuweisen, was heute der Geist f?r das wirkliche praktische Leben so notwendig leisten muss, wie das t?gliche Brot erzeugt werden muss, darauf aufmerksam gemacht wird, dass es ja in erster Linie darauf ankomme, die Menschen wiederum zur Anerkennung des Geistes zu bringen. Es kommt aber gegenw?rtig darauf an, dass aus der Kraft des geistigen Lebens heraus die Richtlinien f?r die Gesundung des sozialen Organismus gefunden werden. Dazu gen?gt nicht, dass die Menschen in einer Seitenstr?mung des Lebens sich mit dem Geiste besch?ftigen. Dazu ist notwendig, dass das allt?gliche Dasein geistgem?ss werde. Die Neigung, f?r das >>geistige Leben<< solche Seitenstr?mungen zu suchen, f?hrte die bisher leitenden Kreise dazu, an sozialen Zust?nden Geschmack zu haben, die in die gegenw?rtigen Tatsachen ausgelaufen sind.

Eng verbunden sind im sozialen Leben der Gegenwart die Verwaltung des Kapitals in der Warenproduktion und der Besitz der Produktionsmittel, also auch des Kapitals. Und doch sind diese beiden Verh?ltnisse des Menschen zum Kapital ganz verschieden mit Bezug auf ihre Wirkung innerhalb des sozialen Organismus. Die Verwaltung durch die individuellen F?higkeiten f?hrt, zweckm?ssig angewendet, dem sozialen Organismus G?ter zu, an deren Vorhandensein alle Menschen, die diesem Organismus angeh?ren, ein Interesse haben. In welcher Lebenslage ein Mensch auch ist, er hat ein Interesse daran, dass nichts von dem verloren gehe, was aus den Quellen der Menschennatur an solchen individuellen F?higkeiten erfliesst, durch die G?ter zustande kommen, welche dem Menschenleben zweckentsprechend dienen. Die Entwicklung dieser F?higkeiten kann aber nur dadurch erfolgen, dass ihre menschlichen Tr?ger aus der eigenen freien Initiative heraus sie zur Wirkung bringen k?nnen. Was aus diesen Quellen nicht in Freiheit erfliessen kann, das wird der Menschenwohlfahrt mindestens bis zu einem gewissen Grade entzogen. Das Kapital aber ist das Mittel, solche F?higkeiten f?r weite Gebiete des sozialen Lebens in Wirksamkeit zu bringen. Den gesamten Kapitalbesitz so zu verwalten, dass der einzelne in besonderer Richtung begabte Mensch oder dass zu Besonderem bef?higte Menschengruppen zu einer solchen Verf?gung ?ber Kapital kommen, die lediglich aus ihrer ureigenen Initiative entspringt, daran muss jedermann innerhalb eines sozialen Organismus ein wahrhaftes Interesse haben. Vom Geistesarbeiter bis zum handwerklich Schaffenden muss ein jeder Mensch, wenn er vorurteilslos dem eigenen Interesse dienen will, sagen: ich m?chte, dass eine gen?gend grosse Anzahl bef?higter Personen oder Personengruppen v?llig frei ?ber Kapital nicht nur verf?gen k?nnen, sondern dass sie auch aus der eigenen Initiative heraus zu dem Kapitale gelangen k?nnen; denn nur sie allein k?nnen ein Urteil dar?ber haben, wie durch die Vermittlung des Kapitales ihre individuellen F?higkeiten dem sozialen Organismus zweckm?ssig G?ter erzeugen werden.

Es ist nicht n?tig, im Rahmen dieser Schrift darzustellen, wie im Laufe der Menschheitsentwicklung zusammenh?ngend mit der Bet?tigung der menschlichen individuellen F?higkeiten im sozialen Organismus sich der Privatbesitz aus andern Besitzformen ergeben hat. Bis zur Gegenwart hat sich unter dem Einfluss der Arbeitsteilung innerhalb dieses Organismus ein solcher Besitz entwickelt. Und von den gegenw?rtigen Zust?nden und deren notwendiger Weiterentwicklung soll hier gesprochen werden.

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