bell notificationshomepageloginedit profileclubsdmBox

Read Ebook: Eine Schwierigkeit der Psychoanalyse by Freud Sigmund

More about this book

Font size:

Background color:

Text color:

Add to tbrJar First Page Next Page

Ebook has 17 lines and 5795 words, and 1 pages

Eine Schwierigkeit der Psychoanalyse.

Von SIGM. FREUD .

Ich will gleich zum Eingang sagen, dass ich nicht eine intellektuelle Schwierigkeit meine, etwas, was die Psychoanalyse f?r das Verst?ndnis des Empf?ngers unzug?nglich macht, sondern eine affektive Schwierigkeit: etwas, wodurch sich die Psychoanalyse die Gef?hle des Empf?ngers entfremdet, so dass er weniger geneigt wird, ihr Interesse oder Glauben zu schenken. Wie man merkt, kommen beiderlei Schwierigkeiten auf dasselbe hinaus. Wer f?r eine Sache nicht genug Sympathie aufbringen kann, wird sie auch nicht so leicht verstehen.

Aus R?cksicht auf den Leser, den ich mir noch als v?llig unbeteiligt vorstelle, muss ich etwas weiter ausholen: In der Psychoanalyse hat sich aus einer grossen Zahl von Einzelbeobachtungen und Eindr?cken endlich etwas wie eine Theorie gestaltet, die unter dem Namen der Libidotheorie bekannt ist. Die Psychoanalyse besch?ftigt sich bekanntlich mit der Aufkl?rung und der Beseitigung der sogenannten nerv?sen St?rungen. F?r dieses Problem musste ein Angriffspunkt gefunden werden, und man entschloss sich, ihn im Triebleben der Seele zu suchen. Annahmen ?ber das menschliche Triebleben wurden also die Grundlage unserer Auffassung der Nervosit?t.

Die Psychologie, die auf unseren Schulen gelehrt wird, gibt uns nur sehr wenig befriedigende Antworten, wenn wir sie nach den Problemen des Seelenlebens befragen. Auf keinem Gebiet sind aber ihre Ausk?nfte k?mmerlicher als auf dem der Triebe.

Auf dem Boden dieser Annahme machen wir dann die erste bedeutungsvolle Entdeckung. Wir erfahren, dass f?r das Verst?ndnis der neurotischen Erkrankungen den Sexualtrieben die weitaus gr?ssere Bedeutung zukommt, dass die Neurosen sozusagen die spezifischen Erkrankungen der Sexualfunktion sind. Dass es von der Quantit?t der Libido und von der M?glichkeit, sie zu befriedigen und durch Befriedigung abzuf?hren, abh?ngt, ob ein Mensch ?berhaupt an einer Neurose erkrankt. Dass die Form der Erkrankung bestimmt wird durch die Art, wie der einzelne den Entwicklungsweg der Sexualfunktion zur?ckgelegt hat, oder, wie wir sagen, durch die Fixierungen, welche seine Libido im Laufe ihrer Entwicklung erfahren hat. Und dass wir in einer gewissen, nicht sehr einfachen Technik der psychischen Beeinflussung ein Mittel haben, manche Gruppen der Neurosen gleichzeitig aufzukl?ren und r?ckg?ngig zu machen. Den besten Erfolg hat unsere therapeutische Bem?hung bei einer gewissen Klasse von Neurosen, die aus dem Konflikt zwischen den Ich-Trieben und den Sexualtrieben hervorgehen. Beim Menschen kommt es n?mlich vor, dass die Anforderungen der Sexualtriebe, die ja weit ?ber das Einzelwesen hinausgreifen, dem Ich als Gefahr erscheinen, die seine Selbsterhaltung oder seine Selbstachtung bedrohen. Dann setzt sich das Ich zur Wehre, versagt den Sexualtrieben die gew?nschte Befriedigung, n?tigt sie zu jenen Umwegen einer Ersatzbefriedigung, die sich als nerv?se Symptome kundgeben.

Die psychoanalytische Therapie bringt es dann zustande, den Verdr?ngungsprozess einer Revision zu unterziehen und den Konflikt zu einem besseren, mit der Gesundheit vertr?glichen Ausgang zu leiten. Unverst?ndige Gegnerschaft wirft uns dann unsere Sch?tzung der Sexualtriebe als einseitig vor: Der Mensch habe noch andere Interessen als die sexuellen. Das haben wir keinen Augenblick lang vergessen oder verleugnet. Unsere Einseitigkeit ist wie die des Chemikers, der alle Konstitutionen auf die Kraft der chemischen Attraktion zur?ckf?hrt. Er leugnet darum die Schwerkraft nicht, er ?berl?sst ihre W?rdigung dem Physiker.

W?hrend der therapeutischen Arbeit m?ssen wir uns um die Verteilung der Libido bei dem Kranken bek?mmern; wir forschen nach, an welche Objektvorstellungen seine Libido gebunden ist, und machen sie frei, um sie dem Ich zur Verf?gung zu stellen. Dabei sind wir dazu gekommen, uns ein sehr merkw?rdiges Bild von der anf?nglichen, der Urverteilung der Libido beim Menschen zu machen. Wir mussten annehmen, dass zu Beginn der individuellen Entwicklung alle Libido an die eigene Person gekn?pft ist, wie wir sagen, das eigene Ich besetzt. Erst sp?ter geschieht es in Anlehnung an die Befriedigung der grossen Lebensbed?rfnisse, dass die Libido vom Ich auf die ?usseren Objekte ?berfliesst, wodurch wir erst in die Lage kommen, die libidin?sen Triebe als solche zu erkennen und von den Ich-Trieben zu unterscheiden. Von diesen Objekten kann die Libido wieder abgel?st und ins Ich zur?ckgezogen werden.

Wir schreiben also dem Individuum einen Fortschritt zu vom Narzissmus zur Objektliebe. Aber wir glauben nicht, dass jemals die gesamte Libido des Ichs auf die Objekte ?bergeht. Ein gewisser Betrag von Libido verbleibt immer beim Ich, ein gewisses Mass von Narzissmus bleibt trotz hochentwickelter Objektliebe fortbestehen. Das Ich ist ein grosses Reservoir, aus dem die f?r die Objekte bestimmte Libido ausstr?mt, und dem sie von den Objekten her wieder zufliesst. Die Objektlibido war zuerst Ich-Libido und kann sich wieder in Ich-Libido umsetzen. Es ist f?r die volle Gesundheit der Person wesentlich, dass ihre Libido die volle Beweglichkeit nicht verliere. Zur Versinnlichung dieses Verh?ltnisses denken wir an ein Protoplasmatierchen, dessen z?hfl?ssige Substanz Pseudopodien aussendet, Fortsetzungen, in welche sich die Leibessubstanz hineinerstreckt, die aber jederzeit wieder eingezogen werden k?nnen, so dass die Form des Protoplasmakl?mpchens wieder hergestellt wird.

Nach dieser Einleitung m?chte ich ausf?hren, dass der allgemeine Narzissmus, die Eigenliebe der Menschheit, bis jetzt drei schwere Kr?nkungen von seiten der wissenschaftlichen Forschung erfahren hat.

a) Der Mensch glaubte zuerst in den Anf?ngen seiner Forschung, dass sich sein Wohnsitz, die Erde, ruhend im Mittelpunkt des Weltalls befinde, w?hrend Sonne, Mond und Planeten sich in kreisf?rmigen Bahnen um die Erde bewegen. Er folgte dabei in naiver Weise dem Eindruck seiner Sinneswahrnehmungen, denn eine Bewegung der Erde versp?rt er nicht, und wo immer er frei um sich blicken kann, findet er sich im Mittelpunkt eines Kreises, der die ?ussere Welt umschliesst. Die zentrale Stellung der Erde war ihm aber eine Gew?hr f?r ihre herrschende Rolle im Weltall und schien in guter ?bereinstimmung mit seiner Neigung, sich als den Herrn dieser Welt zu f?hlen.

b) Der Mensch warf sich im Laufe seiner Kulturentwicklung zum Herren ?ber seine tierischen Mitgesch?pfe auf. Aber mit dieser Vorherrschaft nicht zufrieden, begann er eine Kluft zwischen ihrem und seinem Wesen zu legen. Er sprach ihnen die Vernunft ab und legte sich eine unsterbliche Seele bei, berief sich auf eine hohe g?ttliche Abkunft, die das Band der Gemeinschaft mit der Tierwelt zu zerreissen gestattete. Es ist merkw?rdig, dass diese ?berhebung dem kleinen Kinde wie dem primitiven und dem Urmenschen noch ferne liegt. Sie ist das Ergebnis einer sp?teren anspruchsvollen Entwicklung. Der Primitive fand es auf der Stufe des Totemismus nicht anst?ssig, seinen Stamm auf einen tierischen Ahnherrn zur?ckzuleiten. Der Mythus, welcher den Niederschlag jener alten Denkungsart enth?lt, l?sst die G?tter Tiergestalt annehmen, und die Kunst der ersten Zeiten bildet die G?tter mit Tierk?pfen. Das Kind empfindet keinen Unterschied zwischen dem eigenen Wesen und dem des Tieres; es l?sst die Tiere ohne Verwunderung im M?rchen denken und sprechen; es verschiebt einen Angsteffekt, der dem menschlichen Vater gilt, auf den Hund oder auf das Pferd, ohne damit eine Herabsetzung des Vaters zu beabsichtigen. Erst wenn es erwachsen ist, wird es sich dem Tiere soweit entfremdet haben, dass es den Menschen mit dem Namen des Tieres beschimpfen kann.

c) Am empfindlichsten trifft wohl die dritte Kr?nkung, die psychologischer Natur ist.

Der Mensch, ob auch draussen erniedrigt, f?hlt sich souver?n in seiner eigenen Seele. Irgendwo im Kern seines Ichs hat er sich ein Aufsichtsorgan geschaffen, welches seine eigenen Regungen und Handlungen ?berwacht, ob sie mit seinen Anforderungen zusammenstimmen. Tun sie das nicht, so werden sie unerbittlich gehemmt und zur?ckgezogen. Seine innere Wahrnehmung, das Bewusstsein, gibt dem Ich Kunde von allen bedeutungsvollen Vorg?ngen im seelischen Getriebe, und der durch diese Nachrichten gelenkte Wille f?hrt aus, was das Ich anordnet, ?ndert ab, was sich selbst?ndig vollziehen m?chte. Denn diese Seele ist nichts einfaches, vielmehr eine Hierarchie von ?ber- und untergeordneten Instanzen, ein Gewirre von Impulsen, die unabh?ngig voneinander zur Ausf?hrung dr?ngen, entsprechend der Vielheit von Trieben und von Beziehungen zur Aussenwelt, viele davon einander gegens?tzlich und miteinander unvertr?glich. Es ist f?r die Funktion erforderlich, dass die oberste Instanz von allem Kenntnis erhalte, was sich vorbereitet, und dass ihr Wille ?berallhin dringen k?nne, um seinen Einfluss zu ?ben. Aber das Ich f?hlt sich sicher sowohl der Vollst?ndigkeit und Verl?sslichkeit der Nachrichten als auch der Wegsamkeit f?r seine Befehle.

In gewissen Krankheiten, allerdings gerade bei den von uns studierten Neurosen, ist es anders. Das Ich f?hlt sich unbehaglich, es st?sst auf Grenzen seiner Macht in seinem eigenen Haus, der Seele. Es tauchen pl?tzlich Gedanken auf, von denen man nicht weiss, woher sie kommen; man kann auch nichts dazu tun, sie zu vertreiben. Diese fremden G?ste scheinen selbst m?chtiger zu sein als die dem Ich unterworfenen; sie widerstehen allen sonst so erprobten Machtmitteln des Willens, bleiben unbeirrt durch die logische Widerlegung, unangetastet durch die Gegenaussage der Realit?t. Oder es kommen Impulse, die wie die eines Fremden sind, so dass das Ich sie verleugnet, aber es muss sich doch vor ihnen f?rchten und Vorsichten gegen sie treffen. Das Ich sagt sich, das ist eine Krankheit, eine fremde Invasion, es versch?rft seine Wachsamkeit, aber es kann nicht verstehen, warum es sich in so seltsamer Weise gel?hmt f?hlt.

Die Psychiatrie bestreitet zwar f?r solche Vorf?lle, dass sich b?se, fremde Geister ins Seelenleben eingedr?ngt haben, aber sonst sagt sie nur achselzuckend: Degeneration, heredit?re Disposition, konstitutionelle Minderwertigkeit! Die Psychoanalyse unternimmt es, diese unheimlichen Krankheitsf?lle aufzukl?ren, sie stellt sorgf?ltige und langwierige Untersuchungen an, schafft sich Hilfsbegriffe und wissenschaftliche Konstruktionen und kann dem Ich endlich sagen: >>Es ist nichts Fremdes in dich gefahren; ein Teil von deinem eigenen Seelenleben hat sich deiner Kenntnis und der Herrschaft deines Willens entzogen. Darum bist du auch so schwach in der Abwehr; du k?mpfst mit einem Teil deiner Kraft gegen den anderen Teil, kannst nicht wie gegen einen ?usseren Feind deine ganze Kraft zusammennehmen. Und es ist nicht einmal der schlechteste oder unwichtigste Anteil deiner seelischen Kr?fte, der so in Gegensatz zu dir getreten und unabh?ngig von dir geworden ist. Die Schuld, muss ich sagen, liegt an dir selbst. Du hast deine Kraft ?bersch?tzt, wenn du geglaubt hast, du k?nntest mit deinen Sexualtrieben anstellen, was du willst, und brauchtest auf ihre Absichten nicht die mindeste R?cksicht zu nehmen. Da haben sie sich denn emp?rt und sind ihre eigenen dunklen Wege gegangen, um sich der Unterdr?ckung zu entziehen, haben sich ihr Recht geschaffen auf eine Weise, die dir nicht mehr recht sein kann. Wie sie das zustande gebracht haben, und welche Wege sie gewandelt sind, das hast du nicht erfahren; nur das Ergebnis dieser Arbeit, das Symptom, das du als Leiden empfindest, ist zu deiner Kenntnis gekommen. Du erkennst es dann nicht als Abk?mmling deiner eigenen verstossenen Triebe und weisst nicht, dass es deren Ersatzbefriedigung ist.<<

>>Der ganze Vorgang wird aber nur durch den einen Umstand m?glich, dass du dich auch in einem anderen wichtigen Punkte im Irrtum befindest. Du vertraust darauf, dass du alles erf?hrst, was in deiner Seele vorgeht, wenn es nur wichtig genug ist, weil dein Bewusstsein es dir dann meldet. Und wenn du von etwas in deiner Seele keine Nachricht bekommen hast, nimmst du zuversichtlich an, es sei nicht in ihr enthalten. Ja, du gehst so weit, dass du >>seelisch<< f?r identisch h?ltst mit >>bewusst<<, d. h. dir bekannt, trotz der augenscheinlichsten Beweise, dass in deinem Seelenleben best?ndig viel mehr vor sich gehen muss, als deinem Bewusstsein bekannt werden kann. Lass dich doch in diesem einen Punkt belehren! Das Seelische in dir f?llt nicht mit dem dir Bewussten zusammen; es ist etwas anderes, ob etwas in deiner Seele vorgeht und ob du es auch erf?hrst. F?r gew?hnlich, ich will es zugeben, reicht der Nachrichtendienst an dein Bewusstsein f?r deine Bed?rfnisse aus. Du darfst dich in der Illusion wiegen, dass du alles wichtigere erf?hrst. Aber in manchen F?llen, z. B. in dem eines solchen Triebkonfliktes, versagt er und dein Wille reicht dann nicht weiter als dein Wissen. In allen F?llen aber sind diese Nachrichten deines Bewusstseins unvollst?ndig und h?ufig unzuverl?ssig; auch trifft es sich oft genug, dass du von den Geschehnissen erst Kunde bekommst, wenn sie bereits vollzogen sind und du nichts mehr an ihnen ?ndern kannst. Wer kann, selbst wenn du nicht krank bist, ermessen, was sich alles in deiner Seele regt, wovon du nichts erf?hrst, oder wor?ber du falsch berichtet wirst. Du benimmst dich wie ein absoluter Herrscher, der es sich an den Informationen seiner obersten Hof?mter gen?gen l?sst und nicht zum Volk herabsteigt, um dessen Stimme zu h?ren. Geh in dich, in deine Tiefen und lerne dich erst kennen, dann wirst du verstehen, warum du krank werden musst, und vielleicht vermeiden, krank zu werden.<<

Add to tbrJar First Page Next Page

 

Back to top