Read Ebook: With the Night Mail: A Story of 2000 A.D. (Together with extracts from the comtemporary magazine in which it appeared) by Kipling Rudyard Leyendecker Frank X Illustrator Reuterdahl Henry Illustrator
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Ebook has 390 lines and 15837 words, and 8 pages
Offensichtliche Druckfehler wurden berichtigt. Im ?brigen wurden Inkonsistenzen in der Interpunktion und Schreibweise einzelner W?rter belassen. Eine Liste mit sonstigen Korrekturen finden Sie am Ende des Buchs.
Grote'sche Sammlung von Werken zeitgen?ssischer Schriftsteller Band 133:
Das grosse Jagen
Roman aus dem 18. Jahrhundert
von
Ludwig Ganghofer
Zweiunddreissigstes Tausend
G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung Berlin 1918
Alle Rechte, insbesondere das der ?bersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Copyright by G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung in Berlin 1918. Initialen und Einbandzeichnung von Friedrich Felger. Druck von Fischer & Wittig in Leipzig
Das grosse Jagen
Kapitel I
Am zweiten Februar des Jahres 1733, am Lichtmessabend, peitschte der st?rmische Westwind ein dickwirbelndes Schneetreiben durch die Gassen von Berchtesgaden. An den H?usern waren alle Flurt?ren versperrt, alle Fensterl?den geschlossen. Obwohl die Polizeistunde noch nicht geschlagen hatte, war auf der Marktgasse kein Mensch mehr zu sehen.
Das dunkle H?userschweigen in dem weissen Gewirbel hatte trotz allem L?rm des Sturmwindes etwas Friedliches. Dieser Friede erz?hlte von sorglosen Menschen in gem?tlichen Stuben. Eine grauenvolle L?ge! In Erregung, in Zorn und Sehnsucht pochten hinter den verriegelten T?ren Hunderte von verst?rten Herzen. Zwischen den stillen W?nden wohnte die Ratlosigkeit neben Hass und Angst, feiges Misstrauen neben dem Mut, duldende St?rke neben der h?mischen Bosheit, nicht immer geschieden durch T?r und Mauer. Kampf und Erbitterung schwelte, wie zwischen Nachbar und Nachbar, auch zwischen Mann und Weib, zwischen Bruder und Schwester, zwischen Vater und Sohn.
An allem F?rchterlichen, das sich einsperrte in die Stuben, brauste der wirbelnde Schnee vor?ber.
Auf den T?rmen des Stiftes und der Franziskanerkirche schlugen die Glocken im Sturm die neunte Stunde. Unter dem Rauschen des Windes war es ein milder Hall. Wie eine warme Gottesstimme sprach er zu dem frierenden Leben, das nur lauschte auf den eigenen Zorn und die eigene Sehnsucht. Dann wieder die stumme Gassentrauer unter dem wehenden Flockenfall.
Aus dem H?usergewinkel, das die n?rdliche Stiftsmauer umzog, k?mpfte sich ein schwarzgekleideter Mensch heraus, den Kopf mit der Pelzkappe gegen den Wind geschoben, die Arme unter dem Radmantel. Immer dicht an den H?usern hin und rasch in eine Gasse. Ein Pfiff, wie der Schlag einer Amsel. An einem schmalen Steingeb?ude, das sich von den Nachbarh?usern auff?llig unterschied, ?ffnete sich die T?r ein bisschen und eine greise Stimme fragte im Hausdunkel: >>Hochw?rden?<<
>>Komm!<< Auch diese Stimme klang nimmer jung.
Eine kleine Mannsgestalt in zottigem Fuchspelz mit dicker Kapuze huschte aus dem Haus und schloss die T?re, die von innen verriegelt wurde. Wortlos, der Kleine neben dem anderen, der gross und hager war, schritten die beiden quer ?ber das Ende der Marktgasse, vor?ber am neuen Pflegeramt, vor?ber an den Stallungen des alten Leuthauses. In der halb bebauten Strasse, die zur Franziskanerkirche f?hrte, traten sie in einen mit hohen Bretterplanken umz?unten Garten. Auch hier ?ffnete sich die Haust?r wie von selbst. Aus der Finsternis des Flures sprach eine M?dchenstimme: >>Gelobt sei Jesus Christus und die heilige Mutter Marie!<<
Der Kleine im Fuchspelz antwortete zaghaft: >>Von nun an bis in Ewigkeit, Amen!<< Und der andere sagte, als er in das Dunkel hineintrat: >>Schau nur, Luisa, wie gut du den Bekenntnisgruss zu brauchen weisst!<< Seine Stimme hatte einen heiteren Ton: >>Jetzt hast du wieder dreissig Wochen Ablass gut! Tust du denn in deinem jungen Leben des B?sen so viel, dass du deine k?nftige Fegfeuerzeit so fleissig verk?rzen musst?<<
>>Hochw?rden, ich mag das nit, wenn Ihr so redet!<< Das junge M?dchen verriegelte die Haust?r. >>Ein geweihter Priester sollt ernst nehmen, was heilig ist.<<
>>Luisichen! Oft wohnt von allem Ernst der tiefste hinter einem hilfreichen Lachen.<<
Der Kleine hatte den Pelz abgelegt. Jetzt nahm auch der Geistliche den Mantel herunter, und da quoll ein Lichtschein auf, als h?tte Luisa die Blechmaske an einer Blendlaterne gehoben. Der helle Strahl ?bergl?nzte die beiden M?nner. Der Kleine trug das Berchtesgadnische B?rgerkleid mit der Bundhose ?ber den weissen Str?mpfen und mit dem braunen Faltenkittel, ?ber dessen Kragen sich die weisse Hemdkrause herauslegte. Ein scharf geschnittener Judenkopf mit blassem Gesicht. Der Spitzbart so weiss wie die hohe Stirn. Unter dem Lederk?ppchen quollen graue Locken heraus. Zwei stille, heissgl?nzende Augen. Das war der aus Salzburg nach Berchtesgaden zugesiedelte Arzt und Handelsmann Simeon Lewitter, der vor f?nfzehn Jahren bei einem Judenkrawall das Weib und seine zwei Kinder verloren und in der Verst?rtheit dieser Gr?uelnacht die Taufe empfangen hatte. F?r die Bauern galt er noch immer als der Jud, genoss aber als Leibarzt des F?rstpropstes zu Berchtesgaden leidliche Sicherheit. Nur die Trauer seiner Augen erz?hlte von den Schmerzen einer vergangenen Zeit. Der schmale Mund unter dem weissen Barte hatte das L?cheln einer steingewordenen Geduld.
Neben diesem scheuen Greise sah der katholische Priester, der seit sieben Jahren emeritierte Stiftspfarrer Ludwig, fast wie heitere Jugend aus, die sich als Alter vermummte. Schon ein bisschen gebeugt, war doch in seinem sehnigen K?rper noch lebhafte Beweglichkeit. Er machte auch eine gute Figur in dem gefl?gelten Schwarzrock mit den weissen B?ffchen, in der seidenen Bundhose mit Str?mpfen und Schnallenschuhen. Den geschn?rkelten Lockenbau, der bei den Herren Mode geworden, verschm?hte er. Glattstr?hnig hingen die aschfarbenen Haare um das rasierte Gesicht, in dessen F?ltchen ein Spiel von freundlicher Spottlust zwinkerte. Er hatte zwei braune haarborstige Warzen, die halb entstellend wirkten und halb wie eine drollige Parodie auf die Sch?nheitspfl?sterchen der vornehmen Damen waren: eine kleine auf dem linken Nasenfl?gel, auf der rechten Wange eine grosse, die sich sonderbar verschob, so oft der Pfarrer lachte. Wenn er ernst war, bekam sein Gesicht durch diese Warzen etwas Grausames und Hexenmeisterhaftes. Das verschwand aber gleich, sobald seine Augen heiter wurden, diese hellblauen Augen, die im Gesicht des Siebzigj?hrigen noch wie die Augen eines lebensgl?ubigen J?nglings gl?nzten.
>>Luisichen?<< fragte er munter. >>Warum beleuchtest du mich so scharf? Magst du nit lieber dich selber illuminieren? Zum Erquicken unserer m?den M?nnerseelen?<< Lachend nahm er die Blendlaterne aus Luisas Hand und richtete den Lichtkegel auf ihr Gesicht.
Eine Achtzehnj?hrige von herber Sch?nheit, ?ber ihr Alter gereift in einer Zeit, in der die Redlichen ein h?rteres Leben hatten als die Gewissenlosen. Braunblonde Z?pfe lagen gleich einem schweren Seilgeflecht um die Stirne. Der Mund war wie ein strenges Siegel dieses jungen, schon gepr?ften Lebens und zeigte doch das Rot einer Kirsche, die reifen will. In den dunklen Augen war ein fast ekstatischer Glanz. Oder kam das vom Widerschein des blendenden Lichtstrahls? Der zeigte auch das rote, mit Silberblumen bestickte Mieder, aus dem sich die weissen Glocken der Spitzen?rmel herausbauschten. Eine zarte Gestalt, in der sich das junge Weib zu formen begann.
Auf der Wange des Pfarrers h?pfte die grosse Warze. >>Luisichen? Hast du dich f?r uns zwei Alten so wohlgef?llig gemacht? Oder hat dein schmucker Abend einem J?ngeren gegolten?<<
In Unmut zog das M?dchen die Brauen zusammen: >>Ob jung oder alt, das frag ich nit. Mir gilt: getreu oder schlecht, Christ oder Gottesfeind. Und heut am Morgen hab ich den heiligen Leib genossen. Da trag ich mein bestes Gewand, bis ich schlafen geh. Man muss sich innen und aussen unterscheiden von den Gottlosen.<<
Der Pfarrer blieb stumm. Aus seinen Augen sprach Erbarmen mit dieser freudlosen, von aller H?rte der Zeit gegeisselten M?dchenseele.
Droben ein Schritt. Licht fiel ?ber die Stiege herunter. >>Seid ihr's?<< fragte eine erregte Stimme. >>Ich hab schon geforchten, ihr k?nntet ausbleiben, wegen des schiechen Wetters.<<
>>Meister, da kennt Ihr uns schlecht.<< Der Pfarrer lachte, nicht ganz so froh, wie eine Minute fr?her. >>Wir kommen zu unserem lieben Abend, da kann es schneien oder lenzen, Mistgabeln oder Kapuziner regnen.<<
Die beiden wurden droben von einem F?nfundvierzigj?hrigen empfangen, der ?hnlich gekleidet war wie Lewitter. Ein m?hniger Kopf mit langem Bart, dessen helles Braun schon Silberstriche hatte. Unter den Brauenbogen fieberten zwei dunkle Augen mit dem Trauerblick einer gequ?lten Menschenseele. Es waren die gleichen Augen, wie die Tochter sie hatte, das einzige Kind des Bildhauers Nikolaus Zechmeister. Die N?he der G?ste liess den Hausherrn aufatmen, als k?me jetzt eine bessere Stunde seines Lebens. Und es war ein seltsamer Gruss, den die drei einander zufl?sterten: >>Mensch bleiben!<< Den H?ndedruck musste Meister Niklaus mit der Linken erledigen. Vor siebzehn Jahren hatte man ihm zu Hallein die Schwurhand auf dem Block vom Arm geschlagen, weil er gegen seinen Untertaneneid zwei evangelischen Inkulpaten, hinter denen die Soldaten Gottes her waren, zur Flucht verholfen hatte. Sein Weib war gestorben vom Schreck. Und das Kind hatte man dem der Irrlehre Verd?chtigen weggenommen und zu gutchristlicher Erziehung in ein Kloster gegeben. Erst seit dem verwichenen Herbste war Luisa wieder daheim -- als W?chterin des Vaters, um ihn zu beh?ten vor einem R?ckfall in den evangelischen Wahn.
Am rechten Arm trug Meister Niklaus in braunem Lederhandschuh eine k?nstliche Holzhand, die er durch einen sinnreichen Mechanismus zur Mithilfe bei seiner Arbeit belebt hatte. Zw?lf Jahre lang, bis die linke Hand sich zu schulen begann, war er seinem Beruf entzogen. Um Arbeit zu haben, hatte er in dieser Zeit f?r die Schnitzereien der Berchtesgadnischen Heimarbeiter ein Verlegergesch?ft begr?ndet, bei dem er, ein wohlhabender Mann, f?r die Notstillung seiner Dienstgesellen oft mehr verbrauchte, als er von ihrer Ware f?r sich selbst gewann. Seit f?nf Jahren geh?rte Meister Niklaus wieder seiner Werkst?tte, in der sich Kunst und Handwerk miteinander verschwisterten. Aber so fr?hlich, wie er als junger Mann gewesen, wurde er nimmer. Und seit der Heimkehr seiner Tochter schien er ernster, als er es je in der Zeit seines Leidens war.
W?hrend Lewitter in die helle Stube trat, rief Niklaus ?ber das Stiegengel?nder hinunter: >>Gelt, Luisa, bring uns nur gleich den warmen Trunk!<<
>>Wohl, Vater!<<
Der Meister blieb ?ber das Gel?nder gebeugt, als h?tte er Sehnsucht, noch ein Wort seines Kindes zu h?ren. Da legte ihm Pfarrer Ludwig die Hand auf die Schulter: >>Niklaus? Wird's besser mit euch beiden?<<
Der andere sch?ttelte den Kopf. >>Sie glaubt nit, dass ich glaub.<<
Der Pfarrer bekam das grausame Gesicht. >>Viel Ding im Leben hab ich verstanden. Eins versteh ich nimmer: wie der Herrgott es dulden kann, dass man in seinem Namen die Seelen der Menschen frieren macht? Kann sein, dass Gott sein heisst: in alle Ewigkeit f?r uns Menschen ein R?tsel bleiben.<<
Ein bitteres L?cheln zuckte um den Mund des Meisters: >>H?tt mein M?del das geh?rt, so t?t sie nach dem Klosterb?chl ausrechnen, wieviel Jahrhundert Fegfeuer das wieder kostet.<<
Die beiden traten in die Stube. Als die T?r geschlossen war, legte Pfarrer Ludwig herzlich den Arm um die Schultern des Hausherrn: >>Du?<< Wenn die drei allein waren, duzten sie einander. >>Glaubst du, dass ich die Menschen kenn?<<
>>Aus dem Beichtstuhl hast du tief hinuntergeschaut in ihre Seelen.<<
>>Noch tiefer in der Sonn, die ich ausserhalb der Kirch gefunden. Und ich sag dir das voraus: in deinem M?del wird das rechte Leben noch bl?hen, wie am Johannistag die Rosen in deinem Garten.<<
>>Gott soll's geben!<<
>>Was f?r einer?<< Die grosse Warze t?nzelte. >>Der meinige, der deinige, der seinige?<< Bei diesem letzten Worte deutete Pfarrer Ludwig auf Lewitter, der die Brust an den warmen Kachelofen presste und dieses Kunstwerk des hilfreichen Menschengeistes mit den Armen umschlang, schauernd vom Gassenfrost, frierend in der K?lte seines alten, einsamen Lebens.
Unter dem reichbesteckten Kerzenrade stand auf rundem Tisch ein Schachbrett und daneben ein K?rbchen mit den geschnitzten Beinfiguren. W?hrend der Meister das Spiel zu stellen begann, warf er lauschend einen Blick zur T?r und fragte fl?sternd: >>Hast du Botschaft aus Salzburg?<<
Der Pfarrer nickte. >>Seit das grosse Jagen begonnen hat, sind's nach der letzten Z?hlung dreissig Tausend und sieben Hundert, die man aus dem Land getrieben.<<
>>Ist das nit Irrsinn?<< stammelte Niklaus.
>>Nein, Bruder!<< Die grosse Warze kam in Bewegung. >>Wie mehr man die Zahl der Fresser mindert in einem Land, um so fetter werden die Erben. Das ist die fromme Rechnung unserer Zeit. Wie l?nger ich das mit anseh, um so lustiger macht es mich.<<
>>Mensch! Wie kann man das heiter nehmen?<<
>>Anders t?t man den ?blen Brocken nit schlucken. Die Zeit ist so schaudervoll, dass man sie nur als eine Narretei des Lebens beschauen kann. Wollt einer sie ernst nehmen, so m?sst er an der Menschheit verzweifeln. Wie mehr man lacht ?ber ein b?ses Ding, um so ungef?hrlicher wird es.<<
>>Still!<< mahnte Lewitter. >>Das liebe M?del kommt.<< In seiner Art, zu sprechen, war kein j?discher Klang. Er sprach, wie Herren reden, die unter Bauern wohnen. Hastig trat er auf den Tisch zu, stellte die letzten Schachfiguren und sagte: >>Heut seid ihr beide am Spiel. Da hab ich f?r euch einen Anfang ausgesonnen --<<
Luisa trat in die Stube. Auf einer Zinnplatte brachte sie drei Becher, in denen der W?rzwein dampfte.
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