Read Ebook: Erinnerungen by Thoma Ludwig
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Ebook has 1432 lines and 57016 words, and 29 pages
Die Hingabe der Gemeinde an den ,,Passion", den Ruhm der Heimat, war damals frei von ungesunden Spekulationen, von Hoffnungen auf unm?ssigen und leichten Gewinn.
Erst der Zustrom des englischen und des noch schlimmeren amerikanischen Sensationsp?bels hat das Bild ver?ndert.
Aber jene ?lteren Generationen von Aposteln und J?ngern des Herrn richteten ihr Leben ein wenig nach dem Stile ihres heiligen Spieles ein und zeichneten sich durch Wohlanst?ndigkeit aus. Sie handelten und redeten mit einiger Getragenheit und liessen sich von dem Bewusstsein leiten, dass sie auf einem Podium st?nden und von vielen beachtet w?rden.
Im Glauben an den besonderen Beruf des Ammergauers, der das Gef?hl einer engen Zusammengeh?rigkeit st?rkte, war man gl?cklich und zufrieden.
Mit den kleinen, typischen H?usern, die im Erdgeschosse eine Stube hatten, von der aus hinterm Ofen eine Stiege in die obere Kammer f?hrte, ist auch anderes verschwunden.
Ich darf einer edlen Pers?nlichkeit nicht vergessen, die von gr?sstem Einflusse auf das patriarchalische Leben in der Gemeinde war und ihm ein besonderes Gepr?ge gab.
Ich habe noch eines gesehen und dabei meinen Onkel Hans Lang als ritterlichen Herzog von Bayern ziemlich lange S?tze sprechen h?ren.
Daisenberger war das Urbild eines g?tigen Priesters, ?ber dessen Lippen nie ein hartes Wort kam, nie ein unduldsames, und der mit einem stillen L?cheln es ruhig dem Leben ?berliess, st?rmische Meinungen zu gl?tten.
Er k?mmerte sich nicht um Ansichten, sondern um das Schicksal eines jeden, er war Freund und Vater in jedem Hause, immer bereit, zu helfen.
Die Gemeinde hat ihm auf dem Friedhofe ein Denkmal errichtet.
Die wohlgetroffene B?ste ist von dem Bildhauer Otto Lang modelliert, der als Sohn des M?hlbartl Sebastian aus einer alten Ammergauer Schnitzerfamilie stammt.
Mehr noch als das Denkmal ehrt den edlen Daisenberger die Erinnerung an ihn als den Schutzgeist Ammergaus, eine Erinnerung, die manches wohlt?tige Beginnen veranlasste und ihm die rechte Weihe gab.
Ich habe den alten Herrn noch gut gekannt.
Wenn meine Mutter zu Besuch im Verlegerhause weilte, durfte ich ihm die ,,Augsburger Abendzeitung" bringen, die er t?glich von meinen Verwandten erhielt.
Er hatte stets ein gutes Wort f?r mich, den er getauft hat; ein Umstand, der meiner Mutter zur Hoffnung und Beruhigung diente, wenn es bei mir im Aufwachsen nicht immer schnurgerade nach oben ging.
Es wird ausgef?hrt werden, wenn es wieder Bronze f?r diese Zwecke geben wird.
Ein Versuch, den eingewanderte Sch?ngeister mehrmals unternehmen wollten.
Aber dagegen erhob sich immer der Zorn des Volkes, und Kaiphas f?hrte eine so drohende Sprache wie vor dem Statthalter Pontius Pilatus.
Er war ein behaglicher und braver Mann, mit einem lebhaften Temperament begabt, gescheit und bildungsbeflissen, der als J?ngling in der Ambronia aus dem Wissensquell sch?pfte, als Mann jedem t?richten Zwange abhold blieb und sich, w?hrend er sich gerne unterrichtete, doch nach dem Goetheschen Rezept auf das N?chste beschr?nkte und T?chtiges leistete.
Ammergau darf sich gl?cklich sch?tzen, wenn es auch k?nftig M?nner findet, denen die Heimat so viel und alles gilt wie ihm.
Den Mittelpunkt im Dorfe, wie den Mittelpunkt im Leben vieler mir teurer Menschen bildete das Verlegerhaus von Georg Langs sel. Erben.
Wie ich schon oben erw?hnte, ging fr?her, besonders im 18. Jahrhundert, der Handel mit Ammergauer Waren durch ganz Europa, wie auch nach Nord- und S?damerika. In vielen St?dten des Auslandes bestanden Handelsh?user und Niederlagen der Ammergauer, so in Kopenhagen, Petersburg, Moskau, Amsterdam, Cadix, Lima u. a., und der Ammergauer Kraxentr?ger ging seine Wege durch vieler Herren L?nder.
Das h?tte auch dem Fremden und Uneingeweihten das stattliche Haus verraten. Wie es dastand mit weit ausladendem Schindeldache, darauf die grossen Steine, nur zwei Stockwerke hoch, aber in die L?nge gedehnt, glich es einem beh?bigen Bauernhofe, und dem Eintretenden sagten schon die prachtvolle geschnitzte T?r mit Handelsemblemen, der gew?lbte Gang, die breite Treppe, dass er sich in einem ansehnlichen B?rgerhause befinde.
Gute Stiche schm?ckten die W?nde des Treppenhauses und der in sch?nen Verh?ltnissen angelegten Zimmer und vermittelten den Eindruck, dass sich einige Generationen hier mit Geschmack wohnlich eingerichtet hatten. Zu ebener Erde waren ineinandergehend vier ger?umige L?den, in denen mit Rokokoornamenten verzierte Glask?sten standen, die manches wertvolle St?ck der Ammergauer Kunst enthielten.
Zwei L?den waren angef?llt mit Spielwaren, Puppen, Pferden, Botenfuhrwerken, Bogen und Pfeilen, Armbrusten, Hampelm?nnern und vielem anderen.
Man stelle sich einen Knaben vor, der aus der Risser Einsamkeit kommend pl?tzlich vor diesen angeh?uften Herrlichkeiten stand, und man wird verstehen, wie heute noch der Eindruck in mir so stark nachlebt, dass f?r mich das Verlegerhaus der Inbegriff einer sch?nen Behaglichkeit geblieben ist.
Zu Anfang der f?nfziger Jahre hatte Eduard Lang, der Sohn von Johann Lang, Anwesen und Gesch?ft ?bernommen und die Schwester meiner Mutter geheiratet.
Er muss ein edler, liebenswerter Mensch gewesen sein, denn noch viele Jahre nach seinem Tode - er starb schon 1859 - war die Erinnerung an ihn im Dorfe wie in der Familie lebendig. Meine Mutter hat mir oft die Redlichkeit seines Charakters und seinen feurigen, begeisterungsf?higen Sinn ger?hmt.
Seine Witwe, der die Sorge f?r sechs Kinder oblag, blieb zeitlebens eine stille Frau, die ich immer ernst sah; sie genoss in ungew?hnlichem Grade Liebe und Verehrung, nicht zuletzt von seiten meiner Mutter. Ein verhaltener, ged?mpfter Ton von Trauer blieb an dem Hause haften; nicht so, dass er st?rend gewirkt h?tte, aber doch so, dass kein lautes Wesen aufkommen konnte.
Behaglich blieb es bei alledem, und wenn der Herr Oberf?rster aus der Riss zu Besuch kam und im Kreise der vielen ?lteren und j?ngeren Damen seine lange Pfeife rauchte - eine bemerkenswerte Verg?nstigung -, dann gab es auch lebhafte Fr?hlichkeit.
Mein Bruder und ich haben als junge Holzf?chse erfahren, wie viele erzieherische Talente in erwachsenen Kusinen stecken, denn sie verwandten einige M?he auf die Gl?ttung unserer Manieren.
Mein Vater hatte nach Pflicht und Brauch beim K?nig Max um eine Audienz nachgesucht, und meine Mutter erz?hlte mir noch viele Jahre sp?ter mit L?cheln und Err?ten, dass der K?nig ihm zur Wahl der Gattin Gl?ck gew?nscht und gesagt habe, er sehe wohl, dass seine Revierf?rster einen ausgezeichneten Geschmack verrieten.
Der K?nig kam fast allj?hrlich nach Ammergau, und da mochte es wohl geschehen sein, dass ihm beim festlichen Willkommen die T?chter des Schwabenwirtes Blumenstr?usse ?berreicht hatten.
In Piesenhausen wohnten meine Eltern mehrere Jahre in gl?cklicher Ehe, der zwei Kinder, mein Bruder Max und meine Schwester Marie, entsprossen.
Mein Vater fand alles Behagen am h?uslichen Herd; es ist ihm treu geblieben, und er hat es wohl zu w?rdigen gewusst.
Die sch?rfere Richtung, die sp?ter kam, hat den harmlosen Freuden ein Ende gemacht, und sie hat, wie mir erz?hlt wurde, dem geistlichen Rat in Grassau weh genug getan.
Als er schon hochbetagt war, hetzte ein junger Kooperator die Bauern gegen ihn auf, indem er seinen Eifer oder gar seine Rechtgl?ubigkeit in Zweifel zog, und es fanden sich wirklich Leute, die dem g?tigen Manne bei einer Katzenmusik die Fenster einwarfen zum Danke f?r viele Wohltaten, die er den Armen erwiesen hatte.
Damals aber, in den f?nfziger und sechziger Jahren, freute man sich an den Pfarrern, die fr?hliche Junggesellen waren, jeden Spass in Ehren gelten liessen und sich beim Scheibenschiessen und Jagen offenbar t?chtig zeigten.
Denn in allen Darstellungen spielt der Hochw?rdige niemals etwa so wie der Landrichter, Assessor oder Lehrer eine komische Figur.
Er hatte darum nachgesucht, wohl auch auf Bitten meiner Mutter, die sich gl?cklich f?hlte, als sie wieder ins Werdenfelser Land und in die N?he der Ammergauer Heimat kam.
W?hrend der vier Jahre, die meine Eltern in Partenkirchen blieben, gab es vornehmlich zwei Ereignisse, von denen uns sp?ter erz?hlt wurde. Das eine war der grosse Brand, bei dem die H?lfte des enggebauten Dorfes in Asche gelegt wurde, und das andere die ber?hmte letzte B?renjagd im Wettersteingebirge.
Sie ist mehrmals in Zeitschriften geschildert worden, obwohl sie ohne rechten Schluss blieb. Denn Meister Petz entkam, wenn auch schwer angeschossen, und verendete vermutlich in irgendeiner unzug?nglichen Schlucht.
Einem alten F?rster, der mit dabei war, kam der B?r auf dreissig Schritte, aber es versagten ihm die beiden Sch?sse seines Kugelzwillings; die Kapseln brannten leer ab.
Dass er Ruhm und Schussgeld verlieren musste, verdross den Alten so schwer, dass er wochenlang gem?tskrank war und kein anderes Wort als l?sterliche Fl?che ?ber die Lippen brachte.
Sobald ihm ein Bekannter begegnete, schrie er ihm von weitem zu: ,,Brauchst nix red'n ... woass scho ... woass scho ... Himmel ... Herrgott ..." Nur durch Anwendung von Alkohol gelang es ihm nach und nach, sein seelisches Gleichgewicht wieder zu erlangen.
Noerrs Landschaften erregen neuerdings Aufsehen bei Kritikern, die jetzt die M?nchner Kunst der sechziger Jahre entdecken und erstaunt ?ber die hohen Werte sind, die sich ihnen darbieten; vielleicht k?nnen ihnen die Landschaften wie die Tierbilder Noerrs, seine reizvollen Aquarelle und Zeichnungen, seine Genrebilder zeigen, wie vielseitig dieser K?nstler war, der wie kaum ein anderer die Alpenwelt kannte und in nie versiegender Freude am Malerischen jeder Spezialit?t abhold blieb.
Von seinen Wanderungen durch Tirol und Oberbayern brachte er Mappen voll kostbarer Studien heim. Wie er mit einfachen Mitteln in Bleistiftskizzen Stimmungen festhielt, ist bewundernswert, und keiner hat so treu und so liebensw?rdig wie er Jagd und J?ger im bayrischen Gebirge geschildert.
Sein Lebenswerk kann in der Heimat kaum voll gew?rdigt werden, da die meisten seiner Bilder nach England verkauft worden sind, doch vermag das, was sich bei einheimischen Sammlern vorfindet, immerhin das hohe K?nnen Noerrs darzutun.
Noerr war sp?terhin ein regelrechter Sommergast in der Vorder-Riss, und obgleich er sich nicht viel mit uns abgab, wurden wir Kinder ihm besonders anh?nglich.
Es war eine vielbegehrte Gunst, ihm beim Malen zuschauen zu d?rfen.
Seine Freundschaft hat meinem Vater viel gegolten, und seine Kunst hat ihn in bescheidenen Massen selber zum Schaffen angeregt.
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