Read Ebook: Die Räuberbande by Frank Leonhard
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Ebook has 2205 lines and 72664 words, and 45 pages
>>Und arbeiten sogar f?r die Weissen. Ich habe nachgesehen.<<
>>Das neue grosse Sandschiff vom roten Fischer ist nur mit einem Tau festgemacht, unterm Br?ckenbogen. Im Fr?hjahr, wenn das Hochwasser kommt, m?ssten wir halt mit seinem Schiff hier abfahren. Nur ein paar Tage den Main hinunter, in den Rhein, dann ein St?ck den Rhein hinunter und dann zu Fuss nach Hamburg. Da k?nnen wir ganz gut in vierzehn Tagen sein!<< rief die Rote Wolke, ein Waisenjunge, der bei seiner alten Tante die G?rtnerei erlernte. Er vertrug sich schlecht mit der Tante; denn er deklamierte, nachdem er einmal bei einer Vereinstheatervorstellung mitgewirkt hatte, den ganzen Tag, w?hrend er Kartoffeln hackte oder Leichenkr?nze band. >>Am ewigen Meer . . . da k?nnen wir in vierzehn Tagen sein.<< Sein Mund stand offen, rund und schwarz wie ein Mauseloch.
>>Und dann?<< fragte der Schreiber und zog l?chelnd die Augenbrauen in die H?he.
>>Dann! Was heisst das -- dann?<< rief der bleiche Kapit?n. >>Dann machen wir eben ein Segelschiff los und segeln ganz ruhig ?ber den grossen Teich.<<
>>Segelschiff los? Und die Matrosen, die darauf schlafen, und die Wachen? He? Vielleicht steht sogar der Kapit?n selbst die ganze Nacht am Steuer und blickt hinaus aufs Meer, damit sein Schiff nicht gekapert wird. Diese Sachen hab ich schon oft genug gelesen.<<
Winnetou hielt seine Hand in die Flammen und blickte, die Z?hne zusammengebissen, ?ber die R?uber weg. Langsam zog er die geschw?rzte Hand zur?ck.
>>Das werden wir schon sehen. Wir sind zw?lf M?nner<<, rief ver?chtlich der Hauptmann. >>Oder weisst du nicht, Schreiber, was ein Enterhaken ist? Das -- mein Lieber, das geht im Handumdrehen.<<
Winnetou hielt die schmerzende Hand senkrecht. >>Die Hauptsache ist, dass sich in einer einzigen Nacht in allen Urw?ldern und Pr?rien des wilden Westens bei absolut allen Indianerst?mmen die Schreckensbotschaft verbreitet, aber wie ein Lauffeuer, dass wir angekommen sind . . . Auf unsere ersten Taten kommt's an. Die m?ssen gewaltig sein und furchtbar.<<
>>Die Weiber werden nat?rlich verschont<<, schloss der bleiche Kapit?n und st?lpte die Negerlippen nach aussen.
>>Immer werden die Weiber verschont. Unsere Kontoristin darf auch immer eine halbe Stunde fr?her fortgehn<<, sagte der Schreiber. >>Gestern hab ich zum erstenmal Diktat schreiben d?rfen. Das macht gew?hnlich nur unser Bureauvorsteher.<<
>>Gott, Diktaaat . . . Beim Lumpenh?ndler Ei gibt's kolossale alte Revolver. Die k?nnen wir dr?ben gut brauchen.<<
>>Meinst, dass man davon ein paar aush?ngen kann?<<
>>Ich glaub, das wird schwer gehn. Aber wen man damit trifft, der is total tot.<<
Winnetou nahm ein gl?hendes Holzst?ckchen in die Hand, presste sie zur Faust -- und z?hlte leise f?r sich bis neun, schleuderte das schwarzgewordene Holz ins Feuer zur?ck und erz?hlte gequ?lt: >>Ins Zuchthaus k?me ich noch, hat der Kaplan vorige Woche zu meiner Mutter gesagt . . . Weil ich in der Religionsstund ein bisschen von der Schultinte f?r mein F?llfederhalter mitgenommen hab. Jetzt sperren sie mich daheim jeden Tag drei Stunden in die Holzlage . . . Ich! . . . Ich!<< Er sprang auf, dr?ckte die F?uste an die Wangen, Zorn und Scham wechselten auf seinem Gesicht. >>Ich halt's nimmer aus!<<
>>Ins Zuchthaus? . . . Das w?r doch ganz fein, wenn wir ins Zuchthaus k?men<<, sagte der Schreiber erstaunt.
Verwirrt sah Winnetou den Schreiber an, liess sich langsam nieder und blieb reglos hocken.
>>Nun ja . . . warum denn nicht.<< Der Schreiber sah fragend im Kreise herum.
Niemand antwortete. Die R?uber sahen ins flackernde Feuer. Oldshatterhand sah auf die fernen Berge, die im Mondlicht schwammen. Eine Sternschnuppe fiel in den Weltenraum. Oldshatterhand wanderte einem Gedanken nach, ?ber alle L?nder, dr?ckte den Oberk?rper einige Male angestrengt vor und zur?ck und begann stark stotternd: >>Die Erde ka . . . ka . . . kann ja gar keine Ku . . . Kugel sein, denn wenn man immer weiter geht, m?sste man herunterfallen, oder mit dem Ko . . . Kopf nach unten stehen und in die Lu . . . Lu . . . Luft hinunterst?rzen . . . Da habt ihr's, unten ist doch keine Lu . . . Luft, nur oben.<< Und er deutete hinauf, wo Stern an Stern am tiefblauen Himmel stand. >>Der Lehrer Ma . . . Mager versteht nichts. Oder wenigstens nicht viel. Die Erde ist keine Ku . . . Kugel. Sie ist flach. Nur viele Bu . . . Buckel hat sie.<<
>>Nat?rlich, und wenn man noch so weit geht, nach Russland, nach China, immer ist der Himmel oben<<, sagte der Schreiber und zuckte mit den Schultern.
>>Da!<< rief Oldshatterhand und stand schnell auf. Die R?uber blickten empor zu ihm. >>Denkt euch halt eine Ke . . . eine Ke . . . eine Ke . . . Kegelkugel -- wenn darauf ein ga . . . ganz kleiner Mensch, nur so gross wie der D?umling, nach einer Richtung immer, immer weiterl?uft, muss er doch zu . . . muss er doch zu . . . zuletzt herunterfallen. Aaalso kann die Erde auch keine Ku . . . Kugel sein. Das ist doch ganz klar. Ma . . . ma . . . meint ihr nit?<<
>>Das weiss man halt nit recht.<<
Wieder l?sten sich Sternschnuppen an mehreren Himmelsstellen und schwebten langsam und lautlos zu den im Mondlicht bebenden Bergen nieder. Vom funkelnden Nachthimmel gehalten, hing der Erdball, und als einzige Bewohner schien der R?uberkreis auf seiner stillsten und letzten H?he zu sitzen.
Ungeduldig hob Winnetou den feinen Knabenkopf, in dem die grossen Augen schwarz wie heisser Asphalt gl?nzten. >>Ach, Unsinn ist alles, was der Mager da von einer Kugel faselt . . . Wenn wir aber W?rzburg ein?schern<<, fuhr er heftig fort, >>ehe wir von hier abfahren, und du meinst, dann m?ssten wir das Herz der Stadt anz?nden, so w?re das der Vierr?hrenbrunnen, denn der ist in der Mitte. Aber der brennt doch nit.<<
>>Und das Petroooleum? Ha! Wenn nur dr?ben auch alles so glatt ginge. Da werden einfach hundert F?sser Petroleum ins Brunnenbassin gef?llt -- ich sitze nebenan im Hirschen, tue, wie wenn ich Kaffee tr?nke, und brenne die Z?ndschnur an. Es ist eine dunkle Nacht, und ehe du dich versiehst, schl?gt eine kirchturmhohe Flamme in den Himmel hinauf . . . Die erfasst gleich das Rathaus und den Platz, und, o Gott, bis die da droben ihre Kan?nle abfeuern, brennt die ganze Stadt . . . derweil wir schon l?ngst in unserm Schiff den Main hinunterfahren. Ha!<< schloss der bleiche Kapit?n und spreizte die knochigen Finger, seine hellen Perlmutteraugen gl?nzten, >>da m?sste halt mein Bruder in Amerika dabei sein. Dann ginge sicher alles glatt.<<
>>Das erste, was wir dr?ben tun, ist, dass wir deinen Bruder aufsuchen.<<
>>No, allemal.<<
Der bleiche Kapit?n hatte einen Bruder, der vor ein paar Jahren als Ingenieur nach Amerika gegangen war. Der einzige Mensch, dem sich der bleiche Kapit?n nicht ganz ebenb?rtig f?hlte, und auf den er bei jeder Gelegenheit hinwies, als auf ein nicht erreichbares Ziel.
Ehe der Amerikaner abgereist war, hatte er am Bahnhof zum bleichen Kapit?n gesagt: >>Ich komme wieder, dann reisse ich die alte Br?cke ab und baue daf?r eine hundert Meter hohe H?ngebr?cke hin, aus Eisenkonstruktion. Da werden die W?rzburgerli Maul und Augen aufreissen.<<
Alle R?uber hatten die gleiche Vorstellung von dem Amerikaner -- sie sahen ihn, weit, weit von hier, k?hn und wortkarg gewaltige Taten vollbringen; sie sahen ihn am reissenden Mississippi stehen, nur mit einer Zeichenrolle in der Hand: er blickt auf die Zeichnung und streckt den Finger aus -- da st?rzen seine siebentausend Leute sich auf Eisenschienen und Tr?ger, und alsbald steht ein gigantischer Br?ckenbogen im Mississippi.
Wortkarg besteigt der Amerikaner den Mustang und reitet durch die Wildnis zur?ck zu seinem Blockhaus.
>>Die Schule geht in Flammen auf<<, sagte der Schreiber und hob die Arme. >>Und Lehrer Mager verbrennt zu nichts. Hi!<<
>>Nein, Schreiber, ?ber den wird endlich einmal Gericht gehalten. Der wird ganz einfach gefesselt und in den Festungsgraben geschleppt. Da wird er ausgezogen und an einen Baumstamm gebunden . . . An den wilden Birnbaum dort. Dann wird er gemartert, sieben Stunden lang. ?berhaupt die ganze Brandnacht durch. Aber . . . wir lassen ihn am Leben. Wir hetzen ihn lieber nackt durch die brennende Stadt.<<
>>Letzthin bin ich mit Sa . . . Seidel zum Lehrer gegangen, um die korri . . . um die korri . . . korrigierten Schulhefte abzuholen. Seidel hat einen A . . . A . . . Apfel kriegt, ich eine Ohrfeige, waaa . . . weil so viel Fehler in mein Aufsatz waren. Und die Hefte hab ich auch nit helf tr . . . tr . . . trag d?rf.<<
>>Warum gehst du auch mit dem Seidel zum Mager. Der ist doch sein Liebling. G'schieht dir ganz recht.<<
>>Ich wollt halt auch einmal die He . . . die He . . . Hefte trag . . . Dann weiss ich aber noch einen, de . . . de . . . der gemartert werden muss. Meee . . . Meee . . . Mechaniker Tr . . . Tr . . . Tr . . . Tritt!<< schrie Oldshatterhand w?tend.
>>Und die anst?ndigen Leute, es gibt ja sowieso nur ein paar in W?rzburg<<, sagte sinnend der bleiche Kapit?n, >>die werden vorher durch Briefe aufgefordert, ihre Kostbarkeiten zusammenzuraffen und mit Weib und Kind aus der Stadt zu fliehen . . . Alles was recht ist.<<
>>Zum Beispiel dem Rat H?berlein schreiben wir vorher einen Brief. Der hat mich gestern abend sein Garten giessen lassen.<<
>>Am Silbersee m?ssen wir unser Blockhaus bauen. Der liegt inmitten von Pr?rien und Urw?ldern<<, sagte die Rote Wolke und deutete weit hinaus.
>>Einmal kann ich ja meiner Schwester z . . . zwei Pa . . . Pa . . . Papageienfl?gel schicken? F?r ihren H . . . Hut<<, sagte Oldshatterhand. >>Gr? . . . gr?ne vielleicht.<<
>>Wenn sie nicht umgekommen ist in der Brandnacht.<<
>>Die, die . . . muss einen Brief bekommen!<< rief Oldshatterhand erschrocken und gab die Friedenspfeife weiter.
>>Wer von uns seine Familie schonen will, kann ja einen Brief schreiben, ich tu's nit<<, sagte der bleiche Kapit?n, tat die drei vorgeschriebenen Z?ge aus der Friedenspfeife und sagte monoton in tiefem Bass: >>Falkenauge<<, reichte das qualmende Schilfrohr seinem Nachbarn, stand auf und ?bte mit einem Sandowmuskelspanner.
Falkenauge blickte mit dem einen Auge aufs glimmende Schilfrohr, w?hrend das andere gespenstisch und interesselos nach rechts blickte. Es war ein Glasauge.
Eine Kirchturmuhr begann zu schlagen, eine entfernte geiferte d?nn und schnell dazwischen, andere mit tiefen T?nen setzten ein; der Zusammenklang w?hrte eine Weile. Da hub die Domuhr voll und dunkel an zu schlagen: t?m . . . t?m . . . t?m . . . zw?lf Schl?ge in die tiefe Nachtstille.
>>Nach den Sta . . . tatata . . . tuten m? . . . ssen wir jetzt den heutigen Ra . . . Raubzug beginnen. Oldshatterhand haaa . . . t ge . . . sp . . . sprochen.<<
Der Schreiber unterdr?ckte das Lachen. Winnetou gab ihm einen Rippenstoss. Oldshatterhand err?tete und heftete seine wutfunkelnden Augen auf den Schreiber.
Da erschien auf dem Bergr?cken pl?tzlich eine grosse, dunkle Gestalt, die sich lautlos reckte und schnell wieder zusammenduckte, als ein R?uber den Kopf hob.
>>Mit Gott denn!<< rief der bleiche Kapit?n.
Die R?uber sprangen auf und tanzten, schwerf?llig von einem Fusse auf den anderen h?pfend, im Kreis um das Lagerfeuer herum und sangen ged?mpft und monoton dazu:
>>Tsching tschang, tsching tschang, bumbetewitschki, Nang kang killewi, nang kang killewi, Tsching tschang, tsching tschang, bumbetewitschki, Nang kang killewi wau.<<
Der bleiche Kapit?n reckte die Hand in den Nachthimmel -- die R?uber standen in ihrer momentanen Stellung still. Die Hand des bleichen Kapit?ns sank, und die R?uber st?rzten, den bequemen Weg, der aus dem Graben f?hrte, verachtend, zur Mauer, krabbelten hinauf, schlichen vor bis zum Bergrand und riefen: >>Weh dir!<< zur Stadt hinunter.
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