Read Ebook: In Stahlgewittern aus dem Tagebuch eines Stoßtruppführers by J Nger Ernst
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Ebook has 927 lines and 70237 words, and 19 pages
In Stahlgewittern Aus dem Tagebuch eines Stosstruppf?hrers
Von Ernst J?nger
Kriegsfreiwilliger, dann Leutnant und Kompagnief?hrer im F?s. Regt. Prinz Albrecht v. Preussen Leutnant im Reichswehr-Regiment Nr. 16
Dritte Auflage 6.--8. Tausend
Zur Erinnerung an meine gefallenen Kameraden.
Herrn Hermann Stegemann in Verehrung gewidmet
Alle Rechte aus dem Gesetze vom 19. Juni 1901 sowie das ?bersetzungsrecht sind vorbehalten
Vorwort.
Noch wuchtet der Schatten des Ungeheuren ?ber uns. Der gewaltigste der Kriege ist uns noch zu nahe, als dass wir ihn ganz ?berblicken, geschweige denn seinen Geist sichtbar auskristallisieren k?nnen. Eins hebt sich indes immer klarer aus der Flut der Erscheinungen: Die ?berragende Bedeutung der Materie. Der Krieg gipfelte in der Materialschlacht; Maschinen, Eisen und Sprengstoff waren seine Faktoren. Selbst der Mensch wurde als Material gewertet. Die Verb?nde wurden wieder und wieder an den Brennpunkten der Front zur Schlacke zergl?ht, zur?ckgezogen und einem schematischen Gesundungsprozess unterworfen. >>Die Division ist reif f?r den Grosskampf.<<
Das Bild des Krieges war n?chtern, grau und rot seine Farben; das Schlachtfeld eine W?ste den Irrsinns, in der sich das Leben k?mmerlich unter Tage fristete. Nachts w?lzten sich m?de Kolonnen auf zermahlenen Strassen dem brandigen Horizont entgegen. >>Licht aus!<< Ruinen und Kreuze s?umten den Weg. Kein Lied erscholl, nur leise Kommandoworte und Fl?che unterbrachen das Knirschen der Riemen, das Klappern von Gewehr und Schanzzeug. Verschwommene Schatten tauchten aus den R?ndern zerstampfter D?rfer in endlose Laufgr?ben.
Nicht wie fr?her umrauschte Regimentsmusik ins Gefecht ziehende Kompagnien. Das w?re Hohn gewesen. Keine Fahnen schwammen wie einst im Pulverdampf ?ber zerhackten Karrees, das Morgenrot leuchtete keinem fr?hlichen Reitertage, nicht ritterlichem Fechten und Sterben. Selten umwand der Lorbeer die Stirn des W?rdigen.
Und doch hat auch dieser Krieg seine M?nner und seine Romantik gehabt! Helden, wenn das Wort nicht wohlfeil geworden w?re. Draufg?nger, unbekannte, eherne Gesellen, denen es nicht verg?nnt war, vor aller Augen sich an der eigenen K?hnheit zu berauschen. Einsam standen sie im Gewitter der Schlacht, wenn der Tod als roter Ritter mit Flammenhufen durch wallende Nebel galoppierte. Ihr Horizont war der Rand eines Trichters, ihre St?tze das Gef?hl der Pflicht, der Ehre und des inneren Wertes. Sie waren ?berwinder der Furcht; selten ward ihnen die Erl?sung, dem Feinde in die Augen blicken zu k?nnen, nachdem alles Schreckliche sich zum letzten Gipfel get?rmt und ihnen die Welt in blutrote Schleier geh?llt hatte. Dann ragten sie empor zu brutaler Gr?sse, geschmeidige Tiger der Gr?ben, Meister des Sprengstoffs. Dann w?teten ihre Urtriebe mit kompliziertesten Mitteln der Vernichtung.
Doch auch wenn die M?hle des Krieges ruhiger lief, waren sie bewundernswert. Ihre Tage verbrachten sie in den Eingeweiden der Erde, vom Schimmel umwest, gefoltert vom ewigen Uhrwerk fallender Tropfen. Wenn die Sonne hinter gezackten Schattenrissen von Ruinen versankt, entklirrten sie dem Pesthauch schwarzer H?hlen, nahmen ihre W?hlarbeit wieder auf oder standen, eiserne Pfeiler, n?chtelang hinter den W?llen der Gr?ben und starrten in das kalte Silber zischender Leuchtkugeln. Oder sie schlichen als J?ger ?ber klickenden Draht in die ?de des Niemandslandes. Oft zerrissen j?he Blitze das Dunkel, Sch?sse knallten und ein Schrei verwehte ins Unbekannte. So arbeiteten und k?mpften sie, schlecht verpflegt und bekleidet, als geduldige, eisenbeladene Tagel?hner des Todes.
Manchmal kamen sie zur?ck, standen vertr?umt auf den Asphaltmeeren der St?dte und schauten ungl?ubig auf das Leben, das strudelnd in seinen gewohnten Bahnen floss. Dann st?rzten sie sich hinein, um keine Minute der kurzen Tage ungen?tzt verfliessen zu lassen, tranken und k?ssten. Mit der ihnen Lebensform gewordenen R?cksichtslosigkeit schwangen sie in tollen N?chten den Becher, bis ihnen die Welt versank. Da liess man die gefallenen Freunde leben und schierte sich den Teufel um den n?chsten Tag. Und dann ging es wieder auf den gewohnten Strassen der Brandung zu.
Das war der deutsche Infanterist im Kriege. Gleichviel wof?r er k?mpfte, sein Kampf war ?bermenschlich. Die S?hne waren ?ber ihr Volk hinausgewachsen. Mit bitterem L?cheln lasen sie das triviale Zeitungsgew?sch, die ausgelaugten Worte von Helden und Heldentod. Sie wollten nicht diesen Dank, sie wollten Verst?ndnis. Kein Dank kann gross genug sein. Ein Bild: der h?chste Alpengipfel, ausgehauen zu einem Gesicht unter wuchtendem Stahlhelm, das still und ernst ?ber die Lande schaut, den deutschen Rhein hinunter aufs freie Meer. -- Einst wird kommen der Tag . . .
Der Zweck dieses Buches ist, dem Leser sachlich zu schildern, was ein Infanterist als Sch?tze und F?hrer w?hrend des grossen Krieges inmitten eines ber?hmten Regimentes erlebt, und was er sich dabei gedacht hat. Es ist entstanden aus dem in Form gebrachten Inhalt meiner Kriegstageb?cher. Ich habe mich bem?ht, meine Impressionen m?glichst unmittelbar zu Papier zu bringen, weil ich merkte, wie rasch sich die Eindr?cke verwischen und wie sie schon nach wenigen Tagen eine andere F?rbung annehmen. Es erforderte Energie, diesen Stapel von Notizb?chern zu f?llen, in den kurzen Pausen des Geschehens, nach dem Tagewerk der Front, beim tr?ben Licht einer Kerze, auf den Treppen schmaler Stollenh?lse, in zeltverhangenem Trichter oder feuchten Kellern von Ruinen; indes es hat sich gelohnt. Ich habe mir die Frische der Erlebnisse gewahrt. Der Mensch neigt zur Idealisierung des Geleisteten, zur Vertuschung des H?sslichen, Kleinlichen und Allt?glichen. Unmerklich stempelt er sich zum >>Helden<<.
Ich bin kein Kriegsberichterstatter, ich lege keine Helden-Kollektion vor. Ich will nicht beschreiben, wie es h?tte sein k?nnen, sondern wie es war.
Iliacos muros peccatur intra et extra. Der Grad der Sachlichkeit eines solchen Buches ist der Massstab seines inneren Wertes. Der Krieg setzt sich wie alle menschlichen Handlungen aus Gut und B?se zusammen. Nur treten hier, wo sich die Kraft von V?lkern aufs H?chste steigert, die Gegens?tze noch greller hervor als sonst. Neben gipfelnden Werten g?hnen dunkelste Abgr?nde. Da, wo ein Mensch die beinah g?ttliche Stufe der Vollkommenheit erreicht, die selbstlose Hingabe an ein Ideal bis zum Opfertode, findet sich ein anderer, der dem kaum Erkalteten gierig die Taschen durchw?hlt. Von grossen Worten Berauschte brechen im Moment der Gefahr elend zusammen. M?nner, deren Gesinnung wie ein Fels schien, stellen sich in entscheidender Stunde >>auf den Boden der Tatsachen<<, ohne den Degen zu ziehen, der sonst so schallend gerasselt. Andere durchschwelgen die N?chte, in denen fernes Rot am Himmel glutet und leises Dr?hnen mahnend an die Fenster schl?gt.
Das muss gesagt werden. Um so gl?nzender hebt sich aus diesem dunkeln Hintergrunde der wahre Mann, der unscheinbare, echte, vom Geist getriebene Krieger, der seine Pflicht tat, am letzten Tage wie am ersten. Was war dagegen der Rausch von 1914? Eine Massensuggestion! Und doch, wie viele habe ich kennengelernt, die unter dem grauen Tuch ein Herz von Gold und einen Willen von Stahl bargen, eine Auslese der T?chtigsten, die sich dem Tode in die Arme warf -- mit stets gleichbleibender Freudigkeit. Ob ihr gefallen seid auf freiem Felde, das arme, von Blut und Schmutz entstellte Gesicht dem Feinde zu, ?berrascht in dunklen H?hlen oder versunken im Schlamm endloser Ebenen, einsame, kreuzlose Schl?fer; das ist mir Evangelium: Ihr seid nicht umsonst gefallen. Wenn auch vielleicht das Ziel ein anderes, gr?sseres ist, als ihr ertr?umtet. Der Krieg ist der Vater aller Dinge. Kameraden, euer Wert ist unverg?nglich, Euer Denkmal tief in den Herzen eurer Br?der, die mit Euch standen, vom flammenden Ringe umschlossen. Legten wir nicht weisse B?nder auf eure Wunden und sahen in eure brechenden Augen, als euch der Vorhang der Ewigkeit hochrauschte?
M?ge dies Buch dazu beitragen, eine Ahnung zu geben von dem, was ihr geleistet. Wir haben viel, vielleicht alles, auch die Ehre verloren. Eins bleibt uns: die ehrenvolle Erinnerung an euch, an die herrlichste Armee, die je die Waffen trug und an den gewaltigsten Kampf, der je gefochten wurde. Sie hochzuhalten inmitten dieser Zeit weichlichen Gewinsels, der moralischen Verk?mmerung und des Renegatentums ist stolzeste Pflicht eines jeden, der nicht nur mit Gewehr und Handgranate, sondern auch mit lebendigem Herzen f?r Deutschlands Gr?sse k?mpfte.
Vorwort zur 2. Auflage.
Schneller als gedacht, wurde eine zweite Auflage Bed?rfnis. Aus Zuschriften und Gespr?chen ersah ich, dass der Zweck des Buches erreicht, der Geist der Leute am Feind getroffen war. Wer sollte ihn auch besser treffen als einer, der vier Jahre lang in allen L?chern und H?hlen der Westfront in ihrem Kreise hockte?
Dies Interesse f?r das Geschehen einer Zeit, die uns zu Boden hagelte, ist von Bedeutung. Das Volk im ganzen hat nicht den Willen, das zu verleugnen, wof?r Unz?hlige fielen. Der Krieg ist eine Sache, an der alle beteiligt sind. Sind zur Stunde noch die Nerven ersch?ttert vom Grauenhaften seiner ?usseren Gestaltung, so wird er sp?teren Generationen vielleicht erscheinen wie manche Kreuzigungsbilder alter Meister: Als grosser Gedanke, der Nacht und Blut ?berstrahlt. Dann wird man wohl auch mit R?hrung an uns zur?ckdenken, an uns und die Hoffnungen und Gef?hle, die unsere Brust durchzuckten, als wir im Dunkel durch br?llende W?sten irrten.
Oder sollten Str?mungen unserer Zeit dann schon so reissend geworden sein, dass niemand mehr versteht, wie wir das Leben geringer achten konnten als unsere Idee?
Ich kann es nicht glauben.
Inhaltsverzeichnis.
Vorwort Orainville Von Bazancourt bis Hattonch?tel Les Eparges Douchy und Monchy Vom t?glichen Stellungskampf Der Auftakt zur Somme-Offensive Guillemont Am St. Pierre-Vaast Der Somme-R?ckzug Im Dorfe Fresnoy Gegen Inder Langemarck Regni?ville Noch einmal Flandern Die Cambraischlacht Am Cojeul-Bach Die grosse Schlacht Englische Vorst?sse Mein letzter Sturm
Orainville.
Der Zug hielt in Bazancourt, einem St?dtchen der Champagne. Wir stiegen aus. Mit ungl?ubiger Ehrfurcht lauschten wir dem langsamen Takte des Walzwerkes der Front, einer Melodie, die uns in langen Jahren Gewohnheit werden sollte. Ganz weit zerfloss der weisse Ball eines Schrapnells im grauen Dezemberhimmel. Der Atem des Kampfes wehte her?ber und liess uns seltsam erschauern. Ahnten wir, dass fast alle von uns verschlungen werden sollten an Tagen, in denen das dunkle Murren dahinten aufbrandete zu unaufh?rlich rollendem Donner? Der eine fr?her, der andere sp?ter?
Wir hatten H?rs?le, Schulb?nke und Werktische verlassen und waren in den kurzen Ausbildungswochen zusammengeschmolzen zu einem grossen, begeisterten K?rper, Tr?ger des deutschen Idealismus der nachsiebziger Jahre. Aufgewachsen im Geiste einer materialistischen Zeit, wob in uns allen die Sehnsucht nach dem Ungew?hnlichen, nach dem grossen Erleben. Da hatte uns der Krieg gepackt wie ein Rausch. In einem Regen von Blumen waren wir hinausgezogen in trunkener Morituri-Stimmung. Der Krieg musste es uns ja bringen, das Grosse, Starke, Feierliche. Er schien uns m?nnliche Tat, ein fr?hliches Sch?tzengefecht auf blumigen, blutbetauten Wiesen. Kein sch?nrer Tod ist auf der Welt . . . . Ach, nur nicht zu Haus bleiben, nur mitmachen d?rfen!
>>In Gruppenkolonne antreten!<< Die erhitzte Phantasie beruhigte sich beim Marsche durch den schweren Lehmboden der Champagne. Tornister, Patronen und Gewehr dr?ckten wie Blei. >>Kurztreten. Aufbleiben dahinten!<<
Ach, zu des Geistes Fl?geln wird so bald Kein k?rperlicher Fl?gel sich gesellen!
Endlich erreichten wir das Dorf Orainville, den Ruheort des F?silier-Regiments 73, eins der typischen Nester jener Gegend, gebildet durch 50 H?uschen aus Ziegel- oder Kreidesteinen um einen parkumschlossenen Herrensitz.
Das Treiben auf der Dorfstrasse bot den kulturgewohnten Augen einen fremden Anblick. Man sah nur wenige scheue und zerlumpte Zivilisten; ?berall Soldaten in abgetragenen, zerschlissenen R?cken mit wettergegerbten, meist von grossen B?rten umrahmten Gesichtern, die langsamen Schrittes dahinschlenderten oder in kleinen Gruppen vor den T?ren der H?user standen und uns Neulinge mit Scherzrufen empfingen. Irgendwo stand eine nach Erbsensuppe duftende Feldk?che, von kochgeschirrklappernden Essenholern umringt. Die wallensteinsche Romantik wurde durch den beginnenden Verfall des Dorfes noch gesteigert.
Nachdem wir die erste Nacht in einer gewaltigen Scheune verbracht hatten, wurden wir im Hofe des Schlosses vom Regimentsadjutanten, dem damaligen Oberleutnant v. Brixen, eingeteilt und ich der 9. Kompagnie ?berwiesen.
Unser erster Kriegstag sollte nicht vor?bergehen, ohne uns einen entscheidenden Eindruck zu hinterlassen: Wir sassen in der uns als Quartier angewiesenen Schule und fr?hst?ckten. Pl?tzlich dr?hnte eine Reihe dumpfer Ersch?tterungen in der N?he, w?hrend aus allen H?usern Soldaten dem Dorfeingang zust?rzten. Wir befolgten dies Beispiel, ohne recht zu wissen warum. Wieder ert?nte ein eigenartiges, nie geh?rtes Flattern und Rauschen ?ber uns und ertrank in polterndem Krachen. Ich wunderte mich, dass die Leute um mich sich zusammenduckten wie unter furchtbarer Drohung.
Gleich darauf erschienen schwarze Gruppen auf der menschenleeren Dorfstrasse, in Zeltbahnen oder auf den verschr?nkten H?nden schwarze B?ndel schleppend. Mit einem merkw?rdig beklommenen Gef?hl der Unwirklichkeit starrte ich auf eine blut?berstr?mte Gestalt mit lose am K?rper herabh?ngendem Bein, die unaufh?rlich ein heiseres >>Zu Hilfe!<< hervorstiess und in ein Haus getragen wurde, von dessen Eingang die Rote-Kreuz-Flagge herabwehte. -- Was war das nur? Der Krieg hatte seine Krallen gezeigt und die gem?tliche Maske abgeworfen. Das war so r?tselhaft, so unpers?nlich. Kaum, dass man dabei an den Feind dachte, dieses geheimnisvolle, t?ckische Wesen irgendwo dahinten. Das v?llig ausserhalb der Erfahrung liegende Ereignis machte einen so starken Eindruck, dass es M?he kostete, die Zusammenh?nge zu begreifen. Es war wie eine gespenstische Erscheinung am hellen Mittag.
Eine Granate war oben am Portal des Schlosses krepiert und hatte eine Wolke von Steinen und Sprengst?cken in den Eingang geschleudert, gerade, als die durch die ersten Sch?sse aufgeschreckten Insassen aus dem Torweg str?mten. Sie erschlug 13 Opfer, darunter den Musikmeister Gebhard, eine mir von den hannoverschen Promenaden-Konzerten her wohlbekannte Erscheinung. Ein angebundenes Pferd witterte die Gefahr eher als die Menschen, riss sich wenige Sekunden vorher los und galoppierte, ohne verletzt zu werden, in den Schlosshof.
Im Gespr?ch mit meinen Kameraden merkte ich, dass dieser Zwischenfall manchem die Kriegsbegeisterung sehr ged?mpft hatte. Dass er auch auf mich stark gewirkt hatte, ersah ich aus zahlreichen Geh?rst?uschungen, die mir das Rollen jedes vor?berfahrenden Wagens in das fatale Ger?usch der Ungl?cks-Granate verwandelten.
Am Abend desselben Tages kam der lang ersehnte Augenblick, in dem wir, schwer bepackt, zur Kampfstellung aufbrachen. Durch die aus phantastischem Halbdunkel ragenden Ruinen des Dorfes Betricourt f?hrte unser Weg nach einem einsamen, in Tannenwaldungen versteckten Forsthause, der sogenannten >>Fasanerie<<, wo die Regiments-Reserve lag, der bis zu dieser Nacht auch die dort liegende 9. Kompagnie angeh?rte. Ihr F?hrer war der Leutnant d. R. Brahms.
Wir wurden in Empfang genommen, auf die Gruppen verteilt und befanden uns bald im Kreise b?rtiger, lehmbekrusteter Gesellen, die uns mit einem gewissen ironischen Wohlwollen begr?ssten. Wir wurden gefragt, wie es in Hannover auss?he, und ob der Krieg denn noch nicht bald zu Ende gehen sollte. Dann drehte sich das Gespr?ch in eint?niger K?rze um Schanzen, Feldk?che, Grabenst?cke und andere Angelegenheiten den Stellungskrieges.
Nach einiger Zeit erscholl vor der T?r unseres h?ttenartigen Aufenthaltes der Ruf: >>Heraustreten!<< Wir traten bei unseren Gruppen an und stiessen auf das Kommando: >>Laden und Sichern!<< mit geheimer Wollust einen Rahmen scharfer Patronen ins Magazin.
Dann ging es schweigend Mann hinter Mann querbeet durch die n?chtliche, von dunklen Waldst?cken bes?te Landschaft. Ab und zu verhallte ein einsamer Schuss, oder eine Leuchtkugel strahlte zischend auf, um nach kurzer, geisterhafter Beleuchtung eine noch tiefere Dunkelheit zu hinterlassen. Monotones Klappern von Gewehr und Schanzzeug durch den Warnungsruf: >>Achtung, Draht!<< unterbrochen. Wie oft bin ich nach diesem erstenmal in halb melancholischer, halb erregter Stimmung durch ausgestorbene Landschaften zur vorderen Linie geschritten!
Endlich verschwanden wir in einem der Laufgr?ben, die sich wie weisse Schlangen durch die Nacht zur Stellung wanden. Dort fand ich mich einsam und fr?stelnd zwischen zwei Schulterwehren wieder, angestrengt in eine vorm Graben liegende Tannenreihe starrend, in der meine Phantasie mir allerhand Schattengestalten vorgaukelte, w?hrend ab und zu eine verirrte Kugel durchs Ge?st klatschte. Die einzige Abwechslung in dieser schier endlosen Zeit war, dass ich von einem ?lteren Kameraden abgeholt wurde und mit ihm durch einen langen, schmalen Gang zu einem vorgeschobenen Postenloch trottete, in dem wir wiederum damit besch?ftigt waren, das Vorgel?nde zu betrachten. Zwei Stunden durfte ich in einem kahlen Kreideloche versuchen, den Schlaf der Ersch?pfung zu finden. Als der Morgen graute, war ich bleich und lehmbeschmiert wie die anderen, und es war mir, als ob ich dieses Maulwurfsleben schon monatelang gef?hrt h?tte.
Die Stellung des Regiments wand sich durch den Kreidebogen der Champagne gegen?ber dem Dorfe Le Gauda. Sie lehnte sich rechts an ein zerhacktes Waldst?ck, den Granat-Wald, lief dann durch riesige Zuckerr?benfelder, aus denen die roten Hosen gefallener St?rmer leuchteten, und endete in einem Bachgrund, ?ber den die Verbindung mit dem Regiment 74 durch n?chtliche Patrouillen aufrechterhalten wurde. Der Bach rauschte ?ber das Wehr einer zerst?rten, von finsteren B?umen umringten M?hle. Ein unheimlicher Aufenthalt, wenn nachts der Mond durch zerrissene Wolken wechselnde Schatten warf, und seltsame Laute in das Murmeln des Wassers und das Rascheln des Schilfes sich zu mischen schienen.
Der Dienst war der denkbar anstrengendste. Das Leben begann mit dem Einbruch der D?mmerung, w?hrend der die ganze Besatzung im Graben stehen musste. Von 10 Uhr abends bis 6 Uhr morgens durften dann je zwei Mann jeder Gruppe schlafen, so dass man einen Nachtschlaf von zwei Stunden genoss, der indes durch fr?heres Wecken, Strohholen und andere Besch?ftigungen illusorisch gemacht wurde.
Entweder hatte man Wache im Graben, oder man zog in eins der zahlreichen Postenl?cher, die mit der Stellung durch lange, ausgehobene Verbindungswege zusammenhingen; eine Art der Sicherung, die wegen der Exponiertheit der Posten im Laufe des Stellungskrieges bald aufgegeben wurde.
Diese endlosen, furchtbar erm?denden Nachtwachen waren bei klarem Wetter und selbst bei Frost noch ertr?glich, sie wurden jedoch qualvoll, wenn es, wie meist im Januar, regnete. Wenn die Feuchtigkeit erst die ?ber den Kopf gezogene Zeltbahn, dann Mantel und Uniform durchdrang und stundenlang am K?rper herunterrieselte, geriet man in eine Stimmung, die selbst durch das Rauschen der heranwatenden Abl?sung nicht erhellt werden konnte. Die Morgend?mmerung beleuchtete ersch?pfte, kreidebeschmierte Gestalten, die sich z?hneklappernd mit bleichen Gesichtern auf das faule Stroh der tropfenden Unterst?nde warfen. Diese Unterst?nde! Es waren nach dem Graben zu offene, in die Kreide gehauene L?cher mit einer Lage von Brettern und einigen Schaufeln Erde bedeckt. Hatte es geregnet, so tropften sie noch tagelang nachher; ein gewisser Galgenhumor hatte sie deshalb mit entsprechenden Namen, wie >>Tropfsteinh?hle<<, >>Zum M?nnerbad<< usw., bezeichnet. Wollten mehrere darin der Ruhe pflegen, so waren sie gezwungen, ihre Beine als unfehlbare Fussangeln f?r jeden Vor?bergehenden in den Graben zu legen. Unter diesen Umst?nden war nat?rlich auch tags?ber von Schlaf wenig die Rede. Ausserdem musste man noch zwei Stunden Tagesposten stehen, den Graben reinigen, Essen, Kaffee, Wasser holen und anderes mehr.
Man wird begreifen, dass dieses ungewohnte Leben uns sehr hart vorkam, besonders da wir dazu von den meisten der alten Leute in jeder Weise schikaniert wurden. Diese aus der Kaserne in den Krieg mitgenommene Gewohnheit trug viel dazu bei, uns die schweren Tage noch mehr zu verbittern, verschwand aber nach der ersten zusammen bestandenen Schlacht. Dem gemeinen Mann war auch die Tatsache, dass wir uns freiwillig gemeldet hatten, schwer verst?ndlich. Er sah das als einen gewissen ?bermut an, eine Auffassung, der ich im Kriege oft begegnet bin.
Die Zeit, w?hrend der die Kompagnie in Reserve lag, war nicht viel besser. Wir hausten dann in tannenzweiggedeckten Erdh?tten bei der Fasanerie oder im Hiller-W?ldchen, deren mistbepackter Boden wenigstens eine angenehme G?rungsw?rme ausstrahlte. Manchmal erwachte man in einer zolltiefen Wasserpf?tze. Trotzdem ich Rheumatismus bislang nur dem Namen nach gekannt hatte, sp?rte ich schon nach wenigen Tagen infolge der dauernden Durchn?ssung Schmerzen in allen Gelenken. Die N?chte dienten auch hier nicht dem Schlaf, sondern wurden benutzt, die zahlreichen Ann?herungsgr?ben zu vertiefen.
Ein Lichtblick in diesem ?den Einerlei war die allabendliche Ankunft der Feldk?che an der Ecke des Hiller-W?ldchens, wo sich bei der ?ffnung des Kessels ein k?stlicher Duft nach Erbsen mit Speck oder anderen herrlichen Sachen verbreitete. Aber auch hier gab es einen dunklen Punkt: das D?rrgem?se, das von entt?uschten Gourmets als >>Drahtverhau<< oder >>Flurschaden<< geschm?ht wurde.
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