Read Ebook: Studien und Plaudereien im Vaterland. Second Series by Stern Menco Stern Sigmon M Sigmon Martin
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Ebook has 1384 lines and 55085 words, and 28 pages
Einbildung, Louis; Einbildung, nichts mehr.
Gretchen: Schon lange habe ich gew?nscht, einmal zu sehen, wie unsere Zeitungen hergestellt werden; aber Papa hatte niemals Zeit, und allein kann eine Dame nicht gehen. Die Herren haben es darin viel besser, sie k?nnen gehen, wohin sie wollen, und k?nnen tun, was sie wollen.
Bella: Ja, die Herren haben es in allem besser.
Martha: Mama l?chelt, Mama glaubt es nicht.
Frau Meister: Nein, ich glaube es nicht. Ich kannte einmal eine junge Dame, reizend und klug wie Ihr; die sprach wie Ihr und -- handelte darnach.
Bella: Und -- Frau Meister?
Frau Meister: Und als sie ihren Irrtum einsah, war es zu sp?t.
Gretchen: Du sprichst aber heute sehr mysteri?s, liebe Mama. Entweder ist da etwas, was ernst ist oder interessant.
Frau Meister: Oder beides.
Gretchen: Bitte, liebe Mama, w?rdest Du nicht die G?te haben, uns mehr davon zu erz?hlen?
Bella: O, tun Sie es, Frau Meister, ich bitte sch?n.
Frau Meister: Ich werde Euern Wunsch erf?llen, um so lieber, da es sogar meine Pflicht ist. Nur bitte ich um Eure Geduld und auch um die Ihrige, meine Herren, wenn ich mehr Zeit gebrauchen werde, als Sie jetzt denken.
Martha: Wir wollen uns n?her zu Mama setzen; r?cken Sie n?her, Herr Otto und Herr Louis.
Frau Meister: Es war im Sommer 18 .... Staub und Hitze hatten viele Leute aus der ger?uschvollen Stadt auf das Land getrieben; auch unsere Familie hatte ihren Landsitz bezogen. Hohe, gr?ne Berge ringsum, schattiger Wald, ein lustig rinnender Bach, ein fischreicher See, und, soweit das Auge reichen konnte, eine herrliche Landschaft, ein weites, ger?umiges Sommerhaus mit einem sch?nen Garten -- das alles hatten wir, und das war genug, uns gl?cklich zu machen.
Vater und Mutter waren in diesem Sommer besonders gl?cklich; denn Martha, ihre ?lteste Tochter, lebte nun nach ihrem Wunsche und war heiterer geworden, als sie sonst war. Sie war nicht mehr so oft allein, sondern ging in Gesellschaften und nahm oft teil an den Spazierg?ngen und Ausfl?gen.
Sie war sonst immer gut, war gehorsam und liebevoll gegen die Eltern, sorgsam f?r ihre jungen Geschwister und freundlich gegen alle, so dass man von allen, die sie kannten, nur eines h?rte: Sie ist sch?n und lieb, wie ein Engel; wie schade, dass sie selbst nicht ganz gl?cklich ist!
Und alle dachten und fragten oft: Was mag es wohl sein, dass sie so traurig ist, dass sie oft so melancholisch aus ihren sch?nen, grossen Augen sieht?
Alles dieses war aber in jenem Sommer ganz anders. Martha war heiter, so heiter, wie alle anderen jungen Leute der Gesellschaft.
Unter den jungen Herren aber waren zwei besonders interessant; es waren zwei Deutsche. Sie hatten ihre Studien beendet auf einer deutschen Universit?t, hatten eine Reise um die Welt unternommen, hatten sogar Afrika durchreist, waren in Pal?stina, in ?gypten, auch in China und Indien gewesen und waren nun hier, um Amerika zu sehen und zu studieren.
Sie brachten Briefe und Empfehlungen von guten Freunden unseres Vaters und waren gerne in unserer Familie gesehen, und auch sie versuchten, uns angenehm und n?tzlich zu sein.
Wir h?rten besonders gern, wenn sie von ihren Reisen erz?hlten; denn sie erz?hlten interessant und sie selbst waren es.
Der eine von ihnen war etwas schw?rmerisch, viele sagten: poetisch, wie wir es oft sehen bei Deutschen; und Martha h?rte ihm immer aufmerksam zu, wenn er seine Ideen ?ber das Leben, ?ber L?nder und Menschen aussprach.
Besonders aber bewunderte er die Frauen dieses Landes und oft h?rten wir ihn sagen: Durch viele L?nder der Erde bin ich gereist; aber unter den Frauen aller Nationen sah ich keine, die so sch?n waren oder kl?ger oder edler, als die Frauen dieses Landes.
Wir alle h?rten das gerne; denn wir wussten, es war sein Ernst.
Wenn wir ausgingen, so folgte Schwester Martha stets seiner Einladung und ging an seinem Arme. -- Sch?ne Tage vergingen so, und waren wir abends m?de vom Vergn?gen des Tages, so w?nschten wir doch den n?chsten Morgen herbei mit seinen neuen Freuden.
An einem Tage waren wir nach einem nahen Walde gegangen. Schattige K?hle wehte uns entgegen und Wohlgeruch; wir h?rten das Lispeln der hohen B?ume und das Konzert der kleinen S?nger. Auf dem gr?nen Teppich gingen wir fr?hlich dahin, pfl?ckten hier und da ein Blatt oder eine Beere und hatten bald die Welt ausserhalb des Waldes vergessen.
Auch mit Martha war es so. Sie war froh heute, ganz froh; ja, sie war noch heiterer als sonst und sang und sprang mit uns bald hierher, bald dorthin.
Dann lagerten wir uns auf einem freien Platze und hielten unser Mahl, h?rten Anekdoten, Geschichten und R?tsel. Wir beendeten das Mahl, erhoben uns, gingen in den Wald, suchten Gr?ser und Blumen, und so kam es, dass wir uns bald zerstreut hatten.
Ich war mit einer Freundin gegangen; wir hatten seltene Pflanzen gefunden; als wir m?de waren, setzten wir uns nieder und lasen aus einem Buche.
Wenige Minuten sassen wir, da h?rten wir ein Lachen. Da kommt Martha auch, sagte ich zu meiner Freundin; und richtig! -- da kam sie und rannte wie ein Reh; hinter ihr her kam aber ihr Begleiter, der deutsche Herr; er wollte sie haschen, aber er konnte es nicht.
Sie sind schneller, als ich, rief er. Sie s?umte eine Minute; er wollte sie fassen; aber schnell war sie wieder entwischt und er hielt nur ein Band in seiner Hand. -- Sachte, mein Freund, sachte; so schnell f?ngt man mich nicht, rief sie und lachte in solch' herzlichem Tone.
Er folgte ihr nach. -- Ah, sehen Sie? Sie k?nnen mich nicht fangen!
Aber ich muss, sagte er.
Wenn ich will, sagte sie; nun wohl, hier will ich halten; ich werde mich auf diese Schaukel setzen; sie h?ngt so sch?n zwischen diesen grossen m?chtigen B?umen.
Schaukeln Sie mich, Herr Doktor, -- und sie sass schon, und er schwang sie, dass sie hoch hinauf flog. Es war ein herrliches Bild, wie sie in den L?ften schwebte.
So, das ist genug, rief sie endlich, -- sehen Sie? Dort ist eine Quelle, eine Heilquelle, und das Wasser darin ist weit und breit ber?hmt; so sprechend, sprang sie zur Erde und beide gingen zur Quelle.
Was sie sprachen, konnte ich nicht h?ren; ich sah nur, wie sie dort standen, und wie er dann kniete, -- und ich glaubte damals, um Wasser zu sch?pfen.
Der Tag endete so froh, wie er begonnen.
Der n?chste Tag war ein Samstag. Es war tr?be, und der Regen fiel in Str?men herab. Ich sass am Fenster und sah die dicken Tropfen am Fenster-Glase herunterfliessen. Ich sah auf die Strasse und lachte, wenn dann und wann ein Mann schnell vor?ber rannte. Sonst war alles ?de, -- auch in unserm Hause. -- Martha sah ich den ganzen Tag nicht einmal; sie w?re ein wenig unwohl, liess sie sagen, und h?tte keinen Appetit.
Sonntag kam, die Sonne schien wieder ein wenig. Die Glocke l?utete zur Kirche. Da sah ich Schwester Martha wieder zum ersten Male; sie war nicht mehr dieselbe.
Bist Du wieder wohl, liebe Martha, rief ich ?ngstlich?
Danke, Schwester, ich bin wohl, antwortete sie und l?chelte ernst. Ihr L?cheln war so eigent?mlich, und in ihrer Stimme lag ein fremder Ton.
Wir gingen zur Kirche. So inniglich sang heute Martha, so inniglich betete sie heute! Thr?nen rollten aus ihren Augen, und sie h?rte aufmerksam auf die Predigt des Geistlichen.
Ich erinnere mich der Predigt noch heute. Der Text war: Lucas 18, Vers 29 u. 30.
>>Er aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage Euch, es ist niemand, der ein Haus verl?sst oder Eltern oder Br?der oder Weib oder Kinder, um des Reiches Gottes willen, der es nicht vielf?ltig wieder empfange in dieser Zeit und in der zuk?nftigen Welt das ewige Leben.<<
Von diesem Tage an wurde Martha stiller, als sie je zuvor gewesen war. -- Sie blieb freundlich und liebevoll gegen alle. Sie selbst aber glich einem Engel, der still im Hause waltete.
Doch der Vater sch?ttelte ernst den Kopf, und die Mutter war traurig, und die Freunde gingen nachdenkend vom Hause.
Und da war einer, der litt besonders.
So verging der Rest des Sommers, und als der rauhe Wind durch die B?ume fuhr und die Bl?tter herabwehte, zogen wir wieder zur Stadt, -- und bald kam ein Fest, -- ein Fest der Freude f?r Martha, nicht f?r uns. Martha stand im langen Gewande vor dem Prediger, der sie dem Konvente unserer episkopalischen Kirche weihte.
Vaters Haar war weiss geworden. Oft, sehr oft, h?rte ich ihn im Schlafe sprechen: O mein Kind, mein Kind!
Und war sie gl?cklich geworden?
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