Read Ebook: Träume eines Geistersehers erläutert durch Träume der Metaphysik by Kant Immanuel
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Wollte man diesen Gedanken die Unbegreiflichkeit oder, welches bei den meisten vor einerlei gilt, ihre Unm?glichkeit vorr?cken, so k?nnte ich es auch geschehen lassen. Alsdenn w?rde ich mich zu den F?ssen dieser Weisen niederlassen, um sie also reden zu h?ren: Die Seele des Menschen hat ihren Sitz im Gehirne, und ein unbeschreiblich kleiner Platz in demselben ist ihr Aufenthalt. Daselbst empfindet sie wie die Spinne im Mittelpunkte ihres Gewebes. Die Nerven des Gehirnes stossen oder ersch?ttern sie, dadurch verursachen sie aber, dass nicht dieser unmittelbare Eindruck, sondern der, so auf ganz entlegene Teile des K?rpers geschieht, jedoch als ein ausserhalb dem Gehirne gegenw?rtiges Objekt vorgestellet wird. Aus diesem Sitze bewegt sie auch die Seile und Hebel der ganzen Maschine und verursacht willk?rliche Bewegungen nach ihrem Belieben. Dergleichen S?tze lassen sich nur sehr seichte oder gar nicht beweisen und, weil die Natur der Seele im Grunde nicht bekannt gnug ist, auch nur ebenso schwach widerlegen. Ich w?rde also mich in keine Schulgez?nke einlassen, wo gemeiniglich beide Teile alsdenn am meisten zu sagen haben, wenn sie von ihrem Gegenstande gar nichts verstehen; sondern ich w?rde lediglich den Folgerungen nachgehen, auf die mich eine Lehre von dieser Art leiten kann. Weil also nach denen mir angepriesenen S?tzen meine Seele, in der Art wie sie im Raume gegenw?rtig ist, von jedem Element der Materie nicht unterschieden w?re, und die Verstandeskraft eine innere Eigenschaft ist, welche ich in diesen Elementen doch nicht wahrnehmen k?nnte, wenngleich selbige in ihnen allen angetroffen w?rde, so k?nnte kein tauglicher Grund angef?hret werden, weswegen nicht meine Seele eine von den Substanzen sei, welche die Materie ausmachen, und warum nicht ihre besondere Erscheinungen lediglich von dem Orte herr?hren sollten, den sie in einer k?nstlichen Maschine, wie der tierische K?rper ist, einnimmt, wo die Nervenvereinigung der inneren F?higkeit des Denkens und der Willk?r zustatten kommt. Alsdenn aber w?rde man kein eigent?mliches Merkmal der Seele mehr mit Sicherheit erkennen, welches sie von dem rohen Grundstoffe der k?rperlichen Naturen unterschiede, und LEIBNIZENS scherzhafter Einfall, nach welchem wir vielleicht im Kaffee Atomen verschluckten, woraus Menschenseelen werden sollen, w?re nicht mehr ein Gedanke zum Lachen. W?rde aber auf solchen Fall dieses denkende Ich nicht dem gemeinen Schicksale materieller Naturen unterworfen sein und, wie es durch den Zufall aus dem Chaos aller Elemente gezogen worden, um eine tierische Maschine zu beleben, warum sollte es, nachdem diese zuf?llige Vereinigung aufgeh?rt hat, nicht auch k?nftig dahin wiederum zur?ckkehren? Es ist bisweilen n?tig, den Denker, der auf unrechtem Wege ist, durch die Folgen zu erschrecken, damit er aufmerksamer auf die Grunds?tze werde, durch welche er sich gleichsam tr?umend hat fortf?hren lassen.
Der Initiat hat schon den groben und an den ?usserlichen Sinnen klebenden Verstand zu h?hern und abgezogenen Begriffen gew?hnt, und nun kann er geistige und von k?rperlichen Zeuge enth?llete Gestalten in derjenigen D?mmerung sehen, womit das schwache Licht der Metaphysik das Reich der Schatten sichtbar macht. Wir wollen daher nach der beschwerlichen Vorbereitung, welche ?berstanden ist, uns auf den gef?hrlichen Weg wagen.
Ibant obscuri sola sub nocte per umbras, Perque domos Ditis vacuas et inania regna.
VIRGILIUS.
So w?rde denn also die immaterielle Welt zuerst alle erschaffene Intelligenzen, deren einige mit der Materie zu einer Person verbunden sind, andere aber nicht, in sich befassen, ?berdem die empfindende Subjekte in allen Tierarten und endlich alle Prinzipien des Lebens, welche sonst noch in der Natur wo sein m?gen, ob dieses sich gleich durch keine ?usserliche Kennzeichen der willk?rlichen Bewegung offenbarete. Alle diese immaterielle Naturen, sage ich, sie m?gen nun ihre Einfl?sse in der K?rperwelt aus?ben oder nicht, alle vern?nftige Wesen, deren zuf?lliger Zustand tierisch ist, es sei hier auf der Erde oder in andern Himmelsk?rpern, sie m?gen den rohen Zeug der Materie jetzt oder k?nftig beleben oder ehedem belebt haben, w?rden nach diesen Begriffen in einer ihrer Natur gem?ssen Gemeinschaft stehen, die nicht auf den Bedingungen beruht, wodurch die Verh?ltnis der K?rper eingeschr?nkt ist, und wo die Entfernung der ?rter oder der Zeitalter, welche in der sichtbaren Welt die grosse Kluft ausmacht, die alle Gemeinschaft aufhebt, verschwindet. Die menschliche Seele w?rde daher schon in dem gegenw?rtigen Leben als verkn?pft mit zweien Welten zugleich m?ssen angesehen werden, von welchen sie, soferne sie zu pers?nlicher Einheit mit einem K?rper verbunden ist, die materielle allein klar empfindet, dagegen als ein Glied der Geisterwelt die reine Einfl?sse immaterieller Naturen empf?ngt und erteilet, sodass, sobald jene Verbindung aufgeh?rt hat, die Gemeinschaft, darin sie jederzeit mit geistigen Naturen stehet, allein ?brig bleibt und sich ihrem Bewusstsein zum klaren Anschauen er?ffnen m?sste.
Wenn man von dem Himmel als dem Sitze der Seligen redet, so setzt die gemeine Vorstellung ihn gerne ?ber sich, hoch in dem unermesslichen Weltraume. Man bedenket aber nicht, dass unsre Erde, aus diesen Gegenden gesehen, auch als einer von den Sternen des Himmels erscheine, und dass die Bewohner anderer Welten mit ebenso gutem Grunde nach uns hin zeigen k?nnten und sagen: Sehet da den Wohnplatz ewiger Freuden und einen himmlischen Aufenthalt, welcher zubereitet ist, uns dereinst zu empfangen. Ein wunderlicher Wahn n?mlich macht, dass der hohe Flug, den die Hoffnung nimmt, immer mit dem Begriffe des Steigens verbunden ist, ohne zu bedenken, dass, so hoch man auch gestiegen ist, man doch wieder sinken m?sse, um allenfalls in einer andern Welt festen Fuss zu fassen. Nach den angef?hrten Begriffen aber w?rde der Himmel eigentlich die Geisterwelt sein oder, wenn man will, der selige Teil derselben, und diese w?rde man weder ?ber sich noch unter sich zu suchen haben, weil ein solches immaterielle Ganze nicht nach den Entfernungen oder Naheiten gegen k?rperliche Dinge, sondern in geistigen Verkn?pfungen seiner Teile untereinander vorgestellt werden muss, wenigstens die Glieder derselben sich nur nach solchen Verh?ltnissen ihrer selbst bewusst sind.
Es wird mir nachgerade beschwerlich, immer die behutsame Sprache der Vernunft zu f?hren. Warum sollte es mir nicht auch erlaubt sein, im akademischen Tone zu reden, der entscheidender ist und sowohl den Verfasser als den Leser des Nachdenkens ?berhebt, welches ?ber lang oder kurz beide nur zu einer verdriesslichen Unentschlossenheit f?hren muss. Es ist demnach so gut als demonstriert, oder es k?nnte leichtlich bewiesen werden, wenn man weitl?uftig sein wollte oder noch besser, es wird k?nftig, ich weiss nicht wo oder wenn, noch bewiesen werden, dass die menschliche Seele auch in diesem Leben in einer unaufl?slich verkn?pften Gemeinschaft mit allen immateriellen Naturen der Geisterwelt stehe, dass sie wechselweise in diese wirke und von ihnen Eindr?cke empfange, deren sie sich aber als Mensch nicht bewusst ist, solange alles wohl steht. Andererseits ist es auch wahrscheinlich, dass die geistige Naturen unmittelbar keine sinnliche Empfindung von der K?rperwelt mit Bewusstsein haben k?nnen, weil sie mit keinem Teil der Materie zu einer Person verbunden sind, um sich vermittelst desselben ihres Orts in dem materiellen Weltganzen und durch k?nstliche Organen der Verh?ltnis der ausgedehnten Wesen gegen sich und gegen einander bewusst zu werden, dass sie aber wohl in die Seelen der Menschen als Wesen von einerlei Natur einfliessen k?nnen und auch wirklich jederzeit mit ihnen in wechselseitiger Gemeinschaft stehen, doch so, dass in der Mitteilung der Vorstellungen diejenige, welche die Seele als ein von der K?rperwelt abh?ngendes Wesen in sich enth?lt, nicht in andere geistige Wesen und die Begriffe der letzteren, als anschauende Vorstellungen von immateriellen Dingen, nicht in das klare Bewusstsein des Menschen ?bergehen k?nnen, wenigstens nicht in ihrer eigentlichen Beschaffenheit, weil die Materialien zu beiderlei Ideen von verschiedener Art sind.
Es w?rde sch?n sein, wenn eine dergleichen systematische Verfassung der Geisterwelt, als wir sie vorstellen, nicht lediglich aus dem Begriffe von der geistigen Natur ?berhaupt, der gar zu sehr hypothetisch ist, sondern aus irgendeiner wirklichen und allgemein zugestandenen Beobachtung k?nnte geschlossen, oder auch nur wahrscheinlich vermutet werden. Daher wage ich es auf die Nachsicht des Lesers, einen Versuch von dieser Art hier einzuschalten, der zwar etwas ausser meinem Wege liegt und auch von der Evidenz weit gnug entfernet ist, gleichwohl aber zu nicht unangenehmen Vermutungen Anlass zu geben scheinet.
Die aus dem Grunde der Moralit?t entspringende Wechselwirkungen des Menschen und der Geisterwelt nach den Gesetzen des pneumatischen Einflusses k?nnte man darin setzen, dass daraus nat?rlicherweise eine n?here Gemeinschaft einer guten oder b?sen Seele mit guten und b?sen Geistern entspringe, und jene dadurch sich selbst dem Teile der geistigen Republik zugeselleten, der ihrer sittlichen Beschaffenheit gem?ss ist, mit der Teilnehmung an allen Folgen, die daraus nach der Ordnung der Natur entstehen m?gen.
Man kann dieses durch eine gewisse Art von zwiefacher Pers?nlichkeit, die der Seele selbst in Ansehung dieses Lebens zukommt, erl?utern. Gewisse Philosophen glauben, sich ohne den mindesten besorglichen Einspruch auf den Zustand des festen Schlafes berufen zu k?nnen, wenn sie die Wirklichkeit dunkeler Vorstellungen beweisen wollen, da sich doch nichts weiter hievon mit Sicherheit sagen l?sst, als dass wir uns im Wachen keiner von denenjenigen erinnern, die wir im festen Schlafe etwa mochten gehabt haben, und daraus nur soviel folgt, dass sie beim Erwachen nicht klar vorgestellt worden, nicht aber, dass sie auch damals, als wir schliefen, dunkel waren. Ich vermute vielmehr, dass dieselbe kl?rer und ausgebreiteter sein m?gen, als selbst die kl?resten im Wachen, weil dieses bei der v?lligen Ruhe ?usserer Sinne von einem so t?tigen Wesen als die Seele ist, zu erwarten ist, wiewohl, da der K?rper des Menschen zu der Zeit nicht mit empfunden ist, beim Erwachen die begleitende Idee desselben ermangelt, welche den vorigen Zustand der Gedanken als zu ebenderselben Person geh?rig zum Bewusstsein verhelfen k?nnte. Die Handlungen einiger Schlafwanderer, welche bisweilen in solchem Zustande mehr Verstand als sonsten zeigen, ob sie gleich nichts davon beim Erwachen erinnern, best?tigen die M?glichkeit dessen, was ich vom festen Schlafe vermute. Die Tr?ume dagegen, das ist, die Vorstellungen des Schlafenden, deren er sich beim Erwachen erinnert, geh?ren nicht hieher. Denn alsdenn schl?ft der Mensch nicht v?llig; er empfindet in einem gewissen Grade klar und webt seine Geisteshandlungen in die Eindr?cke der ?usseren Sinne. Daher er sich ihrer zum Teil nachhero erinnert, aber auch an ihnen lauter wilde und abgeschmackte Chim?ren antrifft, wie sie es denn notwendig sein m?ssen, da in ihnen Ideen der Phantasie und die der ?usseren Empfindung untereinander geworfen werden.
Diese Art der Erscheinungen kann gleichwohl nicht etwas Gemeines und Gew?hnliches sein, sondern sich nur bei Personen er?ugnen, deren Organen eine ungew?hnlich grosse Reizbarkeit haben, die Bilder der Phantasie dem innern Zustande der Seele gem?ss durch harmonische Bewegung mehr zu verst?rken, als gew?hnlicherweise bei gesunden Menschen geschieht und auch geschehen soll. Solche seltsame Personen w?rden in gewissen Augenblicken mit der Apparenz mancher Gegenst?nde als ausser ihnen angefochten sein, welche sie vor eine Gegenwart von geistigen Naturen halten w?rden, die auf ihre k?rperliche Sinne fiele, obgleich hiebei nur ein Blendwerk der Einbildung vorgeht, doch so, dass die Ursache davon ein wahrhafter geistiger Einfluss ist, der nicht unmittelbar empfunden werden kann, sondern sich nur durch verwandte Bilder der Phantasie, welche den Schein der Empfindungen annehmen, zum Bewusstsein offenbaret.
Ich verstehe hierunter nicht die Organen der ?usseren Empfindung, sondern das Sensorium der Seele, wie man es nennt, d. i. denjenigen Teil des Gehirnes, dessen Bewegung die mancherlei Bilder und Vorstellungen der denkenden Seele zu begleiten pflegt, wie die Philosophen davor halten.
Die Erziehungsbegriffe oder auch mancherlei sonst eingeschlichene Wahn w?rden hiebei ihre Rolle spielen, wo Verblendung mit Wahrheit untermengt wird, und eine wirkliche geistige Empfindung zwar zum Grunde liegt, die doch in Schattenbilder der sinnlichen Dinge umgeschaffen worden. Man wird aber auch zugeben, dass die Eigenschaft, auf solche Weise die Eindr?cke der Geisterwelt in diesem Leben zum klaren Anschauen auszuwickeln, schwerlich wozu n?tzen k?nne; weil dabei die geistige Empfindung notwendig so genau in das Hirngespenst der Einbildung verwebt wird, dass es unm?glich sein muss, in derselben das Wahre von den groben Blendwerken, die es umgeben, zu unterscheiden. Imgleichen w?rde ein solcher Zustand, da er ein ver?ndertes Gleichgewicht in den Nerven voraussetzt, welche sogar durch die Wirksamkeit der bloss geistig empfindenden Seele in unnat?rliche Bewegung versetzet werden, eine wirkliche Krankheit anzeigen. Endlich w?rde es gar nicht befremdlich sein, an einem Geisterseher zugleich einen Phantasten anzutreffen, zum wenigsten in Ansehung der begleitenden Bilder von diesen seinen Erscheinungen, weil Vorstellungen, die ihrer Natur nach fremd und mit denen im leiblichen Zustande des Menschen unvereinbar sind, sich hervordr?ngen, und ?belgepaarte Bilder in die ?ussere Empfindung hereinziehen, wodurch wilde Chim?ren und wunderliche Fratzen ausgeheckt werden, die in langem Geschleppe den betrogenen Sinnen vorgaukeln, ob sie gleich einen wahren geistigen Einfluss zum Grunde haben m?gen.
Nunmehro kann man nicht verlegen sein, von denen Gespenstererz?hlungen, die den Philosophen so oft in den Weg kommen, imgleichen allerlei Geistereinfl?ssen, von denen hie oder da die Rede geht, scheinbare Vernunftgr?nde anzugeben. Abgeschiedene Seelen und reine Geister k?nnen zwar niemals unsern ?usseren Sinnen gegenw?rtig sein, noch sonst mit der Materie in Gemeinschaft stehen, aber wohl auf den Geist des Menschen, der mit ihnen zu einer grossen Republik geh?rt, wirken, so, dass die Vorstellungen, welche sie in ihm erwecken, sich nach dem Gesetze seiner Phantasei in verwandte Bilder einkleiden und die Apparenz der ihnen gem?ssen Gegenst?nde als ausser ihm erregen. Diese T?uschung kann einen jeden Sinn betreffen, und so sehr dieselbe auch mit ungereimten Hirngespinsten untermengt w?re, so d?rfte man sich dieses nicht abhalten lassen, hierunter geistige Einfl?sse zu vermuten. Ich w?rde der Scharfsichtigkeit des Lesers zu nahe treten, wenn ich mich bei der Anwendung dieser Erkl?rungsart noch aufhalten wollte. Denn metaphysische Hypothesen haben eine so ungemeine Biegsamkeit an sich, dass man sehr ungeschickt sein m?sste, wenn man die gegenw?rtige nicht einer jeden Erz?hlung bequemen k?nnte, sogar ehe man ihre Wahrhaftigkeit untersucht hat, welches in vielen F?llen unm?glich und in noch mehreren sehr unh?flich ist.
Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass die Erziehungsbegriffe von Geistergestalten dem kranken Kopfe die Materialien zu den t?uschenden Einbildungen geben, und dass ein von allen solchen Vorurteilen leeres Gehirn, wenn ihm gleich eine Verkehrtheit anwandelte, wohl nicht so leicht Bilder von solcher Art aushecken w?rde. Ferner siehet man daraus auch, dass, da die Krankheit des Phantasten nicht eigentlich den Verstand, sondern die T?uschung der Sinne betrifft, der Ungl?ckliche seine Blendwerke durch kein Vern?nfteln heben k?nne, weil die wahre oder scheinbare Empfindung der Sinne selbst vor allem Urteil des Verstandes vorhergeht und eine unmittelbare Evidenz hat, die alle andre ?berredung weit ?bertrifft.
Ebendieselbe Unwissenheit macht auch, dass ich mich nicht unterstehe, so g?nzlich alle Wahrheit an den mancherlei Geistererz?hlungen abzuleugnen, doch mit dem gew?hnlichen, obgleich wunderlichen Vorbehalt, eine jede einzelne derselben in Zweifel zu ziehen, allen zusammengenommen aber einigen Glauben beizumessen. Dem Leser bleibt das Urteil frei; was mich aber anlangt, so ist zum wenigsten der Ausschlag auf die Seite der Gr?nde des zweiten Hauptst?cks bei mir gross gnug, mich bei Anh?rung der mancherlei befremdlichen Erz?hlungen dieser Art ernsthaft und unentschieden zu erhalten. Indessen da es niemals an Gr?nden der Rechtfertigung fehlt, wenn das Gem?t vorher eingenommen ist, so will ich dem Leser mit keiner weiteren Verteidigung dieser Denkungsart beschwerlich fallen.
Nunmehro lege ich die ganze Materie von Geistern, ein weitl?uftig St?ck der Metaphysik, als abgemacht und vollendet beiseite. Sie geht mich k?nftig nichts mehr an. Indem ich den Plan meiner Nachforschung auf diese Art besser zusammenziehe und mich einiger g?nzlich vergeblichen Untersuchungen entschlage, so hoffe ich meine geringe Verstandesf?higkeit auf die ?brige Gegenst?nde vorteilhafter anlegen zu k?nnen. Es ist mehrenteils umsonst, das kleine Mass seiner Kraft auf alle windichte Entw?rfe ausdehnen zu wollen. Daher gebeut die Klugheit sowohl in diesem als in andern F?llen, den Zuschnitt der Entw?rfe den Kr?ften angemessen zu machen und, wenn man das Grosse nicht f?glich erreichen kann, sich auf das Mittelm?ssige einzuschr?nken.
Der zweite Teil,
welcher historisch ist.
Sit mihi fas audita loqui. -- -- --
VIRG.
Da mir indessen diese ganze Frage weder wichtig noch vorbereitet gnug scheint, um ?ber dieselbe etwas zu entscheiden, so trage ich kein Bedenken, hier eine Nachricht der erw?hnten Art anzuf?hren und sie mit v?lliger Gleichg?ltigkeit dem geneigten oder ungeneigten Urteile der Leser preiszugeben.
Es lebt zu Stockholm ein gewisser Herr SWEDENBORG ohne Amt oder Bedienung von seinem ziemlich ansehnlichen Verm?gen. Seine ganze Besch?ftigung besteht darin, dass er, wie er selbst sagt, schon seit mehr als zwanzig Jahren mit Geistern und abgeschiedenen Seelen im genauesten Umgange stehet, von ihnen Nachrichten aus der andern Welt einholet und ihnen dagegen welche aus der gegenw?rtigen erteilt, grosse B?nde ?ber seine Entdeckungen abfasst und bisweilen nach London reiset, um die Ausgabe derselben zu besorgen. Er ist eben nicht zur?ckhaltend mit seinen Geheimnissen, spricht mit jedermann frei davon, scheint vollkommen von dem, was er vorgibt, ?berredet zu sein ohne einigen Anschein eines angelegten Betruges oder Charlatanerei. So wie er, wenn man ihm selbst glauben darf, der Erzgeisterseher unter allen Geistersehern ist, so ist er auch sicherlich der Erzphantast unter allen Phantasten, man mag ihn nun aus der Beschreibung derer, welche ihn kennen oder aus seinen Schriften beurteilen. Doch kann dieser Umstand diejenige, welche den Geistereinfl?ssen sonst g?nstig sind, nicht abhalten, hinter solcher Phantasterei noch etwas Wahres zu vermuten. Weil indessen das Kreditiv aller Bevollm?chtigten aus der andern Welt in den Beweist?mern besteht, die sie durch gewisse Proben in der gegenw?rtigen von ihrem ausserordentlichen Beruf ablegen, so muss ich von demjenigen, was zur Beglaubigung der ausserordentlichen Eigenschaft des gedachten Mannes herumgetragen wird, wenigstens dasjenige anf?hren, was noch bei den meisten einigen Glauben findet.
Gegen das Ende des Jahres 1761 wurde Herr SWEDENBORG zu einer F?rstin gerufen, deren grosser Verstand und Einsicht es beinahe unm?glich machen sollte, in dergleichen F?llen hintergangen zu werden. Die Veranlassung dazu gab das allgemeine Ger?chte von denen vorgegebenen Visionen dieses Mannes. Nach einigen Fragen, die mehr darauf abzielten, sich mit seinen Einbildungen zu belustigen, als wirkliche Nachrichten aus der andern Welt zu vernehmen, verabschiedete ihn die F?rstin, indem sie ihm vorher einen geheimen Auftrag tat, der in seine Geistergemeinschaft einschlug. Nach einigen Tagen erschien Herr SWEDENBORG mit der Antwort, welche von der Art war, dass solche die F?rstin ihrem eigenen Gest?ndnisse nach in das gr?sseste Erstaunen versetzte, indem sie solche wahr befand und ihm gleichwohl solche von keinem lebendigen Menschen konnte erteilt sein. Diese Erz?hlung ist aus dem Berichte eines Gesandten an dem dortigen Hofe, der damals zugegen war, an einen andern fremden Gesandten in Kopenhagen gezogen worden, stimmt auch genau mit dem, was die besondere Nachfrage dar?ber hat erkundigen k?nnen, zusammen.
Folgende Erz?hlungen haben keine andere Gew?hrleistung als die gemeine Sage, deren Beweis sehr misslich ist. Madame MARTEVILLE, die Witwe eines holl?ndischen Envoy? an dem schwedischen Hofe, wurde von den Angeh?rigen eines Goldschmiedes um die Bezahlung des R?ckstandes vor ein verfertigtes Silberservice gemahnet. Die Dame, welche die regelm?ssige Wirtschaft ihres verstorbenen Gemahls kannte, war ?berzeugt, dass diese Schuld schon bei seinem Leben abgemacht sein m?sste; allein sie fand in seinen hinterlassenen Papieren gar keinen Beweis. Das Frauenzimmer ist vorz?glich geneigt, den Erz?hlungen der Wahrsagerei, der Traumdeutung und allerlei anderer wunderbarer Dinge Glauben beizumessen. Sie entdeckte daher ihr Anliegen dem Herrn SWEDENBORG mit dem Ersuchen, wenn es wahr w?re, was man von ihm sagte, dass er mit abgeschiedenen Seelen im Umgange stehe, ihr aus der andern Welt von ihrem verstorbenen Gemahl Nachricht zu verschaffen, wie es mit der gedachten Anforderung bewandt sei. Herr SWEDENBORG versprach solches zu tun und stellte der Dame nach wenig Tagen in ihrem Hause den Bericht ab, dass er die verlangte Kundschaft eingezogen habe, dass in einem Schrank, den er anzeigte und der ihrer Meinung nach v?llig ausger?umt war, sich noch ein verborgenes Fach befinde, welches die erforderliche Quittungen enthielte. Man suchte sofort seiner Beschreibung zufolge und fand nebst der geheimen holl?ndischen Correspondence die Quittungen, wodurch alle gemachte Anspr?che v?llig getilgt wurden.
Somnia, terrores magicos, miracula, sagas, Nocturnos lemures, portentaque Thessala --.
HORATIUS.
Ich komme zu meinem Zwecke, n?mlich zu den Schriften meines Helden. Wenn manche jetzt vergessene oder dereinst doch namenlose Schriftsteller kein geringes Verdienst haben, dass sie in der Ausarbeitung grosser Werke den Aufwand ihres Verstandes nicht achteten, so geb?hret dem Herren SWEDENBORG ohne Zweifel die gr?sseste Ehre unter allen. Denn gewiss, seine Flasche in der Mondenwelt ist ganz voll und weicht keiner einzigen unter denen, die ARIOSTO dort mit der hier verlornen Vernunft angef?llet gesehen hat, und die ihre Besitzer dereinst werden wiedersuchen m?ssen, so v?llig entleert ist das grosse Werk von einem jeden Tropfen derselben. Nichtsdestoweniger herrscht darinnen eine so wundersame ?bereinkunft mit demjenigen, was die feineste Ergr?belung der Vernunft ?ber den ?hnlichen Gegenstand herausbringen kann, dass der Leser mir es verzeihen wird, wenn ich hier diejenige Seltenheit in den Spielen der Einbildung finde, die so viel andere Sammler in denen Spielen der Natur angetroffen haben, als wenn sie etwa im fleckichten Marmor die heilige Familie oder in Bildungen von Tropfstein M?nche, Taufstein und Orgeln, oder sogar wie der Sp?tter LISCOW auf einer gefrorenen Fensterscheibe die Zahl des Tieres und die dreifache Krone entdecken; lauter Dinge, die niemand sonsten sieht, als dessen Kopf schon vorher damit angef?llet ist.
Ein Hauptbegriff in SWEDENBORGS Phantasterei ist dieser. Die k?rperliche Wesen haben keine eigene Subsistenz, sondern bestehen lediglich durch die Geisterwelt, wiewohl ein jeder K?rper nicht durch einen Geist allein, sondern durch alle zusammengenommen. Daher hat die Erkenntnis der materiellen Dinge zweierlei Bedeutung, einen ?usserlichen Sinn in Verh?ltnis der Materie aufeinander und einen innern, insoferne sie als Wirkungen die Kr?fte der Geisterwelt bezeichnen, die ihre Ursachen sind. So hat der K?rper des Menschen eine Verh?ltnis der Teile untereinander nach materiellen Gesetzen; aber insoferne er durch den Geist, der in ihm lebt, erhalten wird, haben seine verschiedene Gliedmassen und ihre Funktionen einen bezeichnenden Wert vor diejenige Seelenkr?fte, durch deren Wirkung sie ihre Gestalt, T?tigkeit und Beharrlichkeit haben. Dieser innere Sinn ist den Menschen unbekannt, und den hat SWEDENBORG, dessen Innerstes aufgetan ist, den Menschen bekannt machen wollen. Mit allen andern Dingen der sichtbaren Welt ist es ebenso bewandt; sie haben, wie gesagt, eine Bedeutung als Sachen, welches wenig ist und eine andere als Zeichen, welches mehr ist. Dieses ist auch der Ursprung der neuen Auslegungen, die er von der Schrift hat machen wollen. Denn der innere Sinn, n?mlich die symbolische Beziehung aller darin erz?hlten Dinge auf die Geisterwelt, ist, wie er schw?rmet, der Kern ihres Werts, das ?brige ist nur die Schale. Was aber wiederum in dieser symbolischen Verkn?pfung k?rperlicher Dinge als Bilder mit dem innern geistigen Zustande wichtig ist, besteht darin: Alle Geister stellen sich einander jederzeit unter dem Anschein ausgedehnter Gestalten vor, und die Einfl?sse aller dieser geistigen Wesen untereinander erregen ihnen zugleich die Apparenz von noch andern ausgedehnten Wesen und gleichsam von einer materialen Welt, deren Bilder doch nur Symbolen ihres inneren Zustandes sind, aber gleichwohl eine so klare und dauerhafte T?uschung des Sinnes verursachen, dass solche der wirklichen Empfindung solcher Gegenst?nde gleich ist. . Er redet also von G?rten, weitl?uftigen Gegenden, Wohnpl?tzen, Galerien und Arkaden der Geister, die er mit eigenen Augen in dem kl?resten Lichte s?he, und versichert, dass, da er mit allen seinen Freunden nach ihrem Tode vielf?ltig gesprochen, er an denen, die nur k?rzlich gestorben, fast jederzeit gefunden h?tte, dass sie sich kaum h?tten ?berreden k?nnen, gestorben zu sein, weil sie eine ?hnliche Welt um sich s?hen; imgleichen, dass Geistergesellschaften von einerlei innerem Zustande einerlei Apparenz der Gegend und anderer daselbst befindlichen Dinge h?tten, die Ver?nderung ihres Zustandes aber sei mit dem Schein der Ver?nderung des Orts verbunden. Weil nun jederzeit, wenn die Geister den Menschenseelen ihre Gedanken mitteilen, diese mit der Apparenz materieller Dinge verbunden sind, welche im Grunde nur kraft einer Beziehung auf den geistigen Sinn, doch mit allem Schein der Wirklichkeit sich demjenigen vormalen, der solche empf?ngt, so ist daraus der Vorrat der wilden und unaussprechlich albernen Gestalten herzuleiten, welche unser Schw?rmer bei seinem t?glichen Geisterumgange in aller Klarheit zu sehen glaubt.
Ich habe schon angef?hrt, dass nach unserm Verfasser die mancherlei Kr?fte und Eigenschaften der Seele mit denen ihrer Regierung untergeordneten Organen des K?rpers in Sympathie stehen. Der ganze ?ussere Mensch korrespondiert also dem ganzen innern Menschen, und wenn daher ein merklicher geistiger Einfluss aus der unsichtbaren Welt eine oder andere dieser seiner Seelenkr?fte vorz?glich trifft, so empfindet er auch harmonisch die apparente Gegenwart desselben an denen Gliedmassen seines ?usseren Menschen, die diesen korrespondieren. Dahin bezieht er nun eine grosse Mannigfaltigkeit von Empfindungen an seinem K?rper, die jederzeit mit der geistigen Beschauung verbunden sind, deren Ungereimtheit aber zu gross ist, als dass ich es wagen d?rfte, nur eine einzige derselben anzuf?hren.
Ich bin es m?de, die wilden Hirngespinste des ?rgsten Schw?rmers unter allen zu kopieren oder solche bis zu seinen Beschreibungen vom Zustande nach dem Tode fortzusetzen. Ich habe auch noch andere Bedenklichkeiten. Denn obgleich ein Natursammler unter den pr?parierten St?cken tierischer Zeugungen nicht nur solche, die in nat?rlicher Form gebildet sind, sondern auch Missgeburten in seinem Schranke aufstellt, so muss er doch behutsam sein, sie nicht jedermann und nicht gar zu deutlich sehen zu lassen. Denn es k?nnten unter den Vorwitzigen leichtlich schwangere Personen sein, bei denen es einen schlimmen Eindruck machen d?rfte. Und da unter meinen Lesern einige in Ansehung der idealen Empf?ngnis ebensowohl in andern Umst?nden sein m?gen, so w?rde mir es leid tun, wenn sie sich hier etwa woran sollten versehen haben. Indessen, weil ich sie doch gleich anfangs gewarnet habe, so stehe ich vor nichts und hoffe, man werde mir die Mondk?lber nicht aufb?rden, die bei dieser Veranlassung von ihrer fruchtbaren Einbildung m?chten geboren werden.
?brigens habe ich den Tr?umereien unseres Verfassers keine eigene unterschoben, sondern solche durch einen getreuen Auszug dem bequemen und wirtschaftlichen Leser, , dargeboten. Zwar sind die unmittelbare Anschauungen mehrenteils von mir weggelassen worden, weil dergleichen wilde Hirngespinste nur den Nachtschlaf des Lesers st?ren w?rden; auch ist der verworrene Sinn seiner Er?ffnungen hin und wieder in eine etwas gangbare Sprache eingekleidet worden; allein die Hauptz?ge des Abrisses haben dadurch in ihrer Richtigkeit nicht gelitten. Gleichwohl ist es nur umsonst, es verhehlen zu wollen, weil es jedermann doch so in die Augen f?llt, dass alle diese Arbeit am Ende auf nichts herauslaufe. Denn da die vorgegebene Privaterscheinungen des Buchs sich selbst nicht beweisen k?nnen, so konnte der Bewegungsgrund, sich mit ihnen abzugeben, nur in der Vermutung liegen, dass der Verfasser zur Beglaubigung derselben sich vielleicht auf Vorf?lle von der oben erw?hnten Art, die durch lebende Zeugen best?tigt werden k?nnten, berufen w?rde. Dergleichen aber findet man nirgend. Und so ziehen wir uns mit einiger Besch?mung von einem t?richten Versuche zur?ck mit der vern?nftigen, obgleich etwas sp?ten Anmerkung, dass das Klugdenken mehrenteils eine leichte Sache sei, aber leider nur, nachdem man sich eine Zeitlang hat hintergehen lassen.
Ich habe einen undankbaren Stoff bearbeitet, den mir die Nachfrage und Zudringlichkeit vorwitziger und m?ssiger Freunde unterlegte. Indem ich diesem Leichtsinn meine Bem?hung unterwarf, so habe ich zugleich dessen Erwartung betrogen und weder dem Neugierigen durch Nachrichten, noch dem Forschenden durch Vernunftgr?nde etwas zur Befriedigung ausgerichtet. Wenn keine andre Absicht diese Arbeit beseelte, so habe ich meine Zeit verloren; ich habe das Zutrauen des Lesers verloren, dessen Erkundigung und Wissbegierde ich durch einen langweiligen Umweg zu demselben Punkte der Unwissenheit gef?hret habe, aus welchem er herausgegangen war. Allein ich hatte in der Tat einen Zweck vor Augen, der mir wichtiger scheint als der, welchen ich vorgab, und diesen meine ich erreicht zu haben. Die Metaphysik, in welche ich das Schicksal habe verliebt zu sein, ob ich mich gleich von ihr nur selten einiger Gunstbezeugungen r?hmen kann, leistet zweierlei Vorteile. Der erste ist, denen Aufgaben ein Gn?ge zu tun, die das forschende Gem?t aufwirft, wenn es verborgenern Eigenschaften der Dinge durch Vernunft nachsp?het. Aber hier t?uscht der Ausgang nur gar zu oft die Hoffnung und ist diesmal auch unsern begierigen H?nden entgangen.
Ter frustra comprensa manus effugit imago Par levibus ventis volucrique simillima somno.
VIRG.
Lesarten
Drucke:
Nach der von Menzer vorgenommenen Vergleichung der beiden Drucke A2 und A3 ist es wahrscheinlich, dass A3 der zweite, A2 der dritte Druck ist. A3 wird wohl als Druckvorlage f?r A2 gedient haben.
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