Read Ebook: Die Lobensteiner reisen nach Böhmen: Zwölf Novellen und Geschichten by D Blin Alfred
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Ebook has 774 lines and 63047 words, and 16 pages
Sie drehte sich sanft, in Trauerhut und Schleier, zu ihm, der geb?ckt stand, hauchte: >>Sind Sie fertig?<<
Herr Fortunesku war edles Halbblut; seine Mutter hatte es ihm oft gesagt. Beleidigt schnellte er durch das Coup?, tauchte unter die Sitze, kehrte ihr den R?cken zu. Sie beobachtete ihn entz?ckt. Pl?tzlich scharrte er, giftig ausspeiend, die Sachen zusammen, legte das Armband mit einer noblen Geste offen um sein linkes Handgelenk. Sie bat ihn um ihren Handschuh, schwebte duftend voran; der Trauerschleier wallte um sie; Arm in Arm verliessen sie den Bahnhof.
Sie nahmen Wohnung im Hotel >>Zur goldenen Eintracht<<. Verlagsdirektor Fortunesku aus Jassy nebst Gemahlin. In ihrem Zimmer warf er, als sie Licht knipste, Armband und Brillanten in der Ecke oben auf die Hutschachtel. Schelmisch bes?nftigte sie ihn vom Lavoir her; was er gegen die Hutschachtel habe. Sie bot ihm vor der Ausfahrt ihr Portemonnaie an. Er schob den schwarzen Samthut in den Nacken, schob ihre Hand zur?ck, zeigte voll unterdr?ckter Wut sein eigenes Portemonnaie. Mit einer heimt?ckischen S?ssigkeit schmeichelte er ihr in dem offenen Landauer. Sie sog die abendliche Luft auf L?ssnitz ein. Die Menschen murmelten, lachten, murmelten. Gl?cklich rauschten die Akazien im Sommerwind. Wie seine Augen grell seitlich funkelten, in einer f?rchterlichen Drohung, schauerte ihr ?ber den R?cken. Dieser Mensch konnte morden, wie gut war sie bei ihm angekommen.
Matilda hiess die Tochter Cesarinens; sie war achtzehn Jahr. Blonde Ponys hingen ihr in die Stirn, die Nase kr?ftig geschwungen, graue stolze Augen. Im weissen schlanken Sportkleid trat sie am Morgen der Mutter entgegen, die ihr Fortunesku vorstellte, einen weitl?ufigen Verwandten in Jassy und zuf?lligen Reisebegleiter. Fortunesku schwang den Hut. Das Silbergehenk am gelben Lederg?rtel Matildas klapperte, als sie sich zusammen an den Fr?hst?ckstisch setzten. Die elegante Pensionswirtin zog Frau Barinianu hinaus zu einer Besprechung.
Rasch dr?ckte Fortunesku seinen veilchenblauen Selbstbinder fest, pfiff hoch zwischen zwei Fingern, hob den Daumen. Das junge M?dchen legte das Messer auf die Marmeladenschale.
>>Ein Wink,<< fl?sterte er, schloss die faltige Portiere zur Bibliothek, >>ein Wink: Grigor Papiu, Petru Kostin.<<
Dicht r?ckte er seinen Korbsessel an ihren: >>Legen Sie die Serviette hin. Sie wissen nicht, was die gn?dige Frau mit Ihnen vorhat. Ich bin nicht Fortunesku, wie sie sagte. Petru Kostin, heisse ich, Sekondeleutnant im zweiten Infanterieregiment zu Jassy, Freund Ihres Verlobten Papiu. Ich habe eine geheime Botschaft zu ?berbringen. Sie m?ssen schw?ren.<<
>>Petru Kostin?<<
>>Nicht sprechen, um Gottes willen nicht sprechen. Ich bin ohne Urlaub gefahren. Kommen Sie in die Ecke, auf die Loggia; Ihre Mutter erschrickt, wenn sie uns h?rt.<<
>>Mein lieber Gott, was ist das! Was will Grigor?<<
Mit gefahrdrohenden Schritten ging er ?ber den Teppich: >>Sie haben Grund, sich zu ?ngstigen. Auf der Hut sein vor der gn?digen Frau. Ich warne Sie vor ihr.<<
Ein Stelzen um das B?fett, Sprung, schlangenhaftes Umschleichen der St?hle.
>>Sie kennen sie nicht. Niemand kennt Weiber. Sie hat sich mir anvertraut auf der Fahrt. Mit Galanterie, mit bestrickendem Wesen habe ich alles erreicht. Ich habe ihr entlockt, was sie f?r sich behalten wollte. Aus Mitleid f?r Sie, deren Photographie sie mir zeigte, aus Kameraderie f?r meinen Freund habe ich mich ins Zeug gelegt.<<
>>Mama hat doch keine Photographie von mir.<<
Finster hielt er an der Anrichte und schwenkte ein Bein: >>Dann war es eine T?uschung, der Sie dankbar sein m?ssen.<<
>>Es war Olga.<<
>>Mag sein. Ich verwechsele Olga mit Ihnen. Auch Olga wird es nicht gut haben. Sie sollen mit Ihrem Vetter verheiratet werden aus Bukarest; sie wird es Ihnen auf der Reise sagen.<<
>>Nein, das ist nicht wahr.<< Sie war erst starr, dann schluchzte sie und kr?mmte sich ?ber ihren Schoss.
>>Es ist kein Zufall, dass ich mit Ihrer Mutter zugleich hier eintraf. Ihr Verlobter Grigor hat es mir auf die Seele gebunden, vor Ihrer Heimreise mit Ihnen zu sprechen, Ihnen alles vorzustellen, was auf dem Spiele steht, seine Liebe, sein Leben, sein ganzes Dasein.<<
Er zog aus der Hosentasche ein zerbrochenes Bild: >>Sie sehen den Namenszug Ihres Verlobten. Sie zweifeln nicht mehr an meiner Legitimation, mich Ihnen vertraulich zu n?hern.<<
Matilda kniff ein b?ses Gesicht. Versunken stand sie auf, schleifte zwei Schritt um den Tisch, befahl Fortunesku: >>Setzen Sie sich.<< Und dann das harte Gesicht gegen die H?ngelampe hebend, deren gr?ner Perlenbehang ihr ?ber die Nasenwurzel spielte: >>Die letzten Briefe vom Vater klangen sehr fremd. Ich dachte, es w?re wegen der Krankheit Grosspapas.<<
Fortunesku tobte durch das winklige verstellte Zimmer: >>Weg von hier! Wie k?nnen Sie daran zweifeln? Diese Frau im Stich lassen. Ich verlange das von Ihnen im Namen meines Kameraden. Oh diese Frau will ich strafen f?r die schlechte nichtsachtende Gesinnung, die schlechte Gesinnung, die sie mir offenbart hat. ?ber Leichen geht sie, ein Ehrgef?hl hat sie nicht.<<
Matilda bewahrte k?hle Haltung zur Mutter. Sobald sie allein war und sich ausgeweint hatte, entschloss sie sich; sie stieg mit Fortunesku in den Zug nach Bukarest.
>>Ich bin jetzt wieder gl?cklich,<< sagte Matilda, >>und ich bin Ihnen so dankbar.<<
Sie drang in ihn, warum er so still w?re. Er redete von Aufgaben, denen manche Menschen nicht gewachsen w?ren, ein liebes Wesen sei ihm vor einem Jahr gestorben, vor etwa einem Jahr. Pl?tzlich erkl?rte er, dass er schwitze. Sein breites Gesicht, -- die grauen Augenlider, die faltigen Wangen mit den Narben am Kieferwinkel, die striemig rote Stirnhaut vibrierten. Er zog mit ihrer Erlaubnis den Cutaway aus, streichelte vorsichtig ?ber ihre Ponys. Sie kicherte: >>Sie sind doch nicht solch guter Freund, wie Sie sagten, zu Grigor.<<
>>Es sind Wallungen, mein Fr?ulein, schmerzliche Wallungen. Ich glaube freilich, dass sich manches Gef?hl aus Wallungen zusammensetzt.<<
Und dann nach einer Pause: >>Der gute Grigor ist freilich etwas zahm.<<
Sie warf sich in die Brust, machte einen spitzen Mund: >>Aber das ist so h?bsch an einem jungen Mann, wenn er ernst und zahm ist. Und wenn er nicht so frech ist wie --<<
>>Wie wer denn, meine Gn?dige?<<
>>Wie Sie.<<
Sie senkte umfasst ihren lachenden Kopf an seine fleckige Samtweste: >>Was glauben Sie, Fr?ulein Matilda, was mich Grigor beneidet um diesen Augenblick. Um meinen Schneid. Um meine Courage.<<
W?hrend er sie herzog und sie folgsam ihren geschmeidigen Oberk?rper wiegen liess von ihm, sagte sie: >>Aber viel Schneid hat Grigor doch auch. Und so lieb ist mein Grigor.<< Ihre Arme legten sich um seinen Gummikragen: >>Und so froh bin ich, dass Sie mich zu ihm f?hren, Herr Petru, lieber Herr Petru.<<
Sie lachte und seufzte und lachte. --
Bei der kleinen Umsteigestation Beneschau, eine Minute Aufenthalt, kroch aus dem letzten Waggon ein Mann, mit zerbeultem steifen Hut, gelbem Sommerpaletot, durchgestossenen Hosen, in der Hand einen kleinen platten Koffer. Fortunesku schluckte auf dem Bahnsteig sein Glas Helles, r?ckte matt seinen Stuhl aus der Sonne und sah die blanken Geleise entlang: >>Es ist nichts mit der Familie Barinianu.<< Sein Magen kam ihm leer und schwindlig vor; er bestellte einen Schnaps: >>Strapazen, Strapazen; keinen Pfennig verdient. Es geht abw?rts mit dir, Franz; lauter Gef?hle. Mutter hat recht; aus mir wird nichts.<<
Er flegelte am Schanktisch, schmatzte, massierte seine Waden, seinen Arm, schlich in das Dorf.
Eine blonde junge Dame verliess unter allgemeiner Aufmerksamkeit in Tabor ein Coup? erster Klasse. Sie schluchzte ?ber den Perron; ein Bahnhofsbeamter f?hrte sie am Arm, trug ihren Handkoffer und grauen Reisemantel. Sie schien bet?ubt oder wirr. Im Stationsgeb?ude erholte sich Matilda etwas, als die Frau des Bahnhofswirts ihr zusprach, heissen Kaffee brachte. Das Fr?ulein stiess mehrmals hervor, man m?chte nach Dresden in das Hotel >>Eintracht<< telephonieren, dass sie hier warte.
Nach f?nf Stunden kam die Mutter im Auto. Sie nahmen den n?chsten Zug nach Bukarest. Im Coup? legte Frau Barinianu den Hut nicht ab; den Trauerschleier knautschte sie in die H?he, riss Matilda an sich. Cesarines Gesicht war verschwollen; ihre kleine Nase dick und nass. Sie liess von dem Kind nicht ab, zitterte, schrie leise: >>Ich habe gedacht, du bist ermordet, ich hab gedacht, der Lump hat dich ermordet.<<
Matilda rutschte mit dem Kopf an ihre Brust, schwieg, streichelte ihren R?cken.
>>Nein, du lebst, Matilda, du bist ja wieder da.<<
>>Sei gut zu mir, Mama. Sage nichts zu Hause. Bitte. Nichts zu Grigor. Sein Freund hat mir den Kopf verdreht. Ich habe mich rechtzeitig besonnen, sag Grigor so.<<
>>Es war ja ein Lump, ein Strolch. Es war nicht Grigors Freund. Ich weiss gar nicht, wie er heisst.<<
Die Tochter dr?ngte sich an das zerpresste Jabot Cesarines: >>Er war solch L?gner, dieser Mann. Er war so flink mit L?gen und allem. So flink.<<
Das M?dchen schlug sich die H?nde vors Gesicht und st?hnte, st?hnte.
Frau Barinianu steckte die Haarnadeln Matildas zurecht, umarmte sie heftiger. Dann liess sie das Kind los, atmete tief. Sie rieb sich die Stirn. Lange sprachen sie nicht.
Der Zug schwebte ?ber den Schienen. Von Zeit zu Zeit kam ein Stoss der R?der. Der Dampf der Lokomotive flog vorbei.
Langsam l?ste nun Frau Barinianu ihren Hut, wischte sanft ?ber den Schleier, w?hrend ihr Kopf zur?ck auf das Polster fiel. Sie l?chelte mit weichem Mund, indem sie tr?umerisch vor sich in den Spiegel sah: >>Er ist in die Welt verschwunden und kehrt nicht wieder. Oh, er konnte turnen, dieser Lump. Ich habe noch nie einen Menschen so turnen sehen.<<
Lauter und z?rtlicher vibrierte ihre Stimme vor Vergn?gen. Wie eine sch?ne Bratsche klang es aus ihr. Sie dr?ckte das zerzauste Fr?ulein an sich. Und w?hrend die noch leise weinte, lachte die Mutter aus tiefem Herzen ?ber sie her: >>Er war ein geborener Springer.<< Bis auch die stolze Matilda mit versch?mter Bewegung hoch blinzelte: >>Ja nicht wahr, Mutter, so springen konnte er?<< Die Stimme wie eine Hirtenfl?te d?nn und s?ss.
Und sie k?ssten sich. Der Wagen schmetterte ?ber eine Eisenbahnbr?cke. Sie wiegten sich Wange an Wange.
Das Femgericht
Ein Mann namens Haslau, der im W?rttembergischen wohnte, wurde von Diebsgesindel heimgesucht. Haslau hauste, ein Fettwanst, klein, mit stoppligem braunen Haar auf einem kugelrunden Kopf, in seiner Herberge. Zwischen den Bauern, die die breiten Sitzb?nke dr?ckten, humpelte er freundlich herum; am Schanktisch st?tzte er die Arme auf, sah beobachtend in die Stube rechts und links. Hausierer, Wanderburschen tauchten auf; Karren hielten im Hof. Zweimal musste Haslau auf den Leiterwagen steigen, in die Stadt, sich selbst wegen Hehlerei und Beg?nstigung verantworten. Als er den letzten Diebstahl auf dem Amt meldete und sich halb umdrehte, bevor er die T?re hinter sich anzog, schmunzelten Schulze und Schreiber an ihren Pulten; der langn?sige bebrillte Schreiber fl?sterte mit dem Daumen gegen Haslau: >>Hacken die Kr?hen sich also doch die Augen aus? Wie spasshaft, wie spasshaft!<< Und dann kratzten beide das Papier, pressten dicke Querfalten auf ihre Stirnen, weil Haslau noch an der T?r stand und grimmig zur?ckblickend sich die Kolbennase rieb.
Im Fr?hjahr wurde das Schild an der Herberge neu gestrichen; der Name Hitzinger wurde golden auf blauem Grunde ?ber Haslaus gepinselt. Vier verdeckte Rollwagen fuhren an dem Marienkirchlein vorbei aus dem Dorf auf die Landstrasse. Den letzten lenkte Haslau selbst. Nickte finster in die Stuben hinein. Am Ende der Strasse, wo die Feuerwehr in einer Scheune wohnte, spuckte er aus, schlug den Braunen, schnalzte: >>H?h, h?-?h!<<
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