Read Ebook: Die acht Gesichter am Biwasee: Japanische Liebesgeschichten by Dauthendey Max
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Ebook has 935 lines and 45068 words, and 19 pages
Anmerkungen zur Transkription:
Max Dauthendey
Die acht Gesichter am Biwasee
Japanische Liebesgeschichten
Albert Langen / Georg M?ller / M?nchen
Auflage 110000 Copyright 1911 by Albert Langen, M?nchen Printed in Germany
Die acht Gesichter am Biwasee
< Die Seelen der Landschaften sind uns herzliche Br?der geworden. Sie, die bisher unsichtbar waren, zeigen uns heute leidenschaftliche Geb?rden.>> -- Am Biwasee, der hinter den Bergen, nahe der uralten Kaiserstadt Kioto, liegt, haben die Japaner acht Landschaftsgesichter von unsterblicher Leidenschaft entdeckt. Die acht Gesichter am Biwasee heissen: Erstens: Die Segelboote von Yabase im Abend heimkehren sehen. Die Dichter vergleichen die Seele dieses Landschaftsgesichtes mit dem Herannahen einer liebesseligen Schicksalswende. Zweitens: Den Nachtregen regnen h?ren in Karasaki. Dieses Gesicht beschw?rt die Sprache liebesseliger Vergangenheit und liebesseliger Zukunft. Drittens: Die Abendglocke des Miideratempels h?ren. Dieses Gesicht singt das Lachen einer liebenden Frauenstimme, das weiser macht als alle Weisheit. Viertens: Sonnenschein und Brise von Amazu. Dieses Gesicht spricht von Liebesber?ckung und Liebesbet?rung. F?nftens: Dem Flug der Wildg?nse nachsehen in Katata. Dieses Gesicht spricht von der Geheimschrift der Liebeserkl?rung. Sechstens: Den Herbstmond aufgehen sehen in Ishiyama. Beplaudert und r?hrt die Wunder der Liebe an. Siebentens: Das fliessende Abendrot zu Seta. Dieses Gesicht spricht von seliger Blindheit hitziger Liebesleidenschaft. Achtens: Den Abendschnee am Hirayama sehen. Die Seele dieses Landschaftsgesichtes spricht vom erhabenen Wahn ungl?ckseliger Liebe. Die Segelboote von Yabase im Abend heimkehren sehen Hanake hatte allen K?rperschmuck, den ein japanisches M?dchen sitzend, trippelnd und liegend zeigen muss, um zu den g?ttlichen Sch?nheiten der Verg?nglichkeit gez?hlt zu werden. Ihr Hals war biegsam wie eine Reiherfeder, ihre Arme kurz wie die Fl?gel eines noch nicht fl?ggen Sperlings. Sass sie auf der Matte und bereitete ihren Tee, so arbeitete sie vorsichtig wie unter einer Glasglocke. Ging sie abends mit ihrer Dienerin auf den hohen Holzschuhen zum Theater, so war sie unauff?llig, als h?tte sich ihr K?rper mit der Sonne zur Ruhe gelegt, und als ginge nur ihr Schatten mit der Dienerin und der Papierlaterne den Weg zu den Schatten. Lag sie in der Nacht hinter den geschlossenen Papierw?nden ihres Hauses mit frisiertem Kopf auf der Schlummerrolle und zog mit den Fingerspitzen den seidenen Schlafsack ans Kinn, so war ihr feines, vom Mond beschienenes Gesicht vornehm, als w?re es aus Jadestein geschnitten und erschien unzerbrechlich und unverg?nglich. Hanake war das reichste M?dchen am Biwasee, nicht bloss reich an der ?usseren Sch?nheit, welche die Frauen ruhig und wunschlos macht, -- auch reich an Besitz. Die G?tter der Verg?nglichkeit hatten sie mit ihren gl?nzendsten Geschenken, mit Sch?nheit und Geld, verw?hnt. Aber auch die G?ttin der Unendlichkeit hatte ihr eine Seele in die Augen gegeben, so dass ihre Augen weinen konnten, denn die Wollust der Tr?ne ist das h?chste Geschenk dieser G?ttin. Lange, ehe der Krieg Japans mit Russland begann, h?rte Hanake in ihrem Hause am Biwasee von Freunden und Freundinnen, die im Sommer ?ber die Berge von Kioto zum Besuch zu ihr an den See kamen, dass die Fremden vom Westen wie b?se Heuschreckenschw?rme in Japan erwartet w?rden, um die M?nner zu t?ten, die Frauen zu verschleppen und sich in das Land zu teilen. Auf dem Biwasee w?rde man dann bald Schiffe sehen, die Rauch ausstiessen und die Seetiefe mit Schrauben aufw?hlten. Auf Eisen w?rden bald Eisenwagen, rasselnd wie Gewitterwolken, t?glich durch Japan eilen. Diese Wagen w?rden die Fremden in Massen nach Kioto und an die Ufer des Biwasees bringen. Die leichten Vogelk?fige der Bambush?user w?rden verschwinden, und Steinh?user, wie man sie im Westen der Erde baut, w?rden zum Himmel wachsen, und ?berall w?rde dann Rauch und Eisenl?rm sein. Denn die Fremden lieben das Eisenrasseln und k?nnen ohne die bet?ubende Stimme des Eisens nicht leben: sie lieben, das Leben als einen ewigen Krieg anzusehen. Sie sind wie Donnerg?tter ungeduldig und aufstampfend, und sie werden schlimmer als Wolkenbr?che und schlimmer als Taifun Japan verheeren, so sagte man. Hanake, die keine Eltern hatte und nur mit ein paar Dienerinnen und Dienern noch das Haus ihres Vaters bewohnte, h?rte gruselnd die Berichte ihrer Freunde und erfand mit ihren Freundinnen kleine Spottlieder, welche die D?monen des Westens verh?hnten, Lieder, die sie abends bei den Bootfahrten in lampenerleuchteten Booten auf dem Biwasee sangen. Eines Abends -- die Sonne war eben untergegangen, der See war hell, als w?re er aus Porzellan, weiss und gl?nzend, der Himmel war golden, als h?tte Hanake eine ihrer Truhen ge?ffnet, die aus Goldlack waren, und die Geheimf?cher enthielten, -- trat Hanake auf den Landungssteg, der vor ihrem Haus in den See reichte, und den links und rechts hohes Schilf umwiegte. In der Richtung nach Yabase erschienen drei Segelboote. Die drei Segel glitten wie senkrechte Papierw?nde ?ber das abendglatte Wasser. Man sah keine Menschen; denn jedes Segel reichte so tief, dass es das Boot verdeckte. Die aufgepflanzten Segel wurden gr?sser und kamen n?her: Hanake f?hlte eine Bangigkeit, als k?men mit den drei Segeln drei weisse, unbeschriebene Bl?tter aus ihrem Schicksalsbuch geschwommen, und pl?tzlich las sie, als eine Sekunde von Windstille die Segel schlaff werden liess, ein japanisches Schriftzeichen, zuf?llig entstanden aus den Falten jeder Segelleinwand. Das erste Boot sagte: < Nach der kurzen Windstille, die knappe Sekunden dauerte, wechselte der See seine Farbe; wie vergossene schwarze Tusche ?ber weisses Papier lief eine Finsternis ?ber die Seefl?che, und ganz unvermittelt setzte ein trompetender Seesturm ein, der alle drei Segel fast flach auf das Wasser legte, als m?sste die Leinwand den Seeschaum reiben; Hanake tat einen Schrei vor Entsetzen, da sie glaubte, die Segelboote m?ssten unter dem pl?tzlichen Wind und in den kreiselnden Wellen versinken. Aber die drei Boote hoben sich wieder. Geschickte H?nde regierten die Segel. Doch dieses sah Hanake nicht mehr. Sie hatte zugleich mit dem Schrei, als das aufgeregte Schilf ihr um den Nacken schlug, einen Sprung in die Luft gemacht wie eine elektrisierte Katze und war in das Wasser gefallen; und als sie die Augen ?ffnete, sah sie ein Rudel Fische und wusste, dass sie unter dem Wasser war, als w?re sie selbst ein Fisch. Dann verlor sie das Bewusstsein. Als sie aufwachte, lag sie in ihrem Zimmer. Es war Nacht, eine Kerze brannte, und ihre Lieblingsmagd, welche < Die Magd antwortete nicht, h?rte auf zu weinen und streichelte die H?nde ihrer Herrin, entz?ckt, sie wieder lebend zu sehen. < Aber die Singende Seemuschel hatte keine Segelboote gesehen. Die Magd hatte die Herrin auf dem Kies im Schilf gefunden und geglaubt, das junge M?dchen sei von der Landungsbr?cke ins Wasser gefallen und habe sich durch einen Zufall selbst gerettet. < < Die Magd gehorchte, brachte den grauen Papagei und wurde dann von ihrer Herrin schlafen geschickt. Aber sie h?rte in der Nacht bis zum Morgen, wie Hanake ihrem grauen Papagei drei S?tze lehrte: Ich gr?sse dich! Ich liebe dich! Ich t?te dich! Und sie sah an der weissen Papierwand den Schatten ihrer Herrin aufrecht neben dem Schatten des Vogels sitzen. Und immer, wenn der Vogel sagen sollte: Ich liebe dich!, dann lachte er so unheimlich knarrend, dass es der Magd gruselte. W?hrend der ganzen Nacht lachten und sprachen Hanake und ihr Vogel zusammen. Und ganz fr?h rief Hanake zwei Dienerinnen, die sie frisierten, und Seemuschel, die Lieblingsmagd, die alle Verstecke des Hauses kannte, musste aus dem ?ltesten Lackkasten zwei winzige kostbare Satsumavasen holen, die sich in der Familie seit Hunderten von Jahren vererbt hatten, und musste am Seeufer zwei Schwertlilien abschneiden, eine blaue und eine gelbe. Die Vasen mit je einer Lilie wurden von Hanake in eine Nische gestellt und ein auf weisse Seide geschriebenes Gedicht eigenh?ndig an die Wand geh?ngt. Das Gedicht hiess: Auf dem See steht ein weisses segelndes Boot. Mein Herz, mein leises, Mein Auge, mein heisses, -- Die Menschen, die einsam sind, Sind wie die Boote von Yabase, Die blass hintreiben im Abendwind. Hanake hatte an diesem Tag allen ihren Freunden und Freundinnen absagen lassen und sass drei Stunden vor Sonnenuntergang schon am Fenster, das auf den See sah. Auf dem Seespiegel brannte die Sonne wie ein helles Herdfeuer, und Hanake hielt einen F?cher zwischen sich und das grelle Licht. Aber von Zeit zu Zeit strengte sie sich an, dem Licht zu trotzen, und suchte mit aufmerksamen Augen die funkelnde Seefl?che ab und w?nschte die drei Segel herbei, die gestern abend ihre Ruhe mit fortgenommen hatten. Auf Hanakes Kleid waren Schwertlilien gewebt, blaue und gelbe auf silbrigem Grund, und ihr Kopf sah aus der silbrigen Seide, als schaute er aus dem Kamm einer hellen Welle. Sie hatte seit gestern abend noch nicht geschlafen, und das Schauen auf die sonnenfeurige Seefl?che brannte ihr fast die Augen aus, so dass sie f?r einen Augenblick die Augenlider schloss und, ohne es zu wissen, einschlief. Sie hatte vielleicht eine kleine Stunde geschlafen, da weckte sie der graue Papagei, der ihr auf die Schulter kletterte und ihr ins Ohr kr?chzte: < Hanake hob das K?pfchen aus der silbrigen Seide und sah am Landungssteg ein grosses gerafftes Segel. Das war so nah an ihrem Fenster, dass sie die Segelleinwand an die Maststange klatschen h?rte. Sie bog sich vorsichtig aus dem Fenster und sah, dass das Segelboot festgebunden war. Aber im Boot war kein Mensch zu sehen. Das ist eines der drei Boote, sagte atemstockend ihr heimkehrendes Herz. Aber sie wusste nicht, war es das erste, das zweite oder das dritte Boot. Da trat ihre Lieblingsmagd, die Singende Seemuschel, herein und brachte einen zusammengerollten Brief. < Im Brief stand: <
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