Read Ebook: Gockel Hinkel und Gackeleia by Brentano Clemens
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Ebook has 498 lines and 69254 words, and 10 pages
sagte Frau Gockel, "ein Traum war, so war auch das Ehrenwort ein Traum." Gockel sprach hierauf unwillig: "ein Ehrenwort ist nie ein Traum, das verstehst du nicht, und den Biss habe ich so deutlich gef?hlt, dass ich mit einem Schrei erwachte, das Ohr brennt mich noch. "--"Lass doch einmal sehen," sagte Frau Hinkel, und erblickte mit grosser Verwunderung wirklich die Spur von f?nf spitzen Z?hnchen an Gockels Ohr.
Als sie ihm dieses gesagt hatte, liess er sich auch keinen Augenblick l?nger aufhalten, sprang vom Lager auf, nahm das Brod aus dem H?hnerkorb, schnitt ein St?ck herunter, das er einsteckte, und sprach zu seiner Frau: "Hinkel r?ume einstweilen Alles h?bsch auf, sieh dich im Schlosse und der Umgebung um, und denke dir Alles aus, wie du es gerne zu unserer Haushaltung eingerichtet h?ttest; besonders gieb auf Alektryo und Gallina acht, weil es, wie du geh?rt hast, Katzen hier giebt; nach Mittag hoffe ich wieder hier zu seyn," und nun nahm er seinen Reisestab in die Hand. Weil er aber die M?tze, aus der ihm die M?uschen entgegenpfifferten, aufsetzen musste, so nahm er ein leeres, mit zarten Federchen ausgef?ttertes Vogelnest aus einem Baum, setzte die M?uschen hinein, schob es in den Busen und gieng mit starken Schritten in den Wald gegen das Fl?sschen hin.
Nach ein paar Meilen Wegs ruhte er an einer Quelle, wo er sein Brod mit seinen Reisegef?hrten theilte. Da er aber endlich an den Fluss kam, gieng er auf und ab, eine schmale Stelle zu finden, fand auch endlich einen Ort, wo er das Fl?sschen leicht mit einem Steine ?berwerfen konnte. Hier nun nahm er sich vor, die M?uschen ?berzusetzen, aber keine Br?cke, kein Kahn war da; er entschloss sich daher kurz, zog das Nest mit den M?usen hervor, und sprach hinein: "lebet wohl, meine lieben G?ste; du Prinz von Speckelfleck befleisse dich besserer Sitten, und du Prinzess von Mandelbiss bilde dir nicht so viel auf die Sch?nheiten ein, die du besitzest; ?brigens bist du wirklich ein sehr sch?nes Thierchen! Lebt wohl, gr?sst eure Anverwandten und vergesst nicht den armen alten Gockel von Hanau." Die M?uschen wussten gar nicht, was er wollte, weil er schon Abschied nahm und sie doch noch diesseits des Flusses waren, auch kein Kahn und keine Br?cke weit und breit zu sehen war; sie pfifferten ihm daher allerlei Fragen entgegen, aber er verstand kein Wort, liess sich auch weiter auf nichts ein, sondern wickelte sie, nebst einer Erdscholle, in das Nest, holte weit aus und warf sie gl?cklich hin?ber in das hohe Gras. Da sich von dem Falle das Nest dr?ben ?ffnete, schrieen die kleinen Thierchen noch immer sehr erstaunt, wie er sie nur hin?ber bringen wolle, als sie zu ihrer gr?ssten Verwunderung sahen, dass sie bereits dr?ben waren und fr?hlich nach Hause liefen, ihre Abentheuer zu erz?hlen.
Auf dem Heimwege begegnete Gockel drei alten Morgenl?ndern mit langen B?rten, welche grosse Naturphilosophen, Kabbalisten und Petschierstecher waren; sie f?hrten einen alten Bock und eine alte magere Ziege an Stricken zur Frankfurter Messe. Sie redeten Gockel an: "seid ihr der Besitzer des alten Schlosses hier im Walde?" Gockel antwortete: "ja, ich bin der alte Raugraf, Gockel von Hanau." Da fragten ihn die M?nner, ob er ihnen nicht den alten Haushahn verkaufen wollte, sie wollten ihm den Bock daf?r geben. Gockel antwortete: "was soll ich mit dem Bock, ihn etwa zum G?rtner machen, kann der Bock etwa kr?hen? Mein Hahn ist kein Alletagshahn, er ist ein Wappenhahn, ein Stammhahn; sein Vater hat auf meines Vaters Grab gekr?ht, und er soll auf meinem Grabe kr?hen, lebt wohl." Da boten ihm die M?nner die Ziege, und als er abermals nicht wollte, boten sie ihm den Bock und die Ziege; Gockel aber lachte sie aus und gieng seiner Wege. "Nun," riefen sie ihm nach, "in vier Wochen gehen wir wieder vorbei, da wollen wir wieder nachfragen, vielleicht haben dann der Herr Raugraf mehr Lust, den Hahn zu verkaufen."
Gockel kam gegen Abend nach Haus, und nachdem er von seiner Reise ausgeschlafen hatte, sah er sich am andern Morgen mit Frau Hinkel und dem T?chterchen Gackeleia in dem w?sten Schlosse seiner Vor?ltern um und begann sich so gut einzurichten, als es nur immer m?glich war. Alektryo zog ?berall mit ihnen umher, und da er an einer Stelle nicht aufh?rte zu scharren und zu locken, ward Gockel aufmerksam und r?umte m?hsam den Schutt hinweg, wo er dann zu seiner grossen Freude einiges eiserne Gartenger?th fand, das von dem eingest?rzten Hause versch?ttet worden war. Da war ein Spaten, eine Pickel, eine Karst, eine Harke, und Gockel machte sich gleich daran, diese rostigen Instrumente wieder blank zu wetzen und neue Stiele hinein zu schnitzen. Mit diesem Werkzeug konnte er nun t?chtig in dem Schutt herum arbeiten, und es gelang ihm, am Fusse eines Rauchfangs, ein Kamin herauszugraben, in welchem der eiserne Kessel seiner Vorfahren noch an einer Kette ?ber der Feuerstelle hing. Auch diesen scheuerte Frau Hinkel am Brunnen wieder blank, und Gockel richtete ihr das sch?ne Kamin zur Kochstelle ein.--Freudig rief er sie herbei und zeigte ihr die sch?ne Einrichtung; aber Frau Hinkel seufzte und sagte: "was soll uns der Herd, wenn wir nichts zu kochen haben?"--"Gott wird helfen," sagte Gockel, und lehnte sich auf seine Schaufel; indem kam Gackeleia herangeh?pft und hatte eine Menge bunte Vogelfederchen in ihrer Sch?rze gesammelt, und sagte: "Mutter, da sind so sch?ne Federchen, mache mir doch solche H?hnchen und H?hnchen daraus, wie du mir oft in Gelnhausen gemacht!"--Gockel sagte: "Kind, dich schickt Gott; ja, das thue Frau Hinkel, mache ein paar Dutzend solche V?gelchen, ich will sie f?r Brod und andres N?thige verkaufen."--Frau Hinkel, welche eine ganze Sammlung solchen kleinen Gefl?gels f?r das k?niglich Gelnhausenische H?hner-Normal-Museum verfertigt hatte, machte nun aus Lehm und diesen Federn allerlei artige kleine V?gel; die Beine und Schn?bel wurden aus Dorn gemacht, und sie sahen recht artig aus. An den Tagen, da sie hieran auf den verfallenen Stufen des trocknen Springbrunnens sitzend arbeitete, legte Gockel auf allen fruchtbaren Erdstellen zwischen den Mauern Gartenbeete an, ordnete und verband alle Winkelchen mit Z?unen und aus umherliegenden Steinen zusammengestellten Treppen. Er sammelte alle Gartengew?chse, die im verwilderten Schlossg?rtchen noch ?brig geblieben waren, und pflanzte sie fein ordentlich in die neu angelegten Beete.
Von den mitgebrachten Broden war das letzte schon seit einigen Tagen angeschnitten, und Frau Hinkel hatte die zwei Dutzend Federv?gelchen fertig. Gockel nahm sie und sprach: "Diese Thierchen sollen uns Brod schaffen, bis wir lebendige H?hnchen zu verkaufen haben" und somit empfahl er ihnen fleissig zu seyn und gieng fort durch den wilden Wald nach der Landstrasse zu. Kaum war er eine Stunde Wegs gegangen, als er einen Postillon ganz erb?rmlich blasen h?rte. Er gieng auf den Schall zu, und sah einen Mann in gelbem Rock mit schwarzen Aufschl?gen im Geb?sch herum kriechen. Als sie sich erblickten, sagte dieser: "Gott sey Dank, dass da jemand k?mmt, mir aus der Noth zu helfen."--"Von Herzen gern, wenn's m?glich ist," erwiederte Gockel, "was giebt es, wo fehlt es?"--"Seht," fuhr der Mann fort, "ich bin der Conducteur vom heiligen r?mischen Reichs-Postwagen und fahre jetzt nach N?rnberg; da ich durch Gelnhausen kam, war ein L?rm in der Stadt, dass der H?hnerminister, Alles zur?cklassend, mit Frau und Kind verschwunden sey. Das ?rgerte den K?nig Eifrasius, er liess mich zu sich rufen und sagte: "Herr Conducteur, will er mir gegen ein gutes Trinkgeld einen Gefallen thun?"--"Nicht mehr als Schuldigkeit, ihre Majest?t," sagte ich.--Da sagte der K?nig: "Mein H?hnerminister, ein alter eigensinniger deutscher Degenknopf, ist in Gnaden entlassen auf und davon gegangen, und hat nicht einmal seinen Gehalt f?rs letzte Vierteljahr mitgenommen; ich will ihm nichts schuldig bleiben; wie ich vermuthe, ist er in sein w?stes Stammschloss im Hanauer Wald gezogen. Nehme er ihm sein letztes Quartal mit und suche er ihn auszufragen; wenn er mir einen Zettel bringt, dass er es empfangen, so gebe ich ihm bei der R?ckkehr ein gutes Trinkgeld."--Ich war zu Allem bereit; man lud mir einen Sack voll Kartoffeln, einen Sack voll Mehl, einen Kuhk?s, einen Topf voll Butter, einige Laib Brod und einen Korb mit Eiern auf. Alles mit der Adresse, an Seine Hochgeborne Excellenz Herrn Raugrafen Gockel von Hanau, k?niglich Gelnhausenischen Exh?hnerminister in--da steht ein Fragezeichen.--Nun fahre ich schon ein paar Stunden herum und kann das Schloss nicht finden, und ich f?hre noch herum--aber es geht nicht--denn der Postwagen ist mir umgefallen, und der ganze Korb mit Eiern ist mir zerbrochen, ihr werdet die Bescheerung sehen.--Ich liess den Postillon schon eine Stunde lang um H?lfe blasen und suchte einstweilen, bis jemand k?me, uns den Wagen aufrichten zu helfen, hier unter den B?umen Pfifferlinge f?r einen Freund in N?rnberg. Das ist die Geschichte, jetzt kommt und helft."
Gockel umarmte den Conducteur, kn?pfte seinen Wammes auf, zeigte ihm seinen Orden und gab sich als den Exh?hnerminister zu erkennen. Niemand war froher als der Conducteur. Sie eilten nach dem umgefallenen Postwagen, trugen die Kartoffeln, das Mehl, das Brod, den K?s, die Butter, die Gockel geh?rten, in ein dichtes Geb?sch, richteten den Postwagen wieder auf, wischten mit Gras das Eigelb von den zerbrochenen Eiern aus dem Wagen und schmierten die R?der damit. Gockel nahm seinen Siegelring, worauf ein doppelter Hahn eingestochen war, den er mit Eigelb bestrich und dem Conducteur in sein Postbuch als Bescheinigung des Empfangs abdruckte.--"Nun ist alles vortrefflich, Herr Graf," sagte der Conducteur, "aber eine Gef?lligkeit m?chte ich mir erbitten. Ein Freund von mir, in N?rnberg, ein Liebhaber von Rarit?ten, hat auf der Durchreise in Gelnhausen, im k?niglichen Normalh?hnermuseum, eine Sammlung kleiner, von Federn gemachter H?hnchen gesehen, und w?nschte um Alles in der Welt zu wissen, wo dieselben verfertigt werden, er k?nnte bei seinem ausgebreiteten Handel wohl hundert Dutzend davon gebrauchen." "Gut, mein Freund," erwiederte Gockel, "ich kann sie Ihnen verschaffen, hier haben sie gleich zwei Dutzend von neuester Fa?on als eine Probe; wenn sie hier wieder vorbeifahren, legen sie nur dort in den hohlen Baum, was ihr Freund daf?r bezahlt, sie sollen dort immer von Zeit zu Zeit einige Dutzend solchen Gefl?gels vorr?thig finden. Wenn sie wieder kommen, bringen sie mir etwas Drath und Zwirn und eine halbe Elle rothes Tuch mit, die Beine und den Kamm an den Thierchen sch?ner machen zu k?nnen." Der Conducteur versprach Alles, und da Gockel fragte, wie denn das Handlungshaus in N?rnberg heisse, zog er eine leere Rauchtabaksd?te aus der Tasche, f?llte die H?hnchen hinein und zeigte Gockel die Adresse: Gebr?der Portorico ohne Rippen.--Da blies der Postillon recht ungeduldig. Gockel sch?ttelte dem Conducteur die Hand, der in den heil. r?mischen Reichspostwagen kroch, der gewiss sehr schnell fortgefahren w?re, weil er so gut geschmiert war--aber der Kasten war schwer, die Pferde m?d, der Weg schlecht und der Postillon schlief.
Gockel packte sogleich von Allem, was er erhalten hatte, so viel auf, als er tragen konnte, das Uebrige verdeckte er dicht mit Zweigen, um es Morgen vollends nach Haus zu bringen. Als er in das Schloss kam, rief er sogleich: "geschwind Frau Hinkel! Den Kessel ?bers Feuer, ich bringe Lebensmittel," und nun zeigte er, was er gebracht, und erz?hlte Alles, was er erlebt." Frau Hinkel kochte Kartoffeln, machte gebrannte Mehlsuppe, backte Pfannkuchen. Sie assen fr?hlich, streuten den V?geln Brosamen und giengen zufrieden schlafen. Am andern Morgen holte Gockel den ?brigen Vorrath und fuhr fort in dem w?sten Geb?ude aufzur?umen und einzurichten.
Ihr Leben ward t?glich ertr?glicher in dem wilden Schloss. Gockel gieng oft ganze Tage in den Wald, bald zu jagen, bald um die V?gelchen und H?hnchen der Frau Hinkel in den hohlen Baum zu tragen, wo er immer f?r jedes zwei Kreuzer von Hrn. Gebr?der Portorico ohne Rippen durch den Conducteur und neue Bestellungen, und was er selbst bestellt, hingelegt fand.--Wenn Gockel weggieng, befahl er immer, was gearbeitet werden sollte, und Alektryo horchte seinen Auftr?gen jedesmal sehr ernsthaft zu. Seine Befehle wurden aber nicht immer befolgt. Zum Beispiel: Gackeleia sollte aus Weidenruthen H?hnernester flechten und die Weidenruthen in den Brunnen vor dem Schlossgarten legen, damit sie sich recht geschmeidig flechten liessen; aber sie that das sehr nachl?ssig, war eine neugierige, naschhafte kleine Spielratze, guckte in alle Vogelnester, naschte von allen Beeren, machte sich Blumenkr?nze und hatte keine rechte Lust zum Arbeiten, wesswegen der strenge Alektryo sie manchmal mit grossem Zorn ankr?hte, so dass sie erschreckt zu ihrer Arbeit zur?cklief. Darum fasste sie einen starken Unwillen auf den alten Wetterpropheten und verklagte ihn bei der Mutter. Auch diese hatte keine Liebe zu Alektryo, denn, wenn sie sich manchmal ?ber der Gartenarbeit erm?det auf einen Stein setzte und sehns?chtig an die Fleischer--und B?ckerladen zu Gelnhausen dachte, begann Alektryo, der ihr immer wie ein beschwerlicher Haushofmeister auf allen Schritten nachgieng, auf den zu bestellenden Gartenbeeten zu scharren und zu kr?hen, um sie an die Arbeit zu erinnern.
Als sie nun einstens so sitzend eingeschlafen war und vergessen hatte, der Henne Gallina Futter vorzustreuen und frisches Wasser zu geben, tr?umte ihr auch von den Gelnhausner Braten und Eierwecken so klar und deutlich, dass sie im Traum sagte: "ach es ist Wahrheit, es ist kein Traum;" da kr?hte ihr Alektryo so schneidend dicht in die Ohren, dass sie vor Schrecken erwachte und an die harte Erde fiel. Darum hatte sie noch einen viel gr?ssern Unwillen gegen den ehrlichen Stammhahn Alektryo, und jagte ihn ?berall hinweg, wo sie zu thun hatte. Auch h?tte sie ihm gerne l?ngst den Hals abgeschnitten, weil er sie alle Morgen um 3 Uhr von ihrem Lager aufweckte. Aber er war ihr zu der H?hnerzucht, auf welche Gockel alle seine Hoffnung gestellt hatte, gar zu n?thig.
Wenn nun Gockel Abends heimkehrte, kam ihm gew?hnlich Alektryo entgegengeflogen, schlug mit den Fl?geln und kr?hte ihm allerlei vor, als wolle er Hinkel und Gackeleia wegen ihrer Nachl?ssigkeit verklagen, und diese verklagten den Hahn wieder und es gieng ein strenges Nachforschen Gockels ?ber Alles an, wo darin Hinkel und Gackeleia mancherlei Verdruss bekamen, so dass sie dem Alektryo t?glich feindseliger wurden. Das Alles w?hrte so fort, bis die Henne Gallina dreissig Eier gelegt hatte, auf denen sie br?tend sass. Auf diese Brut setzte Gockel alle seine Hoffnung f?r die Zukunft, und z?rnte darum so gewaltig auf Frau Hinkel, als sie die Vorsprecherin der Raubv?gel werden wollte, die gern im Schlosse aufgenommen gewesen w?ren, wor?ber ihr Gockel einen so derben Verweis gab, wie ich gleich anfangs erz?hlte.
Die Freude des guten Gockels ?ber seine br?tende Henne war ungemein gross, und da er t?glich erwartete, dass die kleinen H?hnchen auskriechen sollten, eilte er nach einer nahe gelegenen Stadt, Hirse zu ihrem Futter zu kaufen, und empfahl sowohl der Frau Hinkel als der kleinen Gackeleia sehr auf die br?tende Gallina Acht zu haben, dass ihr ja niemals etwas mangle. Er gieng schon um Mitternacht weg, weil er einen weiten Weg vor sich hatte. Frau Hinkel dachte nun einmal recht auszuschlafen, und nahte sich dem Hahn Alektryo, der noch auf seiner Stange schlafend sass, ergriff ihn und steckte ihn in einen dunkeln Sack, damit er den anbrechenden Morgen nicht erblicken und sie mit seinem Kr?hen nicht erwecken m?ge, worauf sie sich wieder niederlegte und wie ein Ratze zu schlafen begann.
Das T?chterlein Gackeleia aber schlief nicht viel, denn sie hatte sich schon lange darauf gefreut, wenn der Vater Gockel einmal l?nger abwesend seyn w?rde, sich ein Vergn?gen zu machen, das sie gar nicht erwarten konnte. Sie hatte n?mlich bei ihrem Herumklettern in einem entfernten Winkel des alten Schlosses eine Katze mit f?nf Jungen gefunden und weder dem Vater noch der Mutter etwas davon gesagt, weil diese immer sehr gegen die Katzen sprachen. Gackeleia aber konnte sich nie satt mit den artigen K?tzchen spielen, sie brachte alle ihre Freistunden bei denselben zu und hatte der alten Katze den Namen Schurrimurri gegeben, die f?nf Jungen aber Mack, Benack, Gog, Magog und Demagog genannt. Heute stand sie nun in aller Fr?he leise neben der schlafenden Mutter auf, froh, dass Alektryo sie nicht verrathen k?nne, denn sie hatte wohl bemerkt, dass die Mutter ihn in den Sack gesteckt. Als sie aber an dem Neste der br?tenden Gallina vor?bergieng, hatte sie eine wunderbare Freude, denn sieh da, alle die Eier waren kleine H?hnchen geworden, und piepten um die Henne herum und dr?ngten sich unter ihre ausgebreiteten Fl?gel und guckten bald da, bald dort mit ihren niedlichen K?pfchen hervor. Gackeleia wusste sich vor Freude gar nicht zu fassen; anfangs wollte sie die Mutter gleich wecken, dann aber fiel es ihr ein, sie wolle es zuerst ihren kleinen K?tzchen erz?hlen, und meinte, die w?rden sich eben so sehr, als sie selbst, ?ber die sch?nen H?hnchen freuen.
Schnell lief sie nun nach dem Katzennest, und als ihr die alte Katze mit einem hohen Buckel entgegen kam und um sie herumzuschnurren begann, und die kleinen K?tzchen hinter ihr drein zogen, sprach Gackeleia: "Ach, Schurrimurri! Gallina hat dreissig junge H?hnchen, und jedes ist nicht gr?sser als eine Maus." Als die Katze dies h?rte, war sie so begierig die H?hnchen zu sehen, dass ihr die Augen funkelten. Da sagte Gackeleia: "wenn du h?bsch leise auftreten willst und nicht miauen, damit die Mutter nicht erwacht, so will ich dir die artigen H?hnchen zeigen; die kleinen K?tzchen k?nnen auch mitgehen, die werden grosse Freude an den H?hnchen haben." Gleich lief nun Schurrimurri mit ihren Jungen vor Gackeleia her, und als sie an den Stall gekommen waren, ermahnte sie dieselben nochmals, recht artig zu seyn, und machte leise die Th?re auf. Da konnte sich aber Schurrimurri nicht l?nger halten, sie setzte mit einem Sprunge auf die br?tende Gallina und erw?rgte sie, und die jungen K?tzchen waren eben so schnell mit den jungen H?hnchen fertig.
Das Geschrei der Gackeleia und der sterbenden Gallina weckte die Mutter, die noch auf dem Lager schlief und mit Entsetzen ihre ganze Hoffnung von der Katze erw?rgt sah, die sich, nebst ihren Jungen, bald mit ihrer Beute davon machte. Gackeleia und Hinkel weinten und rangen die H?nde, und der arme Alektryo, der das Wehgeschrei der Seinigen wohl geh?rt hatte, flatterte und schrie in dem Sack.
Gackeleia wollte sterben vor Angst, sie umfasste die Kniee der Mutter und schrie immer; "ach der Vater, ach der Vater, ach was wird der Vater sagen, ach er wird mich umbringen; Mutter, liebe Mutter, hilf der armen Gackeleia!"
Frau Hinkel war nicht weniger erschreckt, als Gackeleia, und f?rchtete sich nicht weniger als diese vor dem gerechten Zorne Gockels, denn sie hatte den wachsamen Alektryo in den Sack gesteckt. Als sie das bedachte, fiel ihr auf einmal ein, sie wolle den Hahn Alektryo als den M?rder der jungen H?hnlein angeben, und hoffte dadurch den Zorn Gockels auf diesen unbequemen W?chter zu wenden. Sie nahm daher den Sack, worin der Hahn war, und sagte: "komm Gackeleia, wir wollen dem Vater nacheilen und ihm den Alektryo als den M?rder der kleinen H?hner und der Gallina ?berbringen," und so eilten sie nun beide den Gockel einzuholen, der im Walde herumstrich, einiges Wild zu erlegen, das er bei dem Kr?mer gegen Hirse vertauschen wollte.
Bald sahen sie ihn auch in einem Busche zwei Schnepfen, die sich in einem Sprenkel gefangen hatten, in seinen Ranzen stecken; da fiengen sie laut an zu weinen. Gockel schrie ihnen entgegen: "Gott sey Dank, ihr weinet gewiss vor Freude, Gallina hat gewiss dreissig sch?ne junge H?hnchen ausgebr?tet."--"Ach," schrie Frau Hinkel, "ach ja, aber! "--"Aber, was aber?" sagte Gockel, "was aber weint ihr, dreissig H?hner, und immer so fort, entsetzlich viele H?hner!"--Da rief Hinkel: "O Ungl?ck ?ber Ungl?ck, Alektryo, dein sauberer Haushahn hat Gallina und alle die gegenw?rtigen und k?nftigen H?hner gefressen! Da hab ich ihn in den Sack gesteckt, da hast du ihn, strafe ihn, ich will ihn nie wieder sehen." Mit diesen Worten warf sie dem vor Schreck versteinerten Gockel den Sack mit dem Hahn vor die F?sse. Gockel war ?ber die schreckliche Nachricht, die alle seine Hoffnungen zerst?rte, ganz wie von Sinnen; "ach," rief er aus, "nun habe ich Alles verloren, das Gl?ck weicht von meinem Stammhaus, alle meine Voreltern und Nachkommen sind betrogen durch den unseligen Alektryo, den wir ?ber Menschen und Vieh hoch geachtet haben. O! h?tte ich ihn doch den drei morgenl?ndischen Petschierstechern f?r den Geisbock und die Ziege verkauft, da h?tten wir doch etwas gehabt." Als Frau Hinkel h?rte, dass er den Alektryo so gut h?tte verkaufen k?nnen, machte sie dem Gockel bittere Vorw?rfe, der immer trauriger ward, und endlich seinen alten pergamentenen Adelsbrief aus dem Busen zog und zu seiner Frau sagte: "Hinkel, sieh, was meinen Stamm immer bewogen hat, den Alektryo zu ehren; da unten auf der goldenen B?chse, in welcher der treulose Alektryo als mein Familienwappen in Wachs abgebildet ist, steht ein alter Familienspruch, nach welchem ich mit allen meinen Vorfahren, von dem Geschlechte des Alektryo unser Gl?ck erwartete. Die schriftliche Urkunde davon ist bei der Verbrennung unseres Schlosses verloren gegangen, mein Grossvater hat den Spruch aber zum ewigen Angedenken auf die goldene Siegelb?chse stechen lassen. Er lautet ganz klar:
"Alektryo bringt dir Gl?cke selbst um Undank. Gockel--Kopf--Kropf--Siegel--Brod gab."
Was aber die Worte: Kopf, Kropf, Siegel, Brod gab, bedeuten sollen, weiss ich nicht."
Als er kaum die Worte ausgesprochen hatte, traten die drei Petschierstecher, die ihm neulich den Hahn abkaufen wollten, aus dem Geb?sch und sprachen: "was befehlen der Herr Graf Gockel von Hanau von uns?"--"Wie so," sagte Gockel unwillig, "was soll ich befehlen?"--"Der Herr Graf," antworteten die M?nner, "haben doch unsre Namen, Kopf, Kropf und Siegel zweimal ausgesprochen, denn so heissen wir, seit unsre Vor?ltern nach Deutschland gezogen.--Aber vielleicht wollen der Herr Graf sich ein neues Petschaft stechen lassen; denn ausserdem, dass wir in der Astrologie, Physiognomie, Chiromantie, Geomantie, Alektryomantie, Coscinomantie, Hydromantie, Crystallomantie, Cabbala, Goetie, Diplomatie und Prophetie unbegreiflich billige Privatstunden geben, und dass wir H?hneraugen schneiden, zerbrochenes Porzellain kitten und Kaffeem?hlen scharf machen, sind wir haupts?chlich Petschierstecher, was durchaus zur Diplomatie, wegen der Siegelkenntniss an den Urkunden, und zur Verfertigung der Talismane n?thig ist. Ach, Herr Graf! es geh?rt heut zu Tag ein entsetzlicher Umfang dazu, um in den Wissenschaften komplett zu seyn; es werden grausame Forderungen gemacht, und was hat man davon, nichts als die Ehre, dass Alles in einander greift mit leeren H?nden. Ja, wenn der Handel mit Vieh, mit alten Kleidern und Hasenpelzen nicht w?re--Herr Graf!--wahrhaftig die hohen Wissenschaften machen die Suppe nicht fett."--"Also, dass ich meine Rede nicht vergesse, wollen der Herr Graf sich nicht ein Petschaft stechen lassen?--denn wir sehen, dass sie Ihr Siegel in den H?nden haben, welches ein Siegel des Gleichnisses, voll der Weisheit und ausnehmend sch?n ist."
"Ach", sagte Gockel, "ich m?chte mein Wappen lieber ganz vernichten, denn der Hahn Alektryo, der darauf abgebildet ist, hat uns sch?ndlich betrogen," und nun erz?hlte er ihnen sein ganzes Ungl?ck.--"Sehen der Herr Graf," sagte der eine Petschierstecher, "wie gut wir es mit Ihnen gemeint, da wir Ihnen neulich den Hahn abkaufen wollten; haben wir nicht gesagt, Sie w?rden ihn n?chstens vielleicht gern los werden, wenn ihn nur jemand wollte, das lehrte uns die Prophetenkunst."
"Wie so, gut gemeint," sagte Gockel, "wie konntet ihr denn wissen, dass mich der Hahn in solches Leid versetzen werde?" Da erwiederte der eine Morgenl?nder: "diess Leid ist ja deutlich in dem alten Familienspruch ausgesprochen, welchen unsre Vor?ltern selbst auf die goldne Siegelb?chse gestochen haben; weswegen auch abgek?rzt unter dem Spruche steht, dass durch diese Arbeit Gockel dem Kopf, dem Kropf, dem Siegel Brod gab, und aus Dankbarkeit f?r dieses Brod, das Ihre Vor?ltern den unsern gegeben, wollten wir, da der Herr Graf in Ungnade und Armuth gerathen ist, Ihro Excellenz den Hahn abkaufen, weiteres Ungl?ck von Ihnen abzuwenden."
"Das ist dankenswerth," erwiederte Gockel, "aber ich sehe in dem Spruche gar keine Ungl?cksprophezeiung, sondern gerade das Gegentheil; steht nicht in den Worten: Alektryo bringt dir Gl?cke selbst um Undank.
ganz deutlich ausgesprochen, dass der Hahn selbst f?r Undank seinem Herrn Gl?ck bringen werde?"--"Ja," sagte da der zweite Petschierstecher, "der Spruch ist, wie viele solche Spr?che, in der Flattirmanier gestellt, grosse Herrn flattirt man gern. Die Urkunde ist ein bischen verschmeichelt und aus Menschenfreundlichkeit ein wenig aufgemuntert; so wie man einem alten Ross die Haare aus den Ohren schneidet und die Z?hne feilt, dass es j?nger aussieht, haben unsre Vorfahren dem damaligen Graf Gockel den Schrecken ersparen wollen und haben ein r aus einem e und aus einem u ein ? gemacht, denn der Spruch heisst eigentlich:
Alektryo bringt die Glucke selbst um, o Undank!
was durch die Thatsache bewiesen ist, denn der undankbare Alektryo hat ja die Glucke sammt den K?chlein umgebracht; wir aber m?ssen dieses verstehen, denn wir sind von undenklichen Zeiten aus dem Stamme der Petschierstecher. Von unsern Vor?ltern ist das Siegel Juda, das Siegel Pharaos, das Siegel Ahabs, das Siegel Ahasveri und das Siegel des Darius gestochen, womit er den Daniel in die L?wengrube versiegelte. Wir sind Leute vom Fach, der Herr Graf k?nnen sich auf die G?te unsrer Auslegung verlassen, und so sie sich nicht von erster Qualit?t bew?hrt, k?nnen der Herr Graf sie uns wieder zur?ckgeben."
Gockel ganz von der Rede der M?nner und seinem Ungl?cke ?berzeugt, bat sie, ihm doch nun den Bock und die Ziege f?r den Hahn zu geben, aber das wollten sie nicht mehr und sprachen: "was soll uns der Hahn, er ist ein Ungl?ckshahn, er kann uns ein Leid anthun, wer wird einen Ungl?ckshahn essen, und bleibt er am Leben, er k?nnte einem ein Ungl?ck ankr?hen; aber lassen ihn der Herr Graf einmal sehen, man kauft keine Katze im Sack, viel weniger einen Hahn." Da zog Gockel den Hahn aus dem Sack, und sprach weinend: "o Alektryo, Alektryo! welch Leid hast du mir gethan." Alektryo liess Kopf und Fl?gel h?ngen und war sehr traurig; aber als ihm der eine Petschierstecher an den Kropf f?hlen wollte, ward er ganz w?thend; alle seine Federn str?ubten sich empor, er hackte und biss nach ihm und schrie und schlug so heftig mit den Fl?geln, dass der Mann zur?ckwich, und Gockel den Hahn kaum halten konnte.
"Schau eins," sagten die drei Petschierstecher, "man soll noch Geld geben f?r so ein wildes Ungeheuer, es will die Leute fressen; wer wird ihn kaufen?" Als aber Gockel ihn immer wohlfeiler bot, sagten sie ihm endlich: "wir geben dem Herrn Grafen, wenn er uns den Hahn nach Hause tragen will, neun Ellen Zopfband daf?r, dass er sich einen sch?nen langen Zopf binden kann, wie sichs einem Grafen geb?hrt," und Gockel willigte ein, um nur etwas f?r den Alektryo zu erhalten.
Frau Hinkel und Gackeleia hatten alles dieses still mit angeh?rt und giengen mit schwerem Gewissen nach Hause, denn sie wussten wohl, dass die Dreie die Unwahrheit sagten. Gockel aber nahm den Alektryo unter den Arm und folgte traurig den drei Petschierstechern durch den Wald nach ihrem Wohnorte. Anfangs giengen sie dicht um ihn; weil der Hahn aber dann immer nach ihnen biss und schrie, baten sie Gockel, einige Schritte mit dem grausamen Ungeheuer hinter ihnen her zu gehen. Gockel h?rte ?fter, wie die drei unheimlichen M?nner zu einander sagten: "Kropfauf, Siegelring, Kopf ab," und wie sie dann miteinander zankten und immer einer zum andern schrie: "nein ich Siegelring, nein du Kropf auf, nein du Hals ab," und als Gockel sie fragte, warum sie immer miteinander zankten, sagten sie: "ei, es will keiner von uns den Hahn schlachten, weil er ein so grausames Thier ist; wenn der Herr Graf ihn gleich schlachten, so wollen wir Ihro Excellenz den Kamm, die F?sse und Sporen und Schweif geben, die k?nnen Sie auf die M?tze setzen zum ewigen Andenken,--ein sch?nes Monument, ein statuirtes Exempel f?r den Undank; drehen Sie ihm unterm Tragen doch ganz leise den Hals herum."
"Gut," sagte Gockel, und fasste den Alektryo an der Kehle. Da f?hlte er aber etwas sehr Hartes in seinem Kropfe, und der Hahn bewegte sich so heftig dabei, dass die M?nner sich sehr f?rchteten und zu Gockel sagten: "Ach gehen der Herr Graf ein wenig weiter hinter uns her." Das that Gockel, und als er wieder an den Hals des Alektryo fasste, f?hlte er das Harte im Kropfe wieder, und machte sich allerlei Gedanken, was es doch nur seyn k?nne. Da sagte auf einmal der Hahn mit deutlichen Worten zu ihm:
"Lieber Gockel, bitt' dich drum Dreh mir nicht den Hals herum, K?pf mich mit dem Grafenschwert, Wie es eines Ritters werth. Weh, Graf Gockel, bittre Schmach! Tr?gt den Hahn den Schelmen nach."
Gockel blieb vor Schrecken und R?hrung stehen, als er den Alektryo reden h?rte, aber er besann sich bald eines Andern, und wollte ihnen nicht mehr den k?stlichen Hahn, der reden konnte, um neun Ellen Zopfband nachtragen, und rief ihnen zu, links in das Geb?sch zu treten, jetzt wolle er das grausame Ungeheuer t?dten.
Sie sprangen schnell in das Geb?sch, aber da war eine mit Reisern bedeckte Wolfsgrube, die kannte Gockel gut, denn er hatte sie selbst gegraben, und Plumps fielen alle drei morgenl?ndische Petschierstecher hinein, und riefen dem Gockel, ihnen herauszuhelfen; aber dieser gab keine Antwort, und schlich sich in die N?he der Grube, um zu h?ren, was sie da unten f?r Betrachtungen anstellen w?rden.
"O weh mir!" schrie der Eine, "da haben wir es, wer dem Andern eine Grube gr?bt, f?llt selbst hinein; was n?tzt uns nun der Siegelring des Darius, womit er die L?wengrube verschlossen, wir sitzen in der Wolfsgrube. Alle M?he und Arbeit und Salomonis Siegelring in des Hahnen Kropf ist verloren f?r uns, der Gockel muss es gemerkt haben, dass Kopf, Kropf, Siegel nicht unsere Namen, sondern nur einzelne Worte des alten geheimen Spruches sind, welcher sagt: man m?sse dem Hahnen den Kopf ab und den Kropf aufschneiden, um Salomonis Siegelring aus demselben zu erhalten, der einem giebt, Herz was verlangst du? Jugend und Reichthum, alle G?ter der Welt, Geld!--Geld! --Geld!--Geld!"-Dann schrie der Andere: "o wehe uns, dass wir jemals etwas von dem Ring in dem Kropfe des Hahnen erfahren haben; o h?tten unsere V?ter doch niemals in dem alten Gockelschloss nach Sch?tzen gegraben, und dort das ganze Geheimniss auf dem Grabsteine eingehauen gelesen, so h?tten wir Ruhe gehabt, jetzt schwebt uns der Ring immer vor den Augen, der einem giebt, Herz was verlangst du? Jugend und Reichthum, alle G?ter der Welt!--Geld! Geld!--Geld!--Geld!"
Nun schrie der Dritte: "o Ungl?ck ?ber Ungl?ck, alle M?he und Arbeit verloren! Wie lange haben wir dem K?nig von Gelnhausen zugesetzt, wie viel haben wir an seine Minister spendirt, bis sie den Gockel ins Elend gebracht, damit wir ihm den Hahn leicht abkaufen k?nnten; haben unsere Eltern doch allein das Petschierstechen gelernt, um dem Hahn n?her zu kommen, da sie sein Portrait nach der Natur auf das Grafensiegel stachen, wo sie ihm auf den Zahn f?hlen konnten, ob er nach dem Tod des fr?hern Hahns, als dessen erstgeborner Sohn, auch den Ring wieder im Kropf habe.--Wie haben wir m?ssen laufen von Heddernheim nach Krakau, von Krakau nach Bockenheim, von Bockenheim nach Constantinopel, von Constantinopel nach F?rth, von F?rth nach Jerusalem, von Jerusalem nach Worms, von Worms nach Cairo, von Cairo wieder nach Heddernheim und von Heddernheim wieder in die ganze Geographie, laufen, laufen um zu lernen die Kabbala, Gicks Gacks und Kikriki, die grosse Alektryomantie, bis wir endlich den Spruch auf dem Grabstein in der Burg Gockels verstehen konnten.--Weh, Alles umsonst, Alles verloren! Wenn wir nur aus dem Loche w?ren, und wer bezahlt mir nun die Katze, die ich mit ihren f?nf Jungen selbst aus meinem Beutel gekauft und in das Schloss gesetzt habe, damit sie die Gallina sammt der Brut fressen sollte, auf dass dem Gockel der Hahn feil w?rde? Wer bezahlt mir die Katze? Ich will mein Geld f?r die Katze. H?tte ich ihr den Pelz doch abziehen und sie als einen Hasen verkaufen und den Pelz auch verkaufen k?nnen, ich will mein Geld f?r die Katze! Die Katze ist verloren, der Ring ist verloren, der einem giebt, Herz was verlangst du? Jugend und Reichthum, alle G?ter der Welt!--Geld!--Geld!--Geld!--Geld!"-Da Gockel ?ber ihr Geschrei lachen musste, glaubte der erste Petschierstecher, der zweite habe ihn ausgelacht, und schlug nach ihm; der schrie und sagte, der dritte sey es gewesen; da schlug dieser nach ihm und daraus entstand eine allgemeine Pr?gelei unter den Dreien, wor?ber Gockel mit Alektryo die Grube verliess und nach seinem Schlosse in tiefen Gedanken zur?ckgieng.
Gockel hatte gar vieles erfahren, die L?ge der Frau Hinkel und der kleinen Gackeleia, die Anwesenheit einer alten Schrift auf einem Grabstein in seiner Schlosskapelle, das Geheimniss von dem Siegelring in des Hahnen Kropf und die ganze Betr?gerei der morgenl?ndischen Petschierstecher. Alles dieses machte ihn gar tiefsinnig und betr?bt; er dr?ckte den edlen Hahn Alektryo einmal um das andremal an sein Herz und sagte zu ihm: "nein, du geliebter, ehrw?rdiger, kostbarer Alektryo, und wenn du den Stein der Weisen in deinem Kropf h?ttest, du sollst darum durch meine Hand nicht sterben, und ehe Gockel nicht verhungert, sollst du auch nicht umkommen." Nach diesen Worten wollte Gockel dem Alektryo einen Bissen Brod geben, der aber sch?ttelte den Kopf und sprach gar beweglich:
"Alektryo in grosser Noth, Gallina todt, die H?hnchen todt, Alektryo will mehr kein Brod, Will sterben durch das Grafenschwert, Wie es ein edler Ritter werth, Verlangt ein ehrlich Halsgericht, Wo Raugraf Gockel das Urtheil spricht, Und ?ber die Katze das St?blein bricht."
"O Alektryo," sprach Gockel mit Thr?nen, "ein strenges Gericht soll ?ber die Katze ergehen, deine verstorbene Gallina und deine dreissig Jungen sollen ger?cht werden, und was noch von ihnen ?brig ist, soll in einem ehrlichen Grabe bestattet werden; aber du, du musst bei mir bleiben." Der Hahn blieb immer bei seiner Rede, er m?sse in jedem Falle sterben, und wolle ihn Gockel nicht enthaupten, so werde er sich zu Tode hungern; Gockel werde schon heute in der w?sten Schlosskapelle noch Alles erfahren und dann kurzen Process machen.
Es war Nacht geworden: als Gockel nach Hause kam. Frau Hinkel und Gackeleia schliefen schon, denn sie erwarteten heute den Vater nicht zur?ck, weil sie glaubten, er sey mit den K?ufern des Alektryo nach der Stadt gegangen. Zuerst schlich sich Gockel nach dem Winkel, wo die m?rderische Katze mit ihren Jungen schlief, Alektryo zeigte ihm den Weg. Gockel ergriff sie alle zusammen und steckte sie in denselben Sack, in welchem Alektryo gefangen gelegen war. Ach wie trauerten Gockel und Alektryo, als sie die Federn und Gebeine der guten ermordeten Gallina und ihrer K?chlein um das Nest der Katze herumliegen sahen. Sie weinten bittere Thr?nen mit einander und Alektryo sammelte, mit seinem Schnabel herumsuchend, alle Beinchen und Federn der Ermordeten in die M?tze Gockels, der sie ihm hiezu hinhielt. Dann sprach Alektryo zu Gockel, indem er traurig vor ihm herschritt, Kamm und Schweif niedersenkte und die Fl?gel h?ngen liess, als begleite er wie ein Kriegsmann mit gesenkter Fahne und niedergewendetem Gewehr eine Leiche zu Grab:
Nun folg mir zur Kapelle, Dass diese theure Last Dort find' an heil'ger Schwelle Auf ewig Ruh und Rast.
So giengen sie wie ein stiller Leichenzug zu der w?sten Kapelle, Alektryo sang eine leise Lamentation und die V?gel aus dem Schlafe erwachend guckten hie und da aus den Nestern und lamentirten, ohne die einfache W?rde der erhabenen Trauerzeremonie zu st?ren, in sanfter Harmonie ein bischen mit. Der Himmel selbst hatte seine Sterne mit Wolken verh?llt und der Mond, mit Thr?nen im Auge, schimmerte bleich durch einen Schleier der Wehmuth. Die halbe Natur stimmte in das sch?ne Ganze dieser eben so r?hrenden als w?rdigen Feier mit ein, wobei auch die so sinnige Mitwirkung der B?sche und Kr?uter und Blumen r?hmlich zu erw?hnen ist, denn die Glockenblumen, die ehr--und tugendsam Jungfer Campana l?utet ganz mitleidig mit allen ihren blauen Glocken, und die bewussten weissen Rosen, die bei Feierlichkeiten immer so beliebten weissgekleideten M?dchen, gossen Schalen voll reichlichen Thr?nenthaus vor dem Zuge aus; man bemerkte unter den Leidtragenden die so achtbare Klagejungfrau Rosmarin, die dem?thige Familie Thymian, die Miss Lavendel, die Comtesse Quentel und viele andre edle Familien. Auch die barmherzigen Schwestern Jungfer Melissa, Krausem?ntze, Kamille, Schaafgarbe, K?nigskerze, Ehrenpreiss, Baldrian, Himmelsschl?ssel bewiesen ihre innigste Theilnahme. Vor allen andern des sch?nen Blumengeschlechtes aber beurkundete Fr?ulein Reseda, welche so oft im Wochenbl?ttchen anzeigt, dass sie mehr auf gute Behandlung als grossen Gehalt sehe, den guten Geruch aller ihrer Verdienste. Der allgemeine Blumen-Notarius Publicus Salomons-Siegel bew?hrte durch seine Theilnahme, dass sein Name in grossem Bezug mit diesem merkw?rdigen Ereignisse stehe. Kurz die Theilnahme aller Kr?utlein war so gross, dass sogar die faule Grethe unter ihnen bemerkt wurde, der redliche gute Heinrich hatte sie aufgeweckt, dass auch sie mit ihm dem Alektryo ihr Beileid bezeige.
O wie kindlich, einf?ltig r?hrend sprach sich die Theilnahme der frommen Klosterschwestern, Marienkinder genannt, aus, welche ihr Kl?sterchen in dem mit Erde erf?llten trockenen Becken des verfallenen Springbrunnens zu F?ssen des zerbrochenen Liebfrauenbildes bewohnten. Gackeleia nannte dieses mit lauter Marienpfl?nzchen ?berwachsene Brunnenbecken gew?hnlich ihr Marienklosterg?rtchen, und pflegte es besser, als alle anderen Gartenbeete. Alle Marienk?ferchen, die sie fand, setzte sie hinein.
Sie hatte sich eine Bank darin bereitet, und neben dieser stand das Kr?utlein Unserlieb-Frauenbettstroh. Da trieb Gackeleia gew?hnlich ihre Spielereien. Sie hatte das liebe Dreifaltigkeitsbl?mchen, das auch Jel?ngerjelieber und Denkeli und unn?tze Sorge genannt wird, zu F?ssen des Liebfrauenbildes gepflanzt, weil die Mutter ihr gesagt hatte, dass diess Bl?mchen in Hennegau Jesusbl?mchen heisse. Da nahm dann Gackeleia manchmal ein solches Jesusbl?mchen und legte es auf das Kr?utchen Marienbettstroh und wiegte es hin und her und sang dazu:
Da oben im G?rtchen, Da wehet der Wind, Da sitzet Maria Und wieget ihr Kind, Sie wiegt es mit ihrer schneeweissen Hand, Und brauchet dazu gar kein Wiegenband. Ich will mich zur lieben Maria vermiethen, Will helfen ihr Kindlein recht fleissig zu wiegen, Da f?hrt sie mich auch in ihr K?mmerlein ein, Da singen die lieben Engelein fein, Da singen wir alle das Gloria, Das Gloria, Lieb Frau Maria!
Als der Leichenzug Gallina's an diesem Marieng?rtchen vor?bergieng, war die Betr?bniss von dessen Bewohnerinnen um so gr?sser, als ihre Freundin Gackeleia diesen h?chst traurigen Todesfall veranlasst hatte; ach, sie f?hlten Alle in ihrem frommen Herzen, als theilten sie die Schuld Gackeleia's. Da standen nun die lieben Kr?utchen, die Marienkinder, in einer Reihe. Schwester Margarita Marienr?schen, Schwester Chardonetta Mariendistel, Schwester Cuscutta Marienflachs, Schwester Spergula Mariengras, Schwester Gremila Marienhirse, Schwester Alchimilla Marienmantel, Schwester Mentha Marienm?nze, Schwester P?onia Marienrose, Schwester Calceola Marienschuh und auch die kleine feine Novize Mignardisa Marientr?pfchen hatte ihr gefranztes Trauerschleierchen ganz nass geweint. Alle standen sie in stiller Andacht und dufteten ein de profundis, und einer jeden hatten die Marienk?ferchen eine brennende Kerze in die Hand gegeben, und die Laienschwestern Campanula, Marienhandschuh und Mariengl?cklein l?uteten mit den blauen, violetten und weissen Klostergl?ckchen gar beweglich und harmonisch. Nirgends aber sprach sich Trauer, Mit--und Beileid tiefer und wahrer aus, als unter der uralten Linde, nahe bei dem Eingang in die Kapelle. Es m?ssen sich theure Gockelhinkelsche Erinnerungen an diese klassische Stelle kn?pfen; Ortsnamen und Bewohner zeugen daf?r. Die Linde heisst von Olims Zeiten her die Hennenlinde, das kleine Feldkreuz unter ihr, worauf eine Henne ausgehauen, heisst das Hennenkreuz. Die drei zu ewiger Anbetung und F?rbitte verlobten adeligen Klosterfrauen, die drei reinen schneeweissen Lilien, welche zu H?upten dieses Kreuzes stehen, sendeten Weihrauch und Gebete aus den Opferschalen ihrer Kelche empor.
Zu F?ssen des Hennen-Kreuzes trauerte in stummem Schmerz ein adeliger Fr?uleinverein von lauter Pflanzen und Kr?utern, welche der Gr?fin Hinkel von Hennegau namensverwandt und seit Olims Zeiten in diesem Schlosse einheimisch waren. Hier weinten unter dem Vorstand der alle Schmerzen ?bernehmenden Fr?ulein Grasette Fetthenne ihre stillen Thr?nen die edlen Fr?ulein Moscatellina von Hahnenfuss, Ornitogalia von H?hnermilch, Serpoleta von H?hnerklee, Morgelina von H?hnerbiss, Cornelia von Hahnenpf?tchen, Osterlustia von Hahnensporn, Cretellina von Hahnenkamm und Esparsetta von Hahnenk?mmchen.--Dank den edlen sch?nen Seelen!
Es haben sich ausserdem allerlei Ger?chte von ausserordentlichen Erscheinungen verbreitet, die bei diesem Begr?bniss eingetreten seyn sollen, und es ist noch jetzt das Gerede unter den V?geln der Umgegend davon: "es sey ein Comet in der Gestalt eines Paradiesvogels am Himmel gesehen worden, und unter der Linde h?tten die drei Lilien zu leuchten begonnen, Sterne seyen in sie niedersinkend gesehen worden und vor ihnen sey eine sch?ne edle Frau, eine Gr?fin von Hennegau, erschienen und habe beim Vor?bergang der Leiche die Worte gesungen:
O Stern und Blume, Geist und Kleid, Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit!
worauf Alles verschwunden sey." Wir stellen diese Ger?chte, als dem Reiche der Phantasie angeh?rig, unverb?rgt dem Glauben eines jeden anheim. Als Gockel und Alektryo in der dachlosen, Busch und Baum durchwachsenen Kapelle mit den Ueberresten Gallina's angekommen war, sch?ttete er dieselben fein sachte auf die Stufen des zerfallenen Altares aus und zog seine M?tze wieder ?ber die Ohren, weil er wohl wusste, es k?nne ihm bei seiner Anlage zu rheumatischem Kopf-, Zahn--und Ohrenweh unm?glich gesund seyn, das nicht mehr dicht behaarte Haupt dem k?hlen Nachtthau auszusetzen. Hierauf sprach der treue Alektryo, der nicht von den Ueberresten seiner Familie wich, zu Gockel:
####Wachholderstrauch ####Macht guten Rauch. Zu Stambul hat der Grosssultan Wachholder in dem Garten sein Und drum ein goldnes Gitterlein, Er z?ndet dran die Pfeife an Und hat recht seine Freude dran; Du Gockel brich Wachholder mir Zu dem Castrum Doloris hier.
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