bell notificationshomepageloginedit profileclubsdmBox

Read Ebook: Die mehreren Wehmüller und ungarischen Nationalgesichter by Brentano Clemens

More about this book

Font size:

Background color:

Text color:

Add to tbrJar First Page Next Page

Ebook has 66 lines and 21604 words, and 2 pages

Die mehreren Wehm?ller und ungarischen Nationalgesichter

Clemens Brentano

Gegen Ende des Sommers, w?hrend der Pest in Kroatien, hatte Herr Wehm?ller, ein reisender Maler, von Wien aus einen Freund besucht, der in dieser ?streichischen Provinz als Erzieher auf dem Schlosse eines Grafen Giulowitsch lebte. Die Zeit, welche ihm seine Gesch?fte zu dem Besuche erlaubten, war vor?ber. Er hatte von seiner jungen Frau, welche ihm nach Siebenb?rgen vorausgereist war, einen Brief aus Stuhlweissenburg erhalten, dass er sie nicht mehr l?nger allein lassen m?ge; es erwarte ihn das Offizierkorps des dort liegenden hochl?blichen ungarischen Grenadier--und Husarenregiments sehns?chtig, um, von seiner Meisterhand gemalt, sich in dem Andenken mannigfaltiger sch?ner Freundinnen zu erhalten, da ein naher Garnisonswechsel manches engverkn?pfte Liebes--und Freundschaftsband zu zerreissen drohte. Dieser Brief brachte den Herrn Wehm?ller in grosse Unruhe, denn er war viermal so lange unterwegs geblieben als gew?hnlich und dermassen durch die Quarant?ne zerstochen und durchr?uchert worden, dass er die ohnedies nicht allzu leserliche Hand seiner guten Frau, die mit oft gew?sserter Dinte geschrieben hatte, nur mit M?he lesen konnte. Er eilte in die Stube seines Freundes Lury und sagte zu ihm: "Ich muss gleich auf der Stelle fort nach Stuhlweissenburg, denn die hochl?blichen Grenadier--und Husarenregimenter sind im Begriff, von dort abzuziehen; lesen Sie, der Brief ist an f?nf Wochen alt." Der Freund verstand ihn nicht, nahm aber den Brief und las. Wehm?ller lief sogleich zur Stube hinaus und die Treppe hinab in die Hauskapelle, um zu sehen, ob er die 39 Nationalgesichter, welche er in ?l gemalt und dort zum Trocknen aufgeh?ngt hatte, schon ohne grosse Gefahr des Verwischens zusammenrollen k?nne. Ihre Trockenheit ?bertraf alle seine Erwartung, denn er malte mit Terpentinfirnis, welcher trocken wird, ehe man sich umsieht. Was ?brigens diese 39 Nationalgesichter betrifft, hatte es mit ihnen folgende Bewandtnis: Sie waren nichts mehr und nichts weniger als 39 Portr?ts von Ungaren, welche Herr Wehm?ller gemalt hatte, ehe er sie gesehen. Er pflegte solcher Nationalgesichter immer ein halb Hundert fertig bei sich zu f?hren. Kam er in einer Stadt an, wo er Gewinn durch seine Kunst erwartete, so pflegte er ?ffentlich ausschellen oder austrommeln zu lassen: der bekannte K?nstler, Herr Wehm?ller, sei mit einem reichassortierten Lager wohlgetroffener Nationalgesichter angelangt und lade diejenigen unter einem hochedlen Publikum, welche ihr Portr?t w?nschten, untert?nigst ein, sich dasselbe, St?ck vor St?ck zu einem Dukaten in Gold, selbst auszusuchen. Er f?gte sodann noch, durch wenige Meisterstriche, einige pers?nliche Z?ge und Ehrennarben oder die Individualit?t des Schnurrbartes des K?ufers unentgeltlich bei; f?r die Uniform aber, welche er immer ausgelassen hatte, musste nach Massgabe ihres Reichtums nachgezahlt werden. Er hatte diese Verfahrungsart auf seinen Kunstreisen als die befriedigendste f?r sich und die K?ufer gefunden. Er malte die Leute nach Belieben im Winter mit aller Bequemlichkeit zu Haus und brachte sie in der sch?nen Jahreszeit zu Markte. So genoss er des grossen Trostes, dass keiner ?ber Un?hnlichkeit oder langes Sitzen klagen konnte, weil sich jeder sein Bildnis fertig nach bestimmtem Preise, wie einen Weck auf dem Laden, selbst aussuchte. Wehm?ller hatte seine Gattin vorausgeschickt, um seine Ankunft in Stuhlweissenburg vorzubereiten, w?hrend er seinen Vorrat von Portr?ts bei seinem Freunde Lury zu der geh?rigen Menge brachte; er musste diesmal in vollem Glanze auftreten, weil er in einer Zeitung gelesen. Ein Maler Froschauer aus Klagenfurt habe dieselbe Kunstreise vor. Dieser aber war bisher sein Antagonist und Nebenbuhler gewesen, wenn sie sich gleich nicht kannten, denn Froschauer war von der entgegengesetzten Schule; er hatte n?mlich immer alle Uniformen voraus fertig und liess sich f?r die Gesichter extra bezahlen.

Schon hatte Wehm?ller die 39 Nationalgesichter zusammengerollt in eine grosse, weite Blechb?chse gesteckt, in welcher auch seine Farben und Pinsel, ein paar Hemden, ein Paar gelbe Stiefelstulpen und eine Haarlocke seiner Frau Platz fanden; schon schnallte er sich diese B?chse mit zwei Riemen wie einen Tornister auf den R?cken, als sein Freund Lury hereintrat und ihm den Brief mit den Worten zur?ckgab: "Du kannst nicht reisen; soeben hat ein Bauer hier auf dem Hofe erz?hlt, dass er vor einigen Tagen einen Fussreisenden begleitet habe, und dass dieser der letzte Mensch gewesen sei, der ?ber die Grenze gekommen, denn auf seinem R?ckwege hierher habe er, der Bote, schon alle Wege vom Pestkordon besetzt gefunden." Wehm?ller aber liess sich nicht mehr zur?ckhalten, er schob seine Palette unter den Wachstuch?berzug auf seinen runden Hut, wie die B?cker in den Zipfel ihrer gestrickten spitzen M?tzen eine Semmel zu stecken pflegen, und begann seinen Reisestab zusammenzurichten, der ein wahres Wunder der Mechanik, wenn ich mich nicht irre, von der Erfindung des Mechanikus Eckler in Berlin, war; denn er enthielt erstens: sich selbst, n?mlich einen Reisestock; zweitens: nochmals sich selbst, einen Malerstock; drittens: nochmals sich selbst, einen Messstock; viertens: nochmals sich selbst, ein Richtscheit; f?nftens: nochmals sich selbst, ein Blaserohr; sechstens: nochmals sich selbst, ein Tabakspfeifenrohr; siebentens: nochmals sich selbst, einen Angelstock; darin aber waren noch ein Stiefelknecht, ein Barometer, ein Thermometer, ein Perspektiv, ein Zeichenstuhl, ein chemisches Feuerzeug, ein Reisszeug, ein Bleistift und das Brauchbarste von allem, eine approbierte h?lzerne H?hneraugenfeile, angebracht; das Ganze aber war so eingerichtet, dass man die Masse des Inhalts durch den Druck einer Feder aus diesem Stocke, wie aus einer Windb?chse, seinem Feind auf den Leib schiessen konnte. W?hrend Wehm?ller diesen Stock zusammenrichtete, machte Lury ihm die lebhaftesten Vorstellungen wegen der Gefahr seiner Reise, aber er liess sich nicht halten. "So rede wenigstens mit dem Bauer selbst", sprach Lury; das war Wehm?ller zufrieden und ging, ganz zum Abmarsche fertig, hinab. Kaum aber waren sie in die Schenke getreten, als der Bauer zu ihm trat und, ihm den ?rmel k?ssend, sagte: "Nu, gn?diger Herr, wie kommen wir schon wieder zusammen? Sie hatten ja eine solche Eile nach Stuhlweissenburg, dass ich glaubte, Euer Gnaden m?ssten bald dort sein." Wehm?ller verstand den Bauer nicht, der ihm versicherte, dass er ihn, mit derselben blechernen B?chse auf dem R?cken und demselben langen Stocke in der Hand, nach der ungarischen Grenze gef?hrt habe, und zwar zu rechter Zeit, weil kurz nachher der Weg vom Pestkordon geschlossen worden sei, wobei der Mann ihm eine Menge einzelne Vorf?lle der Reise erz?hlte, von welchen, wie vom ganzen, Wehm?ller nichts begriff. Da aber endlich der Bauer ein kleines Bild hervorzog mit den Worten: "Haben Euer Gnaden mir dieses Bildchen, das in Ihrer B?chse keinen Platz fand, nicht zu tragen gegeben, und haben es Euer Gnaden nicht in der Eile der Reise vergessen?"--ergriff Wehm?ller das Bild mit Heftigkeit. Es war das Bild seiner Frau, ganz wie von ihm selbst gemalt, ja der Name Wehm?ller war unterzeichnet. Er wusste nicht, wo ihm der Kopf stand. Bald sah er den Bauer, bald Lury, bald das Bild an, "Wer gab dir das Bild?" fuhr er den Bauer an. "Euer Gnaden selbst", sagte dieser; "Sie wollten nach Stuhlweissenburg zu Ihrer Liebsten, sagten Euer Gnaden, und das Botenlohn sind mir Euer Gnaden auch schuldig geblieben."--"Das ist erlogen!" schrie Wehm?ller. "Es ist die Wahrheit!" sagte der Bauer. "Es ist nicht die Wahrheit!" sagte Lury, "denn dieser Herr ist seit vier Wochen nicht hier weggekommen und hat mit mir in einer Stube geschlafen." Der Bauer aber wollte von seiner Behauptung nicht abgehen und drang auf die Bezahlung des Botenlohns oder auf die R?ckgabe des Portr?ts, welches sein Pfand sei, und dem er, wenn er nicht bezahle, einen Schimpf antun wolle. Wehm?ller ward ausser sich.

"Was?" schrie er, "ich soll f?r einen andern das Botenlohn zahlen oder das Portr?t meiner Frau beschimpfen lassen? Das ist entsetzlich!" Lury machte endlich den Schiedsrichter und sagte zu dem Bauer: "Habt Ihr diesen Herrn ?ber die Grenze gebracht?"--"Ja!" sagte der Bauer. "Wie kommt er dann wieder hierher, und wie war er die ganze Zeit hier?" erwiderte Lury. "Ihr m?sst ihn daher nicht recht t?chtig hin?ber gebracht haben und k?nnt f?r so schlechte Arbeit kein Botenlohn begehren; bringt ihn heute nochmals hin?ber, aber dermassen, dass auch kein St?mpfchen hier in Kroatien bleibt, und lasst Euch doppelt bezahlen." Der Bauer sagte: "Ich bin es zufrieden, aber es ist doch eine sehr heillose Sache; wer von den beiden ist nun der Teufel, dieser gn?dige Herr oder der andre? Es k?nnte mich dieser, der viel widerspenstiger scheint, vielleicht gar mit ?ber die Grenze holen, auch ist der Weg jetzt gesperrt, und der andre war der letzte; ich glaube doch, er muss der Teufel gewesen sein, der bei der Pest zu tun hat."--"Was", schrie Wehm?ller, "der Teufel mit dem Portr?t meiner Frau! Ich werde verr?ckt; gesperrt oder nicht gesperrt, ich muss fort, der scheusslichste Betrug muss entdeckt werden. Ach, meine arme Frau, wie kann sie get?uscht werden! Adie, Lury, ich brauche keinen Boten, ich will schon allein finden." Und somit lief er zum offnen Hoftore mit solcher Schnelligkeit hinaus, dass ihn weder der nachlaufende Bauer noch das Geschrei Lurys einholen konnte.

Nach dieser Szene trat der Graf Giulowitsch, der Prinzipal Lurys, aus dem Schlosse, um auf seinen Finkenherd zu fahren. Lury erz?hlte ihm die Geschichte, und der Graf, neugierig, mehr von der Sache zu h?ren, bestieg seinen Wurstwagen und fuhr dem Maler in vollem Trabe nach; das leichte Fuhrwerk, mit zwei raschen Pferden bespannt, flog ?ber die Stoppelfelder, welche einen festeren Boden als die moorichte Landstrasse darboten. Bald war der Maler eingeholt, der Graf bat ihn, aufzusitzen, mit dem Anerbieten, ihn einige Meilen bis an die Grenze seiner G?ter zu bringen, wo er noch eine halbe Stunde nach dem letzten Grenzdorf habe. Wehm?ller, der schon viel Grund und Boden an seinen Stiefeln h?ngen hatte, nahm den Vorschlag mit untert?nigstem Dank an. Er musste einige Z?ge alten Slibowitz aus des Grafen Jagdflasche tun und fand dadurch schon etwas mehr Mut, sich selbst auf der eignen F?hrte zu seiner Frau nachzueilen. Der Graf fragte ihn, ob er denn niemand kenne, der ihm so ?hnlich sei und so malen k?nne wie er. Wehm?ller sagte nein, und das Portr?t ?ngstige ihn am meisten, denn dadurch zeige sich eine Beziehung des falschen Wehm?llers auf seine Frau, welche ihm besonders fatal werden k?nne. Der Graf sagte ihm, der falsche Wehm?ller sei wohl nur eine Strafe Gottes f?r den echten Wehm?ller, weil dieser alle Ungarn ?ber einen Leisten male; so g?be es jetzt auch mehrere Wehm?ller ?ber einen Leisten. Wehm?ller meinte, alles sei ihm einerlei, aber seine Frau, seine Frau, wenn die sich nur nicht irre. Der Graf stellte ihm nochmals vor, er m?ge lieber mit ihm auf seinen Finkenherd und dann zur?ckfahren; er gef?hrde, wenn er auch h?chst unwahrscheinlich den Pestkordon durchschleichen sollte, jenseits an der Pest zu sterben. Wehm?ller aber meinte: "Ein zweiter Wehm?ller, der zu meiner Frau reist, ist auch eine Pest, an der man sterben kann", und er wolle so wenig als die Schneeg?nse, welche schreiend ?ber ihnen hinstrichen, den Pestkordon respektieren; er habe keine Ruhe, bis er bei seiner Tonerl sei. So kamen sie bis auf die Grenze der Giulowitschschen G?ter, und der Graf schenkte Wehm?llern noch eine Flasche Tokaier mit den Worten: "Wenn Sie diese ausstechen, lieber Wehm?ller, werden Sie sich nicht wundern, dass man Sie doppelt gesehn, denn Sie selbst werden alles doppelt sehn; geben Sie uns so bald als m?glich Bericht von Ihrem Abenteuer, und m?ge Ihre Gemahlin anders sehen, als der Bauer gesehen hat. Leben Sie wohl!"

Nun eilte Wehm?ller, so schnell er konnte, nach dem n?chsten Dorf, und kaum war er in die kleine, dumpfichte Schenke eingetreten, als die alte Wirtin, in Husarenuniform, ihm entgegenschrie: "Ha, ha! da sind der Herr wieder zur?ck, ich hab es gleich gesagt, dass Sie nicht durch den Kordon w?rden hin?bergelassen werden." Wehm?ller sagte, dass er hier niemals gewesen, und dass er gleich jetzt erst versuchen wolle, durch den Kordon zu kommen. Da lachte Frau Tschermack und ihr Gesinde ihm ins Gesicht und behaupteten steif und fest, er sei vor einigen Tagen hier durchpassiert, von einem Giulowitscher Bauer begleitet, dem er das Botenlohn zu zahlen vergessen; er habe ja hier gefr?hst?ckt und erz?hlt, dass er nach Stuhlweissenburg zu seiner Frau Tonerl wolle, um dort das hochl?bliche Offizierkorps zu malen. Wehm?ller kam durch diese neue Best?tigung, dass er doppelt in der Welt herumreise, beinahe in Verzweiflung. Er sagte der Wirtin mit kurzen Worten seine ganze Lage, sie wusste nicht, was sie glauben sollte, und sah ihn sehr kurios an. Es war ihr nicht allzu heimlich bei ihm. Aber er wartete alle ihre Skrupel nicht ab und lief wie toll und blind zum Dorfe hinaus und dem Pestkordon zu. Als er eine Viertelmeile auf der Landstrasse gelaufen war, sah er auf dem Stoppelfeld eine Reihe von Rauchs?ulen aufsteigen, und ein angenehmer Wacholdergeruch dampfte ihm entgegen. Er sah bald eine Reihe von Erdh?tten und Soldaten, welche kochten und sangen; es war ein Hauptbivouac des Pestkordons. Als er sich der Schildwache n?herte, rief sie ihm ein schreckliches "Halt!" entgegen und schlug sogleich ihr Gewehr auf ihn an. Wehm?ller stand wie angewurzelt. Die Schildwache rief den Unteroffizier, und nach einigen Minuten sprengte ein Szekler-Husar gegen ihn heran und schrie aus der Ferne: "Wos willstu, quid vis? Wo kommst her, unde venis? An welchen Ort willst du, ad quem locum vis? Bist du nicht vorige Woche hier durchpassiert, es tu non altera hebdomada hic perpassatus?" Er fragte ihn so auf deutsch und husarenlateinisch zugleich, weil er nicht wusste, ob er ein Deutscher oder ein Ungar sei. Wehm?ller musste aus den letzten Worten des Husaren abermals h?ren, dass er hier schon durchgereist sei, welche Nachricht ihm eiskalt ?ber den R?cken lief. Er schrie sich beinah die Kehle aus, dass er grade von dem Grafen Giulowitsch komme, dass er in seinem Leben nicht hier gewesen. Der Husar aber lachte und sprach: "Du l?gst, mentiris! Hast du nicht dem Herrn Chirurg sein Bild gegeben, non dedidisti Domino Chirurgo suam imaginem!--dass er durch die Finger gesehen und dich passieren lassen, ut vidit per digitos et te fecit passare! Du bist zur?ckgekehrt aus den Pest?rtern, es returnatus ex pestiferatis locis!" Wehm?ller sank auf die Knie nieder und bat, man m?ge den Chirurgen doch herbeirufen.

W?hrend diesem Gespr?ch waren mehrere Soldaten um den Husaren herum getreten, zuzuh?ren; endlich kam der Chirurg auch, und nachdem er Wehm?llers Klagen angeh?rt, der sich die Lunge fast weggeschrien, befahl er ihm, sich einem der Feuer von Wacholderholz zu n?hern, so dass es zwischen ihnen beiden sei, dann wolle er mit ihm reden. Wehm?ller tat dies und erz?hlte ihm die ganze Aussage ?ber einen zweiten Wehm?ller, der hier durchgereist sei, und seine grosse Sorge, dass ihn dieser um all sein Gl?ck betr?gen k?nne, und bot dem Chirurgen alles an, was er besitze, er m?ge ihm nur durchhelfen. Der Chirurg holte nun eine Rolle Wachsleinwand aus seiner Erdh?tte, und Wehm?ller erblickte auf derselben eines der ungarischen Nationalgesichter, grade wie er sie selbst zu malen pflegte, auch sein Name stand drunter, und da der Chirurg sagte, ob er dies Bild nicht gemalt und ihm neulich geschenkt habe, weil er ihn passieren lassen, gestand Wehm?ller, er w?rde nie dies Bild von den seinigen unterscheiden k?nnen, aber durchpassiert sei er hier nie und habe nie die Gelegenheit gehabt, den Herren Chirurgen zu sprechen. Da sagte der Chirurg: "Hatten Sie nicht heftiges Zahnweh? Habe ich Ihnen nicht noch einen Zahn ausgezogen f?r das Bild?"--"Nein, Herr Chirurg", erwiderte Wehm?ller, "ich habe alle meine Z?hne frisch und gesund, wenn Sie zuschauen wollen." Nun fasste der Feldscher einigen Mut; Wehm?ller sperrte das Maul auf, er sah nach und gestand ihm zu, dass er ganz ein andrer Mensch sei; denn jetzt, da er ihn weder aus der Ferne noch von Rauch getr?bt ansehe, m?sse er ihm gestehen, dass der andre Wehm?ller viel glatter und auch etwas fetter sei, ja dass sie beide, wenn sie nebeneinander st?nden, kaum verwechselt werden k?nnten; aber durchpassieren lassen k?nne er ihn jetzt doch nicht. Es habe zuviel Aufsehens bei der Wache gemacht, und er k?nne Verdruss haben; morgen fr?h werde aber der Kordonkommandant mit einer Patrouille bei der Visitation hieher kommen, und da liesse sich sehen, was er f?r ihn tun k?nne; er m?ge bis dahin nach der Schenke des Dorfs zur?ckkehren, er wolle ihn rufen lassen, wenn es Zeit sei; er solle auch das Bild mitnehmen und ihm den Schnauzbart etwas spitzer malen, damit es ganz ?hnlich werde. Wehm?ller bat, in seiner Erdh?tte einen Brief an sein Tonerl schreiben zu d?rfen und ihm den Brief hin?ber zu besorgen. Der Chirurg war es zufrieden. Wehm?ller schrieb seiner Frau, erz?hlte ihr sein Ungl?ck, bat sie um Gottes willen, nicht den falschen Wehm?ller mit ihm zu verwechseln und lieber sogleich ihm entgegen zu reisen. Der Chirurg besorgte den Brief und gab Wehm?llern noch ein Attestat, dass seine Person eine ganz andre sei als die des ersten Wehm?llers, und nun kehrte unser Maler, durchger?uchert wie ein Quarant?nebrief, nach der Dorfschenke zur?ck.

Hier war die Gesellschaft vermehrt, die Erz?hlung von dem doppelten Wehm?ller hatte sich im Dorfe und auf einem benachbarten Edelhof ausgebreitet, und es waren allerlei Leute bei der Wirtin zusammengekommen, um sich wegen der Geschichte zu befragen. Unter dieser Gesellschaft waren ein alter invalider Feuerwerker und ein Franzose die Hauptpersonen. Der Feuerwerker, ein Venetianer von Geburt, hiess Baciochi und war ein Allesinallem bei dem Edelmanne, der einen B?chsenschuss von dem Dorfe wohnte. Der Franzose war ein Monsieur Devillier, der, von einer alten reichen Ungarin gefesselt, in Ungarn sitzen geblieben war; seine G?nnerin starb und hinterliess ihm ein kleines G?tchen, auf welchem er lebte und sich bei seinen Nachbarn umher mit der Jagd und allerlei Liebesh?ndeln die Zeit vertrieb. Er hatte gerade eine Kammerjungfer auf dem Edelhofe besucht, der er Sprachunterricht gab, und diese hatte ihn mit dem Hofmeister des jungen Edelmanns auf seinem R?ckwege in die Schenke begleitet, um ihrer Herrschaft von dem doppelten Wehm?ller Bericht zu erstatten. Die Kammerjungfer hiess Nanny, und der Hofmeister war ein geborner Wiener mit Namen Lindpeindler, ein zartf?hlender Dichter, der oft verkannt worden ist. Die ber?hmteste Person von allen war aber der Violinspieler Michaly, ein Zigeuner von etwa dreissig Jahren, von eigent?mlicher Sch?nheit und K?hnheit, der wegen seinem grossen Talent, alle m?glichen T?nze ununterbrochen auf seiner Violine zu erfinden und zu variieren, bei allen grossen Hochzeiten im Lande allein spielen musste. Er war hieher gereist, um seine Schwester zu erwarten, die bis jetzt bei einer verstorbenen Grossmutter gelebt und nun auf der Reise zu ihm durch den Pestkordon von ihm getrennt war. Zu diesen Personen f?gte sich noch ein alter kroatischer Edelmann, der einen einsamen Hof in der N?he der t?rkischen Grenze besass; er ?bernachtete hier, von einem Kreistage zur?ckkehrend. Ein Tiroler Teppichkr?mer und sein Reisegeselle, ein Savoyardenjunge, dem sein Murmeltier gestorben war, und der sich nach Hause bettelte, machten die Gesellschaft voll, ausser der alten Wirtin, die Tabak rauchte und in ihrer Jugend als Amazone unter den Wurmserschen Husaren gedient hatte. Sie trug noch den Dolman und die M?tze, die Haare in einen Zopf am Nacken und zwei kleine Z?pfe an den Schl?fen gekn?pft, und hatte hinter ihrem Spinnrad ein martialisches Ansehen. Diese bunte Versammlung sass in der Stube, welche zugleich die K?che und der Stall f?r zwei B?ffelk?he war, um den lodernden, niedern Feuerherd und war im vollen Gespr?ch ?ber den doppelten Wehm?ller, als dieser in der D?mmerung an der verschlossenen Haust?re pochte. Die Wirtin fragte zum Fenster hinaus, und als sie Wehm?ller sah, rief sie: "Gott steh uns bei! Da ist noch ein dritter Wehm?ller; ich mache die T?re nicht eher auf, bis sie alle drei zusammen kommen!"

Ein lautes Gel?chter und Geschrei des Verwunderns aus der Stube unterbrach des armen Malers Bitte um Einlass. Er nahte sich dem Fenster und h?rte eine lebhafte Beratschlagung ?ber sich an. Der kroatische Edelmann behauptete, er k?nne sehr leicht ein Vampyr sein oder die Leiche des ersten an der Pest verstorbenen Wehm?llers, die hier den Leuten das Blut aussaugen wolle; der Feuerwerker meinte, er k?nne die Pest bringen, er habe wahrscheinlich den Kordon ?berschritten und sei wieder zur?ckgeschlichen; der Tiroler bewies, er w?rde niemand fressen; die Kammerjungfer verkroch sich hinter dem Franzosen, der, nebst dem Hofmeister, die Gastfreiheit und Menschlichkeit verteidigte. Devillier sagte, er k?nne nicht erwarten, dass eine so auserw?hlte Gesellschaft, in der er sich bef?nde, jemals aus Furcht und Aberglauben die Rechte der Menschheit so sehr verletzen werde, einen Fremden wegen einer blossen Grille auszusperren, er wolle mit dem Manne reden; der Zigeuner aber ergriff in dem allgemeinen, ziemlich lauten Wortwechsel seine Violine und machte ein wunderbares Schariwari dazu, und da die ungarischen Bauern nicht leicht eine Fiedel h?ren, ohne den Tanzkrampf in den F?ssen zu f?hlen, so versammelte sich bald Horia und Klotzka vor der Schenke--was so viel heisst als Hinz und Kunz bei uns zulande--die M?dchen wurden aus den Betten getrieben und vor die Schenke gezogen, und sie begannen zu jauchzen und zu tanzen.

Durch den L?rm ward der Vizegespan, des Orts Obrigkeit, herbeigelockt, und Wehm?ller brachte ihm seine Klagen und das Attestat des Chirurgen vor, versprach ihm auch, sein Portr?t unter den Nationalgesichtern sich aussuchen zu lassen, wenn er ihm ein ruhiges Nachtquartier verschaffe und seine Pers?nlichkeit in der Schenke attestiere. Der Vizegespan liess sich nun die Schenke ?ffnen und las drinnen das Attestat des Herren Chirurgen, das er allen Anwesenden zur Beruhigung mitteilte. Durch seine Autorit?t brachte er es dahin, dass Wehm?ller endlich hereingelassen wurde, und er nahm, um der Sache mehr Ansehen zu geben, ein Protokoll ?ber ihn auf, an dem nichts merkw?rdig war, als dass es mit dem Worte "sondern" anfing. Indessen hatten die Bauern den musikalischen Zigeuner herausgezerrt und waren mit ihm unter die Linde des Dorfs gezogen, der Tiroler zog hintendrein und joudelte aus der Fistel, der Savoyarde gurgelte sein "Escoutta Gianetta" und klapperte mit dem Deckel seines leeren Kastens den Takt dazu bis unter die Linde. Monsieur Devillier forderte die Kammerjungfer zu einem T?nzchen auf, und Herr Lindpeindler gab der sch?nen Herbstnacht und dem romantischen Eindruck nach. So war die Stube ziemlich leer geworden; Wehm?ller holte seine Nationalgesichter aus der Blechb?chse, und der Vizegespan hatte bald sein Portr?t gefunden, versprach auch dem Maler ins Ohr, dass er ihm morgen ?ber den Kordon helfen wolle, wenn er ihm heute nacht noch eine Reihe Kn?pfe mehr auf die Jacke male. Wehm?ller dankte ihm herzlich und begann sogleich bei einer Kienfackel seine Arbeit. Der Feuerwerker und der kroatische Edelmann r?ckten zu dem Tisch, auf welchem Wehm?ller seine Flasche Tokaier preisgab; die Herren drehten sich die Schnauzb?rte, steckten sich die Pfeifen an und liessen es sich wohlschmecken. Der Vizegespan sprach von der Jagdzeit, die am St. Egiditag, da der Hirsch in die Brunst gehe, begonnen habe, und dass er morgen fr?h nach einem Vierzehnender ausgehen wolle, der ihm grossen Schaden in seinem Weinberge getan; zugleich lud er Herrn Wehm?ller ein, mitzugehen, wobei er ihm auf den Fuss trat. Wehm?ller verstand, dass dies ein Wink sei, wie er ihm ?ber den Kordon helfen wolle, und wenn ihm gleich nicht so zumute war, gern von Hirschgeweihen zu h?ren, nahm er doch das Anerbieten mit Dank an, nur bat er sich die Erlaubnis aus, nach der R?ckkehr das Bild des Herrn Vizegespans in seinem Hause fertig malen zu d?rfen. Der kroatische Edelmann und der Feuerwerker sprachen nun noch mancherlei von der Jagd, und wie der Wein so vortrefflich stehe, darum sei das Volk auch so lustig; wenn der unbequeme Pestkordon nur erst aufgel?st sei; aller Verkehr sei durch ihn gest?rt, und der Kordon sei eigentlich ?rger als die Pest selbst. "Es wird bald aus sein mit dem Kordon", sagte der Kroate, "die K?lte ist der beste Doktor, und ich habe heute an den Eicheln gesehen, dass es einen strengen Winter geben wird; denn die Eicheln kamen heuer fr?h und viel, und es heisst von den Eicheln im September:

Haben sie Spinnen, so k?mmt ein b?s Jahr, Haben sie Fliegen, k?mmt Mittelzeit zwar, Haben sie Maden, so wird das Jahr gut, Ist nichts darin, so h?lt der Tod die Hut, Sind die Eicheln fr?h und sehr viel, So schau, was der Winter anrichten will: Mit vielem Schnee k?mmt er vor Weihnachten, Darnach magst du grosse K?lte betrachten. Sind die Eicheln sch?n innerlich, Folgt ein sch?ner Sommer, glaub sicherlich; Auch wird dieselbe Zeit wachsen sch?n Korn, Also ist M?h und Arbeit nicht verlorn. Werden sie innerlich nass befunden, Tuts uns einen nassen Sommer bekunden; Sind sie mager, wird der Sommer heiss, Das sei dir gesagt mit allem Fleiss.

Diesen September waren sie aber so fr?h und h?ufig, dass es gewiss bald kalt und der Frost die Pest schon vertilgen wird."--"Ganz recht", sagte der Vizegespan, "wir werden einen fr?hen Winter und einen sch?nen Herbst haben, denn tritt der Hirsch an einem sch?nen Egiditag in Brunst, so tritt er auch an einem sch?nen Tag heraus, und wenn er fr?h eintritt, wie dieses Jahr, so naht der Winter auch fr?h."

?ber diesen Wetterbetrachtungen kamen sie auf kalte Winter zu sprechen, und der Kroate erz?hlte folgende Geschichte, die ihm vor einigen Jahren im kalten Winter in der Christnacht geschehen sein sollte, und er beschwor sie hoch und teuer. Aber eben, als er beginnen wollte, schallte ein grosser Spektakel von der Linde her. Lindpeindler und die Kammerjungfer st?rzten mit dem Geschrei in die Stube, auf dem Tanzplatz sei wieder ein Wehm?ller erschienen. "Ach", schrie die Kammerjungfer, "er hat mich wie ein Gespenst angepackt und ist mit mir so entsetzlich unter der Linde herumgetanzt, dass mir die Haube in den Zweigen blieb." Auf diese Aussage sprangen alle vom Tisch auf und wollten hinausst?rzen. Der Vizegespan aber gebot dem Maler, sitzen zu bleiben, bis man wisse, ob er oder der andere es sei. Da n?herte sich das Spektakel, und bald trat der Zigeuner, lustig fiedelnd, von den kr?henden Bauern begleitet, mit dem neuen Wehm?ller vor die Schenke. Da kl?rte sich denn bald der Scherz auf. Devillier hatte den grauen Reisekittel und den Hut Wehm?llers im Hinausgehen aufgesetzt und ein blechernes Ofenrohr, das in einem Winkel lag, umgeh?ngt, die furchtsame Kammerjungfer zu erschrecken. Nanny ward sehr ausgelacht, und der Vizegespan befahl nun den Leuten, zu Bette zu gehen; da aber einige noch tanzen wollten und grob wurden, rief er nach seinen Heiducken, setzte selbst eine Bank vor die T?re, legte eigenh?ndig einen frechen Burschen ?ber und liess ihm f?nf aufz?hlen, auf welche kleine Erfrischung die ganze Ballgesellschaft mit einem lauten "Vivat noster Dominus Vicegespannus!" jubelnd nach Haus zog. Nun ordnete sich die ?brige Gesellschaft in der engen Stube, wie es gehen wollte, um Tisch und Herd, auf K?beln und Tonnen und den zur Nachtstreue von der Wirtin angeschleppten Strohb?ndeln. Devillier liess einige Kr?ge Wein bringen, und der erschrockenen Kammerjungfer wurde auf den Schreck wacker zugetrunken. Man bat dann den Kroaten, seine versprochene Geschichte zu erz?hlen, welcher, w?hrend Wehm?ller in schweren Gedanken an sein Tonerl Kn?pfe malte, also begann.

Das Pickenick des Katers Mores

Erz?hlung des kroatischen Edelmanns

Mein Freihof liegt einsam, eine halbe Stunde von der t?rkischen Grenze, in einem sumpfichten Wald, wo alles im herrlichsten und fatalsten ?berfluss ist, zum Beispiel die Nachtigallen, die einen immer vor Tag aus dem Schlafe wecken, und im letzten Sommer pfiffen die Bestien so unversch?mt nah und in solcher Menge vor meinem Fenster, dass ich einmal im gr?ssten Zorne den Nachttopf nach ihnen warf. Aber ich kriegte bald einen Hausgenossen, der ihnen auf den Dienst passte und mich von dem Ungeziefer befreite. Heut sind es drei Jahre, als ich morgens auf meinen Finkenherd ging, mit einem Pallasch, einer guten Doppelb?chse und einem Paar doppelten Pistolen versehen, denn ich hatte einen t?rkischen Wildpretdieb und H?ndler auf dem Korn, der mir seit einiger Zeit grossen Wildschaden angetan und mir, da ich ihn gewarnt hatte, trotzig hatte sagen lassen, er st?re sich nicht an mir und wolle unter meinen Augen in meinem Wald jagen. Als ich nach dem Finkenherd kam, fand ich alle meine ausgestellten Dohnen und Schlingen ausgeleert und merkte, dass der Spitzbube musste da gewesen sein. Erbittert stellte ich meinen Fang wieder auf, da strich ein grosser schwarzer Kater aus dem Gestr?uch murrend zu mir her und machte sich so zutulich, dass ich seinen Pelz mit Wohlgefallen ansah und ihn liebkoste mit der Hoffnung, ihn an mich zu gew?hnen und mir etwa aus seinen Winterhaaren eine M?tze zu machen. Ich habe immer so eine lebendige Wintergarderobe im Sommer in meinem Revier, ich brauche darum kein Geld zum K?rschner zu tragen, es kommen mir auch keine Motten in mein Pelzwerk. Vier Paar t?chtige lederne Hosen laufen immer als lebendige B?cke auf meinem Hofe, und mitten unter ihnen ein herrlicher Dudelsack, der sich jetzt als lebendiger Bock schon so musikalisch zeigt, dass die zu einzelnen Hosenbeinen bestimmten Kandidaten, sobald er meckernd unter sie tritt, zu tanzen und gegeneinander zu stutzen anfangen, als f?hlten sie jetzt schon ihre Bestimmung, einst mit meinen Beinen nach diesem Dudelsack ungarisch zu tanzen. So habe ich auch einen neuen Reisekoffer als Wildsau in meinem Forste herumlaufen, ein pr?chtiger Wolfspelz hat mir im letzten Winter in der Gestalt von sechs t?chtigen W?lfen schon auf den Leib gewollt; die Bestien hatten mir ein t?chtiges Loch in die Kammert?re genagt, da fuhr ich einem nach dem andern durch ein Loch ?ber der T?re mit einem Pinsel voll ?lfarbe ?ber den R?cken und erwarte sie n?chstens wieder, um ihnen das Fell ?ber die Ohren zu ziehen.

Aus solchen Gesichtspunkten sah ich auch den schwarzen Kater an und gab ihm, teils weil er schwarz wie ein Mohr war, teils weil er gar vortreffliche Mores oder Sitten hatte, den Namen Mores. Der Kater folgte mir nach Hause und wusste sich so vortrefflich durch M?usefangen und Vertr?glichkeit mit meinen Hunden auszuzeichnen, dass ich den Gedanken, ihn aus seinem Pelz zu vertreiben, bald aufgegeben hatte. Mores war mein steter Begleiter, und nachts schlief er auf einem ledernen Stuhl neben meinem Bette. Merkw?rdig war es mir besonders an dem Tiere, dass es, als ich ihm scherzhaft bei Tage einigemal Wein aus meinem Glase zu trinken anbot, sich gewaltig dagegen str?ubte und ich es doch einst im Keller erwischte, wie es den Schwanz ins Spundloch h?ngte und dann mit dem gr?ssten Appetit ableckte. Auch zeichnete sich Mores vor allen Katzen durch seine Neigung, sich zu waschen, aus, da doch sonst sein Geschlecht eine Feindschaft gegen das Wasser hat. Alle diese Absonderlichkeiten hatten den Mores in meiner Nachbarschaft sehr ber?hmt gemacht, und ich liess ihn ruhig bei mir aus und ein gehen, er jagte auf seine eigne Hand und kostete mich nichts als Kaffee, den er ?ber die Massen gern soff. So hatte ich meinen Gesellen bis gegen Weihnachten immer als Schlafkameraden gehabt, als ich ihn die zwei letzten Tage und N?chte vor dem Christtag ausbleiben sah. Ich war schon an den Gedanken gew?hnt, dass ihn irgendein Wildsch?tze, vielleicht gar mein t?rkischer Grenznachbar, m?ge weggeschossen oder gefangen haben, und sendete deswegen einen Knecht hin?ber zu dem Wildh?ndler, um etwas von dem Mores auszukundschaften. Aber der Knecht kam mit der Nachricht zur?ck, dass der Wildh?ndler von meinem Kater nichts wisse, dass er eben von einer Reise von Stambul zur?ckgekommen sei und seiner Frau eine Menge sch?ner Katzen mitgebracht habe; ?brigens sei es ihm lieb, dass er von meinem trefflichen Kater geh?rt, und wolle er auf alle Weise suchen, ihn in seine Gewalt zu bringen, da ihm ein t?chtiger Bassa f?r sein Serail fehle. Diese Nachricht erhielt ich mit Verdruss am Weihnachtsabend und sehnte mich um so mehr nach meinem Mores, weil ich ihn dem t?rkischen Schelm nicht g?nnte. Ich legte mich an diesem Abend fr?h zu Bette, weil ich in der Mitternacht eine Stunde Weges nach der Kirche in die Metten gehen wollte. Mein Knecht weckte mich zur geh?rigen Zeit; ich legte meine Waffen an und h?ngte meine Doppelb?chse, mit dem gr?bsten Schrote geladen, um. So machte ich mich auf den Weg, in der k?ltesten Winternacht, die ich je erlebt; ich war eingeh?llt wie ein Pelznickel, die brennende Tabakspfeife fror mir einigemal ein, der Pelz um meinen Hals starrte von meinem gefrornen Hauch wie ein Stachelschwein, der feste Schnee knarrte unter meinen Stiefeln, die W?lfe heulten rings um meinen Hof, und ich befahl meinen Knechten, Jagd auf sie zu machen.

So war ich bei sternheller Nacht auf das freie Feld hinaus gekommen und sah schon in der Ferne eine Eiche, die auf einer kleinen Insel mitten in einem zugefrornen Teiche stand und etwa die H?lfte des Weges bezeichnete, den ich zum Kirchdorf hatte. Da h?rte ich eine wunderbare Musik und glaubte anfangs, es sei etwa ein Zug Bauern, der mit einem Dudelsack sich den Weg zur Kirche verk?rzte, und so schritt ich derber zu, um mich an diese Leute anzuschliessen. Aber je n?her ich kam, je toller war die kuriose Musik, sie l?ste sich in ein Gewimmer auf, und, schon dem Baume nah, h?rte ich, dass die Musik von demselben herunter schallte. Ich nahm mein Gewehr in die Hand, spannte den Hahn und schlich ?ber den festen Teich auf die Eiche los; was sah ich, was h?rte ich? Das Haar stand mir zu Berge; der ganze Baum sass voll schrecklich heulender Katzen, und in der Krone thronte mein Herr Mores mit krummem Buckel und blies ganz erb?rmlich auf einem Dudelsack, wozu die Katzen unter gewaltigem Geschrei um ihn her durch die Zweige tanzten. Ich war anfangs vor Entsetzen wie versteinert, bald aber zwickte mich der Klang des Dudelsacks so sonderbar in den Beinen, dass ich selbst anfing zu tanzen und beinahe in eine von Fischern gehauene Eis?ffnung fiel; da t?nte aber die Mettenglocke durch die helle Nacht, ich kam zu Sinnen und schoss die volle Schrotladung meiner Doppelb?chse in den vermaledeiten Tanzchor hinein, und in demselben Augenblick fegte die ganze Tanzgesellschaft wie ein Hagelwetter von der Eiche herunter und wie ein Bienenschwarm ?ber mich weg, so dass ich auf dem Eise ausglitt und platt niederst?rzte. Als ich mich aufraffte, war das Feld leer, und ich wunderte mich, dass ich auch keine einzige von den Katzen getroffen unter dem Baume fand. Der ganze Handel hatte mich so erschreckt und so wunderlich gemacht, dass ich es aufgab, nach der Kirche zu gehen; ich eilte nach meinem Hofe zur?ck und schoss meine Pistolen mehrere Male ab, um meine Knechte herbeizurufen. Sie nahten mir bald auf dieses verabredete Zeichen; ich erz?hlte ihnen mein Abenteuer, und der eine, ein alter, erfahrener Kerl, sagte: "Sei'n Ihr Gnaden nur ruhig, wir werden die Katzen bald finden, die Ihr Gnaden geschossen haben." Ich machte mir allerlei Gedanken und legte mich zu Hause, nachdem ich auf den Schreck einen warmen Wein getrunken hatte, zu Bett.

Als ich gegen Morgen ein Ger?usch vernahm, erwachte ich aus dem unruhigen Schlaf, und sieh da: mein vermaledeiter Mores lag--mit versengtem Pelz--wie gew?hnlich neben mir auf dem Lederstuhl. Es lief mir ein grimmiger Zorn durch alle Glieder; "Passaveanelkiteremtete!" schrie ich, "vermaledelte Zauberkanaille! bist du wieder da?" und griff nach einer neuen Mistgabel, die neben meinem Bette stand; aber die Bestie st?rzte mir an die Kehle und w?rgte mich; ich schrie Zetermordio. Meine Knechte eilten herbei mit gezogenen S?beln und fegten nicht schlecht ?ber meinen Mores her, der an allen W?nden hinauf fuhr, endlich das Fenster zerstiess und dem Walde zust?rzte, wo es vergebens war, das Untier zu verfolgen; doch waren wir gewiss, dass Herr Mores seinen Teil S?belhiebe weghabe, um nie wieder auf dem Dudelsack zu blasen. Ich war sch?ndlich zerkratzt, und der Hals und das Gesicht schwoll mir gr?sslich an. Ich liess nach einer slavonischen Viehmagd rufen, die bei mir diente, um mir einen Umschlag von ihr kochen zu lassen, aber sie war nirgends zu finden, und ich musste nach dem Kirchdorf fahren, wo ein Feldscher wohnte. Als wir an die Eiche kamen, wo das n?chtliche Konzert gewesen war, sahen wir einen Menschen darauf sitzen, der uns erb?rmlich um H?lfe anflehte. Ich erkannte bald Mladka, die slavonische Magd; sie hing halb erfroren mit den R?cken in den Baum?sten verwickelt, und das Blut rann von ihr nieder in den Schnee; auch sahen wir blutige Spuren von da her, wo mich die Katzen ?ber den Haufen geworfen, nach dem Walde zu. Ich wusste nun, wie es mit der Slavonierin beschaffen war, liess sie schwebend, dass sie die Erde nicht ber?hrte, auf den Wurstwagen tragen und festbinden und fuhr eilend mit der Hexe nach dem Dorfe. Als ich bei dem Chirurg ankam, wurde gleich der Vizegespan und der Pfarrer des Orts gerufen, alles zu Protokoll genommen, und die Magd Mladka ward ins Gef?ngnis geworfen; sie ist zu ihrem Gl?ck an dem Schuss, den sie im Leibe hatte, gestorben, sonst w?re sie gewiss auf den Scheiterhaufen gekommen. Sie war ein wundersch?nes Weibsbild, und ihr Skelett ist nach Pest ins Naturalienkabinett als ein Muster sch?nen Wachstums gekommen; sie hat sich auch herzlich bekehrt und ist unter vielen Tr?nen gestorben. Auf ihre Aussagen sollten verschiedene andere Weibspersonen in der Gegend gefangengenommen werden, aber man fand zwei tot in ihren Betten, die anderen waren entflohen.

Als ich wiederhergestellt war, musste ich mit einer Kreiskommission ?ber die t?rkische Grenze reisen; wir meldeten uns bei der Obrigkeit mit unserer Anzeige gegen den Wildh?ndler, aber da kamen wir schier in eine noch schlimmere Suppe; es wurde uns erkl?rt, dass der Wildh?ndler nebst seiner Frau und mehreren t?rkischen, serbischen und slavonischen M?gden und Sklavinnen von Schrotsch?ssen und S?belhieben verwundet zu Hause angekommen, und dass der Wildh?ndler gestorben sei mit der Angabe: er sei, von einer Hochzeit kommend, auf der Grenze von mir ?berfallen und so zugerichtet worden. W?hrend dies angezeigt wurde, versammelte sich eine Menge Volks, und die Frau des Wildh?ndlers mit mehreren Weibern und M?gden, verbunden und bepflastert, erhoben ein m?rderliches Geschrei gegen uns. Der Richter sagte: er k?nne uns nicht sch?tzen, wir m?chten sehen, dass wir fortk?men; da eilten wir nach dem Hof, sprangen zu Pferde, nahmen den Kreiskommiss?r in die Mitte, ich setzte mich an die Spitze der sechs Szekler-Husaren, die uns begleitet hatten, und so sprengten wir, S?bel und Pistole in der Hand, fr?h genug zum Orte hinaus, um nicht mehr zu erleiden als einige Steinw?rfe und blinde Sch?sse, eine Menge t?rkischer Fl?che mit eingerechnet. Die T?rken verfolgten uns bis ?ber die Grenze, wurden aber von den Szeklern, die sich im Walde setzten, so zugerichtet, dass wenigstens ein paar von ihnen dem Wildh?ndler in Mahomeds Paradies Nachricht von dem Erfolg werden gegeben haben. Als ich nach Haus kam, war das erste, dass ich meinen Dudelsack visitierte, den ich auch mit drei Schroten durchl?chert hinter meinem Bette liegen fand. Mores hatte also auf meinem eigenen Dudelsack geblasen und war von ihm gegen meinen Schuss gedeckt worden. Ich hatte mit der unseligen Geschichte noch viele Schererei, ich wurde weitl?ufig zu Protokoll vernommen, es kam eine Kommission nach der andern auf meinen Hof und liess sich t?chtig aufwarten; die T?rken klagten wegen Grenzverletzung, und ich musste es mir am Ende noch mehrere St?cke Wild und ein ziemliches Geld kosten lassen, dass die Gerichtsplackerei endlich einschlief, nachdem ich und meine Knechte vereidigt worden waren. Trotzdem wurde ich mehrmals vom Kreisphysikus untersucht, ob ich auch v?llig bei Verstand sei, und dieser kam nicht eher zur v?lligen Gewissheit dar?ber, bis ich ihm ein Paar doppelte Pistolen und seiner Frau eine Verbr?mung von schwarzem Fuchspelz und mehrere t?chtige Wildbraten zugeschickt hatte. So wurde die Sache endlich stille; um aber in etwas auf meine Kosten zu kommen, legte ich eine Schenke unter der Eiche auf der Insel in dem Teiche an, wo seither die Bauern und Grenznachbarn aus der Gegend sich sonntags im Sommer viel einstellen und den ledernen Stuhl, worauf Mores geschlafen, und an den ich ein St?ck seines Schweifs, das ihm die Knechte in der Nacht abgehauen, genagelt habe, besehen; den Dudelsack habe ich flicken lassen, und mein Knecht, der den Wirt dort macht, pflegt oben in der Eiche, wo Mores gesessen, darauf den G?sten, die um den Baum tanzen, vorzuspielen. Ich habe schon ein sch?nes Geld da eingenommen, und wenn mich die Herrschaften einmal dort besuchen wollen, so sollen sie gewiss gut bedient werden.

Diese Erz?hlung, welche der Kroat mit dem ganzen Ausdruck der Wahrheit vorgebracht hatte, wirkte auf die verschiedenste Weise in der Gesellschaft. Der Vizegespan, der Tiroler und die Wirtin hatten keinen Zweifel und der Savoyarde zeigte seine Freude, dass man noch kein Beispiel gehabt habe: ein Murmeltier sei eine Hexe gewesen. Lindpeindler ?usserte: es m?ge an der Geschichte wahr sein, was da wolle, so habe sie doch eine h?here poetische Wahrheit; sie sei in jedem Falle wahr, insofern sie den Charakter der Einsamkeit, Wildnis und der t?rkischen Barbarei ausdr?cke; sie sei durchaus f?r den Ort, auf welchem sie spiele, scharf bezeichnend und mythisch und darum dort wahrer als irgendeine Lafontainesche Familiengeschichte. Aber es verstand keiner der Anwesenden, was Lindpeindler sagen wollte, und Devillier leugnete ihm grade ins Gesicht, dass Lafontaine irgendeine seiner Fabeln jemals f?r eine wahre Familiengeschichte ausgegeben habe; Lindpeindler schwieg und wurde verkannt.

Nun aber wendete sich der Franzose zu der Kammerjungfer, welche sich mit stillem Schauer in einen Winkel gedr?ckt hatte, sprechend: "Und Sie, sch?ne Nanny, sind ja so stille, als f?hlten Sie sich bei der Geschichte getroffen."--"Wieso getroffen?" fragte Nanny. "Nun, ich meine", erwiderte Devillier l?chelnd, "von einem Schrote des kroatischen Herrn. Sollte das artigste Kammerk?tzchen der Gegend nicht zu dem Teedansant eingeladen gewesen sein?--Das w?re ein Fehler des Herrn Mores gegen die Galanterie, wegen welchem er die Rache seines Herrn allein schon verdient h?tte." Alle lachten, Nanny aber gab dem Franzosen eine ziemliche Ohrfeige und erwiderte: "Sie sind der Mann dazu, einen in den Ruf zu bringen, dass man geschossen sei, denn Sie haben selbst einen Schuss!" und dabei zeigte sie ihm von neuem die f?nf Finger; worauf Devillier sagte: "Erhebt das nicht den Verdacht, sind das nicht Katzenmanieren? Sie waren gewiss dabei! Frau Tschermack, die Wirtin, wird es uns sagen k?nnen, denn die hat gewiss nicht gefehlt; ich glaube, dass sie die Blessur in der H?fte eher bei solcher Gelegenheit als bei den Wurmserschen Husaren erhalten." Alles lachte von neuem, und der Zigeuner sagte: "Ich will sie fragen."

Der Kroate fand sich ?ber die Ungl?ubigkeit Devilliers gekr?nkt und fing an, seine Geschichte nochmals zu beteuern, indem er seine pferdehaarne steife Halsbinde abl?ste, um die Narben von den Klauen des Mores zu zeigen. Nanny dr?ckte die Augen zu, und indessen brachte der Zigeuner die Nachricht. Frau Tschermack meine, Mores m?sse es selbst am besten wissen. Er setzte mit diesen Worten die grosse schwarze Katze der Wirtin, welche er vor der T?re gefangen hatte, der Kammerjungfer in den Schoss, welche mit einem heftigen Schrei des Entsetzens auffuhr.--"Eingestanden!" rief Devillier; aber der Spass war dumm, denn Nanny kam einer Ohnmacht nah, die Katze sprang auf den Tisch, warf das Licht um und fuhr dem armen Wehm?ller ?ber seine nassen Farben; der Vizegespan riss das Fenster auf und entliess die Katze, aber alles war rebellisch geworden; die B?ffelk?he im Hintergrund der Stube zerrten an den Ketten, und jeder dr?ngte nach der T?re. Wehm?ller und Lindpeindler sprangen auf den Tisch und stiessen mit dem Tiroler zusammen, der es auch in demselben Augenblick tat und mit seinen n?gelbeschlagenen Schuhen mehr Knopfl?cher in das Portr?t des Vizegespans trat, als Kn?pfe darauf waren. Devillier trug Nanny hinaus; der Kroate schrie immer: "Da haben wir es, das k?mmt vom Unglauben!" Frau Tschermack aber, welche mit einem vollen Weinkrug in die Verst?rung trat, fluchte stark und beruhigte die K?he; der Zigeuner griff wie ein zweiter Orpheus nach seiner Violine, und als Monsieur Devillier mit Nanny, die er am Brunnen erfrischt hatte, wieder hereintrat, kniete der kecke Bursche vor ihr nieder und sang und spielte eine so r?hrende Weise auf seinem Instrument, dass niemand widerstehen konnte und bald alles stille ward. Es war dies ein altes zigeunerisches Schlachtlied, wobei der Zigeuner endlich in Tr?nen zerfloss, und Nanny konnte ihm nicht widerstehen, sie weinte auch und reichte ihm die Hand; Lindpeindler aber sprang auf den S?nger zu und umarmte ihn mit den Worten: "O, das ist gross, das ist urspr?nglich! Bester Michaly, wollen Sie mir Ihr Lied wohl in die Feder diktieren?"--"Nimmermehr!" sagte der Zigeuner, "so was diktiert sich nicht, ich w?sste es auch jetzt nicht mehr, und wenn Sie mir den Hals abschnitten; wenn ich einmal wieder eine sch?ne Jungfer betr?bt habe, wird es mir auch wieder einfallen."

Da lachte die ganze Gesellschaft, und Michaly begann so tolle Melodien aus seiner Geige herauszulocken, dass die Fr?hlichkeit bald wieder hergestellt wurde und Devillier den Kroaten fragte, ob Mores nicht diesen Tanz aufgespielt h?tte; Herr Lindpeindler notierte sich wenigstens den Inhalt des extemporierten Liedes; es war die Wehklage ?ber den Tod von tausend Zigeunern. Im Jahr 1537 wurde in den Zapolischen Unruhen das Kastell Nagy-Ida in der Abanywarer Gespanschaft mit Belagerung von kaiserlichen Truppen bedroht. Franz von Perecey, der das Kastell verteidigte, stutzte, aus Truppenmangel, tausend Zigeuner in der Eile zu Soldaten und legte sie unter reichen Versprechungen von Geld und Freiheiten auf Kindeskinder, wenn sie sich wacker hielten, gegen den ersten Anlauf in die ?usseren Schanzen. Auf diese vertrauend hielten sich diese Helden auch ganz vortrefflich, sie empfingen die Belagerer mit einem heftigen Feuer, so dass sie umwendeten. Aber nun krochen die Helden ?berm?tig aus ihren L?chern und schrien den Fliehenden nach: "Geht zum Henker, ihr Lumpen, h?tten wir noch Pulver und Blei, so wollten wir euch anders zwiebeln." Da sahen sich die Abziehenden um, und als sie statt regulierter Truppen einen frechen Zigeunerschwarm auf den W?llen merkten, ergriff sie der Zorn, sie drangen in die Schanze und s?belten die armen Helden bis auf den letzten Mann nieder. Diese Niederlage, eine der traurigsten Erinnerungen der Zigeuner in jener Gegend, hatte Michaly in der Klage einer Mutter um ihren Sohn und einer Braut um ihren gefallenen Geliebten besungen. Devillier sagte nun zu dem Kroaten: "Damit Sie nicht l?nger meinen Glauben an den Hexenmeister Mores in Katzengestalt bezweifeln, will ich Ihnen eine Geschichte erz?hlen, bei welcher ich selbst geholfen habe, ein paar hundert solcher Zauberer zu t?ten."--Ein paar hundert!" riefen mehrere in der Gesellschaft. "Ja!" erwiderte Devillier, "und das will ich ebenso getrost beschw?ren als unser Freund den musizierenden Katzenkongress."

Devilliers Erz?hlung von den Hexen auf dem Austerfelsen

Vor mehreren Jahren, da ich als Lieutenant zu D?nkirchen in Garnison lag, genoss ich der vertrauten Freundschaft meines Majors, eines alten Gascogners. Er war ein grosser Liebhaber von Austern, und zu seiner Majorschaft geh?rte der Genuss von einem grossen Austerfelsen, der hinter einem Lustw?ldchen einen halben B?chsenschuss weit vom Ufer in der See lag, so dass man ihn bei der Ebbe trocknen Fusses erreichen konnte, um die frischen Austern vom Felsen zu schlagen. Da der Major eine Zeit her bemerkt hatte, dass in den meisten zutage liegenden Austern nichts drinnen war, konnte er sich gar nicht denken, wer ihm die Austern aus den Schalen hinwegstehle, und er bat mich, ihn in einer Nacht, mit Schiessgewehr bewaffnet, nach dem Austerfelsen zu begleiten, um den Dieb zu belauern. Wir hatten kaum das kleine Geh?lz betreten, als uns ein schreckliches Katzengeheul nach der See hin rief, und wie gross war unser Erstaunen, als wir den Felsen mit einer Unzahl von Katzen besetzt fanden, die, ohne sich von der Stelle zu bewegen, das durchdringendste Jammergeschrei ausstiessen. Ich wollte unter sie schiessen, aber mein Freund warnte mich, indem es gewiss eine Gesellschaft von Zauberern und Hexen sei und ich durch den Schuss ihre Rache auf uns ziehen k?nnte. Ich lachte und lief mit gezogenem S?bel nach dem Felsen hin; aber wie ward mir zumute, da ich unter die Bestien hieb und sich doch keine einzige von der Stelle bewegte! Ich warf meinen Mantel ?ber eine, um sie ungekratzt von der Erde aufheben zu k?nnen, aber es war unm?glich, sie von der Stelle zu bringen, sie war wie angewurzelt. Da lief es mir eiskalt ?ber den R?cken, und ich eilte, zu meinem Freunde zur?ckzukommen, der mich wegen meiner tollk?hnen Expedition t?chtig ausschm?lte. Wir standen noch, bis die Flut eintrat, um zu sehen, wie sich die Hexenmeister betragen w?rden, wenn das Wasser ?ber sie her str?mte; aber da ging es uns wie unserem kroatischen Freunde, als die Kirchglocke das Katzenpickenick auf der Eiche unterbrach. Kaum rollte die erste Welle ?ber den Felsen, als die ganze Hexengesellschaft mit solchem Ungest?m gegen das Ufer und auf uns los st?rzte, dass wir in der gr?ssten Eile Reissaus nahmen. Am andern Morgen begab sich der alte Major zum Gouverneur der Festung und zeigte ihm an: wie die ganze Festung voll Hexen und Zauberern sei, deren Versammlung er auf seinem Austerfelsen entdeckt habe. Der Gouverneur lachte ihn anfangs aus und begann, als er ernsthaft Truppen begehrte, diese Zauberer in der n?chsten Nacht niederschiessen zu lassen, an seinem Verstande zu zweifeln. Der Major stellte mich als Zeugen auf, und ich best?tigte, was ich gesehen, und die wunderbare Erscheinung von Unbeweglichkeit der Katzen. Dem Gouverneur war die Sache unbegreiflich, und er versprach, in der n?chsten Nacht selbst zu untersuchen. Er liess allen Wachen andeuten, ehe er in der Nacht mit uns und hundert Mann Voltigeurs ausmarschierte, keine R?cksicht darauf zu nehmen, wenn sie schiessen h?rten.

Als wir dem Geh?lz nahten, t?nte dasselbe Katzengeschrei, und wir hatten vom Ufer dasselbe eigent?mlich-schauerliche Schauspiel: den lebendigen heulenden Felsen im Mondschein ?ber der weiten, unbegrenzten Meeresfl?che. Der Gouverneur stutzte, er wollte hin, aber der Major hielt ihn mit ?ngstlicher Sorge zur?ck; nun liess der Gouverneur die hundert Mann von der Landseite den Felsen umgeben und zwei volle Ladungen unter die Hexenmeister geben, aber es wich keiner von der Stelle, wenngleich eine Menge Stimmen unter ihnen zu schweigen begannen. Hier?ber verwundert liess sich der Gouverneur nicht l?nger halten, er ging nach dem Felsen, und wir folgten ihm; er versuchte, eine der Katzen wegzunehmen, aber sie waren alle wie angewachsen; da entdeckte ich, dass sie alle mit einer oder mehreren Pfoten, manche auch mit dem Schwanz in die fest geschlossenen Austern eingeklemmt waren. Als ich dies angezeigt, mussten die Soldaten heran und sie s?mtlich erlegen. Da aber die Flut nahte, zogen wir uns ans Land zur?ck, und die ganze Katzenversammlung, welche gestern so lebhaft vor der ersten Woge geflohen war, wurde jetzt von der Flut mausetot ans Ufer gesp?lt, worauf wir, den guten Major herzlich mit seinen Hexen auslachend, nach Hause marschierten. Die Sache aber war folgende: Die Katzen, welche die Austern ?ber alles lieben, zogen sie mit den Pfoten aus den Schalen, und das gelang nicht l?nger, als bis sie von den sich schliessenden Muscheln festgeklemmt wurden, wo sie sich dann so lange mit Wehklagen unterhielten, bis die Austern, von der Flut ?berschwemmt, sich wieder ?ffneten und ihre Gefangenen entliessen; und ich glaube, bei strenger Untersuchung und weniger Phantasie w?rde unser Freund bei seinem Katzenabenteuer ebenso gut lauter Fischdiebe, wie wir Austerdiebe, entdeckt haben. Baciochis Erz?hlung vom wilden J?ger

Nachdem die Aufkl?rung dieses Ereignisses die Erz?hlung des Kroaten in ihrer Schauerlichkeit sehr gemildert hatte, kam man auf allerlei Jagdgespenster zu sprechen, und Lindpeindler fragte: ob einer in der Gesellschaft vielleicht je den wilden J?ger gesehen oder geh?rt habe? Da sagte der Feuerwerker: "Mir kam er schon so nahe, dass ich das Blanke in den Augen sah, und wenn die Jungfer Nanny sich tapfer halten und die ganze ehrsame Gesellschaft wenigstens so lange daran glauben will, bis die Geschichte zu Ende ist, so will ich sie erz?hlen." Nanny erwiderte: "Erz?hle nur, Baciochi, du kennst mein Temperament und wirst es nicht zu arg machen."--"Erz?hlen Sie", fiel Devillier ein; "wenn wir die Geschichte auch am Ende f?r eine L?ge erkl?ren, so soll Ihnen bis dahin geglaubt werden." Und bald waren alle Stimmen vereint, den Feuerwerker einzuladen, welcher alle aufforderte, sich an ihre Pl?tze zu setzen, und seiner Erz?hlung einen eigent?mlichen theatralischen Charakter zu geben wusste. Alle sassen an Ort und Stelle, er machte eine Pause, steckte sich eine Pfeife Tabak an und schlug mit der Faust so unerwartet heftig auf den Tisch, dass die Lichter verl?schten und alle laut aufschrien.

"Meine Feuerwerke fangen immer mit einem Kanonenschuss an", sagte er, "erschrecken Sie nicht!" und in demselben Augenblick brannte er mehrere Spr?hkegel an, die er aus Pulver und vergossnem Weine in der Stille geknetet hatte, und sagte: "Stellen Sie sich vor, Sie w?ren bei meinem grossen Feuerwerke in Venedig, welches ich am Kr?nungstage Napoleons dort abbrannte. Es mussten mir einige K?rner prophetischen Schiesspulvers in die Masse gekommen sein; kurz gesagt: als der Thron und die Krone und das grosse Notabene, NB, Napoleon Bonapartes Namenszug, im vollen Brillantfeuer, von hunderttausend Schw?rmern und Raketen umzischt, kaum eine Viertelstunde von einer hohen Generalit?t und dem verehrten Publikum beklatscht worden waren, fing mein Feuerwerk an, ein wenig zu fr?steln; es platzte und zischte manches zu fr?h und zu sp?t ab, eine gute Partie einzelner Sonnen und R?der brannten mir in einer Scheune nieder, die dabei das Dach verlor. Das Schauspiel war so grandios angelegt, dass man diesen ganzen kunstlosen Scheunenbrand f?r seinen Triumph hielt, man klatschte, und ich paukte und trompetete; schnell liess ich alle meine ?brigen St?cke in die L?cken stellen und von neuem losfigurieren. Aber der Satan fuhr mir mit dem Schwanz dr?ber, und die ganze Pastete flog mit einem grossen Geprassel auf einmal in die Luft, die Menschen fuhren gr?sslich auseinander, Ger?ste brachen ein, alle Einz?unungen wurden niedergerissen, die Menge st?rzte nach den Gondeln, die Gondelf?hrer wehrten ab, die B?rger pr?gelten sich mit den franz?sischen Soldaten, meine Kasse wurde gepl?ndert; es war eine Verwirrung, als sei der Teufel in die Schweine gefahren und diese st?rzten dem Meer zu. Unsereins kennt sein Handwerk, man ist auf dergleichen gefasst, mein pers?nlicher R?ckzug war gedeckt. Ich liess nichts zur?ck als alle meine Schulden, meine Reputation und meinen halben Daumen. Meine selige Frau, welcher der Rock am Leibe brannte, riss mich in die Gondel ihres Bruders, eines Schiffers, und der brachte mich an einen Zufluchtsort, worauf wir am folgenden Morgen die Stadt verliessen. Als wir das Gebirg erreichten, nahten wir uns auf Abwegen einer Kapelle, bei welcher ich mit meinem liebsten Gesellen Martino verabredet hatte, wieder zusammenzutreffen, wenn wir durch irgendein Ungl?ck auseinander gesprengt werden sollten. Mein gutes Weib hatte ein St?ck von einer Wachsfackel, die bei der Leiche unsers seligen T?chterleins gebrannt hatte, in der Tasche und pflegte, wenn sie n?hte, ihren Zwirn damit zu wichsen; aus diesem Wachs hatte sie w?hrend unseres Weges die Figur eines Daumens geknetet und h?ngte dieselbe, nebst einem Rosenkranz von roten und schwarzen Beeren, den sie auch sehr artig eingef?delt hatte, dem kleinen Jesulein auf dem Schosse der Mutter Gottes in der Kapelle als ein Opfer an das H?ndchen, und wir beteten beide von Herzen, dass mein Daumen heilen und wir gl?cklich ?ber die Grenze in das ?sterreichische kommen m?chten. Wir lagen noch auf den Knien, als ich die Stimme Martinos rufen h?rte: "Sia benedetto il San Marco!"; da schrie ich wieder: "E la Santissima Vergine Maria!", wie wir verabredet hatten, und lief mit meinem Weibe vor die Kapelle. Da trat uns Martino in einem tollen Aufzug entgegen. Er hatte bei dem Feuerwerk den Meergott Neptun vorgestellt und in seinem vollen Kost?m Reissaus genommen; er hatte den Schilfg?rtel noch um den Leib, einen Wams von Seemuscheln an und eine Binsenper?cke auf, sein langer Bart war von Seegras, auf der Schulter trug er den Dreizack, auf welchem er ein t?chtiges Bauernbrot und drei fette Schnepfen, die er mitsamt dem Neste erwischte, gespiesst hatte. Nach herzlicher Umarmung erz?hlte er uns: wie ihn seine Kleidung gl?cklich gerettet habe; die Strickreiter seien ihm auf der Spur gewesen, da habe er sich in das Schilf eines Sumpfes versteckt, und sein Schilfg?rtel machte ihn da nicht bemerkbar. Als er stille liegend sie vor?berreiten lassen, h?tten sich die drei Schnepfen sorglos neben ihm in ihr Nest niedergelassen, und er habe sie mit der Hand alle drei ergriffen. Das Brot hatte er von einem Contrebandier um einige Pfennige gekauft, der ihm zugleich die n?chste Herberge auf der H?he des Gebirges beschrieben, aber nicht eben allzu vorteilhaft: denn der ganze Wald sei nicht recht geheuer, der wilde J?ger ziehe darin um und pflege grade in dieser Herberge sein Nachtquartier zu halten. "Wohlauf denn!" sagte ich, "so haben wir heute nacht gute Gesellschaft; ich h?tte den Kerl lange gern einmal gesehen, um seinen Jagdzug recht nat?rlich in einem Feuerwerk darstellen zu k?nnen." Mein Weib Marinina aber, welche, um ja nichts zu vers?umen, alles miteinander glaubte, machte ein saures Gesicht zu der Herberge. Das konnte aber nichts helfen, wir mussten den Weg w?hlen; er war ganz entlegen und sicher und ein Schleichweg der Contrebandiers, mit welchen Martino einige Bekanntschaft hatte. Die Nacht brach herein, es nahte ein Gewitter, und wir mussten uns auf den Weg machen. Martino machte unsere Wanderschaft etwas lustiger, er ?bergab meiner Marinina die Schnepfen und sagte: "Rupft sie unterwegs, damit wir in der Herberge dem wilden J?ger bald einen Braten vorsetzen k?nnen", und nun marschierte er mit tausend Sp?ssen in seinem tollen Habit, wie ein vazierender Waldteufel, voraus. Ich folgte ihm auf dem schmalen Waldpfade und hatte meinen halben Daumen, der mich nicht wenig schmerzte, meistens in dem Munde, und hinter mir zog--dass Gott erbarm!--meine selige Marinina und rupfte die Schnepfen unter Singen und Beten. ?ber der rechten H?fte war ihr ein ziemliches Loch in den Rock gebrannt, und sie sch?mte sich, vorauszugehen, dass Martino, der seinen Witz in allen Nestern auszubr?ten pflegte, an ihrer Bl?sse nicht ?rgernis nehmen m?chte. Der Weg war steil, unheimlich und beschwerlich; der Sturm sauste durch den Wald, es blitzte in der Ferne, Marinina schlug ein Kreuz ?ber das andre. Aber die M?digkeit vertrieb ihre Furcht vor dem wilden J?ger immer mehr, von welchem Martino die tollsten Geschichten vorbrachte. "Es ist gut", sagte er, "dass wir selbst Proviant bei uns haben, denn wenn wir mit ihm essen m?ssten, d?rften wir leicht mit dem Schenkel eines Geh?ngten oder mit einem immarinierten Pferdekopf bewirtet werden. Fasset Mut, Frau Marinina, schaut mich nur an, ?rger kann er nicht aussehen!"

Unter solchen Gespr?chen hatten wir die Gebirgsh?he erstiegen und waren ein ziemlich St?ck Wegs in den wilden, finstern Wald geschritten, da h?rten wir ein abscheuliches Katzengeheul und kamen bald an eine H?tte, mit Stroh und Reisern gedeckt; alte Lumpen hingen auf dem Zaun, und an einer Stange war ein grosses Stachelschwein ?ber der T?re herausgesteckt als Schild. "Da sind wir", sagte Martino; "wie glaubt ihr, dass dies vornehme Gasthaus heisse?"--"Zum Stachelschwein!" sagte ich.-"Nein!" erwiderte Martino, "es hat mehrere Namen; einige nennen es des Teufels Zahnb?rste, andre des Teufels Pelzm?tze, andre gar seinen Hosenknopf." Wir lachten ?ber die n?rrischen Namen. Die Katze sass vor der T?re auf einem zerbrochenen H?hnerkorb, machte einen Buckel gegen uns und ein Paar feurige Augen und h?rte nicht auf zu solfeggieren. In dem Hause aber rumpelte es wie in einem Raspelhause und leeren Magen. Nun schlug Martino mit der Faust gegen die T?re und schrie: "Holla, Frau Susanna, f?r Geld und gute Worte Einlass und Herberge; Eure Katze will auch hinein." Da kr?hte eine Stimme heraus: "Wer seid ihr Schalksknechte zu nachtschlafender Zeit?" Und Martino, der in Reimen wie ein Improvisatore schwatzen konnte, schrie: "Ich bin ja der Rechte und komme von weit!" Nun keifte die Stimme wieder: "Wenn die Katze nicht draussen w?r, ich liess Euch nimmermehr ein!" Und Martino sagte: "Ihr denket so z?rtlich ungef?hr wie Euer Schild, das Stachelschwein." Marinina war in tausend ?ngsten; sie bat immer den Martino, die alte Wirtin nicht zu schelten, sie sei gewiss eine Hexe und werde uns nichts Gutes antun. Da ging die T?r auf, ein schwarzbraunes, zerlumptes, sonst glattes und h?bsches M?gdlein, gl?nzend und schlank wie ein brauner Aal, leuchtete uns aus der K?che mit einer Kienfackel ins Gesicht und war nicht wenig erschrocken, als Martino in seinem wilden Aufzug ihr rasch entgegenschritt und, indem er dr?ngend sie verhinderte, die T?re wieder zuzuschlagen, ihr sagte: "Brauner Schatz, mach uns Platz! Menschen sind wir, sch?nes Kind, hier: hast zum Zeichen diesen Schmatz!" und somit k?sste er sie herzlich; wir drangen indessen hinein. Die kleine Braune aber sagte: "Und wenn du auch nicht der Satan selbst bist, so k?nnt ihr heute hier doch nicht bleiben; meine Grossmutter ist sehr brummig, sie f?rchtet, das Waldgespenst komme heut nacht, und da nimmt sie keine G?ste, um die Herberge nicht in b?sen Ruf zu bringen; unsre Kammer, wo wir schlafen, ist eng, und sie r?ckt schon allen Hausrat vor ihr Bett, um das Gespenst nicht zu sehen, welches oft quer durch unsre H?tte zieht." Martino aber erwiderte: "Eben in dieser Kammer wollen wir schlafen, und eben dieses Waldgespenst wollen wir mit gebratenen Schnepfen bewirten; wir sind des wilden J?gers K?chengesinde!" Und somit packte er ein Bund Stroh auf, das in der Ecke lag, und marschierte in die Kammer; wir kamen nach, trotz allen Zeremonien, welche die nussbraune Jungfer machen wollte.

Es war gar keine alte Grossmutter in der H?tte; das M?dchen log uns etwas vor. Martino breitete das Stroh an die Erde, und Marinina, furchtsam und m?de, legte sich gleich, mit dem Gesicht, ?ber das sie noch ihre Sch?rze deckte, gegen die Wand gekehrt, nieder und r?hrte sich nicht. Martino begab sich mit den Schnepfen wieder in die K?che, in welcher die braune Jungfer schmollend und brummend zur?ckgeblieben war, und ich sah mich einstweilen in der Stube um. Eine Kienfackel brannte in der Mitte; sie war in einen K?rbis festgesteckt, der neben schmutzigen Spielkarten auf einem breiten Eichenstumpf lag, welcher als Tisch und Hackstock diente und fest genug stand, denn er steckte noch mit allen seinen Wurzeln in der Erde, welche ungedielt der ganzen H?tte ihren Grund und Boden gab. Ein paar Bretter, auf eingepf?hlte St?cke befestigt, waren die unbeweglichen Sitze; die W?nde bestanden aus Flechtwerk, mit Lehm und Erde verstrichen, und einzelne hereinragende ?ste bildeten mancherlei Wandhaken, an denen zerl?cherte K?rbe, Lumpen, Zwiebelb?ndel, Hasen-, Hunde-, Katzen--und Dachsfelle hingen, auch einige zerbrochene Gartenwerkzeuge. Auf einem derselben aber sass ein greuliches Tier, eine ungeheure Ohreule, welche gegen die Kienfackel mit den Augen blinzte und sich in die Schultern warf wie ein alter Professor, der soeben den Theriak erfunden hat. In einem ausgebauten Winkel der Stube lag, auf zwei Baumst?cken, die Bettstelle der Grossmutter, die sehr dauerhaft in einer ausgeh?hlten Eiche bestand, an der die Rinde noch sass. Sonst war das Bett wohl bedacht, denn seine schmutzigen Federkissen lagen so hoch aufgebauscht, dass die niedre H?ttendecke, aus der das Stroh herabhing, weder hoch noch hart gefallen w?re, wenn sie einst?rzte; aber, sich noch zu besinnen, schien sie unentschlossen hin und her zu schwanken. Der Hausrat, von welchem das M?dchen gelogen hatte: dass die Grossmutter ihn vor das Bett r?cke, bestand in einer zerbrochenen T?re und einer alten Tonne, mit welcher wahrscheinlich der L?rm gemacht worden war, den wir in der H?tte h?rten. Sie waren beide vor den Bettrog der Grossmutter ger?ckt. Ausser allem diesen sah man nichts als eine sehr bauf?llige Leiter, die an einem Loche in der Ecke lehnte, durch welches ich einige H?hner oben gackern h?rte, die das Ger?usch unsrer Ankunft erweckt hatte, die Katze nicht zu vergessen, welche auf einer alten Trommel hinter der T?re schlief. Eine Geige, ein Triangel und ein Tambourin hingen an der Wand, und neben ihnen ein zerrissener bunter Tiroler Teppich.

Ich hatte kaum alle diese Herrlichkeiten betrachtet, als Martino hereintrat und zu mir sagte: "Meister, ich habe alle Schwierigkeiten geebnet und weiss, wo wir sind. Wir hausen bei einer alten Zigeunerin, welche ausser ihren Privatgesch?ften: der Wahrsagerei, Hexerei, Dieberei, Viehdoktorei, auch eine Hehlerin der Contrebandiers macht; die Kleine draussen ist ihr Tochterkind, das auf der hohen Schule bei ihr ist und der Grossmutter Tod abwarten soll, um hinter einen Topf von Gold zu kommen, von dem sie immer spricht, ohne doch je zu sagen, wo sie ihn hin versteckt hat. Das hat mir das M?dchen alles anvertraut; ich habe ihr Herzchen ger?hrt, sie ist kirre wie ein Zeisig, und wenn wir wollen, l?sst sie die Grossmutter und den Goldtopf im Stich, l?uft morgen mit uns und verdient uns das Brot mit Burzelb?umen, deren sie ganz wunderbare schlagen kann. F?r all dies Vertrauen habe ich ihr versprechen m?ssen, zu glauben: dass der wilde J?ger heute nacht wirklich durch die H?tte zieht; wir sollen uns nur um Gottes willen ruhig halten. Die Grossmutter wird in kurzer Zeit zur?ckkommen; sie ist mit Lebensmitteln zu einem Zug Schleichh?ndler gegangen, der ?ber das Gebirge zieht. Der wilde J?ger, sagt sie, treibe um Mitternacht durch die Stube, und wenn wir uns ruhig hielten, werde er uns kein Haar kr?mmen, sonst aber riskieren wir Leib und Leben; ich denke aber, wir wollen es mit ihm versuchen." Nun legte er meinen Pr?gel und seinen Dreizack neben uns auf das Stroh nieder und fuhr fort: "Es ist beinahe eilf Uhr, die Kleine hat es an ihrer Sanduhr gesehen; die Schnepfen weiss sie nicht am Spiess zu braten, sie hat sie mit Zwiebeln gef?llt in einen Topf gesteckt, und wenn wir die Schnepfensuppe gegessen, sollen wir das Fleisch mit Essig und Oliven?l als Salat verzehren; Wein muss hier in der Kammer ein Schlauch voll sein." Da suchte Martino herum und fand unter einigen alten Brettern ein tiefes Loch in der Erde, das, als Keller, einen alten Dudelsack voll Wein enthielt. Er zog ihn heraus, wir setzten die zwei Pfeifen an den Mund und dr?ckten den vollen Sack so z?rtlich an das Herz, dass uns der s?sse Wein in die Kehle stieg. Nie hat ein Dudelsack so liebliche Musik gemacht. Wir labten uns herzlich; ich weckte meine Marinina, und sie musste auch eins drauf spielen; dazu verzehrten wir unser Brot und einige Zwiebeln aus dem Vorrat, der an der Wand hing, und streckten uns, in der Erwartung des weiteren, zur Ruhe auf das Stroh. Marinina schlief fest ein. Ich betete mit Martino noch eine Litanei; dann legten wir uns neben unsere Waffen bequem, und Martino sagte: "Lasst uns nun ruhen; mir ist so rund und so wohl, dass mir das Blut in den Adern flimmert; wer den wilden J?ger zuerst sieht, st?sst den andern, dann springen wir mit unseren Tr?stern ?ber ihn her und schlagen den Kerl zu Brei; ich habe noch einen Schw?rmer in der Tasche, den will ich dem Schelm unter die Nase brennen." Ich freute mich an seinem frischen Herzen; wir empfahlen uns dem Schutz des heiligen Markus und lauschten dem Schlafe entgegen, der uns den R?cken hinaufkroch und uns schon hinter den Ohren krabbelte. Nun ward alles m?uschenstill; der Donner rollte fern, der Sturm hatte sich in den Waldwipfeln schlafen gelegt, die ihn mit leisem Rauschen einwiegten. Die Kienfackel knisterte, Grillen sangen, die Katze schnurrte auf der Trommel, welche, von dem Tone ersch?ttert, das ferne Donnern zu begleiten schien; Marinina pfiff durch die Nase, denn sie hatte sich einen Schnupfen geholt, in der K?che knackte das gr?ne Holz im Feuer, die Schnepfensuppe sauste im Topf, und unsere braune K?chin sang mit einer klaren und starken Stimme, wie ich noch keine Primadonna geh?rt, folgendes Lied:

Mitidika! Mitidika! Wien ?ng quatsch, Ba nu, Ba nu n'am tsche fatsch, Waja, Waja, Kur libu, Ich bin ich und du bist du; Ich spricht Stolz, Du spricht Lieb! Wer sich scheut vor Galgenholz, Wird im gr?nen Wald zum Dieb.

Mitidika! Mitidika! Wien ?ng quatsch, Ba nu, Ba nu n'am tsche fatsch, Singt die Magd, so kocht der Brei, Singt das Huhn, so legts ein Ei; Er spricht Schimpf, Sie spricht Fremd; Fehlen mir gleich Schuh und Str?mpf, Hab ich doch ein buntes Hemd.

Mitidika! Mitidika! Wien ?ng quatsch, Ba nu, Ba nu n'am tsche fatsch, H?r, was pocht dort an der T?r? Draussen schrein sie nach Quartier. Ists der Er? Ists der Sie? Mach ich auf wohl nimmermehr, Nur du Lieber, du schl?fst hie.

Mitidika! Mitidika! Wien ?ng quatsch, Ba nu, Ba nu n'am tsche fatsch, Waja, Waja, Kur libu, In dem Topf hats nimmer Ruh; Saus und Braus 'rab und 'rauf, K?chenteufel drinnen haus: Dass es mir nicht ?berlauf!"

Als der Feuerwerker den Anfang dieses Liedes: "Mitidika! Mitidika!" gesagt, nahm der Zigeuner Michaly seine Violine und sang es unter den lieblichsten Variationen der Gesellschaft vor; alle dankten ihm, der Feuerwerker aber sagte: "Michaly, du sangst das n?mliche Lied, wie die kleine Braune, und hast eine ?hnlichkeit mit ihr in der Stimme. "--"Kann sein", sagte Michaly l?chelnd, "aber erz?hl nur weiter, ich bin auf den wilden J?ger sehr begierig."--"Ich hob a a Schneid uf den soakrische Schlankl!" sagte der Tiroler; alle drangen auf die weitere Erz?hlung, und der Feuerwerker fuhr fort:

"Als die Kleine das Lied sang, ward sie von einem Schlag gegen die T?re unterbrochen: "Mitidika!" rief es draussen mit einer rauhen, heiseren Stimme. "Gleich, Grossmutter!" antwortete sie, ?ffnete die T?re und erz?hlte ihr von den G?sten; die Grossmutter brummte allerlei, was ich nicht verstand, und trat sodann zu uns in die Stube. Ihr Schatten sah aus wie der Teufel, der sich ?ber die Leiden der Verdammten bucklicht gelacht, und w?re er nicht vor ihr her in die Stube gefallen, um einen ein wenig vorzubereiten, ich h?tte geglaubt, der Alp komme, mich zu w?rgen, als sie eintrat. Sie war von oben und rings herum eine Borste, ein Pelz und eine Quaste und sah darin aus wie der Oberpriester der Stachelschweine. Sie ging nicht, lief nicht, h?pfte nicht, kroch nicht, schwebte nicht, sie rutschte, als h?tte sie Rollen unter den Beinen wie grosser Herren Studierst?hle. Wie die kleine flinke Braune hinter ihr drein und um sie her schl?pfte, um sie zu bedienen, dachte ich: so mag des Erzfeinds Grossmutter aussehen und die Schlange, ihre Kammerjungfer.

"Mache mir das Bett, Mitidika!" sagte sie, "und wenn ich ruhe, kannst du die G?ste besorgen." W?hrend das M?dchen die Kissen aufsch?ttelte, begann die Alte sich zu entkleiden, und ich weiss nicht zu sagen, ob ihre Kleidung oder ihr Bett aus mehreren St?cken bestand. Sie zog einen Schreckenswams, eine Schauderjacke und Zauberkapuze um die andre aus, und die ganze Wand, an der sie die Schalen aufh?ngte, ward eine Art Zeughaus; ich dachte alle Augenblick: noch eine H?lse herunter, so liegt ein bisschen Lung und Leber an der Erde, das frisst die Katze auf, und die Grossmutter ist all; keine Zwiebel h?utet sich so oft. Bei jedem Kissen, welches die Kleine ins Bett legte und aufsch?ttelte, brummte die Alte und legte es anders, befahl ihr dann, es ganz sein zu lassen und ihr ein Rauchbad zu geben, sie m?sse in einen Ameisenhaufen getreten haben; das Gewitter mache alles Vieh lebendig. Da setzte sich die Alte auf die zerbrochene Leiter und h?ngte die Tiroler Decke ?ber sich, und die junge z?ndete Kr?uter unter ihr an und machte einen scheusslichen Qualm, den sie uns, da sie von neuem anfing, die Federbetten hin und her zu werfen, in dicken Wolken auf den Leib jagte, als geh?rten wir auch zu den Ameisen, die vertrieben werden sollten. Es sah ziemlich aus, als wenn man eine Hexe verbrennte oder einen ungeheuren Taschenkrebs r?uchre, als die Alte so ?ber dem Dampf wie eine Mumie, in den bunten Tiroler Teppich geh?llt, auf der Leiter sass."

"Da sieht man, Wastl", sprach der Zigeuner zu dem Tiroler, "wozu ihr die Teppiche fabriziert: um die Hexen darin zu r?uchern."--"Potz Schlakri", erwiderte Wastl, "wonn's daine sakrische ziganerische Grossmuetta is, so loss i's poassiera; i bin gawis, es m?ga a Legion Spodifankerl aus ihr raussi floga sein, un du bist a ains dervo." Die Gesellschaft lachte ?ber Wastls Antwort, und die Kammerjungfer wie auch Lindpeindler baten den Feuerwerker: er m?ge machen, dass die Alte ins Bett komme, die Schnepfen k?nnten ?bergar werden. "Ganz recht", sagte Baciochi, "das meinte Martino auch; denn als der sie in der Decke zappeln sah wie Hunde und Katzen, die in einen Sack gesteckt sind, und der Rauch zu dick zu werden begann, sprang er vom Stroh auf, trat vor die Alte hin und sagte: "Hochverehrte Frau Wirtin, ich versichere Euch im Namen Eurer G?ste, dass wir kein Rauchfleisch zu essen bestellt haben, und dass wir auch von keinem verpesteten Orte kommen, um eines so kostbaren Rauchkerzchens zu bed?rfen; seid so g?tig, dem Wohlgeruch ein Ende zu machen, wir m?ssen sonst mit all den Ameisen, die Euch plagen, davonlaufen." Da fing die Alte eine weitl?ufige Gegenrede an und sagte: "Schicksalen und Verh?ltnissen haben mich so weit gebracht." Martino aber nahm keine Vernunft an, packte die Alte mit beiden H?nden und warf sie von der Leiter in ihre Federbetten; sie zappelte wie eine Meerspinne, aber er w?lzte ein Federbett ?ber sie und sang ihr ein Wiegenlied mit so viel gutem Humor vor, indem er sie mit beiden H?nden festhielt, dass sie endlich selbst mit lachte und sagte: "Nun, legt Euch nur wieder nieder, h?tte ich doch nicht gedacht, heute von einem so lustigen Gesellen zu Bette gebracht zu werden. Mitidika, gib den Kavalieren zu essen!" Und somit kriegte sie den Martino beim Kopf und gab ihm unter grossem Gel?chter einen Kuss.

"Profiziat!" sprach dieser, "schlaf wohl, du allersch?nster Schatz!"

und legte sich mit einem sauern Gesichte wieder neben mich. "Gott sei Dank, Martino, dass sie weg ist!" fl?sterte ich.

"Hast du gewacht, Meister?" sprach der Schelm.

"Leider Gottes!" erwiderte ich, "du hast ein Kunstst?ck gemacht; sie rauchte wie ein nasses Feuerwerk; f?r einen Hutmacher w?re sie ein sauberes Gestell, alle seine M?tzen daran aufzuh?ngen, er brauchte keinen Nagel einzuschlagen."-"Ich werde mich wohl h?uten m?ssen, da sie mich gek?sst hat", sagte Martino.

"Warum?" fragte ich.

"Ei", entgegnete er, "ich werde sonst die Augen nie wieder zukriegen k?nnen und die Z?hne immer blecken wie ein Mops; die Haut ist mir vor Schrecken zu kurz geworden."--Unter diesen Scherzreden h?rten wir die Alte einschnarchen, und Mitidika ging ab und zu und verbaute leise das Bett der Alten mit der Tonne und der alten T?re, die K?chent?re liess sie auf, dass der Dampf hinauszog. Dann zupfte sie den Martino bei den Haaren und fl?sterte. "Komm hinaus, deine Schnepfen sind gar, ich habe die Br?he abgegossen, ich muss das Feuer l?schen, die zw?lfte Stunde naht; denn f?hrt der wilde J?ger mir durch das Feuer, steckt er uns die ganze H?tte an." Martino ging hinaus, und ich streckte den Kopf nach der T?re und h?rte ihre Scherzreden. Mitidika sagte: "Ich habe dir deine V?gel trefflich gekocht und dir auch Kr?uter an die Suppe getan; was gibst du mir nun?"-"Geben?" sagte Martino, "ich will dich mit der M?nze bezahlen, welche hier zu gelten scheint, und in der mich deine Grossmutter zahlte; einen Kuss will ich dir geben."--"Das l?sst sich h?ren", erwiderte sie; "aber die Grossmutter gab dir ein altes Schaust?ck, das kann ich nicht brauchen, die M?nze ist verschlagen."--"Auch du bist verschlagen, Schelm!" erwiderte Martino, "ich will dir kleine M?nze geben, wenn du herausgeben und wechseln kannst; w?rst du nur nicht so schwarz! "--"Und du nicht so weiss", sagte sie; "ich werde dir einen Schein geben, einen Wechsel schwarz auf weiss, aber gib mir keine Scheidem?nze!" sagte sie. "Die kriegst du morgen fr?h beim Abschied", erwiderte Martino, fasste sie beim Kopf, k?sste sie herzlich und sagte: "Ich habe dich lieb und bleibe dir treu."--"Ei so l?ge, dass du schwarz wirst!" sprach sie. "Dann w?re ich deinesgleichen, und es k?nnte etwas daraus werden", sprach Martino und schenkte ihr eine Nadelb?chse von Elfenbein und Ebenholz, die er bei sich trug.

Das M?dchen dankte und sprach: "Sieh, wie artig schwarz und weiss zusammen aussehn; bleib bei uns; wenn die Alte stirbt, finden wir den Goldtopf und contrebandieren."--"Ja, auf die Galeere!" sprach Martino. "Ich gehe mit auf die Galeere!" sagte sie; "pitsch, patsch! geht das Ruder, und ich singe dir dazu."--"Das wollen wir ?berlegen", meinte Martino, "es ist eine zu gl?nzende Aussicht um Mitternacht." Da traten sie mit der Suppe und den Schnepfen herein und stellten sie auf den Eichenblock; die Suppe tranken wir aus dem Topf, ich wollte meine Marinina nicht wecken und liess ihr Teil in die warme Asche setzen, die V?gel wollten wir morgen fr?h verzehren. Nun begann sich der Sturm in dem Walde wieder zu heben, und das Gewitter zog mit Macht heran. "Ach Gott", sagte Mitidika, "lege dich nieder, Martino, und schlafe ein! H?rst du das Wetter? Der J?ger bl?st sein Horn, er wird gewiss bald kommen; lege dich nieder, gleich, gleich!" Dabei sah sie ?ngstlich in der Stube umher. "Nun, nun, was fehlt dir?" fragte Martino, und sie sagte: "Schlafen sollst du und das Angesicht von mir kehren, denn ich muss mich entkleiden und schlafen gehn, und das sollst du nicht sehen; ach, dreh dich um, Blanker!"-"Bravo!" sagte Martino; "es freut mich, dass du so auf Zucht h?ltst, putze nur den Kien aus, bei der Nacht sind alle K?he schwarz, selbst die schwatzen"-"Ja", sagte sie, "auch die blanken Esel! Dreh dich um, ich bitte dich, ich will den Kien schon l?schen, wenn es Zeit ist." Da drehte sich der ehrliche Martino um. "Gute Nacht, Mitidika!" sagte er.--"Gute Nacht, Martino!" sprach sie.

Nun breitete sie sich eine bunte wollene Decke an die Erde aus neben dem Eichenblock, stellte einen halben K?rbis voll Wasser darauf, holte einen kleinen, zierlichen Kasten gar heimlich unter der Trommel hervor und setzte ihn neben sich auf die Bank, wobei sie sich ?ngstlich nach uns umsah. Ich blinzte durch die Augen und schnarchte, als l?ge ich im tiefsten Schlaf. Mitidika traute und schloss das K?stchen leise auf, musterte alle die Herrlichkeiten, die darin waren, und suchte sich einen Raum aus, die Nadelb?chse des Martino bequem hineinzulegen. Ihr k?nnt euch meine Verwunderung nicht denken, als ich, in dieser w?sten Zigeunerherberge, die Kleine auf einmal in einem so zierlichen und reichgef?llten Schmuckk?stchen kramen sah. Es sah nicht ganz so aus, als sei ein Affe hinter die Toilette seiner Herrschaft geraten, auch nicht, als richte der Satan einen Juwelenkasten ein, um einem unschuldigen M?dchen die Augen zu blenden; aber eine indianische Prinzessin, welche die Geschenke eines englischen Gouverneurs mustert, mag wohl so aussehn. Als sie so die Perlen--und Korallenschn?re, die brillantenen Ohrringe und die Zitternadeln durch die schwarzen H?nde laufen liess, konnte ich vor Augenlust gar nicht denken, dass dies gestohlnes Gut sein m?sse. Nun stellte sie mehrere Kristallfl?schchen mit Wohlger?chen und Salben aus dem K?stchen auf den Block, zog feine K?mme und Zahnb?rsten hervor und begann sich zu putzen und zu schm?cken, wie die Nacht, die mit dem Monde Hochzeit machen will. Sie nahm die kleine, von buntem Stroh geflochtene M?tze von ihrem Kopf, und ein Strom von schwarzen Haaren st?rzte ihr ?ber die Schultern; sie gewann dadurch ein reizendes und wildes Ansehn, wenn ihre weissen Aug?pfel und die blanken Z?hne aus den schwarzen M?hnen hervorfunkelten. Sie k?mmte sich, schl?ngelte sich goldene Schn?re in die Z?pfe, die sie flocht und kunstreich wie eine Krone um das sch?ne runde K?pfchen legte. Sie wusch sich das Gesicht und die H?nde, putzte die Z?hne, beschnitt sich die N?gel und tat alles mit so unbegreiflicher Zierlichkeit, Anmut und hinreissender Schnelligkeit der Bewegungen, dass es mir vor den Augen zitterte und bebte. Als sie die brillantenen Ohrringe in die kleinen schwarzen Muschel?hrchen befestigte und die glitzernden Zitternadeln in den Flechtenkranz steckte und die Korallen--und Bernsteinschn?re um das braune H?lschen legte und dabei hin und her zuckte wie ein Wunderwerkchen, gingen mir die Augen ?ber. Sie begoss sich mit Wohlger?chen, rieb sich die schwarzen Patschchen mit duftendem ?l und steckte sich ein blitzendes Ringlein um das andere an die schlanken Fingerchen. Nun stellte sie einen Spiegel auf und bleckte die Z?hnchen so artig hinein, es ist nicht zu beschreiben. Und bei allem dem donnerte und blitzte es draussen, und ihre Eile ward immer gr?sser; ich verstehe mich auf Lichtwirkungen in der Nacht, aber ich habe mein Lebtag kein solches Feuerwerk gesehen, kein Blitzen auf so sch?nem dunkeln Grund als das Spiel der Diamanten und Perlen auf ihr; denn sie war ein wundersch?nes, frei, k?hn, scheu und z?chtig bewegtes Menschenbild.

Fl?chtig packte sie nun alle Ger?te wieder in das K?stchen, steckte noch eine Handvoll weisses Zuckerwerk in das M?ulchen und knupperte wie eine Maus, w?hrend sie das K?stchen mit scheuen Blicken um sich her: ob wir auch schliefen, wieder unter die alte Trommel stellte. Die schwarze Katze, die auf derselben schlief, erhob sich dabei und machte einen hohen Buckel, als verwundere sie sich ?ber sie, da sie ihr mit den funkelnden H?nden ?ber den R?cken strich. Nun brachte sie ein feines Hemd von weisser Seide, legte es ?ber den Arm und fing an, ihr Mieder aufzuschn?ren, wobei sie uns den R?cken kehrte; es sah aus, als werfe sie Kussh?ndchen aus, wenn sie die Nestel zog; nun aber schl?pfte sie in die K?che und trat in wenigen Minuten wieder herein in einem schneeweissen R?ckchen und einem Mieder von rotem venetianischen Samt. So stand sie mitten auf der Decke und betrachtete ihren Staat mit kindischem Wohlgefallen; der Donner rollte heftiger, Martino wachte auf, Mitidika fasste den Teppich mit beiden H?nden ?ber die Schultern, stiess mit dem Fuss die Kienfackel aus, wickelte sich schnell ein wie eine Schmetterlingslarve, ein heller Blitz erleuchtete die Kammer, sie schoss wie eine Schlange an die Erde nieder und kr?mmte sich zusammen. Martino hatte sie im Leuchten des Blitzes noch gesehen, aber er wusste nicht, was es war; er sprach: "Meister, saht Ihr etwas?" Ich war aber so erstaunt, dass ich stumm blieb; da sprach er: "Mitidika, schl?fst du?", aber sie schwieg; Martino drehte sich um und schlief auch wieder. Meine Gedanken ?ber das, was ich gesehen, liessen mich nicht ruhen, der wunderbare Schmuck in dem Besitz der kleinen braunen Bettlerin, und dass sie ihn jetzt so sorgsam und heimlich angelegt, befremdete mich ungemein; alles kam mir wie Zauberei vor. Sie erwartet ein Waldgespenst und schm?ckt sich wie eine Braut. War dies gestohlnes Gut? Ist sie eine verkleidete, versteckte Prinzessin? Warum geht sie in dieser Pracht schlafen, und warum wickelt sie sich mit all der Herrlichkeit in den alten Teppich ein? Sollte alles dies geheim sein, wie war es m?glich, da wir sie morgen fr?h doch in ihrem Putz finden mussten? So lag ich nachsinnend; das Gewitter war in vollem Grimme ?ber uns, und das Licht der zuckenden Blitze zeigte mir ?fters das Bild der Mitidika, welche, wie eine Mumie in den Teppich geh?llt, an der Erde ausgestreckt lag. Als ich aber durch das wilde Wetter ein Horn schallen h?rte, stiess ich Martino an und fl?sterte ihm zu: "Halte dich bereit, ich glaube, der wilde J?ger ist im Anzug." Wir h?rten das Horn nochmals und Pferdegetrapp und Gewieher, und ich bemerkte, dass Mitidika aufstand; ich kroch aber quer vor die offene K?chent?re, und als sie mit dem Fusse an mich anstiess, glaubte sie umgegangen zu sein und wendete sich nach einer andern Seite. Martino stand auf, die Haust?re ?ffnete sich, und es trat eine Gestalt mit raschem Schritt durch die K?che auf uns zu; ich fasste sie bei den Beinen, dass sie niederschlug, und Martino drosch so gewaltig auf ihn los, dass der wilde J?ger Zetermordio zu schreien begann. "Mitidika, H?lfe, H?lfe! man mordet mich!" schrie er.-"Ha ha! Herr wilder J?ger", schrie nun Martino, "wir haben dich!" und so zerrten wir ihn in die Stube herein und machten die T?re zu. Der L?rm ward allgemein; der Kerl wehrte sich verzweifelt. Meine Marinina erwachte und schrie: "Jesus, Maria, Joseph! Licht her, Licht her! Was ist das, o Baciochi, Martino!" Die Alte fuhr aus ihren Betten auf, warf die alten Bretter um, die vor ihr standen, und schrie: "M?rder, H?lfe, Mitidika!" Dabei wurden die H?hner auf dem Boden rebellisch, die Trommel kollerte brummend durch die Stube; Mitidika allein liess sich nicht h?ren. "Martino, schlage Feuer!" rief ich und dr?ckte meinen fremden Gast fest in die Gurgel, dass er sich nicht r?hren konnte. Da stiess Martino einen Schw?rmer in die gl?hende Asche des Herds, der leuchtend durch die Kammer zischte und dem ganzen Spektakel ein noch tolleres Ansehen gab. Mein Gefangener fing von neuem an zu ringen, und indem ich ihn gegen die Wand dr?ckte, trat ich gegen einige Bretter, die auswichen--ich warf ihn nieder. Ein grosser Bock, der hinter den Brettern geruht hatte, sprang auf und fing nicht schlecht an zu stossen, und ich warf meinen wilden J?ger so kr?ftig zur Erde, dass er keinen Laut mehr von sich gab. Martino brachte nun eine brennende Kienfackel herein, und wir sahen die ganze Verwirrung. Der wilde J?ger war ein sch?ner, schlanker Kerl in galanter Jagduniform. Er r?hrte sich nicht; der Gedanke, dass ich ihn gar totgedr?ckt h?tte, fuhr mir unheimlich durch die Glieder, ich st?rzte zur K?che nach Wasser; Martino fasste die Alte, die fluchend und schreiend aus dem Bett gesprungen war, und warf sie wieder in die Federn mit den Worten: "Schweig still, Drache! Wir wollen dir kein Haar kr?mmen; wir haben nur den wilden J?ger abgefangen." Nun trat ich mit einem Eimer Wasser hinein und goss ihn pratsch! ?ber den leblosen wilden J?ger; da sprang er wie eine nasse Katze in die H?he--."

"Das Wasser, das kalte Wasser", schrie hier Devillier aufspringend, "war das Allerfatalste!" und die ganze Gesellschaft sah ihn verwundert an. "Nun, was schauen Sie", fuhr er fort, "soll ich l?nger schweigen? Habe ich nicht schrecklich ausgehalten und mich hier in der Erz?hlung nochmals misshandeln lassen?" Baciochi wusste nicht, was er vor Erstaunen sagen sollte ?ber Devilliers Unterbrechung; dieser aber sprach heiter: "Ja, Herr Baciochi, ich war der wilde J?ger, mich habt Ihr so kr?ftig zugedeckt, ich habe es von Anfang der Geschichte gewusst und h?tte gern geschwiegen, aber das kalte Wasser lief mir wieder erweckend ?ber den R?cken." Da ward die ganze Gesellschaft vergn?gt, der Feuerwerker reichte Devillier die Hand, und dieser sagte: "Es freut mich, Euch wiederzusehen; alles ist l?ngst vergessen, nur Mitidika nicht!"--"Das will ich hoffen", meinte der Zigeuner ernsthaft, "ich bitte mir das Ende der Geschichte aus." Da tranken alle lustig herum, und Devillier trank die Gesundheit der Mitidika, wozu Michaly einen Tusch geigte und Lindpeindler das hochpoetische freie Leben der Zigeuner pries; der Vizegespan meinte jedoch: sie h?tten nicht die reinsten H?nde. Die Kammerjungfer aber fragte: "Wo hat sie nur den Schmuck hergehabt?" Der Tiroler sagte: "Den wilda Jaaga hobt's maisterli zuagdeckt!" und alle drangen, Devillier m?ge weiter erz?hlen.

Add to tbrJar First Page Next Page

 

Back to top