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Read Ebook: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl by Brentano Clemens

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Ebook has 186 lines and 18614 words, and 4 pages

Anmerkungen zur Transkription:

Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden ?bernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert:

Z. 295: Das doppelte Anf?hrungszeichen vor >>Fress deine Ehre<< wurde durch ein einfaches ersetzt. Z. 354: >>treibt er<< wurde durch >>treibt Er<< ersetzt. Z. 375: >>in seinem Alter<< wurde durch >>in Seinem Alter<< ersetzt. Z. 582: >>Grossmuter<< wurde durch >>Grossmutter<< ersetzt.

Clemens Brentano

Geschichte vom braven Kasperl und dem sch?nen Annerl

Mit einigen Soldatenliedern als Anhang

Im Insel-Verlag zu Leipzig

Es war Sommersfr?he, die Nachtigallen sangen erst seit einigen Tagen durch die Strassen und verstummten heut in einer k?hlen Nacht, welche von fernen Gewittern zu uns herwehte. Der Nachtw?chter rief die elfte Stunde an. Da sah ich, nach Hause gehend, vor der T?r eines grossen Geb?udes einen Trupp von allerlei Gesellen, die vom Biere kamen, um jemand, der auf den T?rstufen sass, versammelt. Ihr Anteil schien mir so lebhaft, dass ich irgendein Ungl?ck besorgte und mich n?herte.

Eine alte B?uerin sass auf der Treppe, und so lebhaft die Gesellen sich um sie bek?mmerten, so wenig liess sie sich von den neugierigen Fragen und gutm?tigen Vorschl?gen derselben st?ren. Es hatte etwas sehr Befremdendes, ja schier Grosses, wie die gute alte Frau so sehr wusste, was sie wollte, dass sie, als sei sie ganz allein in ihrem K?mmerlein, mitten unter den Leuten es sich unter freiem Himmel zur Nachtruhe bequem machte. Sie nahm ihre Sch?rze als ein M?ntelchen um, zog ihren grossen schwarzen wachsleinenen Hut tiefer in die Augen, legte sich ihr B?ndel unter den Kopf zurecht und gab auf keine Frage Antwort.

,,Was fehlt dieser alten Frau?" fragte ich einen der Anwesenden. Da kamen Antworten von allen Seiten: ,,Sie k?mmt sechs Meilen Weges vom Lande, sie kann nicht weiter, sie weiss nicht Bescheid in der Stadt, sie hat Befreundete am andern Ende der Stadt und kann nicht hinfinden." - ,,Ich wollte sie f?hren," sagte einer, ,,aber es ist ein weiter Weg, und ich habe meinen Hausschl?ssel nicht bei mir. Auch w?rde sie das Haus nicht kennen, wo sie hinwill." - ,,Aber hier kann die Frau nicht liegen bleiben," sagte ein Neuhinzugetretener. ,,Sie will aber platterdings," antwortete der erste, ,,ich habe es ihr l?ngst gesagt, ich wolle sie nach Haus bringen, doch sie redet ganz verwirrt, ja sie muss wohl betrunken sein." - ,,Ich glaube, sie ist bl?dsinnig. Aber hier kann sie doch in keinem Falle bleiben," wiederholte jener, ,,die Nacht ist k?hl und lang."

W?hrend allem diesem Gerede war die Alte, gerade als ob sie taub und blind sei, ganz ungest?rt mit ihrer Zubereitung fertig geworden, und da der letzte abermals sagte: ,,Hier kann sie doch nicht bleiben," erwiderte sie mit einer wunderlich tiefen und ernsten Stimme:

,,Warum soll ich nicht hier bleiben? Ist dies nicht ein herzogliches Haus? Ich bin achtundachtzig Jahre alt, und der Herzog wird mich gewiss nicht von seiner Schwelle treiben. Drei S?hne sind in seinem Dienst gestorben, und mein einziger Enkel hat seinen Abschied genommen; Gott verzeiht es ihm gewiss, und ich will nicht sterben, bis er in seinem ehrlichen Grabe liegt."

,,Achtundachtzig Jahre und sechs Meilen gelaufen!" sagten die Umstehenden, ,,sie ist m?d und kindisch, in solchem Alter wird der Mensch schwach."

,,Mutter, Sie kann aber den Schnupfen kriegen und sehr krank werden hier, und Langeweile wird Sie auch haben," sprach nun einer der Gesellen und beugte sich n?her zu ihr.

Da sprach die Alte wieder mit ihrer tiefen Stimme, halb bittend, halb befehlend:

,,O, lasst mir meine Ruhe und seid nicht unvern?nftig; ich brauch keinen Schnupfen, ich brauche keine Langeweile; es ist ja schon sp?t an der Zeit, achtundachtzig bin ich alt, der Morgen wird bald anbrechen, da geh ich zu meinen Befreundeten. Wenn ein Mensch fromm ist und hat Schicksale und kann beten, so kann er die paar armen Stunden auch noch wohl hinbringen."

Die Leute hatten sich nach und nach verloren, und die letzten, welche noch dastanden, eilten auch hinweg, weil der Nachtw?chter durch die Strasse kam und sie sich von ihm ihre Wohnungen wollten ?ffnen lassen. So war ich allein noch gegenw?rtig. Die Strasse ward ruhiger. Ich wandelte nachdenkend unter den B?umen des vor mir liegenden freien Platzes auf und nieder; das Wesen der B?uerin, ihr bestimmter, ernster Ton, ihre Sicherheit im Leben, das sie achtundachtzigmal mit seinen Jahreszeiten hatte zur?ckkehren sehen und das ihr nur wie ein Vorsaal im Bethause erschien, hatten mich mannigfach ersch?ttert. ,,Was sind alle Leiden, alle Begierden meiner Brust? Die Sterne gehen ewig unbek?mmert ihren Weg, wozu suche ich Erquickung und Labung, und von wem suche ich sie und f?r wen? Alles, was ich hier suche und liebe und erringe, wird es mich je dahin bringen, so ruhig wie diese gute, fromme Seele die Nacht auf der Schwelle des Hauses zubringen zu k?nnen, bis der Morgen erscheint, und werde ich dann den Freund finden wie sie? Ach, ich werde die Stadt gar nicht erreichen, ich werde wegem?de schon in dem Sande vor dem Tore umsinken und vielleicht gar in die H?nde der R?uber fallen." So sprach ich zu mir selbst, und als ich durch den Lindengang mich der Alten wieder n?herte, h?rte ich sie halblaut mit gesenktem Kopfe vor sich hin beten. Ich war wunderbar ger?hrt und trat zu ihr hin und sprach: ,,Mit Gott, fromme Mutter, bete Sie auch ein wenig f?r mich!" bei welchen Worten ich ihr einen Taler in die Sch?rze warf.

Die Alte sagte hierauf ganz ruhig: ,,Hab tausend Dank, mein lieber Herr, dass du mein Gebet erh?rt."

Ich glaubte, sie spreche mit mir, und sagte: ,,Mutter, habt Ihr mich denn um etwas gebeten? Ich w?sste nicht."

Da fuhr die Alte ?berrascht auf und sprach: ,,Lieber Herr, gehe Er doch nach Haus und bete Er fein und lege Er sich schlafen. Was zieht Er so sp?t noch auf der Gasse herum? Das ist jungen Gesellen gar nichts n?tze, denn der Feind geht um und suchet, wo er sich einen erfange. Es ist mancher durch solch Nachtlaufen verdorben. Wen sucht Er? Den Herrn? Der ist in des Menschen Herz, so er z?chtiglich lebt, und nicht auf der Gasse. Sucht Er aber den Feind, so hat Er ihn schon; gehe Er h?bsch nach Haus und bete Er, dass Er ihn los werde. Gute Nacht!"

Nach diesen Worten wendete sie sich ganz ruhig nach der andern Seite und steckte den Taler in ihren Reisesack. Alles, was die Alte tat, machte einen eigent?mlichen ernsten Eindruck auf mich, und ich sprach zu ihr: ,,Liebe Mutter, Ihr habt wohl recht, aber Ihr selbst seid es, was mich hier h?lt. Ich h?rte Euch beten und wollte Euch ansprechen, meiner dabei zu gedenken."

,,Das ist schon geschehen," sagte sie. ,,Als ich Ihn so durch den Lindengang wandeln sah, bat ich Gott, er m?ge Euch gute Gedanken geben. Nun habe Er sie und gehe Er fein schlafen!"

Ich aber setzte mich zu ihr nieder auf die Treppe und ergriff ihre d?rre Hand und sagte: ,,Lasset mich hier bei Euch sitzen die Nacht hindurch und erz?hlet mir, woher Ihr seid und was Ihr hier in der Stadt sucht; Ihr habt hier keine Hilfe, in Eurem Alter ist man Gott n?her als den Menschen; die Welt hat sich ver?ndert, seit Ihr jung wart."

,,Dass ich nicht w?sste," erwiderte die Alte, ,,ich habs mein Lebetag ganz einerlei gefunden. Er ist noch zu jung, da verwundert man sich ?ber alles: mir ist alles schon so oft wieder vorgekommen, dass ich es nur noch mit Freuden ansehe, weil es Gott so treulich damit meinet. Aber man soll keinen guten Willen von sich weisen, wenn er einem auch grade nicht not tut, sonst m?chte der liebe Freund ausbleiben, wenn er ein andermal gar willkommen w?re; bleibe Er drum immer sitzen und sehe Er, was Er mir helfen kann. Ich will Ihm erz?hlen, was mich in die Stadt den weiten Weg hertreibt. Ich h?tt es nicht gedacht, wieder hierherzukommen. Es sind siebenzig Jahre, dass ich hier in dem Hause als Magd gedient habe, auf dessen Schwelle ich sitze, seitdem war ich nicht mehr in der Stadt; was die Zeit herumgeht! Es ist, als wenn man eine Hand umwendet. Wie oft habe ich hier am Abend gesessen vor siebenzig Jahren und habe auf meinen Schatz gewartet, der bei der Garde stand! Hier haben wir uns auch versprochen. Wenn er hier - aber still, da k?mmt die Runde vorbei."

Da hob sie an mit gem?ssigter Stimme, wie etwa junge M?gde und Diener in sch?nen Mondn?chten, vor der T?r zu singen, und ich h?rte mit innigem Vergn?gen folgendes sch?ne alte Lied von ihr:

,,Wann der J?ngste Tag wird werden, Dann fallen die Sternelein auf die Erden. Ihr Toten, ihr Toten sollt auferstehn, Ihr sollt vor das J?ngste Gerichte gehn; Ihr sollt treten auf die Spitzen, Da die lieben Engelein sitzen. Da kam der liebe Gott gezogen Mit einem sch?nen Regenbogen, Da kamen die falschen Juden gegangen, Die f?hrten einst unsern Herrn Christum gefangen, Die hohen B?um' erleuchten sehr, Die harten Stein' zerknirschten sehr. Wer dies Gebetlein beten kann, Der bets des Tages nur einmal, Die Seele wird vor Gott bestehn, Wann wir werden zum Himmel eingehn! Amen."

Als die Runde uns n?her kam, wurde die gute Alte ger?hrt. ,,Ach," sagte sie, ,,es ist heute der sechzehnte Mai, es ist doch alles einerlei, grade wie damals, nur haben sie andere M?tzen auf und keine Z?pfe mehr. Tut nichts, wenns Herz nur gut ist!" Der Offizier der Runde blieb bei uns stehen und wollte eben fragen, was wir hier so sp?t zu schaffen h?tten, als ich den F?hndrich Graf Grossinger, einen Bekannten, in ihm erkannte. Ich sagte ihm kurz den ganzen Handel, und er sagte mit einer Art von Ersch?tterung: ,,Hier haben Sie einen Taler f?r die Alte und eine Rose" - die er in der Hand trug - ,,so alte Bauersleute haben Freude an Blumen. Bitten Sie die Alte, Ihnen morgen das Lied in die Feder zu sagen, und bringen Sie mir es. Ich habe lange nach dem Lied getrachtet, aber es nie ganz habhaft werden k?nnen." Hiermit schieden wir, denn der Posten der nahgelegenen Hauptwache, bis zu welcher ich ihn ?ber den Platz begleitet hatte, rief: ,,Wer da?" Er sagte mir noch, dass er die Wache am Schlosse habe, ich solle ihn dort besuchen. Ich ging zu der Alten zur?ck und gab ihr die Rose und den Taler.

Die Rose ergriff sie mit einer r?hrenden Heftigkeit und befestigte sie sich auf ihren Hut, indem sie mit einer etwas feineren Stimme und fast weinend die Worte sprach:

,,Rosen die Blumen auf meinem Hut, H?tt ich viel Geld, das w?re gut, Rosen und mein Liebchen."

Ich sagte zu ihr: ,,Ei, M?tterchen, Ihr seid ja ganz munter geworden," und sie erwiderte:

,,Munter, munter, Immer bunter, Immer runder Oben stund er, Nun bergunter, 's ist kein Wunder!

Schau Er, lieber Mensch, ist es nicht gut, dass ich hier sitzen geblieben? Es ist alles einerlei, glaub Er mir. Heut sind es siebenzig Jahre, da sass ich hier vor der T?re, ich war eine flinke Magd und sang gern alle Lieder. Da sang ich auch das Lied vom J?ngsten Gericht wie heute, da die Runde vorbeiging, und da warf mir ein Grenadier im Vor?bergehn eine Rose in den Schoss - die Bl?tter hab ich noch in meiner Bibel liegen -, das war meine erste Bekanntschaft mit meinem seligen Mann. Am andern Morgen hatte ich die Rose vorgesteckt in der Kirche, und da fand er mich, und es ward bald richtig. Drum hat es mich gar sehr gefreut, dass mir heut wieder eine Rose ward. Es ist ein Zeichen, dass ich zu ihm kommen soll, und darauf freu ich mich herzlich. Vier S?hne und eine Tochter sind mir gestorben, vorgestern hat mein Enkel seinen Abschied genommen - Gott helfe ihm und erbarme sich seiner! - und morgen verl?sst mich eine andre gute Seele, aber was sag ich morgen, ist es nicht schon Mitternacht vorbei?"

,,Es ist zw?lfe vor?ber," erwiderte ich, verwundert ?ber ihre Rede.

,,Gott gebe ihr Trost und Ruhe die vier St?ndlein, die sie noch hat!" sagte die Alte und ward still, indem sie die H?nde faltete. Ich konnte nicht sprechen, so ersch?tterten mich ihre Worte und ihr ganzes Wesen. Da sie aber ganz stille blieb und der Taler des Offiziers noch in ihrer Sch?rze lag, sagte ich zu ihr: ,,Mutter, steckt den Taler zu Euch, Ihr k?nntet ihn verlieren."

Als der W?chter ein Uhr anrief, sagte die Alte: ,,Nun habe ich noch zwei Stunden. Ei, ist Er noch da, warum geht Er nicht schlafen? Er wird morgen nicht arbeiten k?nnen und mit seinem Meister H?ndel kriegen; von welchem Handwerk ist Er denn, mein guter Mensch?"

,,Welch ein Handwerk Er treibt, frage ich. Warum will Er mirs nicht sagen? Treibt Er kein ehrlich Handwerk, so greif Ers noch an, es hat einen goldnen Boden. Er ist doch nicht etwa gar ein Henker oder Spion, der mich ausholen will? Meinethalben sei Er, wer Er will, sag Ers, wer Er ist! Wenn Er bei Tage so hier s?sse, w?rde ich glauben, Er sei ein Lehnerich, so ein Tagedieb, der sich an die H?user lehnt, damit er nicht umf?llt vor Faulheit."

Da fiel mir ein Wort ein, das mir vielleicht eine Br?cke zu ihrem Verst?ndnis schlagen k?nnte: ,,Liebe Mutter," sagte ich, ,,ich bin ein Schreiber." - ,,Nun," sagte sie, ,,das h?tte Er gleich sagen sollen. Er ist also ein Mann von der Feder, dazu geh?ren feine K?pfe und schnelle Finger und ein gutes Herz, sonst wird einem draufgeklopft. Ein Schreiber ist Er? Kann Er mir dann wohl eine Bittschrift aufsetzen an den Herzog, die aber gewiss erh?rt wird und nicht bei den vielen andern liegen bleibt?"

,,Eine Bittschrift, liebe Mutter," sprach ich, ,,kann ich Ihr wohl aufsetzen, und ich will mir alle M?he geben, dass sie recht eindringlich abgefasst sein soll."

,,Nun, das ist brav von Ihm," erwiderte sie. ,,Gott lohn es Ihm und lasse Ihn ?lter werden als mich und gebe Ihm auch in Seinem Alter einen so geruhigen Mut und eine so sch?ne Nacht mit Rosen und Talern wie mir, und auch einen Freund, der Ihm eine Bittschrift macht, wenn es Ihm not tut. Aber jetzt gehe Er nach Haus, lieber Freund, und kaufe Er sich einen Bogen Papier und schreibe Er die Bittschrift; ich will hier auf Ihn warten. Noch eine Stunde, dann gehe ich zu meiner Pate, Er kann mitgehen; sie wird sich auch freuen an der Bittschrift. Sie hat gewiss ein gut Herz, aber Gottes Gerichte sind wunderbar."

Nach diesen Worten ward die Alte wieder still, senkte den Kopf und schien zu beten. Der Taler lag noch auf ihrem Schoss. Sie weinte. ,,Liebe Mutter, was fehlet Euch, was tut Euch so weh? Ihr weinet?" sprach ich.

,,Nun, warum soll ich denn nicht weinen? Ich weine auf den Taler, ich weine auf die Bittschrift, auf alles weine ich. Aber es hilft nichts, es ist doch alles viel, viel besser auf Erden, als wir Menschen es verdienen, und gallenbittre Tr?nen sind noch viel zu s?sse. Sehe Er nur einmal das goldne Kamel da dr?ben an der Apotheke. Wie doch Gott alles so herrlich und wunderbar geschaffen hat, aber der Mensch erkennt es nicht! Und ein solch Kamel geht eher durch ein Nadel?hr als ein Reicher in das Himmelreich. - Aber, was sitzt Er denn immer da? gehe Er, den Bogen Papier zu kaufen, und bringe Er mir die Bittschrift."

,,Liebe Mutter," sagte ich, ,,wie kann ich Euch die Bittschrift machen, wenn Ihr mir nicht sagt, was ich hineinschreiben soll?"

,,Das muss ich Ihm sagen?" erwiderte sie, ,,dann ist es freilich keine Kunst, und wundre ich mich nicht mehr, dass Er sich einen Schreiber zu nennen sch?mte, wenn man Ihm alles sagen soll. Nun, ich will mein M?gliches tun. Setz Er in die Bittschrift, dass zwei Liebende beieinander ruhen sollen, und dass sie einen nicht auf die Anatomie bringen sollen, damit man seine Glieder beisammen hat, wenn es heisst: Ihr Toten, ihr Toten sollt auferstehn, ihr sollt vor das J?ngste Gerichte gehn!" Da fing sie wieder bitterlich an zu weinen.

Ich ahnete, ein schweres Leid m?sse auf ihr lasten, aber sie f?hle bei der B?rde ihrer Jahre nur in einzelnen Momenten sich schmerzlich ger?hrt. Sie weinte, ohne zu klagen, ihre Worte waren immer gleich ruhig und kalt. Ich bat sie nochmals, mir die ganze Veranlassung zu ihrer Reise in die Stadt zu erz?hlen, und sie sprach:

,,Mein Enkel, der Ulan, von dem ich Ihm erz?hlte, hatte doch mein Patchen sehr lieb, wie ich Ihm vorher sagte, und sprach der sch?nen Annerl, wie die Leute sie ihres glatten Spiegels wegen nannten, immer von der Ehre vor und sagte ihr immer, sie solle auf ihre Ehre halten und auch auf seine Ehre. Da kriegte dann das M?dchen etwas ganz Apartes in ihr Gesicht und ihre Kleidung von der Ehre. Sie war feiner und manierlicher als alle andere Dirnen. Alles sass ihr knapper am Leibe, und wenn sie ein Bursche einmal ein wenig derb beim Tanze anfasste oder sie etwa h?her als den Steg der Bassgeige schwang, so konnte sie bitterlich dar?ber bei mir weinen und sprach dabei immer, es sei wider ihre Ehre. Ach, das Annerl ist ein eignes M?dchen immer gewesen. Manchmal, wenn kein Mensch es sich versah, fuhr sie mit beiden H?nden nach ihrer Sch?rze und riss sie sich vom Leibe, als ob Feuer drin sei, und dann fing sie gleich entsetzlich an zu weinen. Aber das hat seine Ursache, es hat sie mit Z?hnen hingerissen, der Feind ruht nicht. W?re das Kind nur nicht stets so hinter der Ehre her gewesen und h?tte sich lieber an unsren lieben Gott gehalten, h?tte ihn nie von sich gelassen in aller Not, und h?tte seinetwillen Schande und Verachtung ertragen statt ihrer Menschenehre: der Herr h?tte sich gewiss erbarmt und wird es auch noch. Ach, sie kommen gewiss zusammen. Gottes Wille geschehe!

Der Ulan stand wieder in Frankreich, er hatte lange nicht geschrieben, und wir glaubten ihn fast tot und weinten oft um ihn. Er war aber im Hospital an einer schweren Blessur krank gelegen, und als er wieder zu seinen Kameraden kam und zum Unteroffizier ernannt wurde, fiel ihm ein, dass ihm vor zwei Jahren sein Stiefbruder so ?bers Maul gefahren: er sei nur Gemeiner und der Vater Korporal, und dann die Geschichte von dem franz?sischen Unteroffizier, und wie er seinem Annerl von der Ehre so viel geredet, als er Abschied genommen. Da verlor er seine Ruhe und kriegte das Heimweh und sagte zu seinem Rittmeister, der ihn um sein Leid fragte: ,Ach, Herr Rittmeister, es ist, als ob es mich mit den Z?hnen nach Hause z?ge.' Da liessen sie ihn heimreiten mit seinem Pferd, denn alle seine Offiziere trauten ihm. Er kriegte auf drei Monate Urlaub und sollte mit der Remonte wieder zur?ckkommen. Er eilte, so sehr er konnte, ohne seinem Pferde wehe zu tun, welches er besser pflegte als jemals, weil es ihm war anvertraut worden. An einem Tage trieb es ihn ganz entsetzlich, nach Hause zu eilen. Es war der Tag vor dem Sterbetage seiner Mutter, und es war ihm immer, als laufe sie vor seinem Pferde her und riefe: ,Kasper, tue mir eine Ehre an!' Ach, ich sass an diesem Tage auf ihrem Grabe ganz allein und dachte auch: wenn Kasper doch bei mir w?re! Ich hatte Bl?melein Vergissnichtmein in einen Kranz gebunden und an das eingesunkene Kreuz geh?ngt und mass mir den Platz umher aus und dachte: Hier will ich liegen, und da soll Kasper liegen, wenn ihm Gott sein Grab in der Heimat schenkt, dass wir fein beisammen sind, wenns heisst: Ihr Toten, ihr Toten sollt auferstehn, ihr sollt zum J?ngsten Gerichte gehn! Aber Kasper kam nicht, ich wusste auch nicht, dass er so nahe war und wohl h?tte kommen k?nnen. Es trieb ihn auch gar sehr, zu eilen, denn er hatte wohl oft an diesen Tag in Frankreich gedacht und hatte einen kleinen Kranz von sch?nen Goldblumen von daher mitgebracht, um das Grab seiner Mutter zu schm?cken, und auch einen Kranz f?r Annerl, den sollte sie sich bis zu ihrem Ehrentage bewahren." -

Hier ward die Alte still und sch?ttelte mit dem Kopf; als ich aber die letzten Worte wiederholte: ,,Den sollte sie sich bis zu ihrem Ehrentag bewahren," fuhr sie fort: ,,Wer weiss, ob ich es nicht erflehen kann, ach, wenn ich den Herzog nur wecken d?rfte!" - ,,Wozu?" fragte ich, ,,welch Anliegen habt Ihr denn, Mutter?" Da sagte sie ernst: ,,O, was l?ge am ganzen Leben, wenns kein End n?hme? Was l?ge am Leben, wenn es nicht ewig w?re?" und fuhr dann in ihrer Erz?hlung fort:

,,Kasper w?re noch recht gut zu Mittag in unserm Dorfe angekommen, aber morgens hatte ihm sein Wirt im Stalle gezeigt, dass sein Pferd gedr?ckt sei, und dabei gesagt: ,Mein Freund, das macht dem Reiter keine Ehre.' Das Wort hatte Kasper tief empfunden, er legte deswegen den Sattel hohl und leicht auf, tat alles, ihm die Wunde zu heilen, und setzte seine Reise, das Pferd am Z?gel f?hrend, zu Fusse fort. So kam er am sp?ten Abend bis an eine M?hle, eine Meile von unserm Dorf, und weil er den M?ller als einen alten Freund seines Vaters kannte, sprach er bei ihm ein und wurde wie ein recht lieber Gast aus der Fremde empfangen. Kasper zog sein Pferd in den Stall, legte den Sattel und sein Felleisen in einen Winkel und ging nun zu dem M?ller in die Stube. Da fragte er dann nach den Seinigen und h?rte, dass ich alte Grossmutter noch lebe, und dass sein Vater und sein Stiefbruder gesund seien, und dass es recht gut mit ihnen gehe. Sie w?ren erst gestern mit Getreide auf der M?hle gewesen; sein Vater habe sich auf den Ross- und Ochsenhandel gelegt und gedeihe dabei recht gut, auch halte er jetzt etwas auf seine Ehre und gehe nicht mehr so zerrissen umher. Dar?ber war der gute Kasper nun herzlich froh, und da er nach der sch?nen Annerl fragte, sagte ihm der M?ller: er kenne sie nicht, aber wenn es die sei, die auf dem Rosenhof gedient habe, die h?tte sich, wie er geh?rt, in der Hauptstadt vermietet, weil sie da eher etwas lernen k?nne und mehr Ehre dabei sei; so habe er vor einem Jahre von dem Knecht auf dem Rosenhof geh?rt. Das freute den Kasper auch. Wenn es ihm gleich leid tat, dass er sie nicht gleich sehen sollte, so hoffte er sie doch in der Hauptstadt bald recht fein und schmuck zu finden, dass es ihm, als einem Unteroffizier, auch eine rechte Ehre sei, mit ihr am Sonntag spazieren zu gehn. Nun erz?hlte er dem M?ller noch mancherlei aus Frankreich; sie assen und tranken miteinander, er half ihm Korn aufsch?tten, und dann brachte ihn der M?ller in die Oberstube zu Bett und legte sich selbst unten auf einigen S?cken zur Ruhe. Das Geklapper der M?hle und die Sehnsucht nach der Heimat liessen den guten Kasper, wenn er gleich sehr m?de war, nicht fest einschlafen. Er war sehr unruhig und dachte an seine selige Mutter und an das sch?ne Annerl und an die Ehre, die ihm bevorstehe, wenn er als Unteroffizier vor die Seinigen treten w?rde. So entschlummerte er endlich leis und wurde von ?ngstlichen Tr?umen oft aufgeschreckt. Es war ihm mehrmals, als trete seine selige Mutter zu ihm und b?te ihn h?nderingend um Hilfe; dann war es ihm, als sei er gestorben und w?rde begraben, gehe aber selbst zu Fusse als Toter mit zu Grabe, und sch?n Annerl gehe ihm zur Seite; er weine heftig, dass ihn seine Kameraden nicht begleiteten, und da er auf den Kirchhof komme, sei sein Grab neben dem seiner Mutter; und Annerls Grab sei auch dabei, und er gebe Annerl das Kr?nzlein, das er ihr mitgebracht, und h?nge das der Mutter an ihr Grab, und dann habe er sich umgeschaut und niemand mehr gesehen als mich, und die Annerl, die habe einer an der Sch?rze ins Grab gerissen, und er sei dann auch ins Grab gestiegen und habe gesagt: ,Ist denn niemand hier, der mir die letzte Ehre antut und mir ins Grab schiessen will als einem braven Soldaten?' und da habe er sein Pistol gezogen und sich selbst ins Grab geschossen. ?ber dem Schuss wachte er mit grossem Schrecken auf, denn es war ihm, als klirrten die Fenster davon. Er sah um sich in der Stube; da h?rte er noch einen Schuss fallen und h?rte Get?se in der M?hle und Geschrei durch das Geklapper. Er sprang aus dem Bett und griff nach seinem S?bel. In dem Augenblick ging seine T?re auf, und er sah beim Vollmondschein zwei M?nner mit berussten Gesichtern mit Knitteln auf sich zust?rzen. Aber er setzte sich zur Wehre und hieb den einen ?ber den Arm, und so entflohen beide, indem sie die T?re, welche nach aussen aufging und einen Riegel draussen hatte, hinter sich verriegelten. Kasper versuchte umsonst ihnen nachzukommen, endlich gelang es ihm, eine Tafel in der T?re einzutreten. Er eilte durch das Loch die Treppe hinunter und h?rte das Wehgeschrei des M?llers, den er geknebelt zwischen den Korns?cken liegend fand. Kasper band ihn los und eilte dann gleich in den Stall, nach seinem Pferde und Felleisen, aber beides war geraubt. Mit grossem Jammer eilte er in die M?hle zur?ck und klagte dem M?ller sein Ungl?ck, dass ihm all sein Hab und Gut und das ihm anvertraute Pferd gestohlen sei, ?ber welches letztere er sich gar nicht zufrieden geben konnte. Der M?ller aber stand mit einem vollen Geldsack vor ihm, er hatte ihn in der Oberstube aus dem Schranke geholt und sagte zu dem Ulan: ,Lieber Kasper, sei Er zufrieden; ich verdanke Ihm die Rettung meines Verm?gens. Auf diesen Sack, der oben in Seiner Stube lag, hatten es die R?uber gem?nzt, und Seiner Verteidigung danke ich alles, mir ist nichts gestohlen. Die Sein Pferd und Sein Felleisen im Stall fanden, m?ssen ausgestellte Diebeswachen gewesen sein, sie zeigten durch die Sch?sse an, dass Gefahr da sei, weil sie wahrscheinlich am Sattelzeug erkannten, dass ein Kavallerist im Hause herberge. Nun soll Er meinethalben keine Not haben, ich will mir alle M?he geben und kein Geld sparen, Ihm Seinen Gaul wieder zu finden, und finde ich ihn nicht, so will ich Ihm einen kaufen, so teuer er sein mag.' Kasper sagte: ,Geschenkt nehme ich nichts, das ist gegen meine Ehre; aber wenn Er mir im Notfall siebzig Taler vorschiessen will, so kriegt Er meine Verschreibung, ich schaffe sie in zwei Jahren wieder.' Hier?ber wurden sie einig, und der Ulan trennte sich von ihm, um nach seinem Dorfe zu eilen, wo auch ein Gerichtshalter der umliegenden Edelleute wohnt, bei dem er die Sache berichten wollte. Der M?ller blieb zur?ck, um seine Frau und seinen Sohn zu erwarten, welche auf einem Dorfe in der N?he bei einer Hochzeit waren. Dann wollte er dem Ulanen nachkommen und die Anzeige vor Gericht auch machen.

Er kann sich denken, lieber Herr Schreiber, mit welcher Betr?bnis der arme Kasper den Weg nach unserm Dorfe eilte, zu Fuss und arm, wo er hatte stolz einreiten wollen; einundfunfzig Taler, die er erbeutet hatte, sein Patent als Unteroffizier, sein Urlaub und die Kr?nze auf seiner Mutter Grab und f?r die sch?ne Annerl waren ihm gestohlen. Es war ihm ganz verzweifelt zumute, und so kam er um ein Uhr in der Nacht in seiner Heimat an und pochte gleich an der T?re des Gerichtshalters, dessen Haus das erste vor dem Dorfe ist. Er ward eingelassen und machte seine Anzeige und gab alles an, was ihm geraubt worden war. Der Gerichtshalter trug ihm auf, er solle gleich zu seinem Vater gehn, welches der einzige Bauer im Dorfe sei, der Pferde habe, und solle mit diesem und seinem Bruder in der Gegend herumpatrouillieren, ob er vielleicht den R?ubern auf die Spur komme; indessen wolle er andre Leute zu Fuss aussenden und den M?ller, wenn er komme, um die weiteren Umst?nde vernehmen. Kasper ging nun von dem Gerichtshalter weg nach dem v?terlichen Hause. Da er aber an meiner H?tte vor?ber musste und durch das Fenster h?rte, dass ich ein geistliches Lied sang, wie ich denn vor Gedanken an seine selige Mutter nicht schlafen konnte, so pochte er an und sagte: ,Gelobt sei Jesus Christus! Liebe Grossmutter, Kasper ist hier.' Ach, wie fuhren mir die Worte durch Mark und Bein, ich st?rzte an das Fenster, ?ffnete es und k?sste und dr?ckte ihn mit unendlichen Tr?nen. Er erz?hlte mir sein Ungl?ck mit grosser Eile und sagte, welchen Auftrag er an seinen Vater vom Gerichtshalter habe; er m?sse drum jetzt gleich hin, um den Dieben nachzusetzen, denn seine Ehre h?nge davon ab, dass er sein Pferd wieder erhalte.

Ich weiss nicht, aber das Wort Ehre fuhr mir recht durch alle Glieder, denn ich wusste schwere Gerichte, die ihm bevorstanden. ,Tue deine Pflicht und gib Gott allein die Ehre!' sagte ich, und er eilte von mir nach Finkels Hof, der am andern Ende des Dorfs liegt. Ich sank, als er fort war, auf die Kniee und betete zu Gott, er m?ge ihn doch in seinen Schutz nehmen, ach, ich betete mit einer Angst wie niemals und musste dabei immer sagen: Herr, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.

Der Kasper lief zu seinem Vater mit einer entsetzlichen Angst. Er stieg hinten ?ber den Gartenzaun, er h?rte die Plumpe gehen, er h?rte im Stall wiehern, das fuhr ihm durch die Seele; er stand still. Er sah im Mondschein, dass zwei M?nner sich wuschen; es wollte ihm das Herz brechen. Der eine sprach: ,Das verfluchte Zeug geht nicht herunter'; da sagte der andre: ,Komm erst in den Stall, dem Gaul den Schwanz abzuschlagen und die M?hnen zu verschneiden. Hast du das Felleisen auch tief genug unterm Mist begraben?' - ,Ja,' sagte der andre. Da gingen sie nach dem Stall, und Kasper, vor Jammer wie ein Rasender, sprang hervor und schloss die Stallt?re hinter ihnen und schrie: ,Im Namen des Herzogs! Ergebt euch! Wer sich widersetzt, den schiesse ich nieder!' Ach, da hatte er seinen Vater und seinen Stiefbruder als die R?uber seines Pferdes gefangen. ,Meine Ehre, meine Ehre ist verloren!' schrie er, ,ich bin der Sohn eines ehrlosen Diebes.' Als die beiden im Stall diese Worte h?rten, ist ihnen b?s zumute geworden; sie schrien: ,Kasper, lieber Kasper, um Gottes willen, bringe uns nicht ins Elend! Kasper, du sollst ja alles wiederhaben; um deiner seligen Mutter willen, deren Sterbetag heute ist, erbarme dich deines Vaters und Bruders!' Kasper aber war wie verzweifelt, er schrie nur immer: ,Meine Ehre, meine Pflicht!' Und da sie nun mit Gewalt die T?re erbrechen wollten und ein Fach in der Lehmwand einstossen, um zu entkommen, schoss er ein Pistol in die Luft und schrie: ,Hilfe, Hilfe, Diebe, Hilfe!' Die Bauern, von dem Gerichtshalter erweckt, welche schon herannahten, um sich ?ber die verschiedenen Wege zu bereden, auf denen sie die Einbrecher in die M?hle verfolgen wollten, st?rzten auf den Schuss und das Geschrei ins Haus. Der alte Finkel flehte immer noch, der Sohn solle ihm die T?re ?ffnen, der aber sagte: ,Ich bin ein Soldat und muss der Gerechtigkeit dienen.' Da traten der Gerichtshalter und die Bauern heran. Kasper sagte: ,Um Gottes Barmherzigkeit willen, Herr Gerichtshalter, mein Vater, mein Bruder sind selbst die Diebe, o dass ich nie geboren w?re! Hier im Stalle habe ich sie gefangen, mein Felleisen liegt im Miste vergraben.' Da sprangen die Bauern in den Stall und banden den alten Finkel und seinen Sohn und schleppten sie in ihre Stube. Kasper aber grub das Felleisen hervor und nahm die zwei Kr?nze heraus und ging nicht in die Stube, er ging nach dem Kirchhofe an das Grab seiner Mutter. Der Tag war angebrochen. Ich war auf der Wiese gewesen und hatte f?r mich und f?r Kasper zwei Kr?nze von Bl?melein Vergissnichtmein geflochten; ich dachte: er soll mit mir das Grab seiner Mutter schm?cken, wenn er von seinem Ritt zur?ckkommt. Da h?rte ich allerlei ungewohnten L?rm im Dorf, und weil ich das Get?mmel nicht mag und am liebsten alleine bin, so ging ich ums Dorf herum nach dem Kirchhof. Da fiel ein Schuss, ich sah den Dampf in die H?he steigen, ich eilte auf den Kirchhof - o du lieber Heiland, erbarme dich sein! Kasper lag tot auf dem Grabe seiner Mutter. Er hatte sich die Kugel durch das Herz geschossen, auf welches er sich das Kr?nzlein, das er f?r sch?n Annerl mitgebracht, am Knopfe befestigt hatte; durch diesen Kranz hatte er sich ins Herz geschossen. Den Kranz f?r die Mutter hatte er schon an das Kreuz befestigt. Ich meinte, die Erde t?te sich unter mir auf bei dem Anblick. Ich st?rzte ?ber ihn hin und schrie immer: ,Kasper, o du ungl?ckseliger Mensch, was hast du getan? Ach, wer hat dir denn dein Elend erz?hlt? O warum habe ich dich von mir gelassen, ehe ich dir alles gesagt! Gott, was wird dein armer Vater, dein Bruder sagen, wenn sie dich so finden!' Ich wusste nicht, dass er sich wegen diesen das Leid angetan: ich glaubte, es habe eine ganz andere Ursache. Da kam es noch ?rger. Der Gerichtshalter und die Bauern brachten den alten Finkel und seinen Sohn mit Stricken gebunden. Der Jammer erstickte mir die Stimme in der Kehle, ich konnte kein Wort sprechen. Der Gerichtshalter fragte mich, ob ich meinen Enkel nicht gesehn? Ich zeigte hin, wo er lag. Er trat zu ihm, er glaubte, er weine auf dem Grabe; er sch?ttelte ihn, da sah er das Blut niederst?rzen. ,Jesus Marie!' rief er aus, ,der Kasper hat Hand an sich gelegt.' Da sahen die beiden Gefangenen sich schrecklich an; man nahm den Leib des Kaspers und trug ihn neben ihnen her nach dem Hause des Gerichtshalters. Es war ein Wehgeschrei im ganzen Dorfe, die Bauerweiber f?hrten mich nach. Ach, das war wohl der schrecklichste Weg in meinem Leben!"

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