Read Ebook: Aus der Chronika eines fahrenden Schülers (Zweite Fassung) by Brentano Clemens
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Ebook has 105 lines and 17414 words, and 3 pages
Aus der Chronika eines fahrenden Sch?lers
Clemens Brentano
Vorwort
Vor funfzehn Jahren machte es mir Freude, die folgende einfache Geschichte niederzuschreiben. Sie sollte nur die Einfassung mehrerer sch?ner altdeutschen Erz?hlungen sein, die sie mit mancherlei Ereignissen aus dem Zusammenleben des alten Ritters Veltlin von T?rlingen und seiner drei T?chter unterbricht, mit deren Versorgung und der Abreise des Erz?hlers sie schliesst. So lieb ich das Gedicht hatte, blieb es doch unterbrochen; der Sinn der Leser schien dazu zu fehlen. Jetzt, da diese Erz?hlung mehr, ja selbst die altdeutschen R?cke vor sich hat, fiel sie mir wieder in die H?nde, und ich versuche es, sie den Lesern vorzulegen mit der Erinnerung, dass sie zu p?dagogischen Zwecken entworfen worden, als ich von der sogenannten Romantik noch wenig wusste, und dass sie daher neben den allerneuesten Ritterromandichtern in ihrer redseligen Einfalt um Schonung bittet. Sollte dem Leser, durch Eisenfresserei und Isl?ndisches Moos verw?hnt, diese Geschichte wie unsre deutsche Kamillen--und Hollunderbl?te nicht behagen, so bringe er sie einem kranken Freunde oder M?gdelein, denen sie Gott gesegnen m?ge!
Im Jahr, da man z?hlte nach Christi, unsers lieben Herrn, Geburt 1358, am zwanzigsten Tage des Maimonats, h?rte ich, Johannes, der Schreiber, die Schwalbe in der Fr?he an meinem Kammerfenster singen und ward innigst von dem Morgenlied des frommen V?geleins erbauet, bedachte auch auf meinem Bettlein, wie die Schwalbe in daurender Freude lebet, gegen den Winter in ferne w?rmere L?nder ziehet und, der Heimat getreu, gegen den Fr?hling wiederkehrt; also nicht der Mensch, der arme fahrende Sch?ler, der wohl viel gegen Sturm und Wetter ziehen muss, ja der oft kein Feuer findet, die erstarrten H?nde zu erw?rmen, dass er sie falte zum Gebet; aber so er es ernstlich meinet, haucht er hinein.
Da ich in solchen Betrachtungen versunken war und das Schw?lblein auch auf seine Weise fortphantasierte, w?re ich schier wieder eingeschlummert, aber der W?chter auf dem M?nster blies: "In s?ssen Freuden geht die Zeit", welches ich hier noch nie geh?ret; denn ich war zum ersten Male in Strassburg erwacht.
Nun richtete ich mich in meinem Bettlein auf, und schaute in meinem Gemache umher; das hatte aber Fenster rings herum und war in einem Sommerh?uslein des Gartens. Links stand der Mond noch blass am Himmel, und rechts war der Himmel wie das lauterste Gold. Da fand ich mich zwischen Nacht und Tag und faltete die H?nde, und es fiel mir freudig aufs Herz, dass heute mein zwanzigster Geburtstag sei, und wie mir es viel besser geworden als in dem letzten Jahre, da ich meinen lieben Geburtstag auf freiem Felde in einem zerrissenen M?ntelein empfangen und mit einem Bissen Almosenbrot bewirten musste. O Freude und Ehre! dachte ich bei mir selbst und schaute zum Morgenlichte hin und sprach: "Du bist mein Licht, du wirst mein Tag!", glaubte auch schier in meiner Einfalt, der Himmel sei golden um meines Besten willen, die Schwalbe habe nur gesungen, mir Gl?ck zu w?nschen, und der T?rmer habe allein so lieblich geblasen mir zur Feier; da der Himmel sich doch nur ger?tet vor der Sonne, die der Herr gerufen, da die Schwalbe doch nur gesungen in Gottes Fr?hlingslust, und der W?chter nur geblasen zu Gottes Ehren, ja wohl gern noch ein St?ndlein geschlafen h?tte, so es ihm von den M?nsterherren verstattet w?re. Also wird der Mensch leicht ?berm?tig in der Freude, und glaubet, er sei recht der Mittelpunkt aller Dinge, und sei er mit allem gemeint. Da liess ich die Augen fr?hlich in der Kammer umherschweifen, und sah auf dem Schemel ein neues Gewand liegen, das mir mein g?tiger Herr und Ritter Veltlin von T?rlingen am Abend im Dunkeln hatte herauftragen lassen, und konnte ich meine Begierde nun nicht l?nger zur?ckhalten, sprang auf von meinem Lager, und legte diese Kleider nicht ohne Tr?nen des Dankes an. Es war dies aber ein feines blaues Wams, um die Lenden gefaltet und gestutzet, und rot und weisses Beinkleid von l?ndschem Tuch, auch stumpfe Schuh und eine schwarze Kogel mit einer blauen Feder, nicht zu vergessen ein Hemmet von weissem Hauslinnen, am Halse bunt gen?ht und gekrauset, dergleichen ich vorher nie getragen. Da ward es mir fast leicht und fr?hlich zumute, und h?tte ich wohl m?gen einen Sprung tun, als h?tte ich einen neuen Menschen angezogen mit dem neuen Kleide.
Aber meine Hoffart w?hrte nicht lange; denn mein zerrissenes M?ntelein, welches ich als einen Vorhang vor das Fenster geh?ngt hatte, erleuchtete sich durch die aufgehende Sonne, und alle seine L?cher waren so viele M?uler und alle seine Fetzen so viele Zungen, die mich meiner t?richten Hoffart zeihten. Es war, als sage das M?ntelein zu mir: "O Johannes, bist du ein so eitler Kaufherr, dass du, angelanget in den Hafen, des zerrissenen Segels vergisst, das dich in denselben gef?hret? Johannes, bist du ein so stolzer Schiffbr?chiger, dass du das Brett, welches dich mit Gottes H?lfe an ein gr?nes Eiland getragen, mit dem Fusse undankbar in die Wellen zur?ckst?ssest? O Johannes, du undankbarer Freund, willst du, gerettet, mich nicht auf deinen Schultern in ein Gotteshaus tragen und aufstellen als ein Ged?chtnis, dass sich Gott deiner erbarmet?"
Ach, das waren wohl harte und wahre Worte meines M?nteleins, und ich nahm es mit Sch?men von dem Fenster, und legte es um ?ber meinen neuen Staat, und fasste es fest mit den H?nden um die Brust, als wollte ich es um Verzeihung bitten, und ging mit dem Gedanken die Treppe hinab in den Garten: Wenn ich ein armer fahrender Sch?ler gewesen bin, so werde ich immer ein armer fahrender Sch?ler bleiben; denn auf Erden sind wir alle arm und m?ssen mannigfach mit unserm Leben herumwandeln, und lernen, und bleiben doch arme Sch?ler, bis der Herr sich unser erbarmet, und uns einf?hret durch seinen bittern Tod in das ewige Leben.
Da ich nun in den Garten gekommen war, den ich vorher auch noch nicht gesehen--denn mein gn?diger Herr und Ritter war den Abend sp?t mit mir angekommen und ich im Finstern in mein St?blein gebracht worden--, konnte ich vor Staunen und Betrachten der neuen Dinge um mich her auch nicht zum Gebete kommen. Ich fand mich von den sch?nen Laubg?ngen, Zierfeldern und Pflanzen und den bl?henden B?umen schier ebenso sehr ?berraschet als von meinem neuen Gewande. Ich fand mich gleich einem neugebornen Kinde, welches mit allem spielet, und noch nicht beten kann, und erst nach einiger Erfahrung in der S?ssigkeit des Lebens seine H?nde zum Danke falten lernet. Der bl?hende Mal, das lustige Singen der V?gel, die vielen jungen Kr?uter und Bl?mlein, die mit Taublicken vor der Sonne erwachten, der k?hle Wasserstrahl, welcher in einem mit bunten Kieseln und Muscheln ausgelegten Brunnen tanzte, schienen mir alle so neu und wunderbar, als h?tte ich dergleichen niemals gesehen, und wusste ich auch nicht, was aus allem diesem werden sollte.
So wie die lieben Kinder durch die Blumen gehen und sie brechen, und Kr?nze winden und sich bei den H?nden fassen und mit den Kr?nzen im Kreise tanzen, gleichsam selbst ein lebendiger Blumenkranz; wie sie aber nicht gedenken der Frucht im treibenden Sommer, und der Ernte im reichen Herbst, und des Todes in dem tr?ben, tiefsinnigen Winter: also wandelte auch ich armer Schelm wie ein einf?ltiges Kind ohne Witz durch den Garten und konnte vor grosser Bewegung ?ber mein neues Gl?ck, das mir gestern fr?h noch nicht getr?umt hatte, nicht zum Gebete gelangen.
Mein freudiges Erstaunen wollte aber nicht lange dauern; denn als ich meine Augen ers?ttiget hatte, ward es mir als einem Hungrigen, der sich ohne Gebet zu einer reichlichen Mahlzeit gesetzet hat, welche ihm Gott darum nicht gesegnet. Alle das h?usliche, wohlgepflegte Behagen des sch?nen Ziergartens erf?llte mich mit traurigen Gedanken, und die Armut, die Einsamkeit meines eigenen Lebens trat mir in dieser reichen Umgebung zum erstenmal recht lebendig vor die Seele. Was mag trauriger sein als das Bild eines Bettlers, auf goldnem Grunde gemalet?
"O meine Mutter", sagte ich mir, "wer war sanfter und sch?ner, und feiner und edler als du, wer war w?rdiger, zwischen Blumen zu wandeln, als du, die wohl ihre Schwester und Gespielin sein konnte? Standen die Tr?nlein nicht auf den Wangen wie die Tautr?pflein auf diesen Rosen, gingst du nicht durch den Wald wie ein L?ftlein durch die Bl?ten, und waren deine Augen nicht getreu und s?ss schauend wie die blauen Veilchen, deine Lippen nicht wie die rosinfarbenen Nelken, und flog dein gelbes Haar nicht wie der Sonnenschein? Aber du musstest gehen wie Hagar mit deinem Ismael durch die Dornen in der W?ste. Ach, warum ward nicht dir so ein Garten und so ein Haus, und warum wohnest du zwischen f?nf Brettern und zwei Brettlein und bist deines Lebens nicht froh geworden noch deines Todes? Sie haben dir keinen Kranz geflochten. Mir aber ist nichts geblieben als deine Zucht, und ich kann dein nicht gedenken in Freuden, denn mir geh?ret nichts als die Armut, und ich habe keinen S?ckel, aus dem ich dir das sch?nste Grab k?nnte erbauen lassen von Marmelstein und Gold."
Wie traurig ward ich da und wendete meine Augen von allem, was ihnen wohlgefiel, und wollte nichts anschauen, weil sie es nicht mit mir sehen konnte, weil sie ihre Augen nie mit so erlaubter Lust erquicken konnte. Auch fiel es mir bittrer noch auf die Seele, dass ich eines Ritters Sohn sei, ohne Wappen und ohne Waffen. Tr?nen f?llten mir die Augen, und Unwill erf?llte meinen ganzen Leib, der in dem neuen geschenkten Gewand zu brennen schien, und ich spannte mein enges, durchl?chertes M?ntelein so um mich, dass es noch mehr zerrissen.
So schritt ich, als suche ich die Wildnis, nach einem einsamem ungepflegten Teile des Gartens, und kaum stand ich im hohen Gras unter hohen Linden, so konnte ich schon nicht mehr begreifen, wie dieser innre Schmerz und Zorn in mich zum ersten Male in meinem Leben gekommen sei, und gegen die Mauer des Gartens schreitend, sah ich an derselben in einem tiefen Bogenraum ein Heiligenh?uslein angebracht, darinnen war wohlvergittert ein buntgemaltes Schnitzwerk, die Anbetung der heiligen drei K?nige im Stall zu Bethlehem, aufgestellt. Davor kniete ich nieder ins Gras und betete von ganzem Herzen. Da zerrann bald all mein Leid und meine Hoffart vor dem Sohne Gottes, der nackt und arm in einer Krippe vor mir lag, und dem doch die K?nige dienten. Wie f?hlte ich mich in meiner Ungeb?rdigkeit besch?mt! Und da ich mich mit Tr?nen angeklagt hatte, dankte ich von ganzem Herzen dem Herrn, dass er mich armen fahrenden Sch?ler nicht vergessen, und mich durch seine Barmherzigkeit zu meinem gn?digen Herrn und Ritter gebracht, gelobte auch, ferner mich aller Hoffart zu enthalten und die K?nste, welche ich durch seinen Beistand mit schwachen Sinnen erlernet, zur Mehrung seines Reiches auf Erden treu anzuwenden.
Da ich nun nach solchem Gebete einen merklichen Trost in meinem Herzen sp?rte, nahm ich ein g?lden gewirktes Band, worauf das Ave Maria stand, aus meinem Gebetb?chlein, und h?ngte es, durch das Gitter langend, dem Bilde der Jungfrau Maria ?ber den Arm, als das Opfer eines t?richten Menschen, der vor ihrem Sohne betend Trost gefunden hatte. Dieses Band aber war mir das Liebste, was ich hatte. Eine fromme Klosterfrau, meiner selgen Mutter Befreundte, hatte es mir einst f?r ein Lied, das ich ihr gedichtet und gesungen, geschenket, und war es zu Marburg an St. Elisabethen Grab anger?hret worden; ich aber hatte es bisher als einen Blattzeiger in meinem Gebetb?chlein gef?hret. Dann nahm ich auch mein M?ntelein ab, und rollte es zusammen in einen langen Wulst und flocht es durch die obern St?be des Gitters vor dem Bilde, als einen aufgerollten Vorhang, zum Gedenken meiner zeitlichen Armut, welche durch Gott sich in Freud und F?lle gewandelt hatte. Nun wendete ich mich nach dem Garten zur?ck, der mir ganz anders erschien als vorher.
So mag nichts vor dem Gem?te des Menschen bestehen, welches alles nach sich umgestaltet. Jetzt, da ich gebetet hatte, erschienen mir alle die roten, leibfarben und weissen Bl?mlein des Gartens jene Blumen, durch die der K?nig Ahasverus in seinem Schlossgarten zu S?san gewandelt, seines Zornes zu vergessen. Ja, es war mir, als sei der liebe Gott durch diese Blumen gegangen und habe seinen gerechten Zorn ?ber meine Ungeb?rde hier an der Lieblichkeit seiner Werke ges?nftiget; denn hier an diesem ersten Morgen meines zwanzigsten Jahres ist mir vieles Licht in der Seele aufgegangen, und ist mir der Fr?hling ein weiser Lehrer geworden.
Besonders aber hat mich der hohe M?nsterturm ersch?ttert, als ich aus einem schattichten Baumgang hervortrat und ihn ?ber die D?cher der Nachbarh?user auf mich niederschauen sah. War mir es doch im Anfang so bange vor ihm, wie es einer Grasm?cke sein muss, wenn ein Riese den Busch ?ber ihrem Neste ?ffnet und auf sie niederblickt. Alles Menschenwerk, so es die gew?hnlichen Grenzen an Gr?sse oder Vollendung ?berschreitet, hat etwas Erschreckendes an sich, und man muss lange dabei verweilen, ehe man es mit Ruhe und Trost geniessen kann.
Ich habe dieses aber nicht allein bei dem Anblick dieses schwindelhohen Turmes empfunden, sondern auch bei gar lieblichen und feinen Werken, von welchen ich nur nennen will die ?beraus feinen und nat?rlichen Gem?lde des Malers Wilhelm in K?ln, der von den Meistern als der beste Meister in allen deutschen Landen geachtet wird, denn er malet einen jeglichen Menschen von aller Gestalt, als lebe er. Die Werke dieses Wilhelms aber, die ich zu K?ln gesehen, sind dermassen zart, fein, scharf und lebendig, dass man schier glauben sollte, sie seien von H?nden der Engel gemacht, und erbebet man bei ihrem Anblick, weil sie zu leben scheinen und doch nicht leben. Man f?hlet da wohl, dass der Mensch etwas sein und schaffen kann, was viel herrlicher ist als sein gew?hnliches Sein und Schaffen, und man erschrickt dar?ber, dass diese Herrlichkeit so fremd und selten ist; daher wohl eine Menge Sprossen auf der Leiter zu dieser Vollkommenheit wo nicht fehlen, doch unsichtbar sein m?ssen und wir alle wohl tief herunter geworfen sind.
Die gewaltige K?nstlichkeit des wunderw?rdigen M?nsterturms h?tte mich beinahe wieder niedergeschlagen; denn ich bedachte mit Verwunderung, wie ich doch unter den hohen Eichen, in finstern W?ldern, auf hohen Bergen, an steilen Abgr?nden und bei st?rzenden Wasserf?llen in einsamen T?lern recht in Ein?de, ja ganz verlassen, auch wohl gar hungrig gesessen und mich doch nicht so bewegt gef?hlt als bei dem Anblick dieses Turmes. Wenn ich die Bl?tter und Zweige der B?ume betrachte, so frage ich nicht, wie sie da hinauf gekommen, und erschrecke nicht, wenn sie sich hin und her bewegen mit Rauschen; aber wenn ich diesen wunderbaren Turm anschaue mit seinen vielen T?rmlein, S?ulen und Schn?rkeln, die immer auseinander heraustreiben und durchsichtig sind wie das Gerippe eines Blattes, dann scheint er mir der Traum eines tiefsinnigen Werkmeisters, vor dem er wohl selbst erschrecken w?rde, wenn er erwachte und ihn so fertig vor sich in den Himmel ragen s?he; es sei denn, dass er auf sein Antlitz niederfiele und ausriefe: "Herr, dies Werk ist nicht von mir in seiner Vollkommenheit, du hast dich nur meiner H?nde bedienet, mein ist nichts daran als die M?ngel, diese aber decke zu mit dem Mantel deiner Liebe, und lasse sie verschwinden im Geheimnis deiner Masse." Keiner aber hat dieses wohl erlebet, keiner hat einem solchen Werke seiner Erfindung die Krone aufgesetzet, ganze Geschlechter sind von den Bauger?sten herabgestiegen und haben sich zu Ruhe in die Gr?ber zu den F?ssen des Turmes gelegt, der nichts davon weiss, und dasteht ernst und steinern, der kein Herz und keinen Verstand hat, ja eigentlich ein recht unvern?nftiger Turm ist, und doch dasteht, als w?re er aus sich selbst hervorgewachsen und brauche es keinem Menschen zu danken. Dieser gewaltige Ausdruck der Erhabenheit aber in einem solchen Werke, an welchem die Weisheit und M?he und Andacht von Jahrhunderten an unendlichen Linien des Gesetzes, des Verh?ltnisses, der Not und der Zier mit halsbrechender K?hnheit hinangeklommen, um auf dem Gipfel dem Herrn zu lobsingen, verbunden mit seinem eigentlichen inneren Tode, so dass er, der alles durch sein Dasein im tiefsten Herzen r?hret, doch gar nichts davon mitempfindet, das ist es, was seinem Anblick und der Erscheinung aller gewaltigen Menschenwerke einen Schrecken beimischet. Es ist, als frage er: Was bin ich, und warum bin ich, und was ist es, das dich also r?hret in mir? Was k?nnen wir ihm aber anderes antworten als: Die Werke des Herrn sind unbegreiflich, er treibt uns, zu bauen und schaffen ?ber das Leben hinaus, denn wir waren unsterblich und vollkommen, und wir sind gefallen in den Tod durch die S?nde; du Turm aber stehe, als ein Zeuge, dass wir dunkel f?hlen, was wir waren vor dieser Zeit, und dass wir noch ringen nach unendlichem Ziel; so stehe du dann als ein Tr?ger unsrer M?he und unsrer Busse zu Ehren unsres Heilands und Seligmachers Jesu Christi, der uns erl?set hat durch sein bittres Leiden und Sterben. Amen.
Also gedachte ich in mir, und wenngleich umgeben von lebenden B?umen und Blumen, in welchen, wie selbst in den harten Felsen, eine Seele zu wohnen scheint, welche mit dem Menschen atmet und f?hlet, im Fr?hling sich mit ihm freuet, und im Winter mit ihm trauert, konnte ich doch meine Augen nicht von dem Turme wenden. Der Sinn des Menschen strebet immer nach dem Unbegreiflichen, als sei dort das Ziel der Laufbahn und der Schl?ssel des Himmels; denn bewundern kann der Mensch allein, und alles Bewunderung Erregende ist ein Bote Gottes, der uns mahnet an das Licht, das wir verloren, und das uns wieder verheissen ist durch das Blut Christi, so wir uns dessen teilhaftig machen. Also ist mir auch immer alle meine Drangsal erschienen als eine Sehnsucht nach einem bessern Leben, und alle meine bittern Stunden waren nur die kalten, st?rmenden Tage des Winters, denen der liebliche Fr?hling, angekleidet mit Blumen und Gesang, folget, so ich s?e guten Samen und f?lle meine Seele mit dem Lobe Gottes.
In solchen Betrachtungen wollte ich wieder nach dem Sommerh?uslein gehn, sah aber meinen gn?digen Herrn und Ritter gar tiefsinnig mit gefalteten H?nden unter einem Baume im Sonnenschein sitzen, und traute nicht, ihm vor?berzugehen, damit ich ihn nicht st?re. Ich stellte mich darum in seiner N?he bescheidentlich an die Laubwand, und nahm mein Barett in die H?nde, erwartend, ob er seine Augen vielleicht nach mir wenden m?ge.
Der Anblick meines Herrn erweckte eine grosse Ehrfurcht in mir. Ich hatte ihn gestern nicht recht gesehen, denn es dunkelte schon, da er mich am Wege barmherzig zu sich nahm. Er hatte ein schneeweisses Haar am Haupt und Bart, und mochten wohl viele Sorgen ?ber ihn hingeflogen sein. Ich erinnerte mich, nie einen so frommen alten Ritter gesehen zu haben, der mit seinem ernsten und milden Antlitz ein solches Vertrauen in mein Herz senkte. Gott gebe, dass ich also in Ehren grau werden m?ge! dachte ich bei mir und f?hlte mich mit ganzer Seele zu dem lieben Herrn hingezogen. Er aber schien sehr betr?bt zu sein, seufzte auch oft und tief, und die kleinen V?glein, die ?ber ihm in dem Baume so lustig sangen, konnten ihn nicht tr?sten.
Da ich so eine Weile nach ihm hingesehen hatte, wendete er die Augen zuf?llig zu dem Orte, an dem ich stand, und redete mich freundlich an mit den Worten: "Wie ist dir, Johannes, dass du so stille dastehest?" Worauf ich ihm entgegnete: "Ich wollte Eure Ruhe nicht st?ren, Herr; Ihr scheinet mir in schweren Gedanken."
Der Ritter aber sprach hierauf: "Johannes, wie gef?llt dir deine neue Heimat; bist du zufrieden bei mir?"
Da sagte ich: "Herr, sollte ich nicht froh sein? Da ich nun weiss, wo schlafen und wo Brot finden und wem dienen um des Herren willen, da weiss ich nun auch, wen lieben, wem danken ausser Gott, und f?r wen beten ausser f?r mich. Herr, meine neue Heimat gef?llt mir wohl; Gott gebe, dass ich auch ihr wohlgefalle, und ihrer w?rdig werde." Da l?chelte der Ritter und sprach: "Johannes, wenn dir deine Worte ernst sind, so werden wir gute Gesellen sein, denn deine Rede gef?llt mir wohl. Aber was willst du tun, mir wohlzugefallen; was willst du mir geben, da du nichts hast?"
Hierauf erwiderte ich: "Herr, ich bleibe Euer Schuldner vor der Welt, denn ich kann Euch kein Wams geben f?r das Wams, das ich durch Eure Gnade trage; aber vor Gott gebe ich Euch einen guten Zahlmann, denn vor ihm schenke ich Euch mein Herz."
Da versetzte der Ritter scherzhaft: "Wenn ich dir nun auch mein Herz geben wollte f?r das deinige, so behielt ich doch das Wams zugute; wie dann, Johannes?"
Worauf ich entgegnete: "Herr, Ihr rechnet so gestreng, als wolltet Ihr mich versuchen in Gegenrechnung, und so muss ich dann schon sagen, dass mein Herz gewiss nicht Wert hat gegen das Eure, welches gepr?fet ist durch lange Jahre, da das meinige arm ist und ohne Verdienst, ja da ihm alles Gute, was es gewollt hat, nicht zugute k?mmt, da es keinen Wert hat, den es Euch mit sich geben kann, weil der Glaube an die Barmherzigkeit des Heilands nicht mit dem Herzen geschenkt werden kann und dieser Glaube allein doch ein Herz zu beseligen und selig zu machen vermag. So nehmt es denn hin, wie es ist, und f?get hinzu, was man nicht mitgeben kann. Doch habe ich noch eine Gabe, deren ich Euch geniessen lassen will, und die Ihr mir nicht so leicht einholen sollet; denn sie ist rasch und fliehet davon, auch werdet Ihr sie mit allem Ernste nicht leicht verdr?ngen m?gen; denn sie ist lieblich und lustig anzuschauen, und k?nnte ich sie Euch wirklich zu eigen geben, so w?rdet Ihr sie nicht gerne wieder lassen, eine also gute Gesellin ist sie."
Mein Herr, der sehr ernst geworden war, sagte hierauf, traurig vor sich niederschauend: "Und was ist das vor ein Kleinod, Johannes, mit dem du so prahlest?"
Da erwiderte ich: "Herr, es ist meine Jugend; deren will ich Euch geniessen lassen, wie ich kann. Damit Ihr Euer Alter vergesset bei mir, will ich Euch erfreuen mit mancherlei fr?hlichen Reden und Gedanken."
Aber was ich da zuletzt gesprochen hatte, war wohl t?richt und ein schlechter Anfang meiner versprochenen erfreulichen Reden; denn mein gn?diger Herr ward nun sehr stille und finster. Weil ich ihn an sein Alter erinnert hatte, glaubte ich. Da redete ich ihn sch?chtern an: "Herr, ich habe Euch mit t?richten Worten erz?rnet."
Er aber sprach: "Das hast du nicht getan, Johannes, du hast die Wahrheit gesprochen, aber mir ist schwerer aufs Herz gefallen, was mir lange schon darauf liegt, mein Unwert. Nun aber bedenke ich, ob dein fr?hlicher Mut mir wohl diese Last von der Brust nehmen wird; aber das mag wohl nicht sein; hast du mich nicht gefunden hier im Gr?nen, in einem lustigen Garten, von der lieben Sonne beschienen, und angesungen von den unschuldigen V?gelein, nachdenklich und betr?bt? Wirst du k?nnen, was der Fr?hling nicht vermag? So du aber K?nste gelernt hast, die ich nicht besitze, so wirst du mein Schuldner nicht bleiben, wenn ich gleich selbst ewig Gottes Schuldner bleibe. Setze dich zu mir und sage mir treulich, wie du zur Armut gekommen bist im Guten, und wie es sich mit dir begeben, bis ich dich gestern an der Eiche gefunden habe im Blobsheimer Wald, und dann sollst du ebenfalls von mir h?ren, warum ich betr?bt bin."
Da ich die grosse Freundlichkeit meines Herrn aus dieser Rede vernommen hatte, fasste ich einen guten Mut, setzte mich zu ihm unter den Baum, und sprach also: "Mein gn?diger Herr und Ritter, es gibt keinen ehrlicheren Weg ins Leben als die Geburt, denn unser Heiland ist ihn auch gewandelt, und so gibt es auch keinen ehrlicheren Weg zur Armut, als in ihr geboren zu sein, denn auch unser Heiland ward in ihr geboren, und so kam ich zur Armut, als ich zur Welt kam. Aber ich bin doch nicht lang arm geblieben; denn ich fand eine unaussprechlich liebe Mutter; die liess mich an ihrem Herzen schlummern, und sah auf mich nieder mit sorgenden Liebesblicken, und weckte sie mich nicht mit ihren Tr?nlein, die auf mich niederfielen, so weckte sie mich mit K?ssen, und liess mich ihr eignes Leben aus ihren Br?sten trinken; o Herr, war ich nicht reich, wer ist reicher als ein neugebornes Kindlein?--Ja, ich war so reich, dass ich meiner lieben Mutter Freud und Leid verdoppeln konnte, was Ihr wohl aus einem Liede vernehmen werdet, das meine Mutter oft sang, wenn sie mich in fr?hster Jugend einschl?ferte, und habe ich es nach ihrem Tode in ihrem Gebetb?chlein liegend gefunden; es ist aber gestellt, bald als rede ein Kindlein zur Mutter, bald die Mutter zu ihm; nun h?ret:
O Mutter, halte dein Kindlein warm, Die Welt ist kalt und helle, Und trag es fromm in deinem Arm An deines Herzens Schwelle.
Leg still es, wo dein Busen bebt, Und, leis herab geb?cket, Harr liebvoll, bis es die ?uglein hebt, Zum Himmel selig blicket.-Und weck ich dich mit Tr?nen nicht, So weck ich dich mit K?ssen; Aus deinem Aug mein Tag anbricht, Sonn, Mond dir weichen m?ssen,
O du unschuldger Himmel du! Du lachst aus Kindesblicken, O Engelsehen, o selge Ruh, In dich mich zu entz?cken!
Ich schau zu dir so Tag als Nacht, Muss ewig zu dir schauen, Und wenn mein Himmel tr?umend lacht, W?chst Hoffnung und Vertrauen.
Komm her, komm her, trink meine Brust, Leben von meinem Leben; O, k?nnt ich alle fromme Lust Aus meiner Brust dir geben!
Nur Lust, nur Lust, und gar kein Weh, Ach, du trinkst auch die Schmerzen; So st?rke Gott in Himmelsh?h Dich Herz aus meinem Herzen!
Vater unser, der du im Himmel bist, Unser t?glich Brot gib uns heute, Getreuer Gott, Herr Jesus Christ, Tr?nk uns aus deiner Seite.-Du strahlender Augenhimmel du, Du taust aus Mutteraugen, Ach Herzenspochen, ach Lust, ach Ruh, An deinen Br?sten saugen!
Ich schau zu dir so Tag als Nacht, Muss ewig zu dir schauen; Du musst mir, die mich zur Welt gebracht, Auch nun die Wiege bauen.
Um meine Wiege lass Seide nicht, Lass deinen Arm sich schlingen, Und nur deiner milden Augen Licht Lass zu mir niederdringen.
Und in deines keuschen Schosses Hut Sollst du deine Kindlein schaukeln, Dass deine Kinder, so lieb, so gut, Wie Tr?ume mich umgaukeln.
Da tr?umt mir, wie ich so ganz allein Gewohnt dir unterm Herzen; Da waren die Freuden, die Leiden dein Mir Freuden auch und Schmerzen.
Und ward dir dein Herz ja allzu gross, Und hattest nicht, wem klagen, Und weintest du still in deinen Schoss, Half ich dein Herz dir tragen.
Da rief ich: Komm, lieb Mutter, komm! K?hl dich in Liebeswogen! Da f?hltest du dich so still, so fromm In dich hinabgezogen.
So mutterselig ganz allein In deiner Lust berauschet, Hab ich die klare Seele dein, Du reines Herz, belauschet.
Was heilig in dir zu aller Stund, Das bin ich all gewesen; Nun k?ss mich, s?sser Mund, gesund, Weil du an mir genesen.
O selig, selig ohne Schuld, Wie konnt ich mit dir beten; O wunderbare Ungeduld, Ans scharfe Licht zu treten!
O Mutter, halte dein Kindlein warm, Die Welt ist kalt und helle, Und trag es fromm, bist du zu arm, Hin an des Grabes Schwelle.
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