Read Ebook: Aus halbvergessenem Lande. Culturbilder aus Dalmatien by Schiff Theodor
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Ebook has 570 lines and 50630 words, and 12 pages
In dem Hause eines solchen Conte war es, wo ich der alten Zanetta gegen?ber sass, die spinnend und kopfnickend mir ihre Erinnerungen erz?hlte. Da war sie als dreizehnj?hriges Kind in die Familie gekommen, in der sie jetzt als dreiundachtzigj?hrige Greisin das Gnadenbrod ass. Ihren Herrn, den Conte Anastasio, der vor einem Jahre als siebzigj?hriger Greis gestorben, hatte sie damals auf den Armen getragen, -- dessen Mutter, die Contessa Nene, war damals eben erst seit zwei Jahren verheiratet gewesen und trotz ihrer Jugend eine gar strenge Frau. >>Ja, ja, damals hatten die Diener noch Respect vor dem Herrn und der Frau, und wenn sie pfeifen h?rten , da st?rzten sie Alle holterpolter in's Zimmer, -- nicht wie jetzt, wo die Magd hereinschleicht, als ob sie der Frau damit eine Gnade erwiese.<<
Anna.
>>Damals,<< so erz?hlte Zanetta, w?hrend sich ihre bleichen runzlichten Wangen in Erinnerung an die vergangene Herrlichkeit r?theten, >>damals konnte der Herr noch den Diener strafen, ohne dass irgend ein Pr?tor oder sonst ein Beamter sich unberufenerweise hineinmischte. Wenn das heute geschehen w?re, dass man der seligen Lustrissima ihr ganzes Silbergeschirr stahl, wie es bald vor siebzig Jahren geschehen, wer weiss, ob nicht der Joso, der Lump, noch frei ausgegangen w?re, aber so hat er es bitter genug b?ssen m?ssen, -- unser Herrgott habe seine Seele gn?dig.<< -- Und Signora Zanetta faltete die H?nde und schien ein Gebet f?r den >>Joso<< zu murmeln, so dass ich sie, so lange sie in ihrer Andacht versunken war, nicht unterbrechen wollte.
Altvenetianischer Ausdruck, ungef?hr so viel als >>gn?dige Frau<<.
Josef.
>>Und wie war denn die Geschichte, Signora Zanetta, mit dem Joso und dem Silbergeschirr und der Lustrissima?<<
Nicolaus.
>>Also, die Lustrissima lag in ihrem ersten Kindbett mit dem kleinen Conte Anastasio, den Sie ja selbst noch gekannt haben und der erst im vorigen Jahre gestorben, und weil es schon gegen zw?lf Uhr Mittags war, um welche Zeit gew?hnlich die anderen Frauen zur Lustrissima zu Besuche kamen, so hatte ich den kleinen Conte Anastasio, der eingeschlafen war, in seine sch?ne Wiege gelegt und putzte ein wenig den Staub von den M?beln des ersten vor dem Schlafzimmer der Lustrissima befindlichen Zimmers. Da ruft die Lustrissima und sagt: >>Zanetta, mir kommt vor, als ob ich einen Geruch von Zwiebel versp?rte, -- war gewiss der Joso draussen im anderen Zimmer?<< Der Joso, m?ssen Sie wissen, ass sehr gerne frische Zwiebel und roch auch gew?hnlich danach. Sag' ich, nein, Lustrissima, der Joso ist noch nicht zum Essen gekommen und in der K?che draussen wird ihm die Minestra kalt. Sagt die Lustrissima: >>Ich weiss nicht, aber die ganze verflossene Nacht tr?umte mir von Melonen, die mir der Joso brachte, das bedeutet einen Diebstahl. Nimm hier die Schl?ssel und sieh in der schwarzen Truhe nach, die draussen steht, ob alles Silberzeug da ist.<< Sage ich: Ja, Lustrissima! nehme den Schl?ssel und will die Truhe aufsperren, da fehlt aber etwas im Schloss und ich kann nicht damit zu Stande kommen. Unterdessen kommt der Conte Nico nach Hause, der l?sst den Schlosser holen, und wie der Deckel endlich aufspringt, ist die Kiste leer. Ja, -- von Melonen tr?umen bedeutet immer Diebe im Hause.<<
>>Der Conte Nico -- Gott hab' ihn selig! -- l?uft selbst gleich zum Municipium und es werden alle Rondari avisirt und die Truhen von uns Dienstleuten wurden alle durchsucht, aber es fand sich nichts und die Rondari konnten auch keinem Diebe auf die Spur kommen. Da liess der Conte Nico alle Dienstleute in's Zimmer kommen und wir mussten niederknien und er machte alle Fenster auf. Einer nach dem Andern mussten wir bei offenem Fenster schw?ren, dass wir es nicht gethan h?tten, -- und schliesslich sprach Niemand mehr davon.<<
Eine Art Stadtwache.
>>Die Lustrissima aber hatte sich das sch?ne Silberzeug zu Herzen genommen, wurde schwer krank und lag durch drei Monate im Bette, obwohl man ihr nach und nach mindestens hundertundf?nfzig Blutegel setzte und der alte Doctor R., der Grossvater des jetzigen Doctor R., ihr viele Male zu Ader liess. Wie es ihr schon besser geht, -- aber noch sehr schwach war sie, -- kommen eines Morgens unsere beiden Knechte, die im Hause wohnen, vom Feld herein und mit ihnen drei Rondari. Die tragen etwas in einer Torba und wollen mit der Lustrissima sprechen. Der Conte Nico war schon zeitlich Fr?h nach Castelli geritten und weil die Lustrissima noch so schwach war, so hatte ich gerade ein sch?nes St?ckchen Sch?psenfleisch f?r sie gebraten, das ich ihr mit einem Glase Vugava hineintragen wollte. Wie die Rondari und die Knechte aber h?ren, dass der Conte Nico nicht zu Hause sei, liessen sie sich schon gar nicht mehr halten und sagten, wenn ich sie nicht hineinf?hre zur Lustrissima, so w?rden sie ohne mich zu ihr in's Zimmer gehen; sie h?tten etwas, das die Lustrissima zum Lachen bringen w?rde, und das th?te ihr gewiss besser als alle Medicinen und Blutegel des Doctors.<<
Schnappsack von Schafwolle.
Ein s?sser Wein, der ausschliesslich auf der Insel Brazza w?chst.
>>Die Lustrissima hatte uns sprechen geh?rt und rief mir zu, dass ich die Leute nur hineinf?hren m?chte zu ihr. Wie nun die Knechte in's Zimmer treten, bemerke ich, dass der Eine, der Ive, den Griff seines Handjars und auch seine H?nde ganz mit Blut beschmutzt hatte, aber ich erschrak nicht, weil ich glaubte, er h?tte vielleicht einen Hammel geschlachtet oder sonst etwas. Da traten die F?nfe hin vor das Bett der Lustrissima, und der Ive, der immer gut sprechen konnte, sagt zu ihr: >>Gospoja, willst Du wissen, wo Dein Silberzeug ist?<< Sagt die Lustrissima: >>Freilich m?chte ich's gerne wissen, aber ich f?rchte, das ist schon lange in der T?rkei.<< Sagt der Ive: >>Schau, Gospoja, kennst Du das?<< und zog unter der Jacke die grosse silberne Spuckschale hervor, die noch heute dr?ben beim anderen Silberzeug steht. Dann griffen die Anderen in ihre Jacken und G?rtel, und nach und nach lag das ganze gestohlene Silberzeug auf dem Bette der Lustrissima zu ihren F?ssen.<<
Johann.
Frau oder Herrin.
>>Wie das aber Alles ausgebreitet lag, sagt der Ive: >>Weisst Du noch, Gospoja, wie wir alle haben bei offenem Fenster schw?ren m?ssen? Ich habe damals gar gut gesehen, wer blass geworden ist, als der Conte Nico die Fenster aufmachte. Darum habe ich seit der Zeit dem Joso aufgepasst, und jede Nacht ging ich um Lovrett herum seit dieser Zeit, bis ich einmal ein Licht sah unter den Feigenb?umen vor dem Hause. Da wusste ich, dass ein Schatz in der Erde sein musste, denn das Licht verschwand, sobald ich n?her kam. Und als ich heute Nacht wieder um Lovrett herumschlich, da sah ich den Joso mit der Schaufel aus dem Hause treten und gegen die Feigenb?ume gehen. Da rief ich schnell meinen Kameraden und auch die drei Rondari, die wir begegneten, und als wir nach Lovrett kamen, da hatte gerade der Joso das ganze Silber ausgegraben und wollte es in's Haus tragen. Wir aber fielen ?ber ihn her und nahmen es ihm weg. Hier hast Du Dein Silber, Gospoja, und da ist noch etwas.<< Und wie der Ive das gesagt hatte, griff er in die Torba und zog den Kopf des Joso hervor, den sie ihm abgeschnitten hatten -- --<<
>>Und wann ist die Lustrissima gestorben?<< fragte ich.
>>Schon vor zw?lf Jahren,<< sagte Signora Zanetta, indem sie die Spindel zur Erde gleiten liess, and?chtig die H?nde faltete und f?r die Lustrissima zu beten schien.
Die Signora Zanetta erz?hlte mir diese Geschichte genau an dem Tage, als die Schlacht bei Sedan geschlagen wurde, und lebt noch zur Stunde, in der ich dieses schreibe.
Arme Seelen als Schiffsrheder.
Was die Dalmatiner von uns Deutschen sagen und wie sie von uns denken, das l?sst sich nicht in wenigen Worten wiedergeben, haupts?chlich schon aus dem Grunde nicht, weil unter dem Worte >>Dalmatiner<< zwei ganz verschiedene Nationalit?ten zu verstehen sind, die einander in der Sprache gar nicht gleichen, w?hrend ihre Sitten nur Weniges mit einander gemein haben. In den K?stenst?dten Nord- und Mittel-Dalmatiens, in Zara, Sebenico, Spalato, Almissa und Makarska ist die sogenannte bessere Classe, zu welcher s?mmtliche >>Conti<<, die besser gestellte Mittelclasse und verh?ltnissm?ssig nur wenige Gewerbetreibende geh?ren, gr?sstentheils italienischer Herkunft; man spricht in der Familie italienisch mit venetianischem Dialekt und hat venetianische Sitten und Gebr?uche mit einer merkw?rdigen Z?higkeit bis auf den heutigen Tag festgehalten. Im Inneren des Landes hingegen, sowie in den s?dlicher gelegenen St?dten Ragusa, Cattaro, Castelnuovo, dann auf den Inseln, herrschen slavische Sprache, Sitten, Gebr?uche und Familien-Namen vor. Die Bewohner des inneren Gebirgslandes sind ausschliesslich Slaven.
Im Allgemeinen wird das Cultur-Element durch den italienisch sprechenden Theil der Bev?lkerung vertreten, w?hrend sich die Dalmatiner Slaven -- mit alleiniger Ausnahme der Bev?lkerung von Ragusa -- noch in einem wenig beneidenswerthen Urzustande befinden. Ich weiss zwar nicht, ob ich es als eine f?r uns Deutsche besch?mende Thatsache erkl?ren soll, aber es steht fest, dass die Dalmatiner Slaven von dem Daheim der Deutschen kaum mehr wissen als vielleicht die Unterthanen Seiner Majest?t des Schah's von Persien. Allenfalls h?rt man von einem Morlaken hin und wieder Bec erw?hnen, wobei ?brigens die Frage nicht selten ist, welche Sprache denn in >>Bec<< gesprochen werde. Dar?ber hinaus gehen aber die ethnografischen und geografischen Begriffe eines Dalmatiner Bauers wohl selten.
Anders verh?lt es sich mit den >>gebildeten<<, italienisch sprechenden Dalmatinern. Diese haben noch von ihren Vorfahren oder Zwingherren, den alten Venetianern, die ganze Verachtung f?r die deutschen Barbaren und vielleicht von den modernen Italienern die Unkenntniss der Geografie ?bernommen, die sie auch je nach den Abstufungen ihrer bessern oder minder guten Erziehung ziemlich unverh?llt zur Schau tragen. Deutsche Beamte sind in Dalmatien sehr selten, die Chefs der Landes-Regierung sind und waren seit vielen Jahren der Milit?rgrenze oder sonst dem croatischen Stamme entnommen, die Officiere der in Dalmatien liegenden Truppen schliessen sich von dem Verkehr mit den Familien ab oder werden vielmehr zu demselben gar nicht zugelassen: da ist es nat?rlich, dass man mit dem Ausdrucke >>Deutsch<< nur einen sehr unbestimmten Begriff verbindet, und es ist mir mehr als einmal vorgekommen, dass in einer der abendlichen >>Conversazioni<< von einem >>Deutschen aus Ungarn<< oder einer >>Deutschen aus B?hmen<< die Rede war, worunter man ungarisch oder czechisch sprechende Leute verstand.
Aber nicht nur Barbaren sind wir Deutsche f?r die echten Dalmatiner, sondern auch Ketzer. -- Ketzer ohne alle Ausnahme. Daher erkl?rt sich auch das mit einem guten Theil Misstrauen gemischte und etwas zugekn?pfte Benehmen, mit welchem der Deutsche in Dalmatien von dem Eingebornen italienischer Nationalit?t empfangen und im Umgange behandelt wird.
Man hat viel von den verrotteten, abergl?ubischen Ansichten der Tiroler gesprochen und als Entschuldigungs- oder Erkl?rungsgrund den Wall himmelanst?rmender Berge angef?hrt, der Tirol bis vor Kurzem von dem Verkehre mit der Aussenwelt so ziemlich abgeschlossen hielt. Bei den Dalmatinern mag eine ?hnliche Ursache die ?hnliche Wirkung hervorgebracht haben. Dalmatien liegt eben ausser dem Wege des V?lkerverkehrs und die befruchtenden Ideen der Neuzeit haben dort kaum einen schwachen Widerhall gefunden in seinen Bergen, in den dumpfen H?usern seiner alterth?mlichen St?dte und an seinen einsamen K?sten.
Wer in Spalato w?hrend der Sommer-Monate Luft schnappen will, der muss zeitlich aufstehen. Das ist nicht fig?rlich zu nehmen, sondern w?rtlich. Die Tage sind gl?hend, die N?chte heiss, -- aber in den Morgenstunden, allenfalls von vier bis sechs Uhr, da liegt ein pr?chtiger satter Schatten ?ber der breiten Marine, dem sch?nen Spaziergange, der sich zwischen den dem Hafen zugewendeten H?usern der Stadt Spalato und dem Meeresufer hinzieht. Das Meer dehnt sich still und gl?nzend aus bis zu den noch im Schatten liegenden Inseln Brazza und Solta, die Barken am Ufer heben und senken sich in feierlich rhythmischer Bewegung, der feine blaugraue Duft, den man nur am Seegestade findet, mengt sich am weiten Horizont mit den violetten und hellrothen Farben des Himmels, sch?ne M?ven tauchen abwechselnd in die rosige Himmelsgluth und den silbergl?nzenden Spiegel des Meeres. Weit draussen kommen vielleicht ein Paar Fischerboote heran mit braunrothen lateinischen Segeln, und dann blitzt pl?tzlich der erste Morgensonnenstrahl ?ber Segel, Inseln, M?ven und Meeresspiegel. Dann kriechen wohl einzelne Matrosen aus den Lucken ihrer Fahrzeuge, in denen sie geschlafen, und machen ihre Morgen-Toilette im Meerwasser; Weiber mit grossen K?rben auf dem Kopfe bringen Milch und Gem?se zu Markte, im nahen Franziskaner-Kloster l?utet es zur Fr?hmesse, -- aber der echte Spalatiner, besonders wenn er ein Conte ist, schl?ft noch, -- l?sst sich von den M?cken stechen, deren es in den engen Gassen und H?usern Millionen gibt, und schwitzt seine Morgentr?ume.
Der alte Conte Lole war zwar ein echter Spalatiner, aber heute wich er ab von der Sitte seiner V?ter und war schon um f?nf Uhr auf der Marine. Er schien auf etwas oder auf Jemanden zu warten, denn er pflanzte sich, so lang er war, mitten hin vor das kleine Sanit?tsgeb?ude und musterte, die Hand als Schutz gegen die eben aufgehende Sonne ?ber die Augen haltend, die am Ufer verankerten Barken. Meinen Gruss erwiderte er als jenen eines alten Bekannten ziemlich fl?chtig, freute sich aber doch, wie er sagte, mich so fr?h auf und wohl zu sehen. >>Der Ante Placibat,<< hub er an, immer noch mit der Hand ?ber den Augen, >>der Ante Placibat ist ein Faulpelz, -- ich sehe weder ihn noch die Colombina. Und doch sollte er schon heute Fr?h von der Brazza gekommen sein, um gleich wieder nach Zara abzufahren. Ich bin nur seinetwegen am diese Stunde aufgestanden, um ihm Einiges mitzugeben f?r meinen Bruder, den Conte Duje. Auch weiss er recht gut, dass der Don Beppo eigens seinetwegen heute schon um sechs Uhr in unserer Capelle Messe liest f?r eine gl?ckliche Fahrt. Ich m?chte Nichts sagen, wenn ihm die Messe nichts gelten w?rde, aber heute sind gerade zwei von den Knechten auf dem Felde, da ist nur die Magd und der eine Knecht bei der Messe und so kann der Kerl als Dritter zu einer giltigen heiligen Messe kommen, weil ich ihn f?r einen meiner Diener ausgeben kann. Er verdient's aber nicht, der ......!<<
Lorenzo.
Abk?rzung f?r Doimo, den Namen des Schutzheiligen von Dalmatien.
Mir war die ganze Geschichte einigermassen unverst?ndlich. Wer ist Ante Placibat und wer die Colombina? Was ist das f?r eine Messe, die nur f?r drei Dienstboten gilt, und wem gegen?ber will Conte Lole den Ante Placibat, der doch sein Knecht nicht zu sein scheint, f?r einen solchen ausgeben?
Ich erbat mir von Conte Lole eine diesbez?gliche Erkl?rung, aber in demselben Augenblicke kam ein Mann auf uns zu, der offenbar der ersehnte Ante Placibat sein musste, denn er gr?sste schon von Weitem und Conte Lole rief ihm in halb scherzhaftem, halb ?rgerlichem Tone einige Fl?che in illirischer Sprache zu. Der Mann trug ein Paar weite Beinkleider von Segeltuch, die mit einer rothen Sch?rpe um die H?ften befestigt waren, eine braune, vorne offene Jacke und einen breitr?ndigen Strohhut. Sein Anzug und die hellgrauen zusammengekniffenen Augen zeigten deutlich den Seemann. Der Conte Lole, sagte er, m?ge sich nur nicht ereifern. Die Colombina sei bereits um drei Uhr Fr?h angekommen und vollkommen klar zur Abreise. Wenn der Conte Lole ein wenig weiter gegen das Zollamt gehen wolle, so k?nne er sie hinter dem grossen Trabakel des Padron Ivicich liegen sehen. Auch habe er bereits einen Matrosen mit dem Mozzo in das Haus des Conte Lole gesendet, um mitzunehmen, was mitzunehmen w?re. Und wenn der Conte Lole und ich es erlauben, so lade er uns ein, unterdessen, bis die Leute zur?ckk?men, mit ihm einen schwarzen Kaffee zu trinken, der im Kaffeehause Troccoli ganz vorz?glich w?re. Und dabei machte er eine tiefe Verbeugung vor uns Beiden. Aber der Conte Lole wollte von allen dem nichts wissen, sondern trieb den Ante Placibat an, dass er jetzt gleich mit ihm nach Hause und zur Messe k?me. Auch mir, sagte er, k?nne es nicht schaden, und wenn ich ihn begleiten wolle, so erweise ich ihm eine Ehre, obwohl die Messe f?r mich nicht giltig sei, denn ich w?re +ein Fremder+.
Ein grosses K?stenfahrzeug.
Schiffsjunge.
Dass die >>Colombina<< eine K?stenbarke und Ante Placibat deren Commandant ihr Padron war, das hatte ich jetzt gl?cklich erfahren, aber welches Bewandtniss es mit der >>giltigen<< Messe habe, die f?r mich +nicht+ galt, blieb mir immer noch ein Geheimniss, das mir der Ergr?ndung werth schien. Ich nahm deshalb die Einladung des Conte an und begleitete ihn durch die noch wenig belebten Gassen der Stadt, w?hrend Ante Placibat sich respectvoll immer einen halben Schritt hinter uns hielt.
Spalato ist nicht gross und um es in gerader Linie nach irgend einer Richtung zu durchmessen, ben?thigt man kaum mehr als zehn Minuten. Beil?ufig so lange brauchten wir auch, um zu dem Hause des Conte zu gelangen, das, wie er mir unterwegs erz?hlte, bereits seit zweihundert Jahren seiner Familie geh?rte. Der Zugang zu demselben war nicht vielverheissend, da wir uns durch ein Gewirr der engsten und finstersten G?sschen durchwinden mussten, bis wir endlich durch einen m?chtigen, wahrscheinlich noch von dem Palaste Diocletian's herstammenden Schwibbogen tretend, uns der Behausung des Conte gegen?ber befanden.
Ein alterth?mliches, roh in Stein gehauenes und mit grellen Farben ?berklextes Wappen prangte ?ber dem hohen, aber schmalen Thore. Die weite, beinahe vollkommen finstere Vorhalle, die uns nun empfing, entsandte einen eigenth?mlich muffigen, mit mephitischen D?nsten gemischten Duft, was auch der Conte zu bemerken schien, denn er murmelte, w?hrend wir die Stiege hinaufschritten, etwas ?ber die Nachl?ssigkeit eines gewissen Sime, der des Abends das Thor nicht rechtzeitig schliesse und dadurch die Schuld trage, dass sich die ganze Nachbarschaft des Hauseinganges wie eines Anstandsortes bediene. Im ersten Stocke angekommen, traten wir in eine Vorhalle, von der zwei Th?ren, wie es schien, in die Wohnzimmer und eine kleinere dritte in die Capelle f?hrte. Der Conte ?ffnete die Th?re.
Simeon.
Eine merkw?rdigere Capelle und eine sonderbarere Versammlung von And?chtigen ist mir wohl niemals vorgekommen. Vor Allem trat uns eine grosse, magere, streng und sauber aussehende Dame in einfachem Hauskleide entgegen, welche durch die nichts weniger als artige Strafpredigt, die sie wegen zu langem Ausbleiben an den Conte richtete, sich als die Contessa kundgab. Als sie meiner ansichtig wurde, verstummte sie, ohne ?brigens im Geringsten verlegen zu werden, und erwiderte meinen Gruss ziemlich gemessen, indem sie mir zugleich den Eintritt freigab. Der Th?r gegen?ber, die in ein schmales, beil?ufig vier Klafter langes Gemach f?hrte, stand ein Altar auf rohen, aus Sandstein gemeisselten S?ulen. Ober demselben prangte ein aus Holz geschnitzter Heiliger und ?ber demselben ein vergoldetes Osterlamm. Zwei Reihen schmaler Betschemel, die kaum f?r je zwei Personen Platz boten, liessen einen Gang frei bis zum Altare. Uralte Heiligenbilder, alte Str?usse von k?nstlichen Blumen und einige Kupferstiche hingen an den W?nden. Auf den Knieb?nken der Betst?hle sassen vier junge Damen mit gl?nzenden Augen, h?chst derouter Toilette und ungek?mmten, aber prachtvoll langen, dunkelschimmernden Haaren; sie kehrten dem Altar den R?cken und schienen sich in zwanglosem Geplauder zu unterhalten. Das waren die jungen Contessen. Ein beil?ufig achtzehnj?hriger Bursche, der junge Conte, lehnte an der Th?re und sprach mit einem sehr beh?big aussehenden kugelrunden geistlichen Herrn; ein Morlake und eine st?dtisch gekleidete h?chst schlumpig aussehende Magd standen in der einen Ecke. Das war die Versammlung, welche den Conte Lole und mit ihm den Anfang der Messe erwartete.
Bei unserem Eintritte kam etwas Leben in die Versammlung. Der geistliche Herr legte mit Hilfe des Hausherrn die Messgew?nder an, die jungen Damen trachteten die M?ngel ihrer Morgen-Toilette so gut und so schnell als m?glich zu verdecken, m?nniglich setzte sich in and?chtige Positur und die Messe ward ohne weitere St?rung gelesen, nur dass die Contessa hin und wieder giftige Blicke auf Conte Lole schoss und etwas brummte, was eben kein Gebet sein mochte.
Als die Messe beendet und der Segen gegeben war, wurde der beh?bige geistliche Herr in die Wohnung der Familie escortirt, um dort seinen Morgenkaffee einzunehmen. Ich aber verabschiedete mich von der gestrengen alten Contessa, sowie den derouten jungen Contessen und gab in Gesellschaft des Conte Lole dem Ante Placibat das Geleite gegen die Marine.
Das war mir doch zu stark. Da stand ich trotz aller Erkl?rung wieder vor dem ungel?sten R?thsel, das ich doch ergr?nden wollte.
>>Entschuldigen Sie, Conte Lole, wie verstehen Sie das von dem Gelten der Messe?<<
Der Conte streifte mich mit einem misstrauischen Seitenblick, als ob er nicht recht im Klaren sei, ob ich denn nicht doch ein Ketzer und daher der n?thigen Vorbildung zum Verst?ndniss seiner Erkl?rung bar sei. >>Gelten heisst gelten,<< sagte er tiefsinnig, >>wenn Sie zum Beispiel Sonntags in meiner Capelle die Messe h?ren, so haben sie keine Messe geh?rt, wenn aber ich oder ein Mitglied meiner Familie in derselben die Messe h?ren, dann haben wir sie geh?rt. Das Gleiche gilt f?r drei meiner Dienstleute.<<
>>Wenn aber vier von Ihren Dienstleuten der Messe beiwohnen, f?r welchen von den Vieren gilt dann die Messe nicht, Conte Lole?<<
>>Das Wunder ist wohl schon sehr alt?<< wagte ich zu fragen.
>>Nein, es geschah vor f?nfzig Jahren. Mein j?ngerer Bruder Conte Zandume war mit einem k?rzeren Fuss geboren und hinkte. So lange er klein war, wurde das weniger beachtet; die Aerzte sagten, es g?be kein Mittel dagegen und seine Pesterna, die eine Morlakin aus Imoschi war, zog ihn nur alle Abend t?chtig bei dem k?rzeren Fuss, dass er schrie, aber das half nichts. So war er zwanzig Jahre alt geworden. Da verlobte ich ihn zu einer Wallfahrt in die Capelle des San Dojmo bei Duimovaz. Es war am 7. Mai, dem Tage des San Dojmo, und wir hatten uns etwas versp?tet. Darum war es schon t?chtig heiss, als wir in die Gegend von Duimovaz kamen und auf dem ganzen Wege hindurch predigte ich in einemfort dem Zandume, er solle nur festen Glauben hegen, dann werde Alles gut werden. Fede, Zandume, fede! rief ich immer, aber der Zandume war schon m?de, weil er hinkte, und sagte nur: >>Ja, Lole!<< Endlich kamen wir zur Capelle selbst. Viele Kerzen brannten drinnen und vor denselben lag eine Menge Morlaken, Weiber wie M?nner und sonst ordin?res Volk auf den Knien. Ich schob sie aber zur Seite, packte meinen Bruder beim Arm, schob ihn voraus und rief in der h?chsten Aufregung >>Fede, Zandume! fede, fede, Zandume, fede!<< -- -- -- >>Da war das Wunder geschehen.<<
Johann Doimo.
Kindsm?dchen.
Glaube oder Vertrauen.
>>Konnte er jetzt gerade gehen?<< fragte ich.
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