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Read Ebook: Mitteilungen aus dem germanischen Nationalmuseum. Jahrgang 1896 by Germanisches Nationalmuseum N Rnberg

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Ebook has 403 lines and 72780 words, and 9 pages

Zu Baldungs >>Madonna mit der Meerkatze<<.

Herr Dr. Stiassny hatte die Liebensw?rdigkeit mich darauf aufmerksam zu machen, dass das neue Bild des germanischen Museums, welches ich im letzten Hefte des vorigen Jahrgangs Hans Baldung zuwies, bereits in der Litteratur erw?hnt ist. Es ist dies von Seiten Scheiblers und Stiassnys geschehen, aber allerdings in so wenig detaillierenden Ausdr?cken, dass eine Identifikation unm?glich war, zumal in Anbetracht der unz?hligen Bilder einer >>Madonna mit Kind aus der ersten H?lfte des 16. Jahrhunderts<<. Ich hatte mir allerdings schon l?ngere Zeit diese >>Madonna bei Postrat Beisch in Stuttgart<< auf Grund dieser Zitate notiert, aber da von Seiten des Verk?ufers s. Zt. keine Angaben gemacht wurden, so war die Identit?t der Beisch'schen Madonna mit unserem Bilde in der That absolut unersichtlich. Ich habe nun unser Bild vor ganz kurzer Zeit nochmals mit Hauptwerken des Meisters in Freiburg und Frankfurt verglichen, ferner mit den Handzeichnungen, Stichen und Holzschnitten und muss auf meiner Ansicht beharren: das Bild ist meines Erachtens sicher in Baldungs Atelier entstanden und h?chstwahrscheinlich ein Werk seiner eigenen Hand.

Der Meister der n?rnberger Madonna.

Treten wir vor ein bedeutendes Kunstwerk, so ist eine der ersten Fragen, die sich uns aufdr?ngen, wer hat es gemacht. Die Frage ist begreiflich und gerechtfertigt, nicht nur vom Standpunkte des Historikers aus, sondern f?r jeden verst?ndnisvollen Beschauer. Was uns interessiert, was uns anzieht oder abst?sst, ist nicht nur das Kunstwerk als solches, sondern auch die Individualit?t des K?nstlers, welche aus ihm spricht. So viele Irrt?mer unvermeidlich unterlaufen, wenn K?nstlernamen einzig aus stilistischen Kriterien bestimmt werden, man wird da, wo schriftliche Nachrichten oder gute Traditionen fehlen, immer wieder auf diese Bestimmungsweise gef?hrt werden.

Unter den plastischen Werken der beginnenden deutschen Renaissance wird die n?rnberger Madonna stets in erster Linie genannt. Vielfach wird sie als das bedeutendste Werk der deutschen Plastik des fr?hen 16. Jahrhunderts bezeichnet, oft ist sie besprochen, in Abg?ssen und Abbildungen ist sie allgemein verbreitet und bewundert.

Die Bezeichnung eines Kunstwerkes als bedeutendstes ist stets eine relative, insbesondere besteht zwischen Kunstwerken, bei welchen in erster Linie der intensive Ausdruck der Empfindung angestrebt wird und solchen, welche mehr die formal harmonische Sch?nheit der Erscheinung betonen, eine ?sthetische Antinomie. Erstere haben eine h?here individuelle, letztere eine mehr typische Bedeutung, und unvermeidlich muss bei ihnen der Ausdruck der Gem?tsbewegungen um einige Grade herabgestimmt werden. Und doch k?nnen zwei Werke dieser beiden Gattungen die gleiche Vollendung besitzen und bez?glich der Gattungen selbst sind wir nicht berechtigt, die eine der anderen ?berzuordnen. Wohl aber sind wir dar?ber klar, dass erstere mehr dem malerischen, letztere mehr dem plastischen Ideal entspricht. Die n?rnberger Madonna, welche wohl mit Recht als Teil einer Kreuzigungsgruppe betrachtet wird, geh?rt zu letzterer Gattung. Die Figur ist das Werk eines grossen K?nstlers, welcher an formaler Begabung, an reinem Sch?nheitssinn alle seine Zeitgenossen ?berragt. Eine so ungew?hnliche Sicherheit des plastischen K?nnens ist Niemanden angeboren, sie wird nur allm?hlig in ernster Arbeit erworben. Es ist ganz ausgeschlossen, dass der Meister nur diese eine oder nur wenige Arbeiten geschaffen habe. Solche sind aber bis jetzt nicht bekannt geworden. Ob ihm die Piet? in der S. Jakobskirche in N?rnberg zugewiesen werden darf, ist zum mindesten fraglich.

Dass aber das ganze Werk eines so grossen Meisters bis auf eine Figur zu Grunde gegangen sei, ist h?chst unwahrscheinlich.

Halten wir daran fest, dass die Figur eine n?rnberger Arbeit ist, und es ist kein ausreichender Grund vorhanden, sie einer anderen oberdeutschen Schule zuzuweisen, so ist l?ngst erkannt, dass sie weder von Veit Stoss, noch von Adam Kraft sein kann. Beide K?nstler halten an dem sp?tgotischen, plastisch malerischen Stile des 15. Jahrhunderts fest, ihre Arbeiten sind von starker und tiefer Empfindung durchweht, welche selbst vor gewaltsamen Stellungen nicht zur?ckschreckt. Von einer Zuweisung der Madonna an einen von ihnen kann keine Rede sein. Anders stellt sich ein Vergleich mit den Arbeiten Peter Vischers, ein Vergleich, der bis jetzt nicht angestellt wurde. Peter Vischer ist seit den grossen Meistern des 13. Jahrhunderts der erste deutsche Bildhauer, in dem die strengsten Stilgesetze der Plastik lebendig sind. Es ist etwas Objektives in seiner Kunst, seine Figuren haben gattungsm?ssige, typische Bedeutung. Gegen?ber den scharf individualisierten Pers?nlichkeiten Krafts oder gar D?rers haben seine Menschen etwas Allgemeines. Er individualisiert nicht mehr, als sich mit der harmonisch linearen Sch?nheit der Gesamterscheinung vereinigen l?sst, auf welche sein Absehen in erster Linie gerichtet ist. Demgem?ss sind auch die Bewegungen massvoll und die Gewandung ist von klassischer Einfachheit, die K?rperform mehr hebend als verh?llend. Von den untersetzten Verh?ltnissen der Apostelfiguren am Grabmale des Erzbischofs Ernst von Magdeburg geht er sp?ter zu schlanken Proportionen ?ber. Die Apostel am Sebaldusgrab haben sieben und mehr Kopfl?ngen.

Die charakteristischen Merkmale von Peter Vischers statuarischen Arbeiten, namentlich von den Aposteln des Sebaldusgrabes finden sich wieder an der N?rnberger Madonna. Die plastischen Motive und der Fluss der Linien sind von einer Harmonie und Klarheit, wie sie die deutsche Schnitzkunst vorher nie erreicht hatte. Das Bewegungsmotiv ist von oben bis unten einheitlich durchgef?hrt, hier st?ren keine Verrenkungen und H?rten wie bei anderen Schnitzwerken der gleichen Zeit. Eine milde Stimmung beherrscht das ganze Werk.

Nun sind diese ?bereinstimmenden Momente an und f?r sich noch kein Beweis f?r Vischers Autorschaft, sie gewinnen aber dadurch erheblich an Gewicht, dass Vischer mit seiner plastischen Auffassung in seiner Zeit ganz allein steht. Beobachtungen von Einzelheiten kommen hinzu. Vischer liebt in der Gewandbehandlung lang gezogene Falten, der Fall der Obergew?nder ist breit, zuweilen etwas schwer. Auch an der Madonna ist der Faltenwurf ?hnlich behandelt. Man vergleiche den Fall des Mantels in beistehender Skizze mit dem der Schwester des Lazarus vom Epithaph der Margareta Tucher. Von der Knitterigkeit, von den barock gebauschten R?ndern der Gew?nder, wie sie noch Veit Stoss liebt, ist hier keine Spur mehr zu sehen. Auch die Behandlung der H?nde und das rund vorspringende Kinn hat in anderen Werken Vischers seine Analoga.

Endlich aber ist die Figur -- worauf schon Dr. Stegmann aufmerksam gemacht hat -- ?berhaupt nicht im Holzstil, sondern im Metallstil gedacht und ausgef?hrt.

Die unruhigen, knitterigen und gebauschten Falten der Holzfiguren zielen auf eine malerische Wirkung ab, welche Polychromie und Vergoldung zur Voraussetzung hat; bei unserer Figur ist eine Steigerung der Wirkung durch farbige Behandlung kaum denkbar. Schon die Verteilung von Ober- und Unterkleid ist eine solche, dass durch ein Auseinanderhalten mittels Farbe nur eckige und unsch?ne ?berschneidungen entst?nden, welche der plastischen Erscheinung nicht zum Vorteil gereichen w?rden. Die grossen Fl?chen des Mantels w?rden in anderer als der dermaligen gr?nlichen Farbe eben auch nicht viel anders erscheinen als jetzt.

Wohl aber w?rde die ganze Gewandung bei einer Ausf?hrung in Bronze durch die Glanzlichter auf den H?hen und die dunkeln Schatten in den Tiefen der Falten sehr wesentlich belebt werden.

Es sei noch darauf hingewiesen, dass der gr?nliche Anstrich der Figur nicht modern, sondern alt und mehrmals erneuert ist.

Mit dem Gesagten ist eine ziemliche Wahrscheinlichkeit f?r Peter Vischers Autorschaft gewonnen. Es darf indes nicht verschwiegen werden, dass zur Gewissheit manches fehlt.

Wenn auch Vischer von den kurzen Verh?ltnissen der magdeburger Figuren sp?ter zu schlankern ?bergeht, so ?berschlanke Figuren, wie die n?rnberger Madonna sind von ihm doch nicht bekannt. Und die Ausf?hrung ist sorgf?ltiger, als wir es sonst von Vischer gew?hnt sind.

Man m?chte vielleicht, wenn man die Autorschaft Peter Vischers bezweifelt, an einen seiner S?hne denken, allein solange wir deren k?nstlerische Individualit?t nicht genauer kennen, wird sich auch nicht entscheiden lassen, ob etwa statt des Vaters, einer der S?hne, als Meister der Figur in Frage kommt.

Das Gedenkbuch des Georg Friedrich Bezold, Pfarrers zu Wildenthierbach im Rothenburgischen.

Durch Schenkung seitens des Herrn Direktors von Bezold ist das germanische Museum letzthin in den Besitz einer Handschrift gelangt, die, wie eine kurze Charakterisierung des Inhalts zeigen wird, manchen willkommenen Beitrag zur Kenntnis insbesondere der Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts liefert. Viele Eintragungen freilich k?nnen nur ein beschr?nktes, lokalgeschichtliches Interesse erwecken, andere dagegen verdienen auch in weiteren Kreisen ohne Zweifel Beachtung. Diese Doppelnatur unseres 658 nummerierte Quartseiten z?hlenden Manuskripts erkl?rt sich leicht aus der Lebensstellung und Sinnesart des Sammlers und Schreibers.

Es ist der reichsst?dtisch rothenburgische Pfarrer Georg Friedrich Bezold, welcher den Codex um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, aber gewiss im Laufe mancher Jahre zusammengeschrieben hat. Seine Familie, die seit dem 15. Jahrhundert in Rothenburg nachweisbar ist, geh?rte zu den ratsf?higen Geschlechtern und sein Oheim Georg Christoph Bezold stand noch zu Ende des 17. Jahrhunderts dem Rate der freien Reichsstadt als Consul d. h. B?rgermeister vor. Er selbst aber hatte, wie sein Vater Johann Albert, der Pfarrer an der Kirche zum heiligen Geist gewesen war, die Theologie zum Lebensberuf erw?hlt und die Tochter des Pfarrers Johann Michael Stock zur Frau genommen, dessen Geschlecht bereits seit mehreren Menschenaltern der kleinen evangelischen Gemeinde von Wildenthierbach -- auch einfach Thierbach genannt -- ihre Seelsorger gegeben hatte. 1734 starb der alte Pfarrherr, wie es in den genealogischen Notizen auf S. 67 des Gedenkbuches, aus denen wir unsere Kenntnis sch?pfen, heisst: >>ex improviso bombardae ictu militis W?rzburgensis<<, und im Amte folgte ihm sein Schwiegersohn, der die Pfarrei bis zu seinem im Jahre 1771 erfolgten Tode bekleidet zu haben scheint. Wenigstens folgte ihm, wie eine sp?tere Eintragung a. a. O. ergibt, in diesem Jahre als Pfarrer von Wildenthierbach sein Sohn Ernst Albert Bezold.

Von seinem stillen Erdenwinkel aus hat der Schreiber unserer Handschrift Jahrzehnte lang dem Treiben der Welt zugesehen. An beschaulicher Musse wird es ihm wohl nicht gefehlt haben, sonst w?rde er schwerlich grosse Abschnitte seines Gedenkbuches in zierlicher Druckschrift ausgef?hrt und, wo etwa seine Vorlagen gr?ssere oder kleinere Vignetten und Zierleisten aufwiesen, auch diese mit sorgf?ltiger Feder wiedergegeben haben. Bewunderungsw?rdig ist in der That die Ausdauer und Hingabe, mit der er selbst umf?nglichere Flugschriften bis auf die Form der Buchstaben getreu kopiert hat.

Von ihm selbst r?hrt in dem Codex nur wenig her. Es sind da vor Allem Aufzeichnungen ?ber Wind und Wetter, Beobachtungen, wie sie dem Landgeistlichen besonders nahe liegen mussten, zu nennen. Die Einkleidung ist zuweilen originell genug und verr?t uns bereits die ausgesprochene Vorliebe des Pfarrers f?r absonderliche, >>curieuse<< Gegenst?nde und Geschichten. So z?hlt er auf Seite 85 in seinen >>Anmerkungen ?ber das 1766ste Jahr<< >>der Nachwelt zum unvergesslichen Angedenken<< acht >>Merkw?rdigkeiten<< des Winters 1766 auf 67, die sich alle lediglich auf die Witterung beziehen, auf. Dass er aber zugleich mit feinem Sinn f?r Witz und Humor begabt war, zeigen sogar seine >>Dicta quaedam breviter explicata<< , teils eigene teils fremde Auslegungen von Bibelstellen, in welchen ein schalkhafter Humor nicht selten das theologische Element ?berwiegt. Da notiert er sich beispielsweise:

>>1. Tim. VI, 9: Denn die da reich werden wollen, die fallen in Versuchung und Stricke und in Viele th?rigte und Sch?dliche Begierden, welche die Menschen Versenken ins Verderben und Verdammniss; den der Geitz sey eine Wurtzel alles ?bels, und durchstechen sich selbst mit Vielen todes Schmertzen<<

und bemerkt dazu:

>>Aus diesem Dicto hat eine nachsinnende Feder, Von denen See-W?rmern in Holland und deren Vermuthender ursach folgende courieuxe Observation gezogen: .... Der heil. Geist Brauche durch den Apostel das Wort >>Sch?dliche<<, und dieses Wort heisse nach dem Grund Text , dessen derivation von oder und , noceo, ich schade, DaVon dan herkomme vermis cornua corrodens, ein Wurm der H?rner durchnaget, mit H?rnern armiret. -- Weilen nun in Holland in sonderheit die Geldgierigkeit und Begierde reich zu werden durch die Handlung zu wasser und zu land, wie bekandt herschet, so hat Gott zur straffe, wie sie selbst bekennen, .... diese sch?dliche W?rmer ... gesandt, welche ihre hornharte Pf?hle an den Teichen durch-Brechen und das Land in ?usserste Gefahr der ?berschwemmung und des Verderbens setzen.<<

Man h?rt f?rmlich bei dieser an den Haaren herbeigezogenen, umst?ndlichen Erkl?rung den wackeren Pfarrherrn von Wildenthierbach hinter seinem Buche leise lachen.

Im ?brigen besteht der Inhalt so gut wie ausschliesslich in Abschriften, deren Vorlagen nicht immer leicht festzustellen sind. Es wurde bereits erw?hnt, dass ihm mehrfach Flugbl?tter und Flugschriften als solche gedient haben, die heute teilweise zu den Seltenheiten z?hlen. Vieles auch entnahm er der >>Frankfurter gelehrten Zeitung<<, die er sich gehalten zu haben scheint, oder der >>Erlanger Realzeitung<<, der >>Berliner Zeitung<< etc., anderes ist aus Chroniken zusammengetragen, aus den Werken gleichzeitiger Dichter, wie Gellert, Gleim, Gottsched u. a. abgeschrieben. Es verr?t keinen besonders entwickelten historisch-wissenschaftlichen Sinn, dass Angaben ?ber das Woher den einzelnen Abschnitten und Gedichten nur selten hinzugef?gt sind.

Gleich der erste umf?ngliche Eintrag in sein Gedenkbuch zeigt ihn zwar als guten Rothenburger Patrioten und ?berzeugten, glaubenseifrigen Protestanten, aber als schlechten Historiker, denn zu einer Sammlung von Nachrichten >>von der geseegneten Reformation allhier in Rotenburg h?tten ihm wohl bessere Quellen zu Gebote gestanden als die ziemlich wertlose Kompilation Albrechts aus der er seine Weisheit gesch?pft hat. In einer anderen ?hnlichen >>Sammlung allerhand merkw?rdiger Sachen<<, die sich auf Franken, insbesondere aber wieder auf Rothenburg beziehen , wird ein Lobgedicht auf Rothenburg angef?hrt, welches folgendermassen beginnt:

>>Rotenburg die Edel Ber?hmte Stadt Von Schloss und Burg den Nahmen hat.<<

Ich kenne dies Gedicht auch aus einem dem 16. und 17. Jahrhundert angeh?renden Sammelbande, Ms. 153 fol. der grossherzogl. Hofbibliothek zu Darmstadt, wo es auf Bl. 39 f. jedoch in sehr ver?nderter und bedeutend erweiterter Fassung erscheint und sich f?r ein Werk Hans Sachsens ausgibt, der in den Schlussversen als Dichter genannt wird. . Wenn nun auch das Gedicht in der Form, wie es uns heute vorliegt, alle Zeichen des Apokryphen an sich tr?gt und keine Spur von dem Geist des N?rnberger Dichters erkennen l?sst, so w?re doch immerhin m?glich, dass es in Erinnerung und unter Zugrundelegung eines verloren gegangenen Hans Sachsischen Poems entstanden w?re. Und selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, w?re das in der Darmst?dter Handschrift enthaltene Gedicht als eine fr?he Unterschiebung -- die Hand, welche es schrieb, geh?rt der zweiten H?lfte des 16. Jahrhunderts an -- nicht uninteressant und ein Gegenst?ck zu dem bekannteren Lobspruch auf die Stadt Rostock, der gleichfalls Hans Sachs f?lschlicherweise zugeschrieben ist.

Doch zur?ck zu dem Gedenkbuch des G. F. Bezold! Was dasselbe sonst ?ber Ereignisse und Verh?ltnisse im Rothenburger L?ndchen enth?lt, ist von keinem besonderen Belang. Allenfalls d?rfte die Aufz?hlung s?mtlicher Landpfarrer der Rothenburger Di?cese von den Zeiten der Reformation bis zu Lebzeiten des Schreibers f?r die Rothenburger Lokalgeschichte hin und wieder als Quelle benutzt werden k?nnen. Zuweilen wird auch ein Gelegenheitsgedicht oder ein Spottlied, wie das auf den bestraften Nachtigallenf?nger und deutschen Schulmeister Vester in Rothenburg wiedergegeben, aber von dem eigentlichen Leben und Treiben in und um Rothenburg oder von der Politik der freien Reichsstadt w?hrend des 18. Jahrhunderts erfahren wir nichts. Wir wissen freilich zur Gen?ge aus Bensens vortrefflicher Schilderung , wie traurig es in dieser Beziehung seit lange, ja eigentlich seit dem Ausgang des Mittelalters, um das Rothenburger Gemeinwesen bestellt war, wo sich im Kleinen wiederholt, was zur selben Zeit auch gr?ssere Reichsst?dte allm?hlich in eine ganz unhaltbare Lage geraten liess: r?cksichtslose Interessenpolitik, Protektionswesen und finanzieller Verfall im Innern, kraftlose, feige Nachgiebigkeit nach aussen. Man erinnere sich nur an die Geschichte von dem preussischen Lieutenant Stirzenbecher aus dem Jahre 1762, die Bensen erz?hlt, oder an jene andere Episode von 1800. Siebzehn franz?sische Soldaten waren damals auf einem Beutezuge in die Stadt eingedrungen und verlangten eine Brandschatzung von 40,000 fl. Bereits sassen die ge?ngstigten R?te beieinander, um ?ber die Aufbringung der Summe zu beraten, als eine kleine Anzahl beherzter B?rger, ?ber solche Schmach erbittert, sich erhob und die Franzosen mit Heugabeln aus der Stadt hinaustrieb. Zwei Jahre sp?ter wurde bekanntlich die Stadt vom Reichstage dem Kurf?rsten von Bayern ?bergeben.

Es ist kein Wunder, wenn unter solchen Umst?nden die Blicke der Nachdenklicheren, tiefer Angelegten ?ber die engen Grenzen ihres kleinen in Verfall geratenen Freistaates hin?berschweiften, die grossen Weltereignisse mit Spannung und lebhaftestem Anteil verfolgend, als k?nne fremde Gr?sse ihnen einen Ersatz bieten f?r die ?rmlichkeit der kleinlichen Verh?ltnisse, welche sie umgaben.

Zu starkem eigenen Denken freilich oder auch nur zu ?berlegtem, verstandesm?ssigem Politisieren konnte man sich schwer erheben, und so ist es denn auch hier wieder in erster Linie der Treppenwitz der Weltgeschichte, das Anekdotenhafte und Absonderliche an den grossen Ereignissen und Pers?nlichkeiten der Zeit, das den Schreiber unseres Codex interessiert. Kleine Charakterz?ge, satirische und witzige Exkurse aller Art finden sich in Menge in sein Gedenkbuch eingezeichnet, und da es sich dabei grossenteils um Dinge von allgemeinerem Interesse handelt, so m?gen einige Proben solcher Eintragungen hier folgen:

S. 506 notiert er sich:

S. 507 liest man:

Eine Menge umstehender Personen Zeigen sich in gesch?ftiger Stellung

Ob es sich bei vorstehender Beschreibung in der That um einen Kupferstich, bezw. ein Flugblatt mit einem solchen, oder ob es sich nur um eine Fiktion handelt, vermag ich im Augenblick nicht zu sagen. Freuen wir uns vor Allem, dass unser Vaterland die lange zum Spott und zum Vorteil der Nachbarn gespielte Rolle der >>kranken Person<< seit dem Anbruch des neuen deutschen Reiches und hoffentlich f?r immer ausgespielt hat.

S. 277 bietet eine satirische Kleinigkeit von ?hnlicher Tendenz, die sich in erweiterter Fassung auch auf S. 588 f. wiederfindet:

Die letztern Briefe von Pariss verk?ndigen einen nahen allgemeinen Frieden, und dass der Congress wird hier gehalten werden.

Man hat Quartiere gemietet, nemlich

Es ist bei der Abfassungszeit des Codex fast selbstverst?ndlich und ergibt sich auch schon aus den mitgeteilten Proben, dass der siebenj?hrige Krieg durchaus im Vordergrunde des Interesses steht. Bald sind es mehr oder minder witzige Auslassungen der angedeuteten Art, nicht selten auch Chronogramme, etwa eine Friedensweissagung enthaltend , am h?ufigsten aber politische Gedichte, vornehmlich Kriegs- und Siegeslieder, die wir mit bekannter Sorgfalt in das Buch eingetragen finden. Eben diese politischen Dichtungen -- auch die meisten der oben erw?hnten Flugschriften geh?ren hierher -- scheinen mir den eigentlichen Wert der merkw?rdigen Sammlung auszumachen und ihr eine allgemeinere Bedeutung zu gew?hrleisten. Wenig bekannte Volkslieder, die in neueren Sammlungen solcher Gedichte nicht zu finden sind, wechseln hier mit den Oden und Ges?ngen gefeierter Poeten, und deutsches Wesen, deutsches F?hlen durchdringt sie fast ohne Ausnahme und l?sst auch einen verkl?renden Schimmer auf die Pers?nlichkeit des Schreibers, auf den schlichten Pfarrer in jenem kleinen Dorf im Rothenburgischen fallen. In der Brust Georg Friedrich Bezolds fanden alle grossen Ereignisse den lebhaftesten Wiederhall, in dem stillen Pfarrhause zu Wildenthierbach wurden alle Schlachten und Siege noch einmal geschlagen und gesiegt, wenn auch nur auf dem Papier und in den zierlichsten geschriebenen Lettern von der Welt. Ganz unverkennbar ist seine hohe Bewunderung f?r den grossen Preussenk?nig, die er mit den meisten seiner s?ddeutschen Amtsbr?der teilte. Es geht aus zahlreichen Eintragungen deutlich hervor, dass man Friedrich in diesen Kreisen als den Verfechter der protestantischen Sache ansah, seine Siege als Triumphe des Protestantismus ?ber den Katholizismus feierte. Aber der Pfarrer von Wildenthierbach ist doch nicht so sehr Politiker oder Fanatiker, dass er nicht auch in den Reihen der Gegnerpartei entstandene Lieder in sein Gedenkbuch aufgenommen h?tte, wenn sie sich auch freilich in der Minderzahl befinden. Aus der grossen Masse des vorhandenen Materials k?nnen wieder nur einige wenige St?cke probeweise hervorgehoben werden:

S. 264:

S. 233:

Vor diesem war, wann ein Po?te sang, Ihm jeder Held gedoppelt gross und lang, Und sicherlich, je gr?sser und je l?nger, Dem Held er log, je besser war der S?nger; Offt war der Held, mit samt des Helds Verrichtung, Im Grunde nichts, als seines Dichters Dichtung. Der brave Hector, Ajax und Achill, Sind nicht so brav, als der Po?t es will. AEneas h?tt an keine Schlacht gedacht, Wann nicht Virgil ein Buch davon gemacht Printz Satan selbst ist nur ein Funffzen huth , Mahlt Milton ihn gleich voller Trotz und Wuth; Ja mancher spricht die Existenz ihm ab, Und die mit Recht, wie sie ihm Milton gab. Doch posito: es w?ren alle Gaben, Die in dem Reim, auch ohn ihn, Beyfall haben, Vereint in ein und nemlicher Person, Sagt, welche wohl fehlt Preussens grossen Sohn? Solch Treffen hat, wie Er aufs neu gewonnen, Kein Alter nicht, kein Neuer nicht ersonnen! Drum folgt mir nur, packt euren Kram hier ein, Po?ten Volck! Lasst Friedrich, Friedrich seyn! Ihm wird, Trotz Epico, Trotz Lyrico, Die Wahrheit selbst zum Panegyrico.

S. 443:

Als Feldherr, Rechts-Gelehrt, und Zierde der Po?ten, Gab Dich, O Friederich! die Fama anzubeten; Allein, o Wunder Ding! da Coccejus gestorben, So war zugleich an Dir der Doctor schon verdorben. Du bist auch kein Po?t, seit dem Voltair entwichen; Kein Feldherr von der Stund, als Dein Schwerin erblichen.

Wilst Du, o Friederich! durch das, was Du gethan, Der Alten Helden-Lob in diesem Krieg erreichen? Der Alten Helden Lob? Diss geht so leicht nicht an. Doch bistu ihnen noch in etwas zu vergleichen. Denn als Du den August aus seinem Land gejagt, Da warstu Pharao, der Isra?l geplagt.

Als Broun das vor'ge Jahr die V?lcker commandirte, Da warstu Hannibal, und Broun war Fabius. Und als letzthin n?chst Prag der Daun das Kriegs-Heer f?hrte, Da warstu Attila, und Daun war AEtius. Und endlich wirstu auch Der durch die Tamyris besiegte Cyrus seyn.

S. 263:

In finstrer Nacht zu ?berfallen, Wo nicht einmahl Trompeten schallen, Das ist f?r Dich kein Ruhm, o Daun! Im Finstern sich den Sieg zu stehlen, Und doch den Zweck noch zu verfehlen, Das wird Dir kein Trophaeum bau'n.

Wann Friedrich kommt, kommt Er am Tage, Wann Friedrich schl?gt, kommt mit dem Schlage Zugleich die Sonne und der Sieg.

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