Read Ebook: Die Macht der Drei: Ein Roman aus dem Jahre 1955 by Dominik Hans
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Ebook has 2940 lines and 99773 words, and 59 pages
Anmerkungen zur Transkription
Das Original ist in Fraktur gesetzt.
Im Original in Antiqua gesetzter Text ist ~so ausgezeichnet~.
Weitere Anmerkungen zur Transkription befinden sich am Ende des Buches.
Hans Dominik
Die Macht der Drei
Die Macht der Drei
Ein Roman aus dem Jahre 1955
von
Hans Dominik
Ernst Keils Nachfolger G. m. b. H.,
Leipzig
Alle Rechte, auch das der ?bersetzung, vorbehalten. Copyright 1922 by Ernst Keils Nachfolger G.m.b.H., Leipzig.
Druck von Ernst Keils Nachfolger G. m. b. H., Leipzig
>>Das Mysterium von Sing-Sing! Spezialtelegramm: Sing-Sing, 16. Juni, 6 Uhr morgens. Dreimal auf dem elektrischen Stuhl! Dreimal versagte der Strom! Beim dritten Mal zerbrach die Maschine. Der Delinquent unversehrt.<<
Gellend schrien die Neuyorker Zeitungsboys die einzelnen Stichworte der Sensationsnachricht den Tausenden und aber Tausenden von Menschen in die Ohren, die in der achten Morgenstunde des Junitages von den ?berf?llten F?hrbooten ans Land geworfen wurden und den Sch?chten der Untergrundbahnen entquollen, um an ihre Arbeitsst?tten zu eilen. Fast jeder aus der tausendk?pfigen Menge griff in die Tasche, um f?r ein F?nfcentst?ck eines der druckfeuchten Bl?tter zu erstehen und auf der Strasse oder im Lift die aussergew?hnliche Nachricht zu ?berfliegen.
Nur die wenigsten in der grossst?dtischen Menge hatten eine Ahnung davon, dass an diesem Tage weit draussen im Zuchthaus des Staates Neuyork eine Elektrokution auf die sechste Morgenstunde angesetzt war. Solche Einrichtungen interessierten das Neuyorker Publikum nur, wenn ber?hmte Anw?lte monatelang um das Leben des Verurteilten gek?mpft hatten oder wenn bei der Hinrichtung etwas schief ging. Es geschah wohl gelegentlich, dass ein Delinquent lange Viertelstunden hindurch mit dem Strom bearbeitet werden musste, bis er endlich f?r das Seziermesser der ?rzte reif war. Und auch unter dem Messer war dann noch bisweilen der eine oder der andere wieder schwer r?chelnd erwacht.
Aber die Yankees hatten niemals allzuviel Aufhebens von solchen Vorkommnissen gemacht. Schon damals nicht, als das Land noch von Pr?sidenten geleitet wurde, die man alle vier Jahre neu erw?hlte. Viel weniger jetzt, wo es unter der eisernen Faust des Pr?sident-Diktators Cyrus Stonard stand. Unter der Faust jenes Cyrus Stonard, der nach dem ersten verlorenen Kriege gegen Japan den Aufstand des bolschewistisch gesinnten Ostens gegen den b?rgerlichen Westen mit eiserner Strenge niedergeschlagen und dann den zweiten Krieg gegen Japan siegreich durchgef?hrt hatte. Die unbeschr?nkten Vollmachten des Pr?sident-Diktators n?tigten auch die amerikanischen Zeitungen zu einiger Zur?ckhaltung in allen die Regierung und Regierungsmassnahmen betreffenden Notizen.
Etwas Besonderes musste passiert sein, wenn die s?mtlichen Neuyorker Zeitungen diesem Ergebnis ?bereinstimmend ihre erste Seite widmeten und mit der Ausgabe von Extrabl?ttern fortfuhren. -- Noch ehe die letzten Exemplare der eben erschienenen Ausgabe ihre K?ufer gefunden hatten, st?rmte eine neue Schar von Zeitungsboys mit der n?chsten Ausgabe der Morgenbl?tter den Broadway entlang.
>>Das R?tsel von Sing-Sing! Sing-Sing, 6 Uhr 25 Minuten. Elektrische Station von Sing-Sing zerst?rt. Der Verurteilte heisst Logg Sar. Herkunft unbekannt. Kein amerikanischer B?rger! Zum Tode verurteilt wegen versuchter Sprengung einer Schleuse am Panamakanal!<<
>>Sing-Sing, 6 Uhr 42 Minuten. Der Verurteilte entflohen! Die Riemen, mit denen er an den Stuhl gefesselt war, zerschnitten!<<
>>Sing-Sing, 6 Uhr 50 Minuten. Ein Zeuge als Komplice! Allem Anschein nach ist der Delinquent mit Hilfe eines der zw?lf Zeugen der Elektrokution entflohen.<<
>>Sing-Sing, 7 Uhr. Letzte Nachrichten aus Sing-Sing. Im Auto entflohen!! Ein unglaubliches St?ck! Durch Augenzeugen festgestellt, dass der Delinquent, kenntlich durch seinen Hinrichtungsanzug, in Begleitung des Zeugen Williams in ein vor dem Tor stehendes Auto gestiegen. Fuhren in rasender Fahrt davon. Jede Spur fehlt. Gef?ngnisverwaltung und Polizei ratlos.<<
Mit kurzem scharfen Ruck blieb ein Auto stehen, das in den Broadway an der Strassenecke einbog, wo das Flat-Iron Building seinen grotesken Bau in den ?ther reckt. Der Insasse des Wagens riss einem der Boys das zweite Extrablatt aus der Hand und durchflog es, w?hrend das Auto in der Richtung nach der Polizeizentrale weiterrollte. Ein nerv?ses Zucken lief ?ber die Z?ge des Lesenden. Es war ein Mann von unbestimmtem Alter. Eine jener menschlichen Zeitlosen, bei denen man nicht sagen kann, ob sie vierzig oder sechzig Jahre alt sind.
Vor dem Geb?ude der Polizeizentrale hielt der Wagen. Noch ehe er v?llig stand, sprang der Insasse heraus und eilte ?ber den B?rgersteig der Eingangspforte zu. Seine Kleidung war offensichtlich in einem erstklassigen Atelier gefertigt. Doch hatten alle K?nste des Schneiders nicht vermocht, Unzul?nglichkeiten der Natur vollst?ndig zu korrigieren. Ein scharfer Beobachter musste bemerken, dass die rechte Schulter ein wenig zu hoch, die linke H?fte etwas nach innen gedr?ckt war, dass das linke Bein beim Gehen leicht schleifte.
Er trat durch die Pforte. Hastig kreuzte er die verzweigten Korridore, bis ihm an einer doppelten T?r ein Policeman in den Weg trat. Der typische sechsf?ssige Irl?nder mit Gummikn?ppel und Filzhelm.
>>Hallo, Sir! Wohin?<<
Ein unwilliges Murren war die Antwort des eilig Weiterschreitenden.
>>Stop, Sir!<<
Breit und massig schob der irische Riese sich ihm in den Weg und hob den Gummikn?ppel in nicht misszuverstehender Weise.
Heftig riss der Besucher eine Karte aus seiner Tasche und ?bergab sie dem Beamten.
>>Zum Chef, sofort!<<
Mehr noch als das herrisch gesprochene Wort veranlasste der funkelnde Blick den Policeman, mit grosser H?flichkeit die T?r zu ?ffnen und den Fremden in ein saalartiges Anmeldezimmer zu geleiten.
>>Edward F. Glossin, ~medicinae doctor~<< stand auf dem K?rtchen, das der Diener dem Polizeipr?sidenten MacMorland auf den Schreibtisch legte. Der Tr?ger des Namens musste ein Mann von Bedeutung sein. Kaum hatte der Pr?sident einen Blick auf die Karte geworfen, als er sich erhob, aus der T?r eilte und den Angemeldeten in sein Privatkabinett geleitete.
>>Womit kann ich Ihnen dienen, Herr Doktor?<<
>>Haben Sie Bericht aus Sing-Sing?<<
>>Nur, was die Zeitungen melden.<<
>>Bieten Sie alles auf, um der Entflohenen habhaft zu werden. Wenn die Polizeiflieger nicht ausreichen, requirieren Sie Armeeflieger! Ihre Vollmacht langt doch f?r die Requisition?<<
>>Jawohl, Herr Doktor.<<
>>Die Fl?chtigen m?ssen vor Einbruch der Dunkelheit gefasst sein. Das Staatsinteresse erfordert es. Sie haften daf?r.<<
>>Ich tue, was ich kann.<< Der Polizeichef war durch den ungew?hnlich barschen Ton des Besuchers verletzt, und dies Gef?hl klang aus seiner Antwort heraus.
Dr. Glossin runzelte die Stirn. Antworten, die nach Widerspruch und Verklausulierungen klangen, waren nicht nach seinem Geschmack.
>>Hoffentlich entspricht Ihr K?nnen unseren Erwartungen. Sonst ... m?sste man sich nach einem Mann umsehen, der noch mehr kann. Lassen Sie nach Sing-Sing telephonieren! Professor Curtis soll hierherkommen. Ihnen in meiner Gegenwart Bericht ?ber die Vorg?nge erstatten.<<
Der Pr?sident ergriff den Apparat und liess die Verbindung herstellen.
>>Wann kann Curtis hier sein?<<
>>In f?nfzehn Minuten.<<
Dr. Glossin strich sich ?ber die hohe Stirn und durch das volle, kaum von einem grauen Faden durchzogene dunkle Haupthaar, das glatt nach hinten gestrichen war.
>>Ich m?chte bis dahin allein bleiben. K?nnte ich ...<<
>>Sehr wohl, Herr Doktor. Wenn ich bitten darf ...<< Der Pr?sident ?ffnete die T?r zu einem kleinen Kabinett und liess Dr. Glossin eintreten.
>>Danke, Herr Pr?sident ... Dass ich es nicht vergesse! 200000 Dollar Belohnung dem, der die Fl?chtlinge zur?ckbringt. Lebendig oder tot!<<
>>200000 ...?<< MacMorland trat erstaunt einen Schritt zur?ck.
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