Read Ebook: Die Macht der Drei: Ein Roman aus dem Jahre 1955 by Dominik Hans
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Ebook has 2940 lines and 99773 words, and 59 pages
>>200000 ...?<< MacMorland trat erstaunt einen Schritt zur?ck.
>>200000, Herr Pr?sident! Genau, wie ich sagte. Anschl?ge mit der Belohnung in allen St?dten!<<
Der Pr?sident zog sich zur?ck. Kaum hatte sich die T?r geschlossen, als pl?tzlich alle Straffheit aus den Z?gen Dr. Glossins wich und einem erregten, sorgenden Ausdruck Platz machte. Mit einem leichten St?hnen liess er sich in einen Sessel fallen und bedeckte mit der Rechten die Augen, w?hrend die Linke nerv?s ?ber das narbige Leder der Lehne glitt. Wie unter einem inneren Zwange kamen abgerissene Worte, halb gefl?stert und stossweise, von seinen Lippen.
>>Stehen die Toten wieder auf? ... Bursfelds Sohn! Kein Zweifel daran ... Wer rettete ihn? ... Wer war dieser Williams? Der Vater selbst? ... Nur der bes?sse die Macht, ihn zu retten ... Er war es sicher nicht ... Die Riegel des Towers sind fester als die von Sing-Sing ... Wer w?sste noch um die geheimnisvolle Macht? ... Ah, Jane! ... Sie k?nnte es offenbaren. Der Versuch muss gemacht werden ... Unm?glich, jetzt noch nach Trenton zu fahren ... Ich muss bis zum Abend warten ... Ein unertr?glicher Gedanke. Acht Stunden in Ungewissheit ...<<
Der Sprecher fuhr empor und warf einen Blick auf sein Chronometer.
>>Ruhe, Ruhe! Noch zehn Minuten f?r mich.<<
Einem kleinen Glasr?hrchen entnahm er sorgf?ltig abgez?hlt zwei winzige weisse Pillen und verschluckte sie. Beinahe momentan wich die nerv?se Spannung aus seinen gequ?lten Z?gen und machte einer friedlichen Ruhe Platz. Seine Gedanken wanderten r?ckw?rts. Bilder aus einer ein Menschenalter zur?ckliegenden Vergangenheit zogen plastisch an seinem Geiste vor?ber ... Die grossen Bahnbauten damals in Mesopotamien im ersten Jahrzehnt nach dem Weltkriege. Ein kleines Landhaus am Ausl?ufer der Berge ... Eine blonde Frau in weissem Kleide mit einem spielenden Knaben im Arm ... Wie lange, wie unendlich lange war das her, dass er Gerhard Bursfeld, den ehemaligen deutschen Ingenieuroffizier, aus seinem kurdischen Zufluchtsort hervorgelockt und f?r die mesopotamischen Bahn- und Bew?sserungsbauten gewonnen hatte. Damals, als H?nde und K?pfe im Zweistromlande knapp waren.
Gerhard Bursfeld war dem Rufe zu solcher Arbeit gern gefolgt. Mit ihm kamen sein junger Knabe und sein blondes Weib Rokaja Bursfeld, die sch?ne Tochter eines kurdischen H?uptlings und einer zirkassischen Mutter.
Ein gl?ckliches Leben begann. Bis Gerhard Bursfeld die grosse gef?hrliche Erfindung machte. Bis Edward Glossin, in Liebe zu der blonden Frau entbrannt, den Freund und seine Erfindung an die englische Regierung verriet ... Gerhard Bursfeld verschwand hinter den Mauern des Towers. Sein Weib entfloh mit dem dreij?hrigen Knaben. In die Berge nach Nordosten. Ihre Spur war verloren. Und Edward Glossin war der betrogene Betr?ger. Mit ein paar tausend Pfund speiste ihn die englische Regierung f?r ein Geheimnis ab, dessen Wert ihm unermesslich schien ...
Die Z?ge des Tr?umers nahmen wieder die fr?here Spannung an. Der Klang einer elektrischen Glocke ert?nte. Der Doktor erhob sich und ging straff aufgerichtet in das Kabinett des Polizeichefs.
Kurz begr?sste er den Ank?mmling Professor Curtis aus Sing-Sing und fragte: >>Wie ist es m?glich gewesen, dass die Apparatur versagte?<<
Stockend und nerv?s gab der Professor seinen Bericht.
>>Uns allen ganz unbegreiflich! Auf 5 Uhr 30 Minuten war die Elektrokution des Raubm?rders Woodburne angesetzt. Sie ging glatt vonstatten. Um 5 Uhr 40 Minuten lag der Delinquent bereits auf dem Seziertisch. Die Maschine wurde stillgesetzt und um 5 Uhr 55 Minuten wieder angelassen. Punkt 6 Uhr brachte man den zweiten Delinquenten und schnallte ihn auf den Stuhl. Er trug den vorschriftsm?ssigen Hinrichtungsanzug mit dem Schlitz im rechten Beinkleid. Die Elektrode wurde ihm um den Oberschenkel gelegt. Zwei Minuten nach sechs senkte sich die Kupferhaube auf seinen Kopf. Im Hinrichtungsraum stand der Gef?ngnisinspektor mit den zw?lf vom Gesetz vorgeschriebenen Zeugen. Der Elektriker des Gef?ngnisses hatte seinen Platz an der Schalttafel, den Augen des Delinquenten verborgen. 6 Uhr 3 Minuten schlug er auf einen Wink des Scherifs den Schalthebel ein ... Ich will gleich bemerken, dass dies die letzte authentische Zeitangabe aus Sing-Sing ist. Um 6 Uhr 3 Minuten sind alle Uhren in der Anstalt mit magnetisierten Eisenteilen stehengeblieben. Die weiteren Zeitangaben in den Zeitungen stammen vom Neuyorker Telegraphenamt ...<<
Dr. Glossin wippte nerv?s mit einem Fuss. Der Professor fuhr fort.
>>In dem Augenblick, in dem der Elektriker den Strom auf den Delinquenten schaltete, blieb die Dynamomaschine, wie von einer Riesenfaust gepackt, pl?tzlich stehen. Sie stand und hielt ebenso momentan auch die mit ihr gekuppelte Dampfturbine fest. Mit ungeheurer Gewalt str?mte der Frischdampf aus dem Kessel gegen die stillstehenden Turbinenschaufeln. Es war h?chste Zeit, dass der Maschinenw?rter zusprang und den Dampf abstellte.
W?hrend alledem sass der Delinquent ruhig auf dem Stuhl und zeigte keine Spur einer Stromwirkung. Erst sp?ter ist mir das eigenartige Verhalten des Verurteilten wieder in die Erinnerung gekommen. Er schien mit dem Leben abgeschlossen zu haben. Aber sobald er in den Hinrichtungsraum gef?hrt wurde, kehrte eine leise R?te in seine bis dahin todblassen Z?ge zur?ck. Als die Maschine das erstemal versagte, glaubte ich die Spur eines befriedigten L?chelns auf seinen Z?gen zu bemerken. Gerade so, als ob er diesen f?r uns alle so ?berraschenden Zwischenfall erwartet habe.
Als die Maschine zum zweitenmal angelassen wurde, verst?rkte sich diese r?tselhafte Heiterkeit. Er verfolgte unsere Arbeiten, als ob es sich f?r ihn nur um ein wissenschaftliches Experiment handle.
Beim dritten Mal kam das Ungl?ck. Die Maschinisten hatten die Turbine auf h?chste Tourenzahl gebracht. Sie lief mit dreitausend Umdrehungen, und die elektrische Spannung stand f?nfzig Prozent ?ber der vorgeschriebenen H?he. Es gab einen Ruck. Die Achse zwischen Dynamo und Turbine zerbrach. Die Turbine, pl?tzlich ohne Last, ging durch. Ihre Schaufelr?der zerrissen unter der ins Ungeheuere gesteigerten Zentrifugalkraft. Der Kesselfrischdampf quirlte und jagte die Tr?mmer unter greulichem Schleifen und Kreischen durch die Abdampfleitung in den Kondensator. Als der Dampf abgestellt war, f?hlten wir alle, dass wir haarscharf am Tode vorbeigegangen waren ...<<
Der Polizeichef fl?sterte ein paar Worte mit dem Doktor. Dann fragte er den Professor. >>Haben Sie eine wissenschaftliche Erkl?rung f?r die Vorg?nge?<<
>>Nein, Herr! Jede Erkl?rung, die sich beweisen liesse, fehlt. H?chstens eine Vermutung. Die Magnetisierung s?mtlicher Uhren deutet darauf hin, dass in den kritischen Minuten ein elektromagnetischer Wirbelsturm von unerh?rter Heftigkeit durch die R?ume von Sing-Sing gegangen ist. Es m?ssen extrem starke elektromagnetische Felder im freien Raum aufgetreten sein. Sonst w?re es nicht zu erkl?ren, dass sogar die einzelnen Windungen der grossen Stahlfeder in der Zentraluhr vollst?ndig magnetisch zusammengebacken sind. Ein f?rchterliches elektromagnetisches Gewitter muss wohl stattgefunden haben. Aber damit wissen wir wenig mehr.<<
Eine Handbewegung des Doktors unterbrach die wissenschaftlichen Er?rterungen des Professors.
>>Wie war die Flucht m?glich?<<
Der Bericht dar?ber war l?ckenhaft. >>Als die Turbine im Nebenraum explodierte, suchten alle Anwesenden instinktiv Deckung. Ein Teil warf sich zu Boden. Ein Teil fl?chtete hinter die Schalttafel. Etwa zwei Minuten dauerte das nervenzerreissende Heulen und Quirlen der Tr?mmerst?cke in der Dampfleitung. Als endlich der Dampf abgestellt und Ruhe eingetreten war, merkte man, dass der Delinquent verschwunden war. Die starken Ochsenlederriemen, die ihn hielten, waren nicht aufgeschnallt, sondern mit einem scharfen Messer durchschnitten. Die Flucht musste in h?chster Eile in wenigen Sekunden ausgef?hrt worden sein. Erst zehn Minuten sp?ter wurde es bemerkt, dass auch einer der Zeugen fehlte.<<
Das war alles, was Professor Curtis berichten konnte.
Dr. Glossin zog die Uhr.
>>Ich muss leider weiter! Leben Sie wohl, Herr Professor.<< Er trat, von dem Polizeichef begleitet, auf den Gang.
>>Wenden Sie alle Massregeln an, die Ihnen zweckm?ssig erscheinen. In sp?testens drei Stunden erwarte ich Meldung, wie es m?glich war, dass ein falscher Zeuge der Elektrokution beiwohnte. Geben Sie telephonischen Bericht! Wellenl?nge der Regierungsflugzeuge! Ich gehe nach Washington.<<
Ein L?uten des Telephons im Zimmer des Pr?sidenten rief diesen hinweg. Unwillk?rlich trat Dr. Glossin mit ihm in den Raum zur?ck.
>>Vielleicht eine gute Nachricht?<<
Der Pr?sident ergriff den H?rer. Erstaunen und Spannung malten sich auf seinem Gesicht. Auch Dr. Glossin trat n?her. >>Was ist?<<
>>Ein Armeeflugzeug verschwunden. R. F. c. 1 vom Ankerplatz entf?hrt.<<
>>Weiter, weiter!<<
Der Doktor stampfte auf den Boden.
>>Wer war es?<<
Er drang auf den Pr?sidenten ein, als wollte er ihm den H?rer aus der Hand reissen. MacMorland hatte seine Ruhe wiedergefunden. Kurz und knapp klangen seine Befehle in den Trichter.
>>Der Staatssekret?r des Krieges ist benachrichtigt? ... Gut! So wird von dort aus die Verfolgung geleitet werden. Wie sehen die T?ter aus? ... Hat man irgendwelche Vermutungen? ... Wie? Was? ... Englische Agenten? Sind das leere Redensarten, oder hat man Anhaltspunkte? ... Was sagen Sie? Allgemeine Meinung ... Redensarten! Die Herren Chopper und Watkins werden gleich herauskommen und die Nachforschungen leiten. Ihren Anordnungen ist Folge zu leisten!<<
Der Pr?sident eilte zum Schreibtisch, warf ein paar Zeilen aufs Papier und ?bergab sie seinem Sekret?r. Dann wandte er sich seinen Besuchern zu.
>>Ein ereignisreicher Morgen! Innerhalb weniger Stunden zwei Vorf?lle, wie sie mir in meiner langen Dienstzeit noch nicht vorgekommen sind ... Die Meinung, dass die Engl?nder dahinterstecken, scheint mir nicht ganz unbegr?ndet zu sein. R. F. c. 1 ist der neueste Typ der Rapid-Flyers. Erst vor wenigen Wochen ist es gegl?ckt, durch eine besondere Verbesserung die Geschwindigkeit auf tausend Kilometer in der Stunde zu bringen. R. F. c. heisst die verbesserte Type. c. 1 ist das erste Exemplar der Type. Ich h?rte, dass es erst vor drei Tagen in Dienst gestellt wurde. Die n?chsten Exemplare brauchen noch Tage, um f?r die Probefahrt fertig zu werden. Der Gedanke, dass die englische Regierung sich das erste Exemplar angeeignet hat, liegt nat?rlich sehr nahe ... Es sei denn ...<<
>>Was meinen Sie, Herr Pr?sident?<<
Die Stimme Glossins verriet seine Erregung.
>>Es sei denn, dass ...<< MacMorland sprach langsam wie tastend ... >>dass ein Zusammenhang zwischen der Entf?hrung des Kreuzers und der Flucht jenes Logg Sar best?nde. Was meinen Sie, Herr Professor?<<
>>Ich bin versucht, das letztere f?r das Richtige zu halten. Es ist ganz ausgeschlossen, mit gew?hnlichen Mitteln ein Luftschiff wie R. F. c. 1 von dem streng bewachten Flugplatz am hellichten Tage zu entf?hren.<<
>>Was ist Ihre Meinung, Herr Doktor?<<
>>Ich ... ich ?bersehe die ganze Sachlage zu wenig. Trotzdem, Herr Pr?sident, werden Sie guttun, sich umgehend mit dem Kriegsamt in Verbindung zu setzen und Ihre Massnahmen f?r beide F?lle im Einvernehmen und engsten Zusammenwirken mit diesem zu treffen. Guten Morgen, meine Herren.<<
MacMorland und Professor Curtis waren allein im Saale des Polizeipr?sidiums zur?ckgeblieben.
>>Ein lebhafter Tag heute!<<
MacMorland sprach die Worte mit einer gewissen Erleichterung. Der Vorfall mit dem Flugzeug musste die Sorge der Regierung auf einen anderen Punkt lenken.
Professor Curtis griff sich mit beiden H?nden an den Kopf. >>Der zweite Vorfall ist beinahe noch mysteri?ser als der erste. Bedenken Sie! ... Der neueste schnellste Kreuzer der Armee. Auf einem Flugplatz hinter dreifachen, mit Hochspannung geladenen Drahtgittern. Sch?rfste Passkontrolle. F?nfhundert Mann unserer Garde als Platzbewachung. Es geht mir ?ber jedes Verstehen, wie das geschehen konnte.<<
Der Polizeichef war mit seinen Gedanken schon wieder bei dem Falle, der sein Ressort anging.
>>Warum war dieser Logg Sar zum Tode verurteilt? Wir von der Polizei wissen wieder einmal nichts. Sicherlich ein Urteil des Geheimen Rats.<<
Der Professor nickte.
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