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Read Ebook: Der letzte Hansbur: Ein Bauernroman aus der Lüneburger Heide by L Ns Hermann

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Ebook has 1032 lines and 38661 words, and 21 pages

Das arme alte M?dchen! Die junge Frau sah zu ihrem Kinde hinab. Das rechte H?ndchen mit dem Beifinger lag auf dem Kissen.

Ihr trat der Grossvater ihres Jungen vor die Augen. Der wilde Hehlmann hatte er geheissen. Ein Kerl, wie eine Tanne war er, mit Augen, die einen hellen Blick hatten.

Der war auch mit zw?lf Fingern auf die Welt gekommen und sein Haar hatte im Nacken just solchen Wirbel, wie sein Enkelkind, das er nicht mehr sehen sollte, denn er lag schon einige Jahre neben der Kirche.

Durch eigene Schuld war er mit sechzig Jahren unter die Erde gekommen, denn von Rechts wegen musste er es auf hundert bringen. Aber seine zw?lfhundert Morgen Eigenjagd waren ihm zu wenig; er hatte immer den Grenzstein in der Tasche und jagte, soweit der Himmel blau und die Heide braun war.

Als er wieder einmal im K?niglichen jagte, hatten ihn die F?rster spitz gekriegt und mit dem Hunde seine Spur ausgearbeitet. Aber der alte Hehlmann hatte es gemerkt, und obzwar es wintertags war, hatte er sich nicht besonnen und war drei Male bis an die Brust quer durch die Beeke gegangen und hatte dann nass wie eine Katze im Bruch den Abend abgewartet, ehe er auf Umwegen nach seinem Hofe ging.

Acht Tage hinterher lag er steif und kalt auf dem Schragen; eine Lungenentz?ndung hatte ihn umgeworfen.

>>Bis auf das Letzte ist er gegen den Tod angegangen,<< hatte die alte Hermine erz?hlt. >>Er wollte und wollte nicht sterben. Noch nicht, noch nicht, schrie er immer; es war schrecklich anzuh?ren. Schlecht war er nicht, aber er geh?rte hier nicht her. Er hielt den Kopf h?her, wie ein adeliger Herr, und es war keine Frau und kein M?dchen, das ihm in die Augen sehen konnte, ohne dass ihr das Blut in die Backen sprang. Gegen Kinder und Hunde war er von Herzen gut, aber die Mannsleute kriegten gef?hrliche Augen, wenn die Rede auf ihn kam. Wo ein glattes Gesicht war, da war er nicht weit; in seinem letzten Jahre musste seinethalben noch eine Magd vom Hehlenhofe. Er war kein Mann f?r geruhige Zeiten; es war ein Kerl, wie man sie braucht, wenn die Kriegsv?lker zu Gange sind.<<

Dettas Gesicht wurde ernst. Der Beifinger ihres Jungen und der Haarwirbel im Nacken wollten ihr nicht aus dem Sinne.

Und dann dachte sie an das, was man von dem Grossvater des Grossvaters erz?hlte, von Hans Detel Hehlmann.

Mit dem hatte es ein schlimmes Ende genommen. Er hatte den Hut aufbehalten, als der adelige Herr vor?berging, denn er hatte einmal einen ?rger mit ihm gehabt. Da hatte der Herr ihn mit der Peitsche ?ber den Hut geschlagen und gerufen: >>Mach' dich bar, Bauer!<< Und da war der Bauer zugesprungen, und hatte den Ritter mit der baren Faust totgeschlagen.

Bei Nacht und Nebel war er aus dem Lande gegangen und in dem Hausbuche stehen hinter seinem Namen die Worte: >>Es kam niemals wieder eine Kunde von ihm. R. i. p.<<

Dettas Augen wurden wieder heller. >>Die Welt geht jetzt einen geruhigeren Gang,<< dachte sie. >>Und ist der Junge auch an der Reihe, dass das wilde Blut bei ihm hochkommt, Johann und ich, wir wollen schon daf?r sorgen, dass es sich in Zucht und Sitte h?lt. Alle Mannsleute sind zuletzt von wilder Art, die besseren wenigstens.<<

Sie dachte an ihren Jochen, der ihr anfangs fast zu gut vorgekommen war. Eines Tages jedoch hatte der Knecht den Rappen mit dem Forkenstiel ?ber das Maul geschlagen; da hatte der Bauer aber losgelegt; wie ein Ungewitter polterten seine Worte ?ber den Knecht her. Und da wurde der Knecht frech und machte eine ausversch?mte Redensart. Es sollte ihn bald gereuen. Hehlmanns Augen wurden rund und blank; mit einem Griffe hatte er den Burschen bei der Brust, und ehe der es sich versah, lag er im Entenpump. Ganz voll von Entenflott kam er wieder heraus, nahm seinen Lohn, packte seine Sachen und machte, dass er weiter kam.

Der Fink im Garten sang immer und immer wieder dasselbe Lied und der Wigelwagel fl?tete in einem fort auf die gleiche Art. Und immer und immer wieder gingen die gr?nen Bl?tter und die weissen Blumen hinter den kleinen Scheiben auf und ab.

Der jungen Frau fielen die Augen zu. Aber mit einem Male seufzte sie auf und sah wild um sich. Sie sah nach der Wiege und dann hinter dem Traume her, der eben bei ihr gewesen war.

Da hatten auf einmal zwei Frauen bei der Wiege gestanden. Die eine, die mit dem braunen Gesicht und den Augen, so schwarz und blank, wie der Russ am Rehmen, war aus dem Moore gekommen, denn sie roch nach Post.

Die andere, deren Gesicht wie Milch war, mit Augen, so blau wie Bachblumen, war ?ber die Wiesen gekommen, denn von ihren Kleidern kam der Geruch von Gras und Blumen.

Sie standen bei der Wiege und besahen das Kind. Die Frau mit dem gelben Gesicht hatte gemurmelt: >>Als wie ein Herr sollst du leben.<< Dann machte sie das Hexenkreuz ?ber dem Kinde und war verschwunden.

Die andere Frau aber machte ?ber dem Jungen das Zeichen, das die Bauern vom Hehlenhofe seit unvordenklichen Zeiten als Hausmarke hatten, und fl?sterte: >>Und dein Knecht sollst du sein.<< Dann war sie nicht mehr zu sehen.

Die junge Frau dachte nach. Tr?ume sind Sch?ume, sagt der Pastor, und dann fiel ihr die alte Hermine ein, die so fest an Tr?ume glaubte, dass sie ihr eigenes Begr?bnis voraussagte.

>>Mein Karl hat mich wissen lassen, ich soll Sonntag bei ihm sein,<< hatte sie Freitag gesagt. Am Sonnabend Morgen lag sie tot im Bette.

>>Wer hat recht?<< dachte die junge Frau und sah nach dem Fenster. >>Hat der Pastor recht oder Hermine? Der Pastor hat die Wissenschaft, aber das alte M?dchen hatte den Glauben.<<

Wieder l?chelte sie, es kam ihr in den Sinn, dass sie als Schulm?dchen ein Buch gelesen hatte, in dem die Geschichte von der guten und der b?sen Patenfee stand.

Dieses alte M?rchen war ihr im Schlaf wieder eingefallen.

Das Hausbuch.

>>Johannes Gotthard Georgius soll er heissen,<< sagte der Hansbur.

Den ganzen Sonntag Nachmittag hatte er in der D?nze gesessen und in dem Hausbuche gelesen.

Das war ein altes Buch in Schweinsleder gebunden und mit einem Schlosse aus Messing. Auf der ersten Seite war dieser Spruch zu lesen: >>De Mensche van ejner Frouwen geboren leuet ejne Korte tidt unde is vull vnrowe<<.

Allerlei war darin zu lesen, von Kriegsn?ten und Pest, Mord und Brand, von hungrigen Zeiten und fetten Jahren.

Fromme Spr?che waren darin aufgezeichnet und alte Mittel, dem Vieh zu helfen mit Kr?utern und Besprechung.

Unterschiedlich war die Handschrift, bald kraus und bunt, bald steif und steil; hier wie gestochen, und da krumm und schief, wie Fuhrentelgen.

Absonderliche Belebnisse standen darin: >>Die W?lfe haben so gehecket, dieweil keiner ist, der ihnen zu Leibe gehen kann, dass wir uns deren nicht erwehren k?nnen. Gestern sind wieder drei Schafe weniger in den Kaben zur?ckgekommen, als morgens herausgelassen waren. Das sind siebzehn St?ck in diesem Fr?hjahre.<<

Hehlmann bl?tterte um, denn das war es nicht, was er suchte. Aber dieses hier musste er doch lesen: >>Der englische Schweiss geht wieder im Lande um. In Ohld?rpe sind letzte Woche bei Zwanzig Leute abgestorben, die mehrsten vor dem dritten Tage. In Lichtelohe sind sieben neue Gr?ber bei der Kirche. Herr, halte deine Hand ?ber uns!<<

Hehlmann bl?tterte zur?ck; da stand zu lesen: >>Des Herrn Wege sind wunderlich. Johann Detel Georg Hehlmann hat uns ein Schreiben zukommen lassen. Zweimal zehn Jahre ist er verschollen gewesen f?r uns. Er hat mit Bravour gegen die T?rken gefochten und ist immer mehr geworden, zuletzt ein hoher General und Anf?hrer ?ber viele Kriegsv?lker. Der Kaiser hat ihm grosse G?ter gegeben und einen Grafen aus ihm gemacht, so dass er jetzt Graf Hehlmann von Gollenstedt geheissen wird. Hier hatte er nicht taugen wollen.<<

Darunter stand: >>Ohm Hein sagt, er hat sechs Finger an jeder Hand gehabt und sein Haar ist in zwei Wirbeln gelegen.<<

Hehlmann sah auf: das war der erste mit Beifingern und mehr als einem Haarwirbel. Der hatte es zu etwas gebracht, aber sein Geschlecht war bald ausgestorben und die G?ter waren wieder dem Kaiser zugefallen. Ein Hehlmann hatte darum geklagt; die Herren vom Gericht hatten aber herausgefunden, dass die Verwandtschaft zu weitl?ufig war.

Der Bauer dachte nach. >>Detel soll er nicht heissen,<< beschloss er bei sich. >>Drei Namen haben wir alle. Der erste ist immer der alte Name, wonach die Bauern solange Hansbur hiessen, bis die Regierung befahl, dass sie sich nach einem Beinamen umsehen mussten. Auf den dritten Namen kommt es nicht an, aber auf den zweiten, denn mit dem wurden sie gerufen. Und Detel war kein guter Name.<<

Er las weiter. >>Johann Hinrich Detel<< stand da und ein Kreuz dahinter und die Worte: >>Der Herr erbarme sich seiner armen Seele.<<

Weiter stand nichts da, aber mit anderer Schrift war an den Rand geschrieben: >>Er hat im Kruge zu Eschede im Mai 1711 einen Handelsmann mit dem Messer beim Kartjen erstochen. Am 8. Juni mit dem Schwerte zu Zelle vom Leben zum Tode gebracht. In den Gerichtsakten steht als absonderliches Merkzeichen: Er hatte eilfen Finger.<<

Hehlmann machte die Stirne kraus. Also Hinrich, das ging auch nicht. Und einen neuen Namen wollte er nicht haben f?r den Jungen.

Er schlug weiter um. ?ber die Frauennamen las er weg. Aber bei dem einen blieb er doch h?ngen. >>Dorothea Hille Sophia Hehlmann, geb. 13. Mai 1773. Gest. 13. Mai 1813. Sie hat sich weggeschmissen.<<

Mit roter Tinte stand in zierlicher Schrift am Rande: >>Wir wollen keinen Stein auf ihr werfen. Sie soll ausnehmend sch?n gewesen sein und ist nach vielfachen Fahrten eines achtbaren Mannes ehelich Weib geworden. Gotth. H. Hehlmann, P.<<

Der Wigelwagel pfiff in den Hofeichen und schrie hinterher ganz unm?ssig. Hehlmann war es so, als ob er Detel oder Hinrich schrie.

>>Nein, Detel und Hinrich sind keine Namen f?r meinen Jungen,<< dachte er, >>so scharf und spitz, das hat keine Art. So ein Name, der muss sein, dass er in sich selbst Bestand hat.<<

Er bl?tterte wieder weiter. >>Johannes Gotthard Hinrich Hehlmann, Pastor zu Lichtelohe. Sein Andenken bleibt ewiglich in Ehren. Er war ein frommer Knecht des Herrn.<<

Hehlmann nickte. >>Gotthard h?rt sich vortrefflich an, ruhig und sinnig. Das ist ein Name, der einem Manne zu Gesichte steht, wie ein ehrbarer Rock.<<

Er schlug weiter um: >>Johannes Gotthard Antonius. Er war ein Mehrer des Hofes und hat ihn aus den Schulden herausgebracht.<<

Hehlmanns Augen wurden hell. Es kamen zwei leere Seiten, dann vier Seiten mit frommen Spr?chen und Heilmitteln f?r das Vieh, und dann stand wieder da: >>Johann Gotthard Hermen; ist ?ber achtzig geworden und hatte noch alle Z?hne und solche Kraft, dass er das junge Volk bei der Arbeit hinter sich liess. Er hatte f?r jedermann einen Rat und ein trostreiches Wort und wurde in allen N?ten des Leibes und der Seele um H?lfe angegangen. Wenn einer, so ruhet er in Abrahams Schoss.<<

Der Bauer tauchte die Feder ein und schrieb: >>Johannes Gotthard<<, dann besann er sich eine Weile nach einem dritten Namen und schrieb >>Georgius<<, denn so hiess der n?chstverwandte Hehlmann, Ohm J?rn, der die Schnucken unter sich hatte.

Hehlmann scharrte Sand von den Dielen, streute ihn auf die Schrift, las noch einmal, was er geschrieben hatte und sprach vor sich hin: >>Johannes Gotthard Georgius<<, und nach einer Weile: >>Gotthard Hehlmann<<.

Dann schlug er das Buch zu und legte es in die Beilade.

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