Read Ebook: Die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Poesie. Prolegomena einer realistischen Aesthetik by B Lsche Wilhelm
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Anmerkungen zur Transkription
Im Original gesperrter Text ist +so ausgezeichnet+.
Weitere Anmerkungen zur Transkription finden sich am Ende des Buches.
Die naturwissenschaftlichen
Grundlagen der Poesie.
Prolegomena
einer realistischen Aesthetik
von
Wilhelm B?lsche.
Leipzig, Verlag von Carl Reissner. 1887.
Vorwort.
Die nachfolgenden wissenschaftlichen Studien behandeln in selbstst?ndiger Abrundung das, was nach meiner Ueberzeugung im ersten Buche jeder neuen, unserm modernen Streben gerecht werdenden Aesthetik seine Stelle finden m?sste. Realistisch nenne ich diese Aesthetik, weil sie unserm gegenw?rtigen Denken entsprechend nicht vom metaphysischen Standpuncte, sondern vom realen, durch vorurtheilsfreie Forschung bezeichneten ausgehen soll. Wie ich mir die Rolle des besonnenen Realismus in unserer Literatur denke, ist im ersten Capitel ausf?hrlich entwickelt; die ?brigen behandeln einzelne Probleme, an denen der Naturforscher und der Dichter gleich grossen Antheil nehmen. Zur?ckweisen muss ich im Voraus alle Uebertreibungen, die man von unberufener Seite an das Wort Realismus gekn?pft hat. Der Realismus ist nicht gekommen, die bestehende Literatur in w?ster Revolution zu zerst?ren, sondern er bedeutet das einfache Resultat einer langsamen Fortentwickelung, wie die gewaltige Machtstellung der modernen Naturwissenschaften es nicht mehr und nicht minder ist. Jene Utopien von einer Literatur der Kraft und der Leidenschaft, die in j?hem Anprall unsere Literatur der Convenienz und der sanften Bem?ntelung wegfegen soll, bedeuten mir gar nichts; was ich von dem aufwachsenden Dichtergeschlecht fordere und hoffe, ist eine geschickte Beth?tigung besseren Wissens auf psychologischem Gebiete, besserer Beobachtung, gesunderen Empfindens, und die Grundlage dazu ist F?hlung mit den Naturwissenschaften. Leichte Plaudereien, wie sie der Spalte eines Feuilletons ziemen, wird der Leser vergebens auf diesen Bl?ttern suchen, weder unfeines Schm?hen noch kritiklose Verhimmelung rechne ich unter die nothwendigen Requisiten der neuen Sache. Die jungen Kr?fte, die jetzt so viel L?rm machen, werden schon allein ihren Weg gehen; ich aber m?chte durch eine anst?ndige Polemik sowohl wie durch einen anst?ndigen Vortrag ?berhaupt auch zu denen reden, die im Banne ?lterer Anschauungen jede Form realistischen Fortschritts mit zweifelndem Auge betrachten.
+Berlin+, im Winter 1886.
Erstes Capitel.
Die vers?hnende Tendenz des Realismus.
Durch die gesammte -- und nicht zum Wenigsten die deutsche -- Literatur geht seit einiger Zeit eine lebhafte Bewegung. Die Schaufenster der Buchhandlungen wie die Spalten der Journale sind ?berf?llt mit Streitschriften und Streitartikeln, die bereits durch die K?hnheit der Titel von der Hitze der K?mpfenden Zeugniss ablegen. Aber auch abgesehen von diesen Kundgebungen der eigentlichen Ritter des Tourniers f?hlt sich jeder Einzelne im grossen Publicum mehr oder weniger berufen, seinen Wahlzettel in die Urne zu werfen. Denn das Wort ist gefunden, welches in neun Buchstaben die Loosung des Ganzen enth?llen soll. Dieses schicksalsschwere Wort heisst Realismus.
F?r die eine Partei ein goldenes Wort, eins aus jener Reihe unverg?nglicher Schlagw?rter, die mit ihrer pr?chtigen K?rze gleichsam die Stenographie der Culturgeschichte darstellen, -- ist es der andern ein Gr?uel, ein Hemmniss aller Fortentwicklung, der Name einer b?sen, wenn auch gl?cklicherweise verg?nglichen Krankheit.
Revolution der Literatur f?r jene, Aufd?mmern eines neuen Tages, weit heller und strahlender noch als der junge Morgen, der sich einst in dem klaren Auge Lessing's spiegelte und durch dessen weichende Fr?hnebel der rasselnde Schritt des eisernen Ritters von Berlichingen erklang, ist dieser die gleiche Erscheinung, die h?ssliche Brandr?the eines Zerst?rungskampfes, das Blutmal am Himmel, das ?ber der St?tte des Mordens und Brennens pl?ndernder Vandalenhorden loht, es fehlt nicht an alten Fritzen, die im Sanssouci ihrer unersch?tterlichen Kunsttheorieen zweifelnd die sch?nen, geraden Terrassen und Orangerieen abschreiten und sich kopfsch?ttelnd fragen: Was soll der L?rm?
Verbr?derung aller nationalen Literaturen durch die Blutsgemeinschaft gleicher Methode f?r die Schw?rmer, erscheint den Skeptikern der ganze Aufstand bei uns in Deutschland nur als der feige Abklatsch einer widerw?rtigen Krankheitserscheinung im schlechteren, in alter S?nde absterbenden oder in unwissender Roheit der Halbbildung haltlos hin und her schwankenden Nachbarlande, und, dem Franzosen gleich, der das deutsche Bier als fremdes Gift verbannen m?chte, w?re ihnen nichts lieber, als eine literarische Grenzsperre f?r alle fremden Einfl?sse.
Und endlich, was das Seltsamste ist: w?hrend die Einen glauben, der Reinheit ihrer Gesinnung und dem Genius poetischer Sittlichkeit nicht besser dienen zu k?nnen, als in dem Gewande der neuen Ritterschaft, meinen die Andern das Schwert gegen diese erheben zu m?ssen zum Schutze der unschuldigen Gem?ther in der Welt, zum Schutze ihrer S?hne und T?chter, denen der weihende Tempel des dichterischen Ideals kein S?ndenhaus werden soll und keine Schnapsschenke.
Jeder Vern?nftige sieht, dass unter dem einen Worte Realismus thats?chlich nicht immer das Gleiche verstanden wird und dass sich hier Begriffe mischen, die strenge Sonderung fordern. Es fehlt denn auch nicht an besonneneren Stimmen, die sich bem?hen, Realismus in einer Weise zu definiren, die jeden gr?beren Irrthum ausschliesst.
Ich gebe diese Definition zun?chst in m?glichst allgemeiner Fassung wieder, um sp?ter den speciellen Punct herauszugreifen, dem ich eine eingehendere Betrachtung zu widmen gedenke.
Die Basis unseres gesammten modernen Denkens bilden die Naturwissenschaften. Wir h?ren t?glich mehr auf, die Welt und die Menschen nach metaphysischen Gesichtspuncten zu betrachten, die Erscheinungen der Natur selbst haben uns allm?hlich das Bild einer unersch?tterlichen Gesetzm?ssigkeit alles kosmischen Geschehens eingepr?gt, dessen letzte Gr?nde wir nicht kennen, von dessen lebendiger Beth?tigung wir aber unausgesetzt Zeuge sind. Das vornehmste Object naturwissenschaftlicher Forschung ist dabei selbstverst?ndlich der Mensch geblieben, und es ist der fortschreitenden Wissenschaft gelungen, ?ber das Wesen seiner geistigen und k?rperlichen Existenz ein ausserordentlich grosses Thatsachenmaterial festzustellen, das noch mit jeder Stunde w?chst, aber bereits jetzt von einer derartigen beweisenden Kraft ist, dass die gesammten ?lteren Vorstellungen, die sich die Menschheit von ihrer eigenen Natur auf Grund weniger exacter Forschung gebildet, in den entscheidendsten Puncten ?ber den Haufen geworfen werden. Da, wo diese ?ltern Ansichten sich w?hrend der Dauer ihrer langen Alleinherrschaft mit andern Gebieten menschlicher Geistesth?tigkeit eng verknotet hatten, bedeutete dieser Sturz nothwendig eine g?nzliche Umbildung und Neugestaltung auch auf diesen verwandten Gebieten. Das bekannteste Beispiel hierf?r ist die Religion, deren einseitig dogmatischer Theil durch die Naturwissenschaften zersetzt und zu v?lliger Umwandlung gezwungen wurde. Ein zweites Gebiet aber, das auch wesentlich in Frage kommt, ist die Poesie. Welche besondern Zwecke diese auch immer verfolgen mag und wie sehr sie in ihrem innersten Wesen sich von den exacten Naturwissenschaften unterscheiden mag, -- eine Sonderung, die wir so wenig, wie die Sonderstellung einer vern?nftigen Religion, antasten, -- ganz unbezweifelbar hat sie unausgesetzt, um zu ihren besondern Zielen zu gelangen, mit Menschen und Naturerscheinungen zu thun und zwar, so fern sie im Geringsten gewissenhafte Poesie, also Poesie im echten und edeln Sinne und nicht ein Fabuliren f?r Kinder sein will, mit eben denselben Menschen und Naturerscheinungen, von denen die Wissenschaft uns gegenw?rtig jenen Schatz sicherer Erkenntnisse darbietet. Nothwendig muss sie auch von letzteren Notiz nehmen und fr?here irrige Grundanschauungen fahren lassen. Es kann ihr, was Jedermann einsieht, von dem Puncte ab, wo das Dasein von Gespenstern wissenschaftlich widerlegt ist, nicht mehr gestattet werden, dass sie zum Zwecke irgend welcher Aufkl?rung einen Geist aus dem Jenseits erscheinen l?sst, weil sie sich sonst durchaus l?cherlich und ver?chtlich machen w?rde. Es kann ihr, was zwar nicht so bekannt, aber ebenso wahr ist, auch nicht mehr unger?gt hingehen, wenn sie eine Psychologie bei den lebendigen Figuren ihrer Erzeugnisse verwerthet, die durch die Fortschritte der modernen wissenschaftlichen Psychologie entschieden als falsch dargethan ist. Eine Anpassung an die neuen Resultate der Forschung ist durchweg das Einfachste, was man verlangen kann. Der gesunde Realismus erm?glicht diese Anpassung. Indem er einerseits die hohen G?ter der Poesie wahrt, ersetzt er andererseits die veralteten Grundanschauungen in geschicktem Umtausch durch neue, der exacten Wissenschaft entsprechende. Mit Genugthuung gewahrt er dabei, dass die neuen St?tzen nicht nur relativ, sondern auch absolut besser sind, als die alten, und dass er bei Gelegenheit dieser Anpassung der Poesie ein frisches Lebensprincip zuf?hrt, das nach vollkommener Eingew?hnung h?chstwahrscheinlich ganz neue Bl?then am edeln Stamme des dichterischen Schaffens zeitigen wird, die vormals Niemand ahnen konnte. Das ist in abstracter K?rze die eigentlich verstandesgem?sse Definition des Realismus.
So rund ausgesprochen, hat die Forderung, die darin liegt, alle Eigenschaften, um den Kritiker oder Dichter, dem die Poesie als ein leuchtendes Palladium der Menschheit, das jede Zeit auf den h?chsten Platz ihres intellectuellen K?nnens zu stellen verpflichtet sein soll, eine wahre Herzenssache ist, zu ernstem, wohlwollendem Nachdenken zu zwingen.
Angesichts der gestellten Wahl muss er die ganze, schwere Verantwortung empfinden, die in einem leichtsinnig heraufbeschworenen Streite zwischen Poesie und Naturwissenschaften l?ge. Er wird sich nicht st?ren an die werthlose Phrase, dass ein solcher Conflict nothwendig im Wesen der beiden Geistesgebiete begr?ndet sei. Er wird vielmehr den Blick haften lassen auf den starken Meistern der Vergangenheit, auf dem heldenk?hnen Ringen Schiller's, die Wahrheiten der Philosophie, die doch in der speciellen Form auch mit dem Wissen zusammen fiel, dem poetischen Ideal zu verm?hlen, auf dem unabl?ssigen Forschen G?the's, der in den Wahlverwandtschaften -- fehlerhaft vielleicht, aber doch in sicherem Ahnen der Methode -- die Arbeit des Forschers auf dem Gebiete der Seelenkunde im Dichterwerke zu verwerthen suchte, auf dem lichten Bau der physischen Weltbeschreibung des greisen Alexander von Humboldt, in deren kosmischem Rahmen unter der Form der dichterischen Naturanschauung die ganze Poesie mit Leichtigkeit eine Stelle gefunden h?tte. D?rfen wir stehen bleiben, wo jene, denen die ganze F?lle unserer Offenbarung im Naturgebiete noch versagt war, unentwegt den Wanderstab zum Vorw?rtsschreiten ansetzten? Gewiss steckt in den erhitzten Parteien des Tages die lebhafteste Neigung zu schwerem Kampfe; sollen wir die einzige noch m?gliche Gelegenheit zur Vers?hnung zur?ckweisen, -- zu einer Vers?hnung, die vielleicht zugleich einen Fortschritt f?r die Poesie bedeutet?
Ich meine, so, wie die Frage gestellt ist, giebt es nur eine Antwort. Es handelt sich nicht um Namen, um Nationalit?ten, um Meister und J?nger einer Schule, sondern um zwei Dinge, die vor aller Augen sind: eine Wissenschaft, die energisch vorgeht und neue Begriffe schafft, und eine Literatur, die zur?ckbleibt, und mit Begriffen arbeitet, die keinen Sinn und Verstand mehr haben. Thats?chlich hat denn auch ein betr?chtlicher Theil unserer modernen Dichter die richtige Antwort gefunden, und es kommt hier nicht darauf an, ob Dieser ernste und wohl?berlegte Entschl?sse daran angekn?pft oder Jener bloss in kindlicher Freude ein polizeiwidrig lautes Jubelgeschrei ?ber sein findiges Genie dazu ausgestossen hat. Man hat sich geeinigt ?ber den Satz: Wir m?ssen uns dem Naturforscher n?hern, m?ssen unsere Ideen auf Grund seiner Resultate durchsehen und das Veraltete ausmerzen.
Das Erste, worauf man im Verfolgen dieses Gedankens kam, war ein Satz, der ebenso einfach und selbstverst?ndlich war, wie er paradox klang. Jede poetische Sch?pfung, die sich bem?ht, die Linien des Nat?rlichen und M?glichen nicht zu ?berschreiten und die Dinge logisch sich entwickeln zu lassen, ist vom Standpuncte der Wissenschaft betrachtet nichts mehr und nichts minder als ein einfaches, in der Phantasie durchgef?hrtes Experiment, das Wort Experiment im buchst?blichen, wissenschaftlichen Sinne genommen.
Daher der Name >>Experimental-Roman<<, und daher eine ungeheuerliche Begriffsverwirrung bei allen Kritikern und Poeten, die weder wussten, was man unter einem wissenschaftlichen Experimente, noch was man unter dichterischer Th?tigkeit verstand. Der Mann, der das Wort popul?r gemacht hat, Zola, ist selbst unschuldig an der Verwirrung der Geister. Nur hat auch er den Fehler nebenher begangen, die Definition eines Kunstwerks als Experiment nicht einzuschr?nken durch die Worte >>vom wissenschaftlichen Standpuncte aus<<, womit alles klarer und einfacher wird. Vom moralischen Standpuncte beispielsweise will die Definition gar nichts besagen, denn was ist moralisch ein >>Experiment< Aber wissenschaftlich passt die Sache. Sehen wir das unheimliche Wort n?her an.
Der Dichter, der Menschen, deren Eigenschaften er sich m?glichst genau ausmalt, durch die Macht der Umst?nde in alle m?glichen Conflicte gerathen und unter Beth?tigung jener Eigenschaften als Sieger oder Besiegte, umwandelnd oder umgewandelt, daraus hervorgehen oder darin untergehen l?sst, ist in seiner Weise ein Experimentator, wie der Chemiker, der allerlei Stoffe mischt, in gewisse Temperaturgrade bringt und den Erfolg beobachtet. Nat?rlich: der Dichter hat Menschen vor sich, keine Chemikalien. Aber, wie oben ausgesprochen ist, auch diese Menschen fallen in's Gebiet der Naturwissenschaften. Ihre Leidenschaften, ihr Reagiren gegen ?ussere Umst?nde, das ganze Spiel ihrer Gedanken folgen gewissen Gesetzen, die der Forscher ergr?ndet hat und die der Dichter bei dem freien Experimente so gut zu beachten hat, wie der Chemiker, wenn er etwas Vern?nftiges und keinen werthlosen Mischmasch herstellen will, die Kr?fte und Wirkungen vorher berechnen muss, ehe er an's Werk geht und Stoffe combinirt.
Wer sich die M?he nehmen will, einen ganz fl?chtigen Blick auf das Beste zu werfen, was Shakespeare oder Schiller oder G?the geschaffen, der wird den Faden des psychologischen Experiments in jeder dieser Dichtungen klar durchschimmern sehen. Bloss jene Voraussetzungen waren vielfach etwas andere, und hier ist denn eben der Punct, wo der Einfluss der modernen Wissenschaft sich als ein neues Element geltend machen und der Realismus, dessen Theorie wir zugegeben haben, practisch werden soll. Es gilt, neue Pr?missen f?r die weitern Experimente, die wir machen wollen, aufzustellen oder besser, sie uns von der Naturwissenschaft aufstellen zu lassen. Hier aber, beim Eintritt in die Praxis, wird die ganze Sache sehr schwierig. Wir haben bisheran einer allgemeinen Er?rterung Raum gegeben. Der allgemeine Zustand des Denkens in unserer Zeit und des Verh?ltnisses von Poesie und Forschung zu einander hat uns ein Gest?ndniss abgezwungen, indem er uns ein Dilemma zeigte, aus dem es nur einen Ausweg gab. Wir haben uns einverstanden erkl?rt mit der vers?hnlichen Richtung eines gesunden Realismus und sind vorgedrungen bis an den Fleck, wo die Ber?hrung der exacten Wissenschaften mit derjenigen Definition der Poesie, die von allen am wissenschaftlichsten klingt, endlich stattfinden soll. Alle Vorfragen sind damit erledigt, und ich trete jetzt an das heran, was eigentlich den Kern des Ganzen ausmacht und zugleich ein solches Gewebe ernster Schwierigkeiten aufweist, dass ich eine eingehende Betrachtung derselben f?r die nothwendige Basis jeder realistischen Dichtung sowohl, wie jeder realistischen Aesthetik halte.
Die Pr?missen des poetischen Experiments: das sagt in einem Worte alles. Hier verknoten sich Naturwissenschaft und Poesie.
Wohlverstanden: diese Pr?missen umschliessen nicht die Naturgeschichte des poetischen Genius selbst, eine Sache, die ja auch in die Aesthetik hineingeh?rt, die aber mit dem, was ich meine, direct nichts zu schaffen hat. Geniale Anlage muss der Mensch besitzen, um ?berhaupt als Dichter auftreten zu k?nnen, und zwar eine ganz bestimmte Form genialer Anlage, die sich von der f?r andere Geistesgebiete individuell unterscheidet. Jene andern Pr?missen, die erworbenes Wissen darstellen, verhelfen ihm bloss in zweiter Instanz dazu, sein sch?pferisches Wollen nach vern?nftigen Gesetzen zu regeln und auch andern, nicht dichterisch Beanlagten durch das Medium der Logik einigermassen verst?ndlich zu machen. Aber auch wenn wir alle Missverst?ndnisse ausschliessen, bleibt die Sache immer noch sehr schwierig. Es mangelt zun?chst g?nzlich an brauchbaren B?chern, die dem Dichter einen vollkommenen Einblick in das verschaffen k?nnten, was ihm aus dem ungeheuren Bereiche der wissenschaftlichen Forschung ?ber den Menschen zu wissen Noth thut. Die in ihren Resultaten so sehr werthvolle psychologische und physiologische Fachliteratur zeigt den Bestand des Materials nur in seiner ?ussersten Zersplitterung. Weit entfernt, die Arbeit des einsichtigen Dichters unter der Rubrik des psychologischen Experimentes entsprechend zu w?rdigen, zieht sich die Fachwissenschaft in den allermeisten F?llen vornehm zur?ck und ?berl?sst die Verarbeitung ihres Materials f?r poetische Zwecke dem Philosophen, der unter zehn F?llen neunmal die Thatsachen unter dem Vorwande der Ordnung einfach f?lscht. Statt der Wissenschaft Rechnung zu tragen, suchen schaffende Poesie wie Aesthetik dann ihre Pr?missen durch Studium philosophischer Systeme zu gewinnen, und der Erfolg ist, dass wir unter dem Vorwande realistischer Ann?herung an die Resultate der Forschung allenthalben einer Verherrlichung Hegel'scher Phrasen, Schopenhauer'scher Verbohrtheiten oder Hartmann'scher Willk?r begegnen, die mit echter Wissensbasis wenig mehr zu schaffen haben, als die alten religi?sen Ideen, so geistvoll sie auch im Einzelnen ersonnen sein m?gen.
Eine Anzahl vorsichtiger Geister, besonders aus?bender Poeten, verschm?ht mit Recht diese schwankende Br?cke und st?rzt sich k?hn in die Detailmasse des exacten Fachwissens. Der Erfolg zeigt eine ernstliche Gefahr auch bei diesem Unterfangen. Die wissenschaftliche Psychologie und Physiologie sind durch Gr?nde, die Jedermann kennt, gezwungen, ihre Studien ?berwiegend am erkrankten Organismus zu machen, sie decken sich fast durchweg mit Psychiatrie und Pathologie. Der Dichter nun, der sich in berechtigtem Wissensdrange bei ihnen direct unterrichten will, sieht sich ohne sein Zuthun in die Atmosph?re der Clinic hineingezogen, er beginnt sein Augenmerk mehr und mehr von seinem eigentlichen Gegenstande, dem Gesunden, allgemein Menschlichen hinweg dem Abnormen zuzuwenden, und unversehends f?llt er im Bestreben, die Pr?missen seiner realistischen Kunst zu beachten, die Seiten seiner Werke mit den Pr?missen dieser Pr?missen, mit dem Beobachtungsmateriale selbst, aus dem er Schl?sse ziehen sollte, -- es entsteht jene Literatur des kranken Menschen, der Geistesst?rungen, der schwierigen Entbindungen, der Gichtkranken, -- kurz, das, was eine nicht kleine Zahl unwissender Leute sich ?berhaupt unter Realismus vorstellt.
Ich habe den Weg gezeigt, wie klar denkende Dichter auf diese Linie gerathen k?nnen, und bin weit davon entfernt, das bl?de Gel?chter der Menge bei Beurtheilung derselben zu theilen. Es sind keineswegs die kleinen, rasch zufriedenen Geister, die in solche heroischen Irrth?mer verfallen, und der still vergn?gte Poet, der im einsamen K?mmerlein von Sinnen und Minnen tr?umt, hat f?r gew?hnlich nur sehr problematische Kenntniss davon, welcher Riesenarbeit sich gerade der dichtende Genius unterzieht, der im treibenden Banne seiner Gedanken bis zum Unsch?nsten, was die Welt im gebr?uchlichen Sinne hat, dem Krankensaale, vordringt. Ein Irrthum bleibt die Einseitigkeit darum doch. Die Krankheit kann nicht verlangen, den Raum der Gesundheit f?r sich in Anspruch nehmen zu wollen, das unausgesetzte Experimentiren mit dem Pathologischen, also dem ganz ausschliesslich Individuellen, das eine Ausnahme vom normalen Allgemeinzustande bildet, nimmt der Poesie ihren eigentlichsten Charakter und verf?hrt den Leser zu Irrth?mern aller Art, die hinterher den ganzen Realismus treffen.
Ich halte es angesichts all' dieser Gefahren f?r durchaus an der Zeit, in einer ?bersichtlichen Darstellung diejenigen Puncte herauszuheben, die eigentlich in der Gesammtf?lle des modernen naturwissenschaftlichen Materials als wahre Pr?missen seiner Kunst den Dichter unmittelbar angehen. Ich m?chte dabei ebensoweit von philosophischer Verw?sserung wie von fachwissenschaftlicher Detail?berlastung entfernt bleiben. Was sich als Resultat der bisherigen objectiven Forschung ergiebt, m?chte ich unter dem best?ndig beibehaltenen Gesichtspuncte der dichterischen Verwerthung klar darlegen. Das Metaphysische kann ich dabei nur streifen als nothwendigen Grenzbegriff des Physischen. Die Erkenntnisslehren der modernen Naturwissenschaft sind, wie schon gesagt, bisher in die weiten Kreise fast stets als Beiwerk in gewissen Systemen, als St?tze materialistischer oder pessimistischer oder sonst irgendwie auf einen Glauben getaufter Weltanschauungen verbreitet worden. All' diesen Bestrebungen stehe ich durchaus fern. Was der Poet sich ?ber das innerste Wesen der kosmischen Erscheinungen denkt, ist seine Sache. Die Puncte, um die es sich f?r mich handelt, sind als Wissensgrundlagen massgebend f?r Alle, so gut wie das Wasser das Product zweier Elemente, des Wasserstoffs und des Sauerstoffs, f?r jeden vern?nftigen Menschen bleibt, mag er nun im Puncte des Gem?thes Christ oder Jude oder Mohammedaner sein oder die heilige Materie anbeten.
Es giebt Dinge darunter, die den Dichter st?rker machen werden, als seine Vorg?nger waren, wenn er sie in der rechten Weise beachtet. Es giebt auch Dinge, die ein zweischneidiges Schwert sind und mit aller Vorsicht behandelt werden wollen. Im Grossen und Ganzen kann ich nur sagen: eine echte realistische Dichtung ist kein leichter Scherz, es ist eine harte Arbeit. Die grossen Dichter vor uns haben das s?mmtlich empfunden, die kommende Generation wird es m?glicher Weise noch mehr f?hlen. Einen Menschen bauen, der naturgeschichtlich echt ausschaut und doch sich so zum Typischen, zum Allgemeinen, zum Idealen erhebt, dass er im Stande ist, uns zu interessiren aus mehr als einem Gesichtspuncte, -- das ist zugleich das H?chste und das Schwerste, was der Genius schaffen kann. Wie so der Mensch Gott wird, ist darin enthalten, -- aber es wird jederzeit auch darin sich offenbaren, wie so er Gottes Knecht ist. Das Erhebendste dabei ist der Gedanke, dass die Kunst mit der Wissenschaft empor steigt. Wenn das nicht werden sollte, wenn diese Beiden fortan im Kampfe beharren sollten, wenn Ideal und Wirklichkeit sich gegenseitig ermatten sollten in hoffnungslosem, vers?hnungslosem Zwiste: dann w?ren die Gegenwart, wie die Zukunft ein ?des Revier und die Mystiker h?tten Recht, die vom Aufleben der Vergangenheit tr?umen. Es ist in Wahrheit nicht so. Ein gesunder Realismus gen?gt zur Vers?hnung, und er erw?chst uns von selbst aus dem Nebeneinanderschreiten der beiden grossen menschlichen Geistesgebiete. Dichtung um Dichtung, ?sthetische Arbeit um ?sthetische Arbeit, alle nach derselben Richtung gestimmt, m?ssen den Sieg anbahnen. Die rohe Brutalit?t, von der hitzige K?pfe tr?umen, wollen wir dabei gern entbehren, -- ich meine, die Wissenschaft ist dazu viel zu ernst und die Kunst viel zu sehr der Liebe und des klaren, blauen, herzerw?rmenden Fr?hlingshimmels bed?rftig.
Zweites Capitel.
Willensfreiheit.
Ich will als Dichter einen Menschen, den ich in eine bestimmte Lage des Lebens gebracht habe, eine Handlung begehen lassen und zwar diejenige, welche ein wirklicher Mensch in gleicher Lage wahrscheinlich oder sogar sicher begehen w?rde.
Ich will als Kritiker einer Dichtung beurtheilen, ob eine bestimmte Handlung, die ein bestimmter Held dieser Dichtung unter bestimmten Umst?nden begeht, wirklich richtig, das heisst den Gesetzen der Wirklichkeit entsprechend, erfunden ist.
In beiden F?llen werde ich beim geringsten Nachdenken auf die allgemeine Frage der Willensfreiheit gef?hrt.
Diese Frage aber ist weder eine dichterische, noch eine philosophische, sondern eine naturwissenschaftliche. In ihr kreuzen sich die s?mmtlichen Grundfragen der wissenschaftlichen Psychologie, und sie ist meiner Ansicht nach die erste und wichtigste Frage, mit der sich die Pr?missen der realistischen Poesie und Aesthetik zu befassen haben.
Die oberfl?chlichste Anschauung der wahren Dinge in der Welt lehrt, dass die menschliche Willensfreiheit nicht ist, was das Wort nahe legt: eine absolute Freiheit. Wir sehen nicht nur die Macht des Willens physikalisch beschr?nkt, sondern gewahren auch in dem eigenth?mlichen Gef?ge und Bau der Gedanken, die den Willen zu irgend etwas schliesslich als ?ussern Act entstehen lassen, best?ndig sehr eigenth?mliche, subjective Factoren, die in uns sofort das Gef?hl eines eingeschr?nkten Laufes der Gedankenketten entstehen lassen. Genau dieselbe Thatsache erweckt im Geiste verschiedener Menschen verschiedene Gedankenreihen, die oft den genau entgegengesetzten Willen hervorrufen. Eine unbewacht gelassene Casse ruft in einem Gewohnheitsdiebe den Gedanken und in directer Fortsetzung die Handlung des Stehlens, in einem seiner bisherigen Lebensbahn nach durchaus rechtlich gesinnten Menschen h?chstens den Gedanken an eine Sicherung und Bewachung zur Verh?tung eines Diebstahls hervor. Eine grosse Anzahl von Menschen ist zwar geneigt, gerade den Umstand hier f?r allgemeine Freiheit zu halten, dass der Eine so, der Andere anders handelt. Der Naturforscher wird sich sagen m?ssen, dass die gleiche ?ussere Sache nur einen verschiedenen innern Effect haben kann, weil sie offenbar in dem Innern der beiden geistigen Individuen auf eine ungleiche Disposition trifft, etwa wie in der Physik derselbe Funke, je nachdem er in eine Pulvertonne oder in ein Wasserfass f?llt, sehr verschiedene Kr?fte ausl?st.
Damit ist ein erster, roher Anhaltspunct f?r die Auffassung psychologischer Vorg?nge gewonnen. Wenn ich als Dichter Menschen in Ber?hrung mit ?usseren Erscheinungen bringe, so wechselt nicht nur der Wille in den Handlungen der Person je nach den ?usser'n Impulsen, sondern er ist auch subjectiv bei den Einzelnen verschieden je nach der Disposition des Geistes, die der Impuls bei Jedem findet.
Die Physiologie giebt uns nun als n?chsten Fortschritt ?ber diesen ersten Punct weg die Thatsache an die Hand, dass jede Disposition des Geistes zugleich eine Disposition des stofflichen Untergrundes, des Gehirns, bedeutet.
Die Frage, in welchem Causalit?tsverh?ltniss diese Doppelerscheinungen der geistigen und stofflichen Disposition unter sich wohl stehen m?chten, ob der Geist als solcher existire oder bloss eine subjective R?ckansicht desselben Dinges sei, das wir ?usserlich als Stoff, respective mechanische Kraft uns gegen?ber stellen, geht uns hier als eine erkenntniss-theoretische, wissenschaftlich nicht l?sbare gar nichts an. Was wir mit H?nden greifen k?nnen, ist das Zusammenfallen jeder psychischen Erscheinung mit einer molecularen, jedes Gedankens mit einem ganz bestimmten physiologischen Ereignisse innerhalb des nerv?sen Centralorgans. Dieses leugnen, hiesse rundweg das Gehirn leugnen und die ganze ?berw?ltigende Masse k?nstlicher wie unfreiwilliger Beeinflussungen des psychischen Apparats, die man bei vivisecirten Thieren und verwundeten oder gehirnkranken Menschen durch stoffliche Umwandlungen in der Gehirnmasse hat entstehen sehen. Die Thatsache steht also unbezweifelbar fest: wir k?nnen behaupten, wenn bei einer bestimmten Person ein bestimmter ?usserer Impuls eine bestimmte Disposition im Gedankengange des Betreffenden vorfindet, so ist diese Disposition zugleich etwas Stoffliches, eine Curve, Furche, reihenweise Gruppirung kleiner Theilchen, Schwingung der Molec?le nach einer bestimmten Richtung oder was man sich sonst denken will in der greifbaren Masse des Gehirns. Das oben gebrauchte Beispiel mag das zur Deutlichkeit nochmals illustriren. Gleicher ?usserer Impuls: eine offene Casse. Erfolg bei dem einen Menschen unmittelbar und ohne Wahl eine moralisch verwerfliche Gedankenkette, die endigt mit der Handlung des Stehlens, bei dem andern ebenso unmittelbar eine gute, die ausl?uft in die Handlung des Bewachens. Grund: der erste Mensch ist gew?hnt, schlecht zu handeln, seine Gedankenkette schl?gt sofort eine bestimmte Richtung ein, die k?rperlich einem durch Gewohnheit tief ausgefahrenen Geleise entspricht, in das ein neu ankommender Wagen stets mit mechanischer Nothwendigkeit wieder hineinrollt; umgekehrt bei dem gewohnheitsm?ssig moralischen Menschen ger?th die Ideenverbindung unmittelbar in eine ganz entgegengesetzte Linie, die schliesslich den umgekehrten Effect ausl?st.
Ich habe das Beispiel so nackt gew?hlt, wie m?glich, -- ohne jeden Conflict, was nicht ausschliesst, dass es t?glich so vork?me. Wer oft gestohlen hat, stiehlt wieder; wer in moralischem Denken aufgewachsen ist, kommt f?r gew?hnlich gar nicht auf den Gedanken, zu stehlen; die Ideenkette lenkt ohne Ablenkungen besonderer Art, die ich hier vernachl?ssige, stets in dieselben Geleise ein. Das Wort Geleise d?rfen wir unbedenklich anwenden, da ja ein stofflicher Vorgang stets mit unterl?uft. Geschaffen hat die Geleise, wie sich Jeder schon zur einfachsten Erl?uterung dazu sagt: die Gewohnheit. Jede Minute unseres Lebens bringt uns Beweise daf?r, -- das Wort Gewohnheit, das uns best?ndig auf der Zunge schwebt, ist eben nur der Ausdruck des Factums, dass die mehrmals aufgestellten Gedankenketten sich ein derartig festes Bett in unserm Denkorgane graben, dass gewisse, nur entfernt daran gemahnende Impulse sie jedesmal mit zwingender Nothwendigkeit wieder hervorrufen und dieselbe Handlung als schliesslichen Effect daraus entstehen lassen. Je ausgefahrener die Geleise nach und nach werden, desto rascher und damit dem Bewusstsein desto undeutlicher saust der Gedanke hindurch, desto unmittelbarer l?sen sich Impuls und Willenseffect ab, bis schliesslich der Gedanke gar nicht mehr bewusst wahrgenommen wird und die Handlung sich als rein mechanischer Reflex des Impulses darstellt, -- Erscheinungen, die wir t?glich am Menschen beobachten k?nnen und die beim Thiere, dem die wenigen Eindr?cke seines Lebens durch ihre regelm?ssige Wiederkehr fast alle in der genannten Weise constant und zur Quelle reiner Reflexhandlungen werden, die Regel bilden.
Wenn es auf Grund eines ungeheuren Fortschrittes mikroskopischer Forschung m?glich w?re, ein vollkommenes Bild eines beliebigen menschlichen Gehirns, das zu seinen Lebzeiten Gedanken gehegt hat, zu entwerfen, so w?rde man, wie immer das wahre Antlitz der Sache sich gestaltete, stets auf das schematische Bild einer Ebene kommen, die von Linien ungleicher Dicke durchkreuzt wird, von denen eine Anzahl nur matt angedeutet und halbverwischt, eine gewisse Zahl dagegen ?usserst scharf und deutlich erschiene, und der Beschauer w?rde unmittelbar das Gef?hl haben, dass es sich hier um ein Strassensystem handle, bei dem dasselbe obgewaltet, wie bei menschlichen Verkehrswegen: irgend ein ?usserer Umstand hat mehrmals die Verkehrenden auf dieselbe Strasse gef?hrt und, einmal ausgetreten, hat diese nun Alle, die nur entfernt nach derselben Richtung wollten, veranlasst, ihrer Linie und keiner andern zu folgen.
Thats?chlich sind wir ja so weit nicht. Das Gehirn, welches wir kennen, bietet uns, was das unmittelbare Sehen anbelangt, ungef?hr so viel Anhaltspuncte zur Kenntniss seiner innern Processe, wie dem Astronomen die Oberfl?che des Planeten Mars. Wir erkennen auf dieser L?nder und Meere, Can?le, die das Festland durchschneiden, atmosph?rische Vorg?nge, Wolken, Schnee, Eismassen am Pol; das Alles aber kommt so wenig ?ber den groben Umriss hinaus, dass Objecte von der Gr?sse der Victoria-Nyanza noch gerade als Puncte wahrnehmbar sind.
Unsere Anschauungen vom Wesen der ganzen Gedankenth?tigkeit m?ssen wir, unf?hig, die Maschine in ihre R?dchen auseinander zu nehmen und im todten Material zu studiren, abstrahiren aus dem Erfolge, aus der regelm?ssigen, positiv zu beobachtenden Wiederkehr gewisser gewohnheitsm?ssiger Gedankenreihen in uns selbst und den Handlungen, die wir t?glich bei uns als Folgen dieser zwangsweisen Ideenketten wahrnehmen und bei Andern als solche voraussetzen d?rfen. Immerhin ist diese Art der Beobachtung ein vollkommen guter Ersatz f?r jene.
F?r die Freiheit des Willens, von der wir ausgegangen sind, ist jedenfalls -- m?gen wir nun physiologisch oder psychologisch zu unsern Resultaten gekommen sein -- in dem Bestehen der durch Gewohnheit gegrabenen Gedankenstrassen ein bedenkliches Hinderniss gegeben. Der Wille ist Endergebniss eines nicht gest?rten, bis zu einer gewissen Intensit?t angeschwollenen Gedankens, -- wenn der Gedanke aber in seinem Flusse sich in den meisten F?llen einem gegrabenen Bette anschmiegen muss, so kann in allen diesen von einer Freiheit des endlichen Willens keine Rede mehr sein, und man braucht noch gar nicht auf jene oben erw?hnten, ganz reflectorisch gewordenen Willensacte zur?ckzugehen, um auf Schritt und Tritt diesen einfacheren hemmenden Einfl?ssen zu begegnen.
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