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Read Ebook: Dada Mit einem Holzschnitt von Lyonel Feininger by Knoblauch Adolf Feininger Lyonel Illustrator

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Ebook has 196 lines and 16560 words, and 4 pages

Ewige Feuchtigkeit, graue Wolken, j?h vorbrechende St?rme. Die Meeresw?ste wird nur selten von einigen die kimerische D?mmerung durchbrechenden Sonnenstrahlen gef?rbt. Den Tagen folgen wunderliche N?chte von gleicher Helligkeit.

Eines Abends sitzt Dada wie gew?hnlich am Meere, das ihm Derobea genommen hat und erw?gt einen Satz aus dem Buche, das seiner Hand entglitten ist: >>Die ?berwindung der unsozialen, richtungslosen Ekstase durch die soziale Ziel-Ekstase, das himmlische Jerusalem aus irdischen Bausteinen.<< Es ist ihm, als unterhielte er sich mit Derobea ?ber den Sinn dieses Satzes.

Der Wind schl?ft ein, die Wolken stehen reglos, und das Meer ver?ndert fern hinaus seine D?sternis zur tiefsten Schw?rze. Nur der Schall der gegen die Bl?cke des tiefen Strandes vorbrechenden Flut donnert im Gleichmass fort. Unheimliche Finsternis der Antarktis steht undurchdringlich vor Dada. Nur das Land bleibt schattenhaft in seinem gespenstigen Eigenlicht sichtbar. In H?he des Meeres beginnen einzelne gelbe Streifen ein zuckendes Spiel hinter einem unermesslichen Vorhang finstrer Geschiebewinde, einzelne ferne Fanfarent?ne, dann tiefste Stille. Dicht ?berm Meere wird es in endloser Ausdehnung vom Licht lebendig, der Horizont gl?ht an von geisterhaftem ruhigem Blau und Gr?n und strahlt auf, w?hrend ungeheure F?cher, Gardinen, schwere Vorh?nge sich hell f?rben und aus durchsichtigem Kristall werden, um ein unerh?rtes lohgelbes Flammen mit tiefstem Schweigen auszustrahlen. Endlich erhebt sich hinter den starren Falten der purpurne Riesenf?cher eines ungeheuer starken Kernfeuers, das mit blutigem Licht durch die flammenden Kristalle hinaus aufs Meer in breiten Str?men rieselt. Ein unermessliches Blutergiessen ?berflutet den geheimnisvollen Polarkreis. Die wilde Sch?nheit purpurner Grotten und Eismeere, ungeheurer Pflanzen und Wale und Berge von Eis, vom zartesten Splitter bis zu den Kristall-Stalaktiten antarktischer Riesendome in d?steren Gluten err?tend und elektrisch funkelnd schauert tief in Dadas Herz und t?tet mit Geisterh?nden sein Liebesleid. Das Miramar des Nordpols steht vor seiner Seele, und von seinen Zinnen spricht Gott in tiefster Stille das Wort des neuen Jahrtausends aus.

Es graut Dada vor dem erhabenen Nordlicht, von schrecklicherer K?lte als alle grausamen Kulte Mexikos, Indiens und Karthagos. Das k?lteste und feurigste Wunder des Erdballs hat der Italiener geschaut. Das grausigste der Sch?pfungswerke, das der ?ussersten Finsternis die blendendste Pracht des Lichtes beigesellte.

Das blutige Nordlicht, gewaltiger als je eins seit Menschengedenken, ist von vielen Lappl?ndern beobachtet worden.

Dada hat das Fieber seit jener Nacht gepackt und liegt im Gasthofe zu Bett, wo er von einer Lappl?nderin gepflegt wird. Und diese erz?hlt ihm eines Tages vom Nordlicht und seiner Prophetie. Es k?ndigt einen Krieg an, in dessen weissgl?henden Ring alle V?lker der Erde nacheinander ihre S?hne hineinschmieden m?ssen, um sie in seiner unerl?schlichen Glut f?r ewig versinken zu sehen. Ein herrlicher Vorhang flammenspr?hend verbirgt wohlt?tig die Greuel denen, die warten, aber wenn ein Vorhang verzehrt ist, so stellt ein neuer noch herrlicher sich dar. Niemand vermag hineinzuspringen, die abscheulichen Gluten auszutreten oder die Geopferten ihnen zu entreissen. Hier wird Retter, Henker und Opfer eines und gleich. Diese Schrecken verk?nden die prophetischen Falten des Nordlichts.

DIE URLAUTE.

Dada lernt die Sprache der Lappl?nder, um Zunge und Geh?r in der Urform des Menschenwortes kindlicher Rassen zu binden.

In den N?chten des nassen, sturmumtobten Hammerfest sieht Dada die Grundlage einer Zukunftsdichtung, indem er die Sprachen alter Rassen nach Urworten und Lauten durchforscht, die T?ne tausendj?hriger Kindheit blumenhaft ?ffnen. Wie vordem die Urlaute der Kinder, versucht er jetzt die Urkl?nge der menschlichen Rassen in seinem System von Rhythmen zum schwingenden Rausche zu dichten, wie jener Ekstatiker in L?-bas die substilsten Sorten des Kognaks zu einer Symphonie des Kognak-Rausches. Vom wilden Lappen, Eskimo, Tschungusen nimmt Dada den Urlaut, und l?sst ihn neu t?nen in Dadas Wildheit, Trauer, Gl?ck und Schmerz. Dada hebt die logische Sukzession der Worte in den Ursprachen der Fetischanbeter auf und sammelt ihre einzelnen Silben oder Laute, sperrt ihren beziehungsreichen Sinn in das Gef?ngnis seines nerv?s eilenden Rhythmus und senkt in ihre traurig gerupften Kelche die bleichen Leidenschaften des Urwalddurstigen verkr?ppelten Europ?ers. Der Chinese, der ?gypter, der Druide sprachen durch Zeichen, die sie auf Seide, Stein oder Holz eingruben. Dada nimmt die gottgeweihten Zeichen, wiederholt sie auf mehreren Reihen des nerv?s fiebernden Rhythmus, um die Empfindung des Urlaute-denkenden Dada fl?chtig schillernd auszudr?cken.

In einem lappl?ndischen Dorfe nahe der russischen Grenze findet Dada einen Dorfg?tzen, vor dem er sich niederwirft, dann wieder aufrichtet, um von neuem niederzufallen. Mit sch?umendem Munde betet Dada in den drei Urlauten einer Hymne, die zum Gegenstande die komplizierte Idee der sozialen Zielekstase hat. Das Dorf um ihn ist nichts weiter als die materielle Gestalt seiner Idee, der er in der Hymne den Ausdruck des Urlautes verleiht.

Dada spricht: >>Ich bin der Orient.<<

Er reist durch Finnmarken nach St. Petersburg; er geht durch das Geschlinge aller Rassen und Sprachen und er bildet das Geh?r zur ?ussersten Feinheit der Wahrnehmung, um die allertiefsten und allerfernsten Urkl?nge der lebenden V?lker zu verstehen und zu besitzen.

Er betritt vom ersten Augenblick an jene Bahn, die jedermann w?hlt, wenn er weder Geld noch Besch?tzer besitzt, um zum Erfolge zu gelangen. Dada tritt in die ber?hmte Organisation der russischen Geheimpolizei. Er wird beauftragt, einer Reihe revolution?rer Klubs als ordentliches Mitglied anzugeh?ren. Auf Grund gef?lschter Zertifikate erlangt er Zutritt zu einer Reihe politischer Versammlungen, erwirbt sich Vertrauen und wird schnell ber?hmt auf Grund seiner pers?nlichen herkulischen Erscheinung, die an die Leibesf?lle des Begr?nders russischen Terrors erinnert: Michail Bakunin. Dadas Vorname, bei dem ihn jetzt das Proletariat kennt, ist: Michail.

Auf einer Werbereise zu den Muschiks eines westlichen Gouvernements kommt der erfolgreiche Istrianer in einem Provinzst?dtchen mit zwei M?nnern zusammen, die Bauern und Arbeiterschaft ihrer Bezirke in Bewegung gesetzt haben, ohne eine Kopeke von den Geldern des Zentralkomitees zu brauchen. Der eine ist Klavierlehrer, der andere Angestellter der Stadtdruckerei. Mit diesen beiden M?nnern ger?t er in ein Gespr?ch ?ber ein Ereignis, das ganz Russland ersch?ttert. Ein junges M?dchen aus guter Familie, gut erzogen und von der Jugend der Charlotte Corday, hat einen General mit der Bombe get?tet, weil er ein grausamer Gouverneur war. Dies M?dchen wird in der Untersuchungshaft von den ?berwachenden Offizieren vergewaltigt und am nackten Leibe gemartert. Sie l?schten z. B. die Zigaretten auf ihrer Haut. Als sie vor ihren Richtern steht, erkl?rt sie, dass sie aus dem Leben wolle.

Eine d?stere Trag?die folgt der anderen, diese gl?henden Verfinsterungen einer Nation, in der die mechanische Cin?ma-Kultur Europas sich mit den asiatischen Triebkr?ften zur ungeheuren Selbstzerst?rung vermischen.

Dada sieht sich durch die Ochrana unheimlich verstrickt und weiter als je von Italias Freiheitssendung entfernt. Er schliesst sich gequ?lt den beiden M?nnern an, die eine f?r ihre Schicht ungew?hnliche politische Vernunft und k?hne R?cksichtslosigkeit in der Verfolgung ihrer Ziele besitzen, ausserdem lernt Dada in ihnen zwei Freunde jener Terroristin kennen. Mit ihnen geht der Istrianer auf die Strasse, sie halten die Vor?bergehenden an und erkl?ren jedem einzeln ihre Ideen. Sie fl?stern, versprechen geheimnisvoll, drohen, spotten -- sie werben mit unbezwinglicher ?berzeugungskraft. Die Polizei ist machtlos gegen sie.

Auch Dada glaubt an die Revolution, die Demokratie und Kindlichkeit der V?lker. Er glaubt an das Werk der Freiheit. Er bittet seine Freunde, das erste grosse Werk sozial zielvoller Ekstase den Muschiks und Proletariern vortragen zu d?rfen: >>Das Nordlicht!<< und begr?ndet: >>Die Kindlichkeit neuer Demokratien erfordert eine ihr gem?sse neue Urform des Ausdrucks und des Stils. Erst der kindliche Mensch ist der wahrhaft Freie! ein ausgelassener unb?ndiger Junge ist das Urbild der Freiheit!<<

Seine S?tze brauche man nicht durch Kommas und Punkte eingeschachtelt zu h?ren, jedes seiner Worte sei ein Hauptwort, auf dem die Sonne der Urlandschaft spriesse. Jede seiner Empfindungen habe nur einen Ausdruck: Den o- oder aj-Ausruf, den Schmerz oder die Freude. Sein Wille kenne nur eine Wortform von substanziellstem Wert.

Vor dem gleichg?ltig rauchenden und trinkenden Publikum einer Arbeiterversammlung tr?gt Dada die Hymne des Nordlichts vor. Die V?lker beider Welth?lften erz?hlen selbst im eint?nigen Chore von den Grausamkeiten, den Kriegen und den Kulten ihrer kindlichen Zeiten. Die Idole der Osterinsel, Perus und der grausamen Mexikaner erz?hlen ihre paradiesischen Feste und ihre sch?ndlichsten Greuel, Madagaskar, Indien, und endlich jene untergegangene Atlantis, von der die lateinischen Neu-Republiken nur blasse Revenants sind, bl?hen urwaldblumenhaft in ihren wenigen gewaltigen Urlauten aus Dadas Rhythmen auf. T?nze, Prozessionen, Orgien, Fratzen, G?tzen der alten Naturkulte leben magnetisch in einigen gelallten Silben Dadas, obgleich hier bereits die Grenzen des im Worte Darstellbaren erreicht werden. Diese Silben gleichen Kakteen oder Orchideen, die m?rchenhafte Systeme von Stacheln oder farbigen Bl?ttern entfalten und mit ihren k?nstlichen Gebilden das Entz?cken der Sammler oder ?sthetischer Salons sind.

Dadas sozial zielvolle Dichtung ist ein arch?ologisches Museum der Seltsamkeiten des V?lkerlebens, ein Erotikon und Folklore aller Geschlechtskulte. Die Menschheit eilt mit dem eint?nigen Summen eines vielgesch?ftigen Bienenstockes vorbei, ohne sich umzublicken, den Blick auf ihre erhabenen Idole geheftet. Immer auf dem Marsche nach Norden, immer von neuem ungeheuren Zuchtmitteln unterworfen, die aus Ein?den entsprangen und die Erschlafften geisseln -- durch die Kriege, Opfer, Br?nde, Seuchen, Unterg?nge wandeln die gleichm?tig gereimten Hymnen Dadas, um endlich das Nordlicht anzubeten und aus seinen gl?henden Falten die kalte Prophetie Europas zu empfangen. Dada verk?ndet die Zertr?mmerung dieses Erdteils, und nach Niederlegung all seines Menschen- und Pflanzenwuchses den Triumph der Polarw?ste ?ber die verworfenen Reiche, den Sieg des Nordlichts!

Eine dr?ckende Stille liegt auf den Zuh?rern. Die beiden Freunde fassen Dada an den Armen und zwingen den bequemen herkulischen Italiener aufzustehen und mit ihnen die Versammlung zu verlassen.

Seit einiger Zeit ist Dada verd?chtig des Einverst?ndnisses mit der Polizei, und bei seiner ungew?hnlichen Vorlesung, die mit s?mtlichen Perversit?ten der b?rgerlichen Gesellschaft aller V?lker spielte, haben die Freunde das st?rkste Misstrauen der Versammlung bemerkt. Selbst die Freunde haben Dadas Werk nicht verstanden, das auf das Erscheinen irgendeines neuen b?rgerlichen Ssanin hinaus zu gehen schien, der auf Kosten der Arbeiter einem Geschlechtskulte im Zeichen des Nordlichts sich hingeben wird. Ein Jahr hat Dada in Russland verbracht, ohne seine Aufgabe, die Freiheit auch diesem gequ?lten Lande zu bringen, erf?llt zu haben, diesem misstrauischen, bis auf die Wurzeln verdorbenen Volke, das in dem Bewusstsein st?ndiger Gefahr von Umsturz und Emp?rung sich dem Rausche ergeben hat, erregt von einer tief fressenden, stets sprungbereiten tierischen Sexualit?t. Ihre Freiheitsideen verdammt Dada im selben Masse wie ihren Fortschritt vom Stumpfsinn des Mir zum Cin?ma und zum Alkohol.

Die Macht der Idee selbst bei den armen russischen Bauern und Arbeitern ist das Wunder, das Dada r?hrt, und er w?nscht ihnen dazu die Vernunft des -- Nordlichts!

Der ungl?ckliche Weltreisende muss sich von neuem entschliessen zu wandern. Dada soll ebenso sanft wie nachdr?cklich nach Deutschland abgeschoben werden, dem Zion aller Juden und Empork?mmlinge Russlands und Polens.

Mit Hilfe seiner herzoglichen Freibriefe entrinnt er rechtzeitig der russischen Polizei und gelangt nach Deutschland.

DRESDEN.

Dada wendet sich sogleich nach Dresden, um Derobeas Aufenthalt zu erkunden. Siehe da: auch sie ist nach einj?hriger Abwesenheit in den Polarl?ndern zur?ckgekehrt, um von Dresden aus zum Gemahl nach Rom weiterzureisen. Sie hat die Expedition des Herzogs auf der Heimreise in Hamburg verlassen. Es ist ein k?stliches Wiedersehen von Taubenz?rtlichkeit, und sie beschliessen, ganz der Kunst und der intimsten Gesellschaft geweihte Wochen gemeinsam zu verleben. Die reiche, in K?nstlerkreisen sehr wohlt?tige Dame veranstaltet eine Reihe grosser Empfangsabende und Feste, um die K?nstler Dresdens und Berlins einzuladen. Die gl?ckliche Derobea versammelt S?nger, Komponisten, Dichter, Rezitatoren, Maler, sie ruft Kunstausstellungen hervor, wirbt Zeitungen f?r den Dienst der neuen Kunst, der sie ihre Salons zur Verf?gung stellt. Zusammen sind Derobea mit Dada die ber?hmten Protektoren. Derobea und ihr Kreis bewundern die Hymnen des grossen Istrianers aus Lappland und dem Reiche der Sarmaten und Tartaren: >>Das Nordlicht<< sowie die Hymnen und die Philosophie von den Urlauten der kindlichen Rassen. S?mtliche Werke Dadas erscheinen im Druck, an ihrer Spitze die Hymnen an Derobea, der das Ganze in kindlicher Dankbarkeit zu F?ssen gelegt wird. Derobea ist gl?cklich. Dadas Genie ist in Deutschland entdeckt, er wird gemalt, wertvolle Liebhaberausgaben seiner Dichtungen werden subskribiert, seine Philosophie wird die Grundlage einer neuen Richtung der Ausdruckskunst. In k?hnen Vortr?gen bem?chtigen sich Doktoren der Kunstwissenschaft der Dadaschen Dichtung. Gestammelte, gelallte, gest?hnte, gestaunte und geseufzte Empfindungsurlaute des Eskimos in Dadas Rhythmik haben die bisherigen Sprachgrenzen des Kulturmenschen ?berwunden, kein Verbum, kein Objekt fesselt den Strom der Dichtung, die wohlanst?ndig logische Frisur des Satzbaus ist zerst?rt, das Subjekt allein bleibt im ewigen Einerlei seiner Abwandlungen bestehen: wunderbar entfesselt, ausgebreitet in einer Welt freier Leidenschaften, freien Liebens, T?tens und Get?tetwerdens. Aus den Greueln Europas schreitet Dadas neues Subjekt hervor, um durch die Eisst?rze des Polarkreises und die kalte Herrlichkeit des Nordlichts das Absolutum der Kunst zu finden, die letzte demantharte Kristallisierung, die Reinigung der kulturbefleckten Menschheit.

In ihren Salons hat Derobea eine Reihe Spielzeuge f?r Kinder aufgestellt: einen Garten mit Arche Noah aus Pappe und bemalten H?lzchen, Postkutschen, Lokomotiven, M?llerwagen, Puppen und Dreiertieren mit mechanischem Antrieb. Alle Spielzeuge sind mit den Urlauten Dadas versehen. Man dr?ckt auf einen rosa Gummipfropfen und die Figur st?sst den ihrem Charakter angepassten Urlaut aus, den Dada einem Lappl?nder, Samojeden oder Tartaren abgelauscht hat. Mit diesen Spielzeugen erheitert Derobea ihren Kreis, nachdem Dada eine seiner leiernden Hymnen vorgetragen hat. Da erschallen die S?le Derobeas von wunderlichem Gepl?rr und Geschrei, die G?ste versuchen selbst die Urlaute nachzuahmen, es ist, als ob eine ganze M?dchenschule eingesperrt ist und in allen Stimmlagen ihre Lehrer ?fft. Durch Passanten aufmerksam gemacht, erscheint eines Tages die Polizei in Derobeas Hause, um dem revolution?ren L?rm nachzuforschen. Alles lacht und der err?tende Dada verschwindet hinter Derobeas m?tterlicher Statue. Denn ein Plastiker hat Derobea und Dada in Jordaenscher F?lle aus Marmor gehauen.

Eine neue furchtbare Stimme hat sich aus Berlin erhoben und droht wie einer der sagenhaften Gaskogner der Iliade dem Istrianer mit Herausforderung auf Urlaute. Ein Kreis von tyrt?ischen K?nstlern hat sich unter F?hrung von drei auserw?hlten M?nnern auf den Marsch begeben: mit dem Programm eines organisierten Orkans der erneuerten K?nste und einer l?ffelartigen Fortbildung ihrer Sprechwerkzeuge. Vor ihnen her geht die neue furchtbare Dichterstimme Hackhacks aus dem Schall einer verst?rkten Kindertrompete, neben ihm >>denkt<< der Philosoph mit Augen von Tetra?dern, geschliffen aus gew?hnlichem Kiesel und lacht erotisch ?ber den eigenen und Hackhacks Bombast. Der Direktor des Ganzen springt ?ber sie, r?hrt besessen die Hacken und tanzt in d?nnster Luft. An jedes seiner langen langen Haare ist ein Heft des tyrt?ischen >>Orkans<< gekn?pft und fliegt rund mit solchem Babygrinsen, solcher Dummdreistigkeit, als w?re sein Dasein wichtiger als das der restlichen Sch?pfungswerke.

Diese drei starken M?nner haben die Kunst ethisch gedrillt und unter Polizeiaufsicht genommen. Gelenkt von einer M?nade von internationalem Blondschein, gen?gt Berlin keineswegs ihrem teutonischen Eroberungsdrange. Sie ziehen eines Abends in Dresden ein und Hackhack veranstaltet eine Orgie seiner Dichtungen in Derobeas Salon. Unter Chagalls >>Bild des Geh?rnten<< lernt Dada Hackhack kennen. Der Vortragende, ein M?rtyrer der Kunst Hackhacks, donnert in ununterbrochener Ekstase die Berliner Dichtungen, mit der Eint?nung der heraufgestemmten Urlaute, die seltsam von fern an die Leier Dadas erinnert. Es sind Dichtungen in mediumistischem Trance und spiegeln den zerw?hlten Zustand hind?mmernden Weltlebens, zersetzter, geschw?chter und zur sch?pferischen Ohnmacht verdammter V?lker.

Gleich Dada hat Hackhack das Objekt und Pr?dikat ausgerodet. Das Subjekt str?mt hartn?ckig seine unaufh?rlichen Interjektionen in einem Niagara von Verben, die weder Logik noch Satzgef?ge hemmen, und sich in eine furchtbare ?de st?rzen, die nur einige tr?be Berlinismen erquicken. Dada w?rde gern den neuen Mann aus Preussen als seinen Doppelg?nger von der n?rdlichen H?lfte Europas begr?sst haben, wenn ihn nicht eine furchtbare Anomalie gegen Hackhack eingenommen h?tte: das sind die seltsam zerhackten Wortreste der deutschen Sprache zum h?heren Ruhme des neuen Gottes, der Kunst!

Ausgerodeten, bleichenden Wurzelknorren oder Brocken von grossen St?mmen gleichen diese armseligen sinnberaubten Wortreste, die in einer unerm?dlich quellenden, gurgelnden, schubbsenden, zappelnden Flutung eines furchtbar st?hnenden, schwer Atem ringenden Subjekts kreisen, dem Gesetz der Beharrung unterworfen gleich ihrem Sch?pfer. Dada ergreift eines dieser vergewaltigten Worte, die aktivische Vorsilbe ist ihm abges?gt, und der blosse Schwanz als leidenschaftslose Urerscheinung aus der Kindheit germanischer Rasse zeigt die Hoheit des Dichters. Der in den Urlauten v?lkischer S?uglingstage tiefbohrende Dada steht entsetzt vor diesen Urformen berliner Hackhacks.

Wird Dada auf seine sinnlichen Urlaute verzichten, und jene Lautempfindungen aus ihnen hacken, die Dadas teuerstes Gut sind? Wird er dies Verbrechen seinen W?rtlein antun, damit sie schnell an der Oberfl?che mitschwimmen k?nnen?

Oder wird Hackhack sich seiner Dichtersiege und seiner unz?hligen Kr?ppel von Worten freiwillig begeben, die seinen f?rchterlichen Berserkeranf?llen von pedantischer Wortschrauberei und Kl?gelei entsprossen sind? Die Hexerei, Taschenspiegelei aus Berlin und ihre dekadente W?stheit betr?bt Dadas katholische Seele und italienisch formgebildeten Kunstgeist. Auch er ist begehrlich nach den wildesten Urgen?ssen, daf?r ist er moderner Silen. Aber Hackhack ist auch Hackhack in der Seele und das taugt Dada nicht.

Am Morgen nach dieser Berliner Gassenjugend begibt er sich mit Derobea zum ersten Male seit Jahren zu einer Messe in die Liebfrauenkirche. Er besprengt sich mit geweihtem Wasser, beugt das Knie und betet aufrichtig f?r die Reinheit seiner Seele und seiner der menschlichen Befreiung geweihten Kunst.

Im selben Sommer, der Derobeas und Dadas M?rchengl?ck sieht, bricht der Krieg aus, der allen Aspirationen des Istrianers ein Ziel setzt und den Konsul aus Rom in die Arme seiner Gattin zur?ckf?hrt.

Dada wird nach ?sterreich zum Heere eingezogen, macht einige M?rsche mit und bleibt dann als Badew?rter in einem Lausoleum Galiziens h?ngen.

ZWEITER TEIL

DIE SERBIN.

Dada tr?gt Tschako, Bluse und Habsburgs Doppeladler. Sein Blick steht schr?g, und auf die bewaffneten Horden, die gen Osten ziehen, f?llt sein Schatten dumpfer H?rte, m?rrischer Unlust; verstaubt, verdorrt, verwest in den Wirbeln der Menschen?de, die bis ins ferne Morgenland sch?umen. Der j?ngst weltweite Horizont, den Dada zu erobern ausgezogen war, hat sich verkrochen, liegt in der Kriegswildnis im Hinterhalt, best?ckt mit zehntausend Drohungen. Das Standbild der Freiheit, in den verzehrenden Flugsand irgendeiner W?ste Gobi gest?rzt, wonnegl?nzt ihm nimmer zu den Mondungen seiner Seele, und das hellste der irdischen Festl?nder ist finster geworden.

Zu einem runden Silbervollmond der Steppe steigt Dada auf dem Damm der Bahnlinie, die Wien mit dem goldenen Kiew bindet. Hell, zart leuchtend ist die n?chtliche Ebene. Dada steht lauschend und sinnt gen Osten.

Auf den im Monde bl?ulichen Schienen schreitet hoch und anmutsvoll ein Weib, den Rock gesch?rzt, und bleibt vor Dada still, die entbl?ssten Arme ?ber dem starken Busen gekreuzt. Das stattliche Weib ist von Angesicht und Haltung frei der knechtigen Plumpheit tr?ger Halbslawen. Sie spricht leise im Wind der Sommernacht im Sieden der Erde: >>Mich trug Istriens armer Karst, durch das tote Europa bin ich in alle L?nder bis zu den letzten aller Slawen gewandert, um sie den Klauen des Doppeladlers zu entreissen. Du bist m?de und schwer geworden, seit dich Italia zu ihrem Geliebten machte und sie dich zu den kraftvollen Spannungen der Freiheit erkor. Gib acht, ob du noch taugst zu der Sendung, die dich in die Freiheit pflanzte. Du warst geschm?ckt mit dem Adel Etruriens und gebotest mit dem Lockklang Pans ?ber die Horden. Aus Galiziens Kriegswildnis schmachtest du nach dem Orient und verh?llst Abtr?nnigkeit und weibische Zagheit mit dem Lack Chinas und Krischnas Liebesblumen. Weil beflissene Knechte die V?lker in Kriegsger?t, Panzer und Flugzeug schn?rten, glaubst du, dass die Freiheit verliegt und fault?

Einst gef?rstet von C?saren empfing ich Legionen in der Kraft meiner kimerischen und dacischen V?lker. Ungebeugt, roh, von B?renkraft und Pantheranmut, genoss ich die r?mische Freiheit und senkte sie meinen Jungb?rtigen in Hirn und Herz. Gr?nder neuer Reiche und Pfl?ger neuer Grenzen zogen ihre d?stren ergebenen Fahnen nach Norden und zeugten das neue Europa.

Dada, ich weiss, dir fehlt Garibaldis Feuerblick, Magnet der Freischar, wahrer Gott der armen ruhmbelohnten K?mpfer. Du hast viele Geliebte n?tig gehabt, und schliesslich hat eine K?chin, die einem Deutschen geh?rt, dich um dein entartet lateinisch Blut betrogen. Mit einer braven Zweischichtigen, Zweischl?frigen wurdest du bettgew?hnt und hast die Freiheit verschlafen. Als es dann zu sp?t war, als alle um dich aus dem Rausch erwachten, und M?nnerblut und Weibertr?nen ihnen bis an den Hals in roter Sintflut stand, f?rchtetest du dich und du verh?lltest die Seelennot mit deines furchtsamen Verstandes bunter Wortkunst.

Aber es ist keine Schonzeit f?r die Furchtsamen.

Nimm die Schiene, l?se ihre Schrauben und trage die starken Stahlglieder beiseite, damit das Gleis zerbrochen sei. Und an das Ende des westlichen Schienenk?rpers befestige diesen eisernen Topf mit hohen Explosiven.<<

Das Weib l?st vom G?rtel ein kleines schwarzes Gef?ss und Dada nimmt es schweigend. Ein Balken starken weissen Lichtes quert den Bauch der Geheimnisvollen. Sie l?chelt. Dada kniet und birgt den treuen Zentaurenkopf in den groben Falten des Bauernrocks. Ein B?umchen mit dicken, gr?nen Bl?ttern und drei dunklen Granat?pfeln spriesst aus der Erde und w?lbt um Dadas am Bauch der Serbin ruhendes Haupt bet?ubende Wollust.

Das Weib entfernt sich unmerklich, auf bleichen Schienen entwandelnd. Dada liegt quer ?ber die Schienen gestreckt und k?sst in blinder Inbrunst den schrecklichen Stahl. Dada biegt die Schrauben, lockert sie mit Steinschl?gen, tr?gt die Schienen auf dem R?cken beiseite und befestigt, gehorsam der Slawin, das Hochexplosiv.

Danach macht er sich fertig und wandert gen Osten in der Tracht kroatischer Bauern.

KIEW.

Durch die Serbin zu s?sserer Qual entz?ndet als von allen Derobeas eilt Dada Russland zu. Als ukrainischer Bauer kommt er nach Kiew. Entsandt von der neuen Einheitsrasse, die Europas blutged?ngter Erde entspross, seinem erstickenden V?lkergef?ngnis entsprungen, entkettet, entbunden, entrollt zu Wirrsalen des Staatenumsturzes, fernster V?lkersicht, zu St?rmen, Himmeln, Bindungen erneuerten Festlandes.

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