Read Ebook: Eine dänische Geschichte: Roman by Schopenhauer Adele
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Ebook has 499 lines and 45956 words, and 10 pages
Anmerkungen zur Transkription
Das Original ist in Fraktur gesetzt.
Im Original gesperrter Text ist +so ausgezeichnet+.
Im Original in Antiqua gesetzter Text ist ~so ausgezeichnet~.
Weitere Anmerkungen zur Transkription finden sich am Ende des Buches.
Eine d?nische Geschichte.
Roman
von
Adele Schopenhauer.
Braunschweig, Druck und Verlag von George Westermann.
Auf der s?d-?stlichen K?ste der Insel Laaland erhebt sich das alte St?dtchen Nysted, welches sich zu den fr?hesten D?nemarks z?hlt, da es schon im Jahr 1409 durch Erich von Pommern Stadtrechte erhielt. Wie aus einem dicken Laubkranze schaut es von seinem gr?nenden H?gel aus weit hinein in das Land -- ?ber Laaland und Falster hin, ja dem Meer entlang bis nach Femern und Rostock, und seine ber?hmten Lindeng?nge erz?hlen sich im Abendwind ganz wundersame Geschichten: der tr?umerische Nachthauch streicht ?ber heidnische Grabh?gel, ?ber verfallene Gerichts- und Opferst?tten hin, und hilft dem kundigen Greis die in seinem Kopf zerstreuten, halbverlorenen Kl?nge der alten Saga zusammensuchen, die ihm vom Ur-Ahn auf Grossvater und Vater vererbt sind. Denn der Nordl?nder, besonders aber der Landbewohner h?rt gar gern erz?hlen von lang vergangenen Tagen, wenn der strenge Winter ihm Thor und Fensterladen schliesst und ihn zur?ckdr?ngt in die engen Kammern.
Auf dem h?chsten Steine der ehemaligen Schanze, an der M?ndung des Hafens, sass ein junger Mann, nachdenklich beide Arme auf ein Mauerst?ck gelehnt und schauete bald zum bew?lkten Himmel auf, bald in die frische Landschaft hinein, sah aber dabei aus, als gedenke er gar anderer Ruinen, gar anderer H?gel und Meere; ihm war das Herz sichtlich schwer. Auch er war ein beliebter Erz?hler des St?dtchens; er hatte oft und gern seinen staunenden Zuh?rern den bunten Schleier seiner s?dlichen Anschauungen ?ber dies stille Grau der Nebel hingebreitet, in denen der Fr?hling, wie ein Kind in seinen Windeln, tief in's Jahr hinein schl?ft, und dann mit einem Male aufspringt, da ist in voller Sch?ne und Kraft und wie ein junger Herkules die alte Winterschlange zerdr?ckt. Das hat der h?here Norden mit dem S?den gemein, dass dort wie hier der ganze Lenz, wie seine einzelne Bl?the, in der geschwellten Knospe steckt; und ihn der heisse Sonnenstrahl pl?tzlich erweckt zum ?ppigsten Leben, w?hrend man in Mittel-Deutschland ihn lange kommen sieht, und heute die Primel, morgen die Kirschenbl?the findet, eine Woche lang das Maiengl?ckchen erwartet, und so allm?lig Blume um Blume willkommen heisst und begr?sst.
Drei Monate schon war der Reisende in Nysted; seit drei Wochen liebte er; seit drei Wochen war ihm, ausser dem kleinen Fleck Erde Laaland, die ?brige Welt dunkler geworden als der bew?lkte Himmel, den er anstarrte. -- Darum also war er in Italien gewesen, hatte Rom gesehen, dort und in Florenz Jahre lang studirt, um hier hoffnungslos einem bleichen M?dchenantlitz gegen?ber festzuwurzeln? -- Wo waren dann seine W?nsche und Tr?ume geblieben, und all die weitausgreifenden Pl?ne der Seinen? -- Wie welke Bl?tter im Sturm kreisten und wirbelten Erinnerungen und Vorstellungen durch seine Seele: -- er gedachte seiner Mutter in Pl?n, wohin sie von Copenhagen gezogen, um wohlfeil zu leben, einsam mit einer alten Magd, jeden Pfennig zu sparen und mitten in den Unruhen des Kriegs ihn zum K?nstler zu bilden; er gedachte seines Ohms, des Rathsverwandten Hagemeister, der als solcher eine kleine Anstellung in Roeskilde erhalten, und mit uns?glicher M?he durch des Bischofs Gnade den Auftrag ihm verschafft hatte, der zuerst ihn nach Nysted gef?hrt. -- Eben durchbrach die Sonne, mit hellem blassen Strahl sie durchschneidend, die schwere Wolkenh?lle; aufblitzte der goldne Thurmknopf der das ganze St?dtchen hoch ?berragenden Kirche; die Arbeitsstunde war gekommen, und die M?glichkeit im alterth?mlichen Bau des Gotteshauses die Farben zu sehen und scharf zu unterscheiden; -- der Maler warf alle Gedanken zur Seite und eilte der Bucht entlang den Weg zur?ck in die Stadt, die steile Gasse hinauf zur Kirche; sie war geschlossen am Werkestag; das Fr?hgebet war l?ngst vor?ber. Thorald musste herumgehen bis an des K?sters Haus; er klopfte leise an die runden Scheiben des kleinen Fensters, es ?ffnete sich sogleich und ein feiner M?dchenkopf beugte sich hervor.
>>Ei guten Morgen, Herr Eynerssen! Der Vater ist nicht mehr daheim, er ist auf Schloss Aalholm zum Grafen, und ich soll Euch f?hren; die Schl?ssel hat er mir gelassen, ich komme gleich hinab!<<
Im Augenblicke stand sie, in ein bescheiden M?ntelchen geh?llt, neben ihm, -- >>aber lasst Ihr mich nun auch das Gem?lde sehen, lieber Herr? ich habe mich so lange darauf gefreut, allein der Vater ist so streng; der h?lt am gegebenen Wort wie eine Eisenklammer. Ihn k?mmert es gar nicht, dass mich die Christine und Elisabeth und Sophie verspotten, weil ich, gleichsam ein Kirchenkind, das Bild noch nicht gesehen, da Ihr es doch schon vor drei Tagen hingebracht.<< --
>>Wenn es fertig ist, Gianina, sollst Du es zuerst sehen, fr?her als alle Anderen; heute aber kann ich Dir den Gefallen nicht thun, ich muss den Eindruck, den es macht, an Ort und Stelle selbst betrachten, ihn wohl berechnen, manches ?ndern und hineinmalen.<< --
>>Da verw?lscht Ihr mir wieder meinen ehrlichen Christennamen und thut mir dennoch nicht das kleinste zu Liebe! +Johanna+ heiss ich, hundertmal habe ich's Euch schon gesagt! W?rde das klingen >Gianina Kaalund h?rt doch selbst, wie das acht und kracht! Es passt zusammen wie die Faust auf's Auge.<<
W?hrend dem Sprechen hatte das M?dchen die schweren Schl?sser ge?ffnet; sie traten durch die Sacristei, welche der Kirche anhing wie ein unf?rmliches Schwalbennest, in die d?mmernde Stille des Seitenschiffs. Die weissget?nchten R?ume geh?rten dem normannisch-romanischen Styl an, der edle Bau war frei und nicht durch schwerf?llige Mittelch?re verunstaltet; ein frommes, freudiges Dankgef?hl schlug an des Malers Herz -- rasch schritt er vor nach der Mitte des Altars und ?berflog mit flammendem Auge die seiner Tafel bestimmte Stelle; hinter derselben stand das wohl verhangene Bild. Daneben lehnten eine Leiter und eine staffeleiartige Vorrichtung, um das Gem?lde in die ihm bestimmte H?he zu bringen und ihm das passende Licht zu geben. Der Maler hatte die Absicht, an Ort und Stelle das Gem?lde zu vollenden, und dann erst dem Magistrat, welcher es f?r die Stadtgemeine bestellt, zu ?berantworten.
Unterdessen war Carlson, ein langer blonder Knabe, welcher dem Maler aufwartete, mit dem Malerger?th angelangt. Thorald und er gaben sich sogleich daran die Tafel aufzustellen. Das M?dchen hatte der K?nstler l?ngst vergessen.
Die Kleine war scheinbar hinausgegangen, dann umgekehrt und hinter einen der grossen Pfeiler geschl?pft; sie schaute von dort sachte hervor auf Beider Treiben, in der Hoffnung, wenigstens von weitem ihre Neugier befriedigen zu k?nnen.
Jetzt war das Bild mit dem leeren Altarraum in gleiche H?he gebracht, es stand demselben zur Seite; Carlson ward entlassen. Z?gernd blieb der Meister mit verschr?nkten Armen vor seinem Werke stehen, als scheue er die Enth?llung desselben. -- Carlson strich dem Pfeiler vor?ber, welcher Johannen barg; sie glitt geschickt um denselben herum und war nun dem Gem?lde um so n?her. Endlich flog der Vorhang zur?ck. >>Mein Jesus, das Schlossfr?ulein!<< schrie Johanna sich selbst vergessend auf. Wie von einem elektrischen Schlage getroffen taumelte der Maler zur?ck. >>Du hier, Johanna? und Sie -- Helene? das Fr?ulein von Gejern wollte ich sagen -- aber wo, um Gotteswillen, wo ist sie? sprich doch M?dchen!<<
>>Was f?llt Euch ein! Ihr tr?umt, lieber Herr. Das Fr?ulein ausser aller Kirchenzeit hier in dem verschlossenen Gotteshause? ich meine +da+ die heilige Martha neben unserer Herrgottsmutter auf dem Gem?lde, sie ist ihr ja wie aus den Augen geschnitten! Wird sich die wundern, und der Herr Graf! -- aber der Johannes sieht ihr wahrhaftig auch etwas ?hnlich! -- und davon sagt mir der Vater kein Sterbenswort!<<
Heiss err?thete der junge Mann, ob aus Liebesentz?cken oder Scham ist schwer zu sagen, denn die in's Auge fallende Aehnlichkeit war ihm unbewusst aus der Seele in die Farbe seiner Pinsel gedrungen; dann versuchte er des M?dchens Ausspruch zu widerlegen, ja, er schalt ihn sogar eine th?richte Einbildung, der des Fr?uleins Ohr ja nicht ber?hren d?rfe; er bewies ihr den Irrthum in tausend Abweichungen des Originals vom Bilde. --
>>Meinetwegen, lieber Herr Eynerssen, ich gebe Euch gern zu, dass unser Fr?ulein weder so betr?bt aussieht -- Gott sei Dank! noch so fromm; aber +das+ sind ihre sch?nen lichtbraunen Haare, ihre klaren Augen -- das ist die schmale Unterlippe, mit der sie so drollig trotzen kann, das ist ihre freie gerade Nase; es ist ja zum Sprechen! Und so narret mich doch nicht, indem Ihr mir weiss machen wollt, es sei das Alles ganz von selbst gekommen, habt Ihr doch eben das Conterfei der drei Fr?ulein im Schlosse vollendet, da hattet Ihr ja die allerbeste Gelegenheit, dasselbe Gesicht hier zu wiederholen. Die Lisbeth hat die Bilder gesehen und kann gar nicht aufh?ren, die Aehnlichkeit derselben zu r?hmen!<<
>>Ich bitte, Kind, jetzt lass mich arbeiten,<< bat der Maler. >>Geh' jetzt -- thu' mir den Gefallen! Drei Stunden lang habe ich auf den hellen Tag und auf das Sonnenlicht gewartet.<< -- --
>>Ja wohl, ich gehe schon, aber ich h?tte Euch doch gern noch viel gefragt; mir ist, als m?sse ich Euch danken f?r Labung und Gottesgabe! Die heilige Mutter am Kreuz ist gar so sch?n, und Christus sieht auf uns mit solcher Barmherzigkeit hernieder, dass man so recht im Gem?the f?hlt, wie er f?r uns gestorben ist!<<
Als sie draussen war, schob Thorald die Riegel vor und kehrte dann zu seinem Bild zur?ck; er wollte die Aehnlichkeit wegbringen durch ein paar k?hne Pinselstriche, w?r's auch auf Kosten seines Bildes, aber den geliebten reinen Z?gen gegen?ber sanken ihm Hand und Muth. -- >>Haben es doch Rafael und Andrea auch gethan!<< fl?sterte er vor sich hin -- >>vielleicht gewahrt sie es nicht einmal; mir ist's wie eine Tods?nde, die wunderbare Harmonie dieses Antlitzes zu zerst?ren! Was auch f?r Herzeleid und Verdruss mir daraus erwachse, ich vermag es nicht.<<
In einem nicht eben uneleganten, nur etwas schwerf?lligen Pavillon in chinesischem Geschmack, der sich neben dem alten gothischen Schlossbau drollig genug ausnahm, und recht wie zum Spott unserer schw?chlichen Modernit?t mit dessen vier, f?nf Ellen dicken Mauern contrastirte, sassen am Abend desselben Tages drei junge M?dchen, zwei von ihnen mit N?hen und Spitzen-Kl?ppeln emsig besch?ftigt; -- Laaland bewahrt noch seine primitive Fabriken- und L?denscheu, und Nysteds 800 Einwohner gehen alle, von der Mode unber?hrt und unbel?stigt, im grossv?terlichen und grossm?tterlichen Schnitt einher. Die Damen mussten also nothgedrungen zu ihrer eigenen Modernisirung Hand anlegen. Den beiden fleissigen Schwestern gegen?ber sass Helene, mit dem R?cken nach dem Fenster gekehrt, und schaute verstohlen ?ber die Schultern hinweg, der Lindenallee entlang, welche Schloss und St?dtchen verbindet. Sie beachtete keines der Copenhager Gesellschaftsbilder, welche jene Beiden mit unersch?pflicher Phantasie ihr entwarfen; wie aus einer weitentlegenen Welt schaute sie sichtlich, ohne alles Verst?ndniss des ihr Vorgetragenen, ?ber den kleinen schmalen Theetisch zu den lustigen Schw?tzerinnen hin, die, gl?cklicherweise viel zu sehr mit sich selbst besch?ftigt, ihre Zerstreutheit nicht bemerkten. --
>>Bruder Joachim und Elisabeth kommen auch zum Pferderennen nach Copenhagen,<< sagte Amalie, >>Christian will nur ein halb Dutzend Ackerpferde zum Verkauf hin?berschicken -- wird sie nicht Staat machen, die Gn?dige. Nun, da bekommen wir wenigstens neue Muster.<<
>>Nach Wall?e? o ja! aber schwerlich bis hieher nach Laaland! Und alles k?nnen wir doch nicht selbst machen, oder gedenkst Du in Nysted eine Putzmacherin zu suchen? Danke Gott, wenn Du einen Schuster findest!<<
>>Wie Du nun wieder ?bertreibst, Annette, Dir ist der Aufenthalt hier zuwider, und doch ist er so friedlich, so recht gleichf?rmig und ruhig, wie ich immer leben m?chte; ich habe diese gr?nen fetten Weiden gern.<<
>>Gern? ist's etwa angenehm zwischen Ochsen und K?hen, durch Dick und D?nn in schweren Holzschuhen dem Sonnenuntergange entgegen zu waten, im Moor stecken zu bleiben und dann allenfalls vom alten Niels gerettet, wie ein nasser Sack in irgend einem Bauernhofe als >>Gr?fliches Eigenthum<< abgeliefert zu werden?<<
>>Uebt man doch kein Morast-Strandrecht an uns aus! Ich bin lieber hier als in Wall?e; das Stift wird mir nicht zum Vaterhause. H?tte Christian mein Herz f?r Aalholm, es sollte bald hier anders werden. Es war auch anders zu der Mutter Zeit, sogar noch in des Vaters Witwen-Jahren, ehe all die Modernisirungsversuche den Bauernstand uns fern stellten; es war etwas patriarchalisches in der Abh?ngigkeit.<<
>>Ich meine, der Bauernstand sei unserer Gegenwart etwas n?her getreten, als f?r unser Aller Gl?ck nothwendig,<< erwiederte Annette; das h?bsche Milch- und Rosen-Gesichtchen ?berflog ein Zug seltsam sp?ttischer Bitterkeit.
Am gegen?berliegenden Ende des Gartens erschien jetzt eine bleiche noch jugendliche Frau; sie trat aus dem Schlosse und schritt m?hsam die hohe Steintreppe hinab in den Gang, der zum Pavillon f?hrte; ihr etwas tr?ber Blick ?berflog die Kieswege und die steifgeschnittenen Taxusw?nde, als suche er etwas; ein leises, fast unmerkliches Kopfsch?tteln sprach aus, dass sie es nicht gefunden; -- so n?herte sie sich langsam den Schwestern. Helene, ihren wogenden Tr?umen hingegeben, bemerkte es nicht; die andern Beiden blieben in pl?tzlich ver?nderter Haltung sitzen, etwas Gliederpuppenartiges und angestrengt Eckiges legte sich ?ber dieselben und es breitete sich eine feine, doch keineswegs grelle Affectation ?ber den ganzen Ausdruck ihres eben noch so ganz nat?rlichen Wesens aus.
Eva, so hiess die Neuhinzugetretene, gr?sste freundlich ihre Schw?gerinnen und setzte sich zu ihnen; sie athmete beklommen. In Laaland geboren, hatten ihr dennoch der feuchte Moorboden und dessen ungesunde Ausd?nstungen geschadet; ihre Gesundheit war zerst?rt. Sie hatte mit ihrem Gemahl, dem Grafen Christian, f?nfzehn Jahre in J?tland zugebracht, bis das ihm nach seines Vaters Tode zufallende Majorat sie veranlasste, nach Aalholm zu ziehen. J?tland aber ist der romantische Theil D?nemarks; es hat weder F?hnens ?berreiche Vegetation, noch Seelands st?dtischen Reiz, aber es vereinigt den Wechsel wilder, rauher und fruchtbarer Gegenden; es hat die h?chsten Berge, Waldungen und Seen, anmuthige Buchten und Fl?sse -- und sein kaltes Klima ist nicht sch?dlich wie das des kaum sich ?ber den Meeresspiegel erhebenden Laaland.
Eva legte leise ihre schmale abgemagerte Hand auf Helenens Schulter, um sie aus ihren wachen Tr?umen zu erwecken; >>es ist sch?n heute Abend,<< sagte sie, >>seit dem Mittag hat sich der Horizont entw?lkt, wolltest Du nicht ausgehen oder ausfahren?<< >>Meinst Du, dass es sch?n bleiben wird, bis Sonntag und wir Alle nach Nysted in die Kirche gehen k?nnen?<< fragte, gleich in ihre Gedanken ganz zur?cksinkend, das M?dchen. Sie sch?ttelte die lichtbraunen Locken aus dem Gesicht und hob das von Johannen beschriebene Antlitz zu der vor ihr Stehenden empor; man f?hlte die W?rme und Innigkeit des strahlenden Blickes, die vertrauende Liebe, die sie der Schw?gerin verband. >>Ich glaube,<< fuhr sie leicht err?thend fort, >>das Altarblatt wird fertig sein, es k?nnte wohl zur Feier des Johannistages aufgestellt werden.<< --
>>Freilich haben wir lange genug darauf gehofft, aber Du vergisst, liebes Kind, dass unsere Herren nach Copenhagen wollten.<< --
>>Bewahre! Christian schickt nur seine Pferde hin und Joachim und Friedrich gehen von ihren G?tern aus direct, ohne mit uns zusammen zu treffen; sie gedenken zum Erntefest hier auf Aalholm uns zu besuchen,<< sagte Annette. Die arme Gr?fin wurde noch ein wenig bleicher als sie gewesen, Christian hatte ihr von all diesen Ver?nderungen seiner Pl?ne nichts gesagt!
Helene sah sie sorglich an, >>Christian,<< sagte sie, >>hat erst gestern Abend die Briefe erhalten, er ist mit dem Inspector nach Engholm; Du weisst, heute Morgen hat er eine Kiste B?cher bekommen, und vermuthlich ?ber die Geistesverwandten die Br?der vergessen!<< -- Schmeichelnd streichelte sie die zitternde Hand, welche von der Schulter herabgeglitten jetzt in der ihren lag. >>Oder mich!<< -- seufzte Eva, unh?rbar leise.
Ein M?nnertritt erklang ?ber den Kies der Gartenwege; w?hrend des kurzen Gespr?chs war nun, doch von Helene nicht unbemerkt, Thorald am Pavillon vorbei und durch die kleine Gartenpforte hereingekommen; er trat, sich entschuldigend, dass er nicht angemeldet, zu den Damen. --
Er mochte Helenen fr?her auf diese Weise allein angetroffen haben, denn Beide waren sichtlich verlegen, und die andern Schwestern fl?sterten sich etwas zu: Annette zuckte l?chelnd die Achseln. Die Gr?fin blieb verstimmt und wurde mit jedem Augenblicke trauriger. Das Gespr?ch drehte sich um die Politik des Auslandes und die damals noch wie elektrisch auf die Gem?ther r?ckwirkenden Nachrichten aus Frankreich. Thoralds Aufenthalt als K?nstler in Italien, auf dem so vielfach ersch?tterten Boden, in der von tausend Freiheitstr?umen und Kriegsereignissen bewegten Zeit, hatte f?r die Frauen etwas Fabelhaftes, das ihn wie mit einer Aureola umwob.
Endlich kam auch Graf Christian; eine edle Erscheinung. Er ging ein wenig vorn ?bergebogen aus ?bler Angew?hnung; richtete er in irgend einer Geistes- oder Gem?thsanregung sich auf, so gewann seine Gestalt etwas Ritterliches, das an Majest?t grenzte. Seine Z?ge hatten eine formelle Strenge angenommen, die nicht mit physischer Kraft gepaart, fast unnat?rlich erschien; die schmale kleine Hand und die d?nnen Kn?chel derselben verriethen sogar eine k?rperliche Schw?che, die jedoch nicht ohne Anmuth hervortrat. Ohne unbeholfen sich zu zeigen, war der Graf leicht, selbst im engsten Familienkreise verlegen, seine etwas ungelenke Vornehmigkeit und der seinen Tagen anhangende Mangel einer vollendeten Erziehung, welche ?berall Sicherheit gew?hrt, trugen Schuld daran. Unendlich sch?n waren seine dunkelgrauen Augen; sie hatten einen wunderbaren Reiz, den man sich nicht zu erkl?ren vermochte, denn sie belebten sich selten; eine Art schwerm?thiger D?sterheit war in ihm allm?lig zu der stillen Beschaulichkeit geworden, die ihn fast zum Gelehrten stempelte. F?nfzehn Jahre hindurch hatte er in einem j?tl?ndischen Dorfe gelebt, und war auch dort ein Tr?umer geblieben, den nur momentane Noth zum Handeln zwang, den selbst die Beschr?nkung der Armuth nicht zum praktischen Menschen auszubilden vermochte. Er war zeitgem?ss elegant gekleidet, hatte feine W?sche und ungepudertes Haar, ?berhaupt aber eine gewisse Zierlichkeit, welche gegen die Derbheit seiner Gutsnachbarn abstach.
Im Eintreten fiel sein Blick auf den Maler, seine Stirn umw?lkte sich.
Thorald unterhielt die Damen voller Laune und Gewandtheit, kaum unterbrach des Hausherrn Ankunft das Gespr?ch, denn die M?dchen d?rsteten in ihrer Abgeschiedenheit nach ?berseeischen Neuigkeiten; Besuche waren bei der Unfahrbarkeit der Wege selten.
Als Thorald endlich neben Helenen einen unbemerkten Augenblick gewann, fl?sterte er ihr die Bitte zu, wo m?glich sein nun aufgestelltes morgen zu vollendendes Bild vor dem Sonntagsgottesdienste in der Kirche zu sehen. Gl?hend vor innerer Lust und in gegenseitig sie ?berw?ltigender Leidenschaft ganz versunken standen Beide vor einander, ihn steigerte ein stolzes Selbstgef?hl, sie berauschte der Gedanke an seinen k?nftigen Ruhm; denn selten nur kamen K?nstler auf die stille Insel. Der nur von Ackerbau lebende Laal?nder vermag sie nicht herzulocken! Seit Menschengedenken hatte man keinen Maler in Nysted gesehen, und die beiden sch?nen Gem?lde der alten Kirche dankten ihr Entstehen katholischen Donatoren, und geh?rten weit fr?heren Jahrhunderten an.
>>Graf Brahe Trollenburg<< meldete ein vierschr?tiger Diener, welcher trotz seiner Livr?e einem deutschen Grossknecht nicht un?hnlich sah -- Fr?ulein Annette err?thete zur Rose! -- Der reiche Gutsbesitzer aus Seeland war ihr nicht fremd! W?hrend ihres Winteraufenthaltes in der Residenz, so kurz er gewesen, hatte sich in dem jungen Manne eine dauerndere Empf?nglichkeit f?r des Laal?nder Fr?uleins Reize erzeugt, als den Copenhager Damen billig schien. Der Graf war reich und eine vortreffliche Partie. Er war nach Aalholm gekommen, um das Herzensterrain seiner Sch?nen zu sondiren und im Ehestandshafen zu ankern.
An der Art, mit welcher Graf Christian ihn bewillkommnete, erst seiner Gemahlin vorstellte und ihn dann seinen Schwestern zuf?hrte, errieth Thorald sogleich den k?nftigen Schwager, -- eine unaussprechliche Beklommenheit bem?chtigte sich seiner, die eben noch so fliessenden Erz?hlungen aus Italien stockten, des Hofmanns Gegenwart dr?ckte ihn zur?ck in den Schatten. Es war bei dem sehr abgegl?tteten Tone des Trollenburg nicht leicht zu durchschauen, welcher der drei Damen die Bewerbung des vor kurzem Majoratsherr Gewordnen gelte -- es dr?ckte dem Maler fast das Herz ab; in verzweifelnder Stimmung verliess er die Gesellschaft, man machte keinen Versuch ihn zur?ck zu halten; trostlos kehrte er zu dem St?dtchen zur?ck.
Unweit des Thores begegnete ihm Johanna, sie hatte den Leuten auf dem Felde ihr Vesperbrot gebracht, und trug eine Menge Ger?thschaften und einen grossen schweren Wasserkrug heim. Sie n?herte sich Thorald, um ihn zu fragen, ob er in die Kirche verlange, der Vater sei auf der Feldarbeit mit dem Knecht; sie h?tten's eilig, denn morgen sei an ihnen die Frohnfuhre, der Acker aber erst halb bestellt.
>>Frohndienst? Ihr als B?rger? unm?glich!<<
>>Doch, lieber Herr, wir haben von Alters her Land in Pacht vom Herrn Grafen; obschon wir eines Theils losgekaufte Bauern sind, stehen wir ihm noch in Frohn und Zehnten. Der Herr aber ist glimpflich, allein der Vogt! Erbarme sich Gott! Ehmals, da wir Leibeigne waren, mag es noch schlimmer hergegangen sein; Grossvater hat uns oft geklagt, wie die Verwalter zu seiner Zeit den Bauern geschunden! Wie er in der Kornschatzung nicht nur geh?uftes Mass, sondern noch eine Zugabe f?r's Schwinden oder Senken habe liefern m?ssen -- wie nicht nur bloss die armen G?ule ihm zur Ackerfrohne eingespannt wurden, o nein, wie sie zum eignen Dienste jedes Knechtes, jeder Magd des Herrnhofes bereit sein mussten; konnte doch damals nicht einmal der Hundejunge zu Fusse durch das Moor, stand gleich der Bauer bis zum Kn?chel d'rin, und watete selbst schwerbelastet neben seinem Vieh, um das Getreide zur M?hle zu fahren, den Sand vom Strande zu holen f?r den Vogt -- o lieber Herr! es war eine harte, schwere Zeit! Selbst unsre liebe Gr?fin weiss ein Lied von ihr zu singen; helf' ihr Gott! und sie ist doch uns Allen eine so gn?dige Herrschaft!<<
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