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Read Ebook: Deutsche Humoristen 7. Band (von 8) by Croissant Rust Anna Enking Ottomar Greinz Rudolf Schussen Wilhelm Thoma Ludwig

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Ebook has 636 lines and 30265 words, and 13 pages

>>Der Herr Buchhalter<< von Anna Croissant-Rust ist mit g?tiger Erlaubnis der Verfasserin und des Verlegers abgedruckt aus Anna Croissant-Rusts Buch >>Aus unseres Herrgotts Tiergarten<< .

F?r den Abdruck der >>Pilgrime<< schulden wir Herrn Wilhelm Schussen Dank.

>>Das Hennendiandl<< von Rudolf Greinz ist mit freundlicher Erlaubnis des Verfassers und des Verlegers abgedruckt aus Rudolf Greinz' Buch >>Bergbauern<< .

F?r die Abdruckserlaubnis von >>Unser guater, alter Herzog Karl is a Rindviech<< von Ludwig Thoma schulden wir dem Verfasser und dem Verlage Albert Langen in M?nchen Dank.

>>Jochen Appelbaums Galion<< von Sophus Bonde ist mit freundlicher Erlaubnis des Verfassers und des Verlegers abgedruckt aus Sophus Bondes Buch >>Schimannsgarn<< .

>>Die Rebenb?ckerin<< von Wilhelm Fischer-Graz ist mit g?tiger Erlaubnis des Verfassers und des Verlegers abgedruckt aus Wilhelm Fischers Buch >>Unter altem Himmel<< .

Ottomar Enking:

Das Kriegerfest in Wettorp

Wenn Thomas Mann der Dichter des niederdeutschen Patriziertums ist, so ist +Ottomar Enking+ der berufene Schilderer des niederdeutschen +Kleinb?rgertumes+. Beide Gesellschaftsschichten umspinnt die leise Tragik: stehen geblieben zu sein, ?berholt zu sein von einer Zeit der l?rmenden Maschinen, der konzentrierten Kr?fte und des gesteigerten und gehetzten Lebenstempos. Herrisch verfolgt diese Zeit ihr Ziel und schreitet unerbittlich ?ber die kleinen gedr?ckten oder verzweifelt aufbegehrenden Existenzen hinweg: ?ber verst?rte Patriarchen, die >>die Welt nicht mehr verstehen<<, und ?ber sehns?chtige M?dchenseelen, die am Zwiespalt zwischen der beengenden ?berlieferung und der lockenden Freiheit zerbrechen. In die behagliche Selbstgen?gsamkeit und beh?bige Selbstzufriedenheit, mit der sich die Gestalten der Reuterzeit bewegten, kommt nun ein weher Ton wie von einer Glocke, die zersprang. Denn das Gef?hl des ?berholtseins gibt Bitterkeit oder, vom Betrachter aus, Ironie. Das Genrebild geht durch die Schule der naturalistischen Impression, die Beobachtung wird exakter, sch?rfer, unbeirrter, erreicht eine verbl?ffende Fertigkeit, Dinge, Ger?usche und Bewegungen sinnf?llig zu machen, und stellt die Alltagstypen der deutschen Kleinstadt greifbar nahe und unausl?schlich vor uns hin: mit einem wehm?tigen +Humor+, der zugleich mitf?hlende Liebe und ironische ?berlegenheit ist und der ihren Untergang ohne jede Sentimentalit?t verkl?rt. +Enking+, der fr?her Schauspieler, dann Redakteur war und jetzt als freier Schriftsteller in Dresden lebt, ist seiner Geburtsstadt nach Kieler . Einzelne seiner Werke, so der Roman >>Johann Rolfs<<, spielen sich auch auf Kieler Boden ab; f?r seine Hauptwerke ist jedoch Wismar das, was L?beck f?r Manns >>Buddenbrooks<< ist: es ist das >>Koggenstedt<< jener Romanfolge, als deren Meisterst?ck mit Fug und Recht die >>+Familie P. C. Behm+<< gilt.

L. Adelt.

Gauting, im September 1913.

Das Kriegerfest in Wettorp.

Viele, viele Nachtsitzungen hatte das >>Gesch?ftsf?hrende und Hauptkomitee f?r das zwanzigj?hrige Stiftungsfest des Kriegervereins von Wettorp und Umgegend sowie die Enth?llung des Denkmals f?r Kaiser Wilhelm den Grossen<< im Landhause abgehalten, viele Vornotizen und Hinweise hatten in den >>Wettorper Nachrichten<< gestanden, und viele eifrige Strassenunterhaltungen ?ber das Fest und das Denkmal waren von den patriotischen B?rgern Wettorps gepflogen worden. Ja, viel, viel war geschehen, bis endlich der ersehnte Augusttag erschien, der Wettorp in einen noch nie dagewesenen Rausch und Jubel versetzte. Schon am Abend vorher, am Freitage, kamen die fremden G?ste, denn die ganze Umgegend war eingeladen. Die Strassen waren sch?n geschm?ckt, Girlanden hingen quer von Haus zu Haus, und unter ihrer Mitte schwankten bemalte Tafeln mit sinnigen Kernspr?chen.

Am Sonnabend, morgens um 6 Uhr, zog der Ortsmusikus mit seinen Trommlern, Bl?sern und Klarinettisten durch die Strassen des Ortes; das war der >>Weckruf<<, wie es im Programm hiess. Die braven Kriegervereinsmitglieder ?rgerten sich zwar ?ber das fr?he Getute, aber ohne Reveille l?sst sich ja nun einmal kein Kriegerfest feiern, und deshalb beruhigten sie sich und schliefen wieder ein.

Um 9 Uhr gab es eine grosse Sehensw?rdigkeit: der Neust?dter Milit?rverein hielt n?mlich seinen Einzug. Er hatte seine eigene Kapelle mitgebracht, die der Ortsmusikus allerdings als eine Gesellschaft Bremer Stadtmusikanten bezeichnete; aber es war doch etwas besonderes, was sich die Neust?dter leisteten, und die Milit?rvereinsmitglieder blickten stolz um sich herum, w?hrend sie im strammen Takte vorw?rts marschierten. Sie hatten wahrhaftig auch alles Recht, stolz zu sein, denn ausser der Musik trabten vor ihrem Zuge noch drei feurige Rappen, auf denen Herolde sassen. Diese drei M?nner hatten sich grossartig bunt kost?miert und wilde B?rte ins Gesicht geklebt, die freilich immer herabfielen, weil sich der Gummi vom Schwitzen aufl?ste. Aber wenn auch die B?rte so oft auf ihren Sattel niedersanken, dass sie sie schliesslich beiseite unter das Volk warfen: Herolde waren sie deshalb doch mit ihren Heroldsst?ben in der Hand, den grauen Schlapph?ten auf dem Kopfe, den Wappenw?msern um die Brust und den hohen Stiefeln an den Beinen. Sie f?hlten ihre W?rde und st?tzten ihre St?be in die Seiten, wie sie es wohl im illustrierten Sonntagsblatte bei Bildern von K?nigen gesehen hatten.

Ihre Pferde waren nicht minder frohgemut, dass sie heute, anstatt den Roggen einzufahren, als edle Araber durch Wettorps Strassen hindurch angestaunt wurden. So achtunggebietend zog der Neust?dter Milit?rverein in den Festort ein.

Im Laufe des Sonnabendmorgens versammelten sich also wohl an die vierhundert Krieger in Wettorp, alte und junge, und die alten trugen ihre Zylinder vom Jahre 1848. -- Um 11 Uhr begann der >>offizielle Fr?hschoppen mit Musik<< im Landhause. Der Ortsmusikus liess blasen, was die Trompeten halten konnten; er hatte ein aussergew?hnlich patriotisches Programm zusammengestellt, das denn auch von den Kriegern vollauf gew?rdigt wurde.

W?hrenddessen war die kleine Mieze Stamm, des Landhauswirts Tochter, die dazu auserkoren war, als Germania bei der Denkmalsenth?llung das Festgedicht zu sprechen, in ihrem St?bchen sehr besch?ftigt. Schon um 12 Uhr h?llte sie sich unter dem Beistande der Wirtschafterin in den weissen Germania-Mantel, den sie sich selbst zurechtgeschneidert hatte; sie liess sich frisieren mit Locken an den Seiten, und die Flut des lichten Haares fiel wellig ?ber ihre Schultern. Dann wurden die bis zum Ellenbogen freien Arme mit goldenen Armb?ndern aus poliertem Messing geschm?ckt, und auf das Haupt dr?ckte ihr die Wirtschafterin das Diadem mit dem gr?ssten und buntesten Edelsteine, der aus der Maskengarderobe zu entleihen gewesen war. Majest?tisch sah die kleine Mieze aus, und sie freute sich auch erst ihres Spiegelbildes; aber dann kam die Angst ?ber sie, und bleich und zitternd ging sie umher und murmelte immer und immer wieder, dass nun der sch?ne Tag gekommen sei. Essen konnte sie nichts.

Genau um ein Viertel vor drei Uhr fuhr der alte Kutscher Engel mit seiner Kalesche vor, und tief aufseufzend, mit einem Stossgebet an den lieben, lieben Gott, stieg die Germania in den Karren, der sie zum Richtplatze f?hren sollte. Sie kam auf dem Markte an, wo es schon ganz voll von Leuten war, und wurde vom Ortsvorsteher sogar dem Herrn Geh. Regierungsrat v. Zabrowski und dem Herrn Regierungsassessor v. Schmidt vorgestellt, die die allergn?digste Miene machten, weil sie doch bei der Denkmalsenth?llung die Vertreter der hohen Regierung und des Kaisers bildeten. Der Regierungsassessor konnte es sich freilich trotz seiner hohen W?rde nicht versagen, nach Miezes rundem Arm zu schielen. Der Geh. Regierungsrat indessen war ganz nur Vertreter Seiner Majest?t. Die hohen Herren, der Ortsvorsteher, die Gemeinder?te, die Schulbeh?rde und die Geistlichkeit, die Herren vom Komitee und Mieze Stamm stellten sich unter dem Thronhimmel auf, der dem noch verh?llten Denkmal gegen?ber erbaut war. Der Thronhimmel bestand aus vier Stangen, ?ber die oben Leinwand gezogen war, und das ganze hatte G?rtner Meyer mit Laub bewunden.

Der Ortsvorsteher blickte pr?fend in die Runde, ob auch alles in Ordnung sei. Rings auf dem Markte, in einiger Entfernung von dem Denkmal, hatten sich die Kriegervereine aufgestellt, die Fahnen wehten ?ber den Zylindern der Kameraden. Links von dem Thronhimmel standen die vereinigten Gesangvereine, und alles war so ruhig und feierlich, dass es dem Ortsvorsteher ordentlich zu Herzen ging. Er hatte seinen Hochzeitsfrack heute nicht umsonst angezogen, das f?hlte er deutlich. Er sah also in die Runde, und sein Blick fiel auch auf die zwei Sitzreihen, rechts vom Denkmal, auf denen die Honoratiorenfrauen des Ortes in ihrem besten Staate sassen, und auf den alten Orts- und Polizeidiener Pilgerim, der da stand und die Schnur hielt, mit der die H?lle des Denkmals nach oben zusammengerafft wurde. Alles war in Ordnung. Der Ortsvorsteher nahm seinen Zylinder ab, rieb sich mit dem Taschentuche die Tropfen von der Stirn, trat vor und verbeugte sich nach der Seite, auf der sich die hohen Herren befanden. Der Geh. Regierungsrat nickte, der Ortsvorsteher winkte den S?ngern, der Ortsmusikus, der alles ein?bte, was in Wettorp an Gesang- und Orchesterkunst geleistet wurde, hob den Taktstock, und es ert?nte prachtvoll: >>Seht den Sieger ...<<

Alle waren ergriffen. -- Als der Gesang sein Ende gefunden hatte, verbeugte sich der Ortsvorsteher wieder, wischte sich nochmals die Stirn und begann seine Festrede: dass er die hohe Ehre habe, die Vertreter Seiner Majest?t unseres allergn?digsten Kaisers und einer hohen Regierung untert?nigst und ehrfurchtsvollst zu begr?ssen, und dass es eine hohe Ehre f?r den Ort sei, einen solchen Tag feiern zu k?nnen. Er wies hin auf die zusammengestr?mten Scharen der ehemaligen Krieger, und angesichts dieses Denkmals fordere er sie alle auf, den Treueschwur zu erneuern f?r Kaiser und Reich. Er schloss damit, dass er die hohen Vertreter einer hohen Regierung bat, Sr. Majest?t den Ausdruck der unwandelbarsten Liebe Wettorps zu ?berbringen.

Der Geh. Regierungsrat trat nach dieser Rede vor, nahm den feinen Hut ab, steckte einen Augenblick den zweiten und den mittleren Finger zwischen den obersten und den zweiten Frackknopf und fing nun an: >>Mein lieber Herr Ortsvorsteher! Verehrte Festgenossen und Kameraden! Als Vertreter der Regierung Sr. Majest?t unseres allergn?digsten Kaisers, K?nigs und Herrn bin ich hierher gekommen, um an dem nationalen Ereignisse, das dieser Tag f?r Wettorp darstellt, teilzunehmen. Es hat die hohe Staatsregierung mit ausserordentlicher Befriedigung erf?llt, dass nun auch in Wettorp durch das einm?tige Zusammengehen aller gutgesinnten B?rger ein Denkmal f?r seine hochselige Majest?t Kaiser Wilhelm den Grossen errichtet werden konnte. Der Opfersinn der B?rger ist der beste Beweis daf?r, dass der Geist des Umsturzes , dass dieser Geist der Vaterlandslosigkeit und der Verachtung alles Ehrw?rdigen und Grossen keine St?tte in Ihrer bl?henden Ortschaft gefunden hat. M?chte es so bleiben! M?chten Sie sich stets bewusst sein des innigen Zusammenhanges zwischen der Krone und dem Staatsb?rger, jenes Zusammenhanges, der Preussen gross gemacht hat und der jetzt auch diese Provinz mit seinem Segen ?berstr?mt. Ich sehe hier die tapferen Veteranen, die in den Schlachten gestanden und dem Tode getrotzt haben f?r die Freiheit Schleswig-Holsteins, ich gr?sse diese M?nner, die f?r die edelsten G?ter ihres Vaterlandes alles hinzugeben bereit waren. Wenn ich daher meiner leider notwendigen fr?hen Abreise wegen schon jetzt dem festgebenden Vereine, dem Kriegervereine f?r Wettorp und Umgegend, meine aufrichtigsten Gl?ckw?nsche zu seiner zwanzigj?hrigen Stiftungsfeier ausspreche im Namen einer hohen Staatsregierung, so bin ich mir bewusst, dass solche Gl?ckw?nsche an keiner besseren St?tte zum Ausdruck gebracht werden k?nnen, als an dieser, wo, jetzt noch verh?llt, bald aber als ein gl?nzendes Wahrbild des Patriotismus, das Kaiserdenkmal aufragt. Halten Sie fest, das bitte ich Sie in dieser erhebenden Stunde, an dem nationalen Gedanken, seien Sie eingedenk des hohen Berufes, den die Kriegervereine zu erf?llen haben: ein Bollwerk zu bilden wider die Macht eines unterminierenden, destruktiven Geistes . M?gen Sie noch oft Ihr Stiftungsfest im Kreise Ihrer anderen Kameraden von nah und fern so sch?n und von allen Umst?nden so beg?nstigt begehen wie heute. Das sind unsere Gl?ckw?nsche. -- Jetzt aber lassen Sie uns die H?lle von dem Denkmal gleiten sehen , mit dem Gel?bnis, dass wir nie vergessen wollen, was Kaiser Wilhelm der Grosse f?r uns und besonders f?r unsere engere Heimat getan hat und gleich ihm sein erhabener Enkel, unser allergn?digster Kaiser, K?nig und Herr. Wir fassen daher alle unsere Hoffnungen, alle unsere Gef?hle, unsere ganze vaterl?ndische Gesinnung in dem Rufe zusammen : Se. Majest?t unser allergn?digster Kaiser, K?nig und Herr -- Hurra! Hurra! Hurra!<<

Ortsdiener Pilgerim riss an der Schnur, so stark er nur konnte, die Leinewand flog davon, und im Sonnenschein gr?sste die eherne B?ste mit dem mildig ernsten Gesichte des alten guten Kaisers von dem blanken granitenen Sockel herab. Die Musik blies Tusch auf Tusch, die alten und jungen M?nner riefen Hurra, die H?te waren von den K?pfen gerissen. Die Frauen waren aufgestanden und schwenkten ihre T?cher, die Fahnen wehten.

Dann stimmte der Ortsmusikus an: Deutschland, Deutschland ?ber alles, und alle sangen voll wahrer Inbrunst mit; die Frauen weinten vor R?hrung. Und alle blickten auf zu dem neu enth?llten Bildwerk. Am lautesten aber sangen hinter der festlichen Schar die Wettorper Jungen, die vorhin schon ein ganz gewaltiges Hurrageschrei angestimmt hatten.

Der Ortsvorsteher atmete auf, dass alles so gut gegangen war. Er hatte immer gef?rchtet, Ortsdiener Pilgerim m?ge nicht schnell oder stark genug ziehen oder das Tau m?chte sich verwickeln, oder es m?chte sonst irgend etwas geschehen, was die Feier st?rte.

Als der Gesang verklungen war, trat die kleine Germania-Mieze, die auch so ger?hrt war von den sch?nen Reden und von des alten Kaisers freundlichem Gesichte, erst ein wenig zaghaft, dann aber tapfer vor und deklamierte ihr Gedicht. Und es klang so brav, wie die Kleine es hersagte in ihrer nat?rlichen, herzlichen Weise, und sie legte den Ton auch immer auf die Hauptstellen, und and?chtig lauschten alle rings im Kreise auf Kaiser ... Reiser ... Gut und Blut ... Todesmut ... Vaterland ... Herz und Hand. -- Mieze kam so in Begeisterung bei ihrem Sprechen, dass ihre frischen Wangen gl?hten. -- Am Ende ihres Gedichtes legte die Germania einen h?bschen Lorbeerkranz mit blau-weiss-roter Schleife am Fusse des Denkmals nieder und knickste zierlich, als der Geh. Regierungsrat zu ihr kam und ihr die Hand gab, um sie zu begl?ckw?nschen zu ihrem sch?nen Erfolg. Auch der Regierungsassessor bekam ein Patschh?ndchen ab.

>>Gn?diges Fr?ulein,<< sagte er, -- >>geradezu tadellos, ein--fach ta--del--los.<<

Noch aber war nicht alles zu Ende. Der Geh. Regierungsrat winkte dem gallonierten Diener, der sich so lange ganz beiseite gehalten hatte, und der brachte ihm drei kleine Etuis. Der Regierungsrat, auf dessen eigener Brust f?nf Orden funkelten, hielt nun eine kurze Ansprache, in der er betonte, wie sehr es ihn freue, auch der ?berbringer mehrerer allerh?chster Auszeichnungen zu sein. Und dann ?berreichte er dem Ortsvorsteher den Kronenorden vierter Klasse und teilte ihm gleichzeitig mit, dass ihm der Titel B?rgermeister verliehen sei; dem Wettorper Kriegervereine hatte der Kaiser einen Fahnennagel gestiftet, und Ortsdiener Pilgerim erhielt das allgemeine Ehrenzeichen in Gold. Der neue B?rgermeister machte bei seiner Auszeichnung ein ernstes Gesicht und antwortete nur ein paar stotternde Worte: w?re sein Kaiser dagewesen, so h?tte er ihm stumm die Hand gedr?ckt, so m?chtig wirkte die Ehre auf den einfachen Mann. Der Vorsitzende des Kriegervereins hielt den Fahnennagel in der Hand und zeigte ihn all seinen Nachbarn, und Ortsdiener Pilgerim gl?nzte. Nun l?ste sich die strenge Ordnung, und es gab ein grosses Gratulieren und H?ndesch?tteln. Der Herr Geh. Regierungsrat und der Regierungsassessor verabschiedeten sich, nachdem sie das Denkmal eingehend gemustert hatten, und fuhren, vom B?rgermeister begleitet, zum Bahnhofe, denn sie mussten heute abend in Kiel sein; Se. Exz. der Herr Kultusminister ~Dr.~ Bosse kam abends. Damit war denn die Denkmalsenth?llung vorbei.

Auf dem Markte ordneten sich w?hrenddessen die Vereine wieder und zogen zum Landhause. Da war im Garten grosses Konzert, die vereinigten Gesangvereine trugen ihre Weisen vor, und die Kameraden sassen alle beisammen mit Frauen und Kindern und waren so recht von Herzen vergn?gt und zufrieden. Damit ging der Nachmittag hin, und am Abend nach neun Uhr, als es schon dunkel war, brannte Apotheker Juliussen das grosse Extra-Brillantfeuerwerk ab. Wie die Feuerr?der zischten und wirbelten, wie die ~pots ? feu~ knallten, wie die Schw?rmer knatterten und die Goldregenspringbrunnen funkelten. Nur mit den Raketen wollte es nicht immer recht gehen, und jedesmal, wenn eine hochging, bliesen die Musikanten mit verst?rktem Pust, damit die Raketen mehr Schwung bek?men. Und das Blasen half auch wirklich manchmal.

>>Fihtz,<< sagte die erste Rakete, und dann ging sie oben aus; >>Ffiehtz,<< sagte die andere und stiess mit dem Kopfe gegen einen Baumast, dass es knallte; >>Ffi-i-htz,<< sagte die dritte und richtig: >>knatter, knatter, knatter<< h?rte man in der Luft, und rote, gr?ne und weisse Leuchtkugeln bubbelten heraus und sanken im Bogen langsam herab, bis sie verglommen. -- >>Oh,<< sagten ringsum die Veteranen und die Veteranen-Frauen und -Kinder, >>wie herrlich!<< -- Die Musik war stolz auf ihren Erfolg, denn sie war es gewesen, die dieser Rakete gerade zur rechten Zeit den n?tigen Auftrieb verliehen hatte. Und deshalb passte sie nun erst recht auf.

>>Fiehtz-z-z-tz,<< sagte die vierte Rakete, und >>tschinkte<< machten die Musiker gleichzeitig, und siehe da: das Wunderwerk zerteilte sich im ?ther, und eine goldene Flut rieselte hernieder. >>Oh,<< sagten die Veteranen und die Veteranen-Frauen und -Kinder, >>das war aber wirklich wieder herrlich!<<

>>Fitzefitzefitz,<< sagte die f?nfte Rakete, und >>tschumbdi<< liess die Musik sich im rechten Augenblicke vernehmen, w?hrend die Pauke auch noch ihr Besonderes tat und >>plumm<< machte, und wahrhaftig, es half wieder, denn >>sisisisi<< t?nte es von droben herab, und singende Sternlein schwebten am Himmel.

>>Nein doch!<< sagten die Veteranen und die Veteranen-Frauen und -Kinder. >>So was haben wir denn doch noch nicht gesehen!<<

Dann sagten noch ein paar Raketen >>fihtz<<, und die Musiker bem?hten sich redlich, sie ordentlich hoch zu bringen mit tschumbdi, tschintata und plumm, -- meist gelang es, bisweilen kamen sie aber mit ihrer Aufmunterung auch etwas zu sp?t.

Sch?n war es aber eigentlich immer.

Und am n?chtlichen Firmament blinkten traurig die armen nat?rlichen Sternlein, die nicht gegen Apotheker Juliussens Feuerwerk aufkommen konnten.

Den Schluss bildete die Erst?rmung von Alexandria, -- die war ordentlich be?ngstigend, denn es knallte und fauchte und zischte und spr?hte durcheinander, dass einem schier schwindelig wurde. Dann kamen drei Kanonenschl?ge, bei denen die Veteranen von der Artillerie an ihre alten Hinterlader dachten und die Frauen und Kinder >>Uhch!<< schrien, und endlich wurde der ganze, durch Papierlaternen erhellte Garten mit bengalischen Flammen in rotes und gr?nes Licht getaucht.

>>Ah, nein doch! So furchtbar hell!<< sagten die Veteranen und die Veteranen-Frauen und -Kinder.

Dann ging es heim, nachdem die vereinigten Gesangvereine noch voll tiefer Empfindung: >>Gute Nacht, gute Nacht, mit N?glein bedacht<< gesungen hatten. Die G?ste begaben sich in ihr Freilogis bei den Wettorper Kameraden oder zu den Massenquartieren, die im >>Blauen L?wen<< und im >>Landhause<< hergerichtet waren.

Der neue B?rgermeister gab seiner Frau vor dem Zubettgehen einen herzlichen Kuss und meinte: >>Siehst du, Dora, -- unser Kaiser -- das is 'n +Mann+, den muss man +achten+.<<

Und der Tag war so sch?n verlaufen, wie ?berhaupt nur das zwanzigj?hrige Stiftungsfest eines Kriegervereins und eine Denkmalsenth?llungsfeier verlaufen kann.

Am Sonntagmorgen fand Konzert auf dem Eichenberg bei Wettorp statt, und nach dem Kirchgange wanderten die Kameraden erst ganz gem?tlich durch die Strassen. Die Musik, die am fr?hen Morgen vom Kirchturm herab Chor?le geblasen hatte, spielte von zw?lf bis ein Uhr auf dem Markte vor dem Denkmal, das weidlich angestaunt ward, und als sie geendet hatte, da traten die Vereine zum Festzuge an. Knaben mit Tafeln, auf denen die Ortschaften der verschiedenen Vereine geschrieben standen, stellten sich in bestimmter Entfernung hintereinander auf, und bei ihnen versammelten sich die Mitglieder. Bald war der ganze Markt voll. Der Vorsitzende vom Wettorper Kriegervereine kommandierte: >>Stillgestanden!<< und die Alten nahmen ihre Arme fest zusammen und machten ein Dienstgesicht, so gut es noch anging. Der Vorsitzende befahl: >>Fahnensektionen -- vor! Fahnen holen!<< und von jedem Vereine schritten drei M?nner ins Rathaus, um die Wahrzeichen an sich zu nehmen. Der Ortsmusikus passte mit erhobenem Taktstocke auf, und sobald die erste Fahnenspitze sichtbar wurde, senkte er den Stab, und >>tra--tatata--diida<< ging es los, w?hrend alle Veteranen und Kameraden den Kopf entbl?ssten, bis die Fahnen sich eingereiht hatten. Die Musik stellte sich nun an die Spitze des Zuges. >>Bataillon Marsch!<< hiess das Kommando, und der Festzug setzte sich in Bewegung. Die Kameraden hatten alle ihre Orden und Ehrenzeichen angelegt, und die blinkerten goldig im warmen, lustigen Sonnenscheine. So marschierten sie durch die Strassen; aus den Fenstern warfen ihnen Frauen und M?dchen kleine Str?usse und einzelne Blumen zu, die die Vor?bergehenden mit ihren verarbeiteten H?nden auffangen sollten, aber sie waren zu ungeschickt dazu, und die Blumen fielen zwischen den gespreizten Fingern hindurch zur Erde, um von den Hinterleuten halb zertreten aufgehoben zu werden. So pilgerten die Alten hinter der Musik und den wehenden Fahnen her und gaben sich bisweilen einen Ruck, wenn der Ortsmusikus ein recht forsches St?ck spielen liess, das sie wohl anno 1848 oder 1870 schon geh?rt hatten.

Zu beiden Seiten des Zuges aber standen die Wettorper, Frauen und M?nner, dichtgedr?ngt, liessen alles vorbeimarschieren und eilten dann schnell durch eine Querstrasse bis dahin, wo sie den Zug sp?ter wieder sehen konnten.

>>Tschingda tschingda dudeldudeldudel bumm,<< machte die Ortskapelle und so gelangten alle ins Landhaus, wo das Festessen stattfand. Das war nun ein wahrer Hochgenuss. K?niginnen-Kraftsuppe mit Fleischkl?ssen und Spargel gab es zwar nur wenig auf den Tellern, denn wenig Suppe geben ist vornehm, die Butten mit der Mehlsauce waren schon kalt, aber das kam nur daher, dass sich der Festzug um eine halbe Stunde versp?tet hatte und dass so viele mit essen wollten, die sich vorher nicht angemeldet hatten. Das Roastbeef dagegen war nun wunderbar zart. -- >>Ja,<< sagten die Wettorper, >>Fru Stamm weet, wo 'n St?ck Ossenfleesch bradn wardn mutt. Na, un de Sohs' de mugg man ja rein mit Lepeln eten.<< Und alles, was dann noch kam, Fr?chte, Brot, Butter und K?se, war gut und reichlich, und das Eis war nicht zu kalt. Nein, f?r zwei Mark >>das trockene Kuvert<< hatte man da ein herrliches Essen. Und der Wein war auch so sch?n; je zwei Kameraden tranken meist eine Flasche.

>>He +farvt+ ?rntlich, -- kick mal, wo rod min Glas is. Un denn is he bannig stark, aber wenn man twee Mark f?ftig f?r so 'n Buddel utgifft, denn will man em ock +marken+ k?nnen. Junge, wat markt man em!<<

Und Reden wurden gehalten. Erst auf den Kaiser, dann auf die G?ste, dann auf den Wettorper Verein, dann auf den B?rgermeister, dann auf das Komitee, dann auf die Frauen, dann auf Deutschland, dann auf Schleswig-Holstein, dann auf alle Kriegervereine, dann auf die deutsche Flotte, dann auf die Kaiserin, dann auf Mieze, dann auf alles M?gliche -- -- man konnte die Redner gar nicht mehr verstehen, so laut wurde es mittlerweile im Saale und so dicht war der Zigarrendampf. Wenn aber einer sein Glas erhob und hoch! hoch! hoch! rief zum Zeichen, dass er mit seiner Ansprache zu Ende war, so erhoben sie alle die Gl?ser mit und riefen alle mit hoch! hoch! hoch! -- Es war auch einerlei, meinten sie, auf wen das Hoch ausgebracht wurde: zugute musste es ihm ja unter allen Umst?nden kommen, wenn sie nur kr?ftig mitschrieen. -- Die Ortskapelle musizierte auf der Trib?ne und spielte ein patriotisches Potpourri nach dem andern, und sie sangen alle mit >>lalala,<< denn den Text kannten sie nicht oder doch nur die erste Strophe jedes Liedes.

Nat?rlich waren hier nur die Herren versammelt; die Damen tranken w?hrend des Festessens ihren Kaffee im Garten und blickten wohl einmal durch die Saalfenster, ob ihre M?nner es auch nicht zu arg trieben; aber die f?hlten sich sicher und liessen sich weder durch Winke noch durch Blicke davon abbringen, sich noch eine Flasche Rotwein mit ihrem Nachbar zu teilen.

Um sechs Uhr erst wurde der Saal ger?umt, und in einer halben Stunde war alles, was an das Essen erinnerte, beseitigt. Das Trompetensignal, der Ruf zum Sammeln, ert?nte, die Veteranen mit den Ihrigen str?mten wieder herein, wunderten sich, dass alles so schnell ver?ndert war, und setzten sich erwartungsvoll hin mit dem Gesichte zur B?hne gewandt, wo das Festspiel aufgef?hrt wurde.

So sch?nes Theater hatten die Kriegsveteranen und Kameraden nie gesehen. Als der Vorhang nach dem r?hrenden bengalischen Lichte und nach dem herrlichen lebenden Bilde fiel, da klatschten sie, was sie nur klatschen konnten.

Und dann begann der Kommers. An vier langen Tafeln, ebenso wie vorhin beim Festessen, hatten die Kameraden Platz gefunden, und lustig flogen die Worte hin und her.

Die Lieder waren alle in Reihenfolge, wie sie gesungen werden sollten, auf ein Blatt gedruckt, und ganz zum Schlusse stand auch >>Schleswig-Holstein, meerumschlungen<<. -- Und niemand wusste recht, wie es eigentlich kam, -- eben war die Wacht am Rhein verbraust, und es sollte nun >>Wohlauf, ihr wackeren Kameraden<< kommen, -- aber auf einmal ert?nte, als h?tte man sich vorher dazu verabredet, ausser der Reihenfolge der Anfang des Schleswig-Holstein-Liedes, -- erst hier und da -- ein paar alte schleswig-holsteinische Lehrer mochten damit angefangen haben, dann fielen immer mehr und mehr ein, die Musik musste sich dem allgemeinen Willen f?gen, die alten K?mpen erhoben sich von ihren Pl?tzen, st?tzten die H?nde auf den Tisch, blickten in die H?he mit begeisterten Augen und es klang:

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