Read Ebook: Erziehung und Unterricht der Blinden by Zech Friedrich
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Ebook has 1021 lines and 81762 words, and 21 pages
Der +graue Star+ besteht in einer Tr?bung der Kristallinse. Das Auge erscheint ?usserlich normal, die Hornhaut durchsichtig und gl?nzend, die Pupille rund und beweglich, aber grau gef?rbt; der Lichtschein des Auges ist erhalten.
Der graue Star tritt meist im h?heren Alter auf. Durch Entfernung der getr?bten Linse und Ersatz derselben durch ein starkes Konvexglas kann wieder ein gutes Sehverm?gen geschaffen werden.
Der graue Star kann auch angeboren sein. Eine erfolgreiche Operation ist in diesem Falle aber nur dann m?glich, wenn sie im ersten oder sp?testens im zweiten Lebensjahre ausgef?hrt wird.
Da das Auge in engster Beziehung zum Nervensystem steht, so kann durch Erkrankung desselben, insbesondere des +Zentralorgans+, auch das Auge in Mitleidenschaft gezogen werden. Tats?chlich werden viele Erblindungen durch organische Erkrankungen des Nervensystems hervorgerufen. Hierher geh?ren die bereits erw?hnte Retinitis pigmentosa und die Entz?ndungen des Sehnervs. Ferner k?nnen Geschw?lste des Gehirns, Entz?ndungen der Hirnhaut, Wucherungen in der Hirnhaut, wie sie h?ufig infolge von Syphilis entstehen, Gehirnerweichung, R?ckenmarksschwindsucht und andere Erkrankungen des Nervensystems zur Erblindung f?hren.
Andeutungsweise m?gen hier noch einige Formen von Sehst?rungen erw?hnt sein, welche die Sprache mit der Bezeichnung ,,blind" in Zusammenhang bringt.
Die +Nachtblindheit+ besteht darin, dass die von ihr heimgesuchten Personen nur bei heller Beleuchtung gut sehen, in der D?mmerung aber nichts wahrnehmen, so dass sie kaum noch allein gehen k?nnen. Die Ursache liegt wahrscheinlich in einer verlangsamten Anpassung der Netzhaut, die in Stoffwechselst?rungen ihren Grund hat.
Die +Schneeblindheit+ hat mit Blindheit nichts zu tun. Sie besteht in einer Entz?ndung der Bindehaut des Auges infolge der Einwirkung von ultravioletten Strahlen, wie sie sich bei l?ngeren Gebirgswanderungen ?ber Schneefelder und Gletscher bemerkbar macht. Bei derartigen Wanderungen m?ssen die Augen durch eine Schneebrille gesch?tzt werden, um die scharfen, ?tzenden und zerst?renden ultravioletten Strahlen abzufangen.
Die +Chininblindheit+ besteht in einer zeitweiligen Tr?bung des Gesichtsfeldes, die durch den Genuss von Chinin in gr?sserer Menge hervorgerufen wird. Chinin hat n?mlich eine giftige Wirkung auf die Nervenzellen der Netzhaut. ?hnliche Sehst?rungen werden durch Antifebrin und gew?hnlichen Alkohol hervorgerufen. Schlimmer sind die Sch?digungen des Auges durch Methylalkohol ; in 90 von 100 F?llen tritt sogar eine dauernde Schw?chung des Sehverm?gens ein.
Die +Seelenblindheit+ wird hervorgerufen durch Erkrankung oder Zerst?rung des optischen Erinnerungsfeldes im Gehirn. Seelenblinde +sehen+ alle Dinge, aber sie +erkennen+ sie nicht. Bekannte Personen, Vater, Mutter, Geschwister, kommen ihnen fremd vor. Ein Kranker erkannte sein eigenes Spiegelbild nicht und bat es, ihm Platz zu machen. Eine seelenblinde Dame verwechselte einen Hund mit ihrem Arzt, ihr Dienstm?dchen sogar mit einem gedeckten Tisch. Zum Gl?ck kommt die Seelenblindheit sehr selten vor.
+Magnus+, Die Jugendblindheit. Wiesbaden 1886.
+Cohn+, Lehrbuch der Hygiene des Auges. Wien und Leipzig 1892.
+Hirsch+, Entstehung und Verh?tung der Blindheit. Jena 1902.
+Neuburger+, Die h?ufigsten Ursachen der Erblindung und deren Verh?tung. Bldfrd. 1897 S. 129 u. 1898 S. 16.
+Greeff+, ?ber Ursachen und Verh?tung der Blindheit. Kongr.-Ber. Steglitz-Berlin 1898. S. 40.
An die Eltern sehender und blinder Kinder. Flugblatt der rheinischen Prov.-Blindenanstalt zu D?ren.
Eine zahlenm?ssige ?bersicht der H?ufigkeit der Blindheit, der Verteilung auf die verschiedenen Lebensalter, der Ursachen der Erblindung, der beruflichen Stellung der Blinden, der F?rsorge in unterrichtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht: kurz eine Statistik des Blindenwesens ist in vieler Hinsicht wertvoll. Ein Interesse an einer solchen Statistik haben in erster Linie die Staatsbeh?rden und Kommunen, die ?rzte, die Blindenlehrer und diejenigen Menschenfreunde, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den Blinden zu helfen und ihnen ihr Los zu erleichtern. Die Statistik ist in mancher Beziehung der +Ausgangspunkt+ der F?rsorge f?r die Blinden; sie bildet die Grundlage f?r Massnahmen zur Verh?tung der Blindheit und zur Errichtung von Unterrichts- und Besch?ftigungsanstalten; auch ist sie, wenn sie in rechter Weise ins Publikum gebracht wird, ein vorz?gliches Mittel, um Aufkl?rung zu schaffen, um der Allgemeinheit das Gewissen zu sch?rfen, ihr den Segen mancher hygienischen Einrichtungen zum Bewusstsein zu bringen und sie an die Pflicht zu erinnern, die sie dem Ungl?ck der Blindheit gegen?ber hat.
Die Aufstellung und Verarbeitung des statistischen Materials ?ber das Blindenwesen ist nicht immer in einwandfreier Weise geschehen. Die Fehlerquellen der Blindenz?hlungen liegen besonders darin, dass nicht ?rzte, sondern Laien die Z?hllisten ausf?llen. Infolgedessen werden h?ufig Personen, die nur noch ganz schwache Sehreste besitzen, die also im praktischen Sinne blind sind, nicht als blind bezeichnet, wie es auch andrerseits vorkommt, dass Personen mit ganz gutem Sehverm?gen als blind in die Listen eingetragen werden. Mit dem zunehmenden Bildungsgrad der Bev?lkerung sind die Z?hlungen freilich genauer geworden; so hat z. B. eine Nachpr?fung des im K?nigreich Bayern durch die Volksz?hlung vom Jahre 1900 ermittelten Z?hlmaterials ergeben, dass das bei der Volksz?hlung gewonnene grossz?gige Bild nach Zahl und Alter der Blinden im allgemeinen richtig war; es ergab sich f?r die Gesamtblindenzahl von ca. 3500 Personen nur eine Differenz von 60 als Minus zur ersten Z?hlung.
Im folgenden k?nnen nur einige allgemeine Angaben und einige wichtige Tabellen gebracht werden; Ausf?hrliches enth?lt die unten genannte Literatur.
Europa hat ann?hernd 300000 Blinde; die Zahl der Blinden auf der ganzen Erde wird mit ?ber einer Million anzunehmen sein. Die H?ufigkeit der Blindheit in einigen europ?ischen L?ndern zeigt folgende Tabelle:
+Zahl der Blinden:+ Auf 100000 Einwohner entfallen Blinde:
Deutsches Reich 34334 60,9 ?sterreich 14875 56,9 Schweiz 2107 72,2 D?nemark 1047 42,8 Schweden 4313 66,4 Norwegen 1879 84,6 Frankreich 32056 84,3 Britisches Reich 31966 79,9 Italien 21718 76,2 Finnland 4460 178,4
Nach dieser Tabelle ist die Blindheit am h?ufigsten in Finnland, am seltensten in D?nemark.
Im Deutschen Reiche entfielen auf 100000 Einwohner
im Jahre 1871 88 Blinde ,, ,, 1900 61 ,,
Die relative Abnahme der Blindheit betrug in 30 Jahren rund 30%.
+Zahl der Blinden:+ Auf 100000 Einwohner entfallen Blinde: Preussen 21614 62,7 Bayern 3444 55,8 Sachsen 2715 64,6 W?rttemberg 1302 60,0 Baden 1003 94,6 Hessen 537 47,9 Mecklenburg-Schwerin 457 76,1 Hamburg 258 36,8 Elsass-Lothringen 997 58,3
Teilt man die Gesamtzahl der Blinden in zwei grosse Altersklassen, in Blinde +unter+ 50 Jahren und in Blinde +?ber+ 50 Jahren, so ergeben sich im Deutschen Reich:
Auf 100000 Einwohner +unter+ 50 Jahren entfallen 29,5 Blinde ,, ,, ,, +?ber + ,, ,, ,, 230,8 ,,
In den ersten 5 Jahren herrscht grosse Erblindungsgefahr; die geringste Gefahr besteht w?hrend der Schulzeit. Vom 16. bis 50. Jahre nimmt die Erblindungsgefahr langsam aber stetig zu; vom 51. Lebensjahre ab steigt sie rasch an. Die h?chste Erblindungsgefahr besteht zwischen dem 70. und 80. Lebensjahre.
Folgende Tabelle zeigt die h?ufigsten Ursachen der Blindheit von 2210 in der +Jugend+ erblindeten Augen.
Eine im Mai 1901 in 33 deutschen Blindenanstalten vorgenommene Ermittelung zeigt in bezug auf Blennorrh?e, Pocken und ?ussere Verletzungen folgendes Bild:
+Prof. Dr. Cohn+, Haben die neueren Verh?tungsvorschl?ge eine Abnahme der Blindenzahl herbeigef?hrt? Kongr.-Ber. Breslau 1901.
+Hirsch+, Entstehung und Verh?tung der Blindheit. Jena 1902.
+Die Blinden im Deutschen Reiche+ nach dem Ergebnisse der Volksz?hlung am 1. Dezember 1900. Sonderabdruck aus den Medizinal-statistischen Mitteilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt. Verlag von Julius Springer Berlin.
+Schaidler+, Hauptergebnisse der amtlichen Blindenz?hlungen im Jahre 1900. Kongr.-Ber. Hamburg 1907.
+Wagner+, Statistische Blindenerhebung und gegenw?rtiger Stand der Blindenstatistik in Europa samt ?nderungsvorschl?gen. Wie vor.
Derselbe, Bericht ?ber die Schlussberatung der Kommission f?r internationale Blindenstatistik in Prag am 7. Oktober 1908. Prag, Klarsche Blindenanstalt 1909.
+Wagner+, Bericht ?ber die T?tigkeit der Kommission f?r internationale Blindenstatistik. Kongr.-Ber. Wien 1910.
Der Gegenstand der Erziehung: Der Blinde.
Als +unmittelbare+ Folge der Blindheit in k?rperlicher Hinsicht kommt, abgesehen von einer ?fteren Verunsch?nung des Gesichts und dem Fehlen des belebenden Elements im Gesichtsausdruck und Mienenspiel, nur +ein+ Umstand in Betracht: +Die Beschr?nkung der Bewegungsfreiheit.+ Der Blinde ist mehr oder weniger an den ihm durch vielfache ?bung bekannt gewordenen Raum gebunden; will er die Grenzen desselben ?berschreiten, so ist er auf fremde Hilfe angewiesen, er muss sich f?hren lassen. An dieser Tatsache ist nichts zu ?ndern; eine verst?ndige Erziehung kann die dr?ckende Beschr?nkung wohl mildern, aufzuheben vermag sie dieselbe aber nicht.
Alle sonstigen auff?lligen k?rperlichen Eigent?mlichkeiten des Blinden sind +indirekte+ Folgen der Blindheit; sie treten nicht in jedem Falle ein, machen sich auch nicht bei allen Blinden in gleichem Grade bemerkbar, sind abh?ngig von Erziehung und Alter und davon, ob die Blindheit in fr?her Jugend oder im vorgeschrittenen Alter eingetreten ist.
Bei vielen Blinden zeigt sich eine gewisse +?ngstlichkeit und Zaghaftigkeit in der Bewegung+. Sie strecken die Arme weit vor, um nicht anzustossen, schieben die F?sse vorsichtig tastend vorw?rts und schleichen in geb?ckter Haltung dahin. Besonders bei Sp?terblindeten kann man diese Beobachtung h?ufig machen, seltener bei jugendlichen Blinden. Haben die letzteren nicht ?bertriebene F?rsorge oder grobe Vernachl?ssigung im elterlichen Hause erfahren, so bewegen sie sich in bekannten R?umen und auf bekanntem Terrain meist mit anerkennenswerter Sicherheit und Leichtigkeit. Es hat dies darin seinen Grund, dass sie in ausgedehntem Masse die ihnen f?r die Orientierung zu Gebote stehenden Mittel, insbesondere Druck- und Schallempfindungen zu verwerten wissen, w?hrend Sp?terblindete die erforderliche ?bung hierin schwerer gewinnen.
Die mit der Blindheit gegebene Beschr?nkung der Bewegungsfreiheit f?hrt h?ufig dazu, dass der Blinde die +Bewegung auf ein Mindestmass herabdr?ckt+. Erschwerend kommt bei ?lteren Blinden noch dazu, dass sie vielfach auch durch die Aus?bung ihres Berufes zum Sitzen gezwungen werden. Die mangelnde Bewegung und der ungen?gende Aufenthalt in frischer Luft wirken ung?nstig auf die Gesundheit ein. Namentlich treten Verdauungsbeschwerden h?ufig auf. Im Zusammenhange mit diesen stehen Hautausschl?ge und Geschw?re, die vielfach erst im vorgeschrittenen Stadium bemerkt werden und dann ?rztliche Eingriffe notwendig machen. Ein blasses, kr?nkliches Aussehen gibt Zeugnis von der ungen?genden Durchblutung der Haut und dem nicht ausreichenden Einfluss von Licht und Luft auf den K?rper. Da die Muskeln, namentlich die der Beine und des Rumpfes, zu wenig ?bung haben, bleiben sie schwach, und deshalb stellt sich bei vielen Blinden selbst schon nach einem k?rzeren Spaziergange Erm?dung ein, ein weiterer Grund, um die Bewegung abzuk?rzen. Mit der geringen Muskelbet?tigung h?ngt ein gr?sseres W?rmebed?rfnis zusammen, das man besonders bei M?dchen h?ufig beobachten kann; ?berheizte Zimmer, ?berm?ssig warme Kleidung und schwere Federbetten findet man bei ?lteren weiblichen Blinden, die sich im Hause nach ihren W?nschen einrichten k?nnen, nur zu oft.
Die +Haltung+ des Blinden ist h?ufig unsch?n, eckig und linkisch. Seine Verbeugung ist steif, er weiss bei der Unterhaltung Arme und H?nde nicht zu lassen, spielend tastet er an Stuhl und Tisch entlang oder sitzt steif und ungrazi?s da. Bei den Mahlzeiten macht dem unge?bten Blinden die Handhabung von Messer und Gabel M?he. Durch Ber?hrung der Speisen ?berzeugt er sich, wie weit der Teller oder der Becher gef?llt ist, zuweilen sind sogar die Finger bei der Bef?rderung der Speisen zum Munde in abstossender, unappetitlicher Weise behilflich. Es ist selbstverst?ndlich, dass solche schlechten Manieren bei wohlerzogenen Blinden nicht zu finden sind; leider ist es aber Tatsache, dass auch gebildete Eltern dieser ?usserlichen, aber doch wichtigen Seite der Erziehung ihrer blinden Kinder nicht immer die n?tige Sorgfalt zuwenden.
H?ufig findet man bei Blinden allerlei h?ssliche, +undisziplinierte Bewegungen+: sie bohren mit den Fingern in den leeren Augenh?hlen, wodurch ihnen angenehme Lichtempfindungen hervorgerufen werden, sie drehen unaufh?rlich den Kopf, wackeln mit dem Oberk?rper, zappeln mit den H?nden oder F?ssen usw. Diese h?sslichen Bewegungen halten zuweilen stundenlang an, so dass sie f?r die Umgebung des Blinden ganz unertr?glich werden. Leicht f?hrt die Blindheit auch zur +Unsauberkeit+. Die tastenden H?nde kommen mit den verschiedensten Dingen in Ber?hrung, vor Staub und Schmutz wird der Blinde weniger gewarnt als der Sehende, und es fehlt die Kontrolle des Auges ?ber Sauberkeit oder Unsauberkeit am eigenen K?rper und seiner Umgebung.
Erziehung und Unterricht sollen die in k?rperlicher Hinsicht mit der Blindheit zusammenh?ngenden Nachteile und M?ngel soviel als m?glich auszugleichen suchen.
Die +Sicherheit der Bewegung+ wird gef?rdert durch Turnen, Tanzen, Spielen im Freien, durch strenge Beachtung der allgemein geltenden Bewegungsregeln, durch ?bung im Gehen und Ausweichen und durch Vermeidung entbehrlicher F?hrung. Das letztere ist um so notwendiger, als es Blinde gibt, die auf selbst?ndige Bewegung nahezu verzichten und sich, wo immer ang?ngig, einem andern in den Arm h?ngen. Man dulde solche Tr?gheit nicht; wer dazu neigt, sollte zu ?fteren kurzen Boteng?ngen und Arbeiten, mit denen Gangbewegung verbunden ist, herangezogen werden. Zu fleissiger Bewegung regt besonders ein +grosser Garten+ an. Wo der Blinde nur auf die Anstaltsr?ume und einen kleinen kahlen Hof angewiesen ist, da wird er schwerlich zu einer leichten und sicheren Gangart kommen; wenn er sich dagegen auf einem grossen Terrain, zwischen B?umen und Buschwerk tummeln kann, lernt er ohne besondere Anleitung Hindernissen ausweichen und seine Sinne zur Orientierung brauchen. In manchen Anstalten erhalten die ?lteren Z?glinge praktische Anleitung zur +Bewegung auf der Strasse+. Eine solche Anleitung ist f?r m?nnliche Blinde, die in ihrem sp?teren Berufsleben ganz besonderen Wert auf m?glichste Unabh?ngigkeit von einem F?hrer legen m?ssen, sicher n?tzlich.
Einen wichtigen Anteil an der Erziehung zur Bewegungsfreude und Bewegungsfreiheit hat der +Turnunterricht+. Er wird in den deutschen Blindenanstalten bis jetzt im allgemeinen zwar nur mit derselben Stundenzahl bedacht wie in der Volksschule; es w?re aber w?nschenswert, dass ihm mehr Zeit gewidmet w?rde. Dass das Turnen so oft als m?glich im Freien, bei ung?nstiger Witterung aber in einer ger?umigen Halle zu erteilen ist, d?rfte selbstverst?ndlich sein. Man wird auf eine kr?ftige Bet?tigung des +ganzen K?rpers+ bedacht sein m?ssen; reigenartige ?bungen, die in erster Linie ?sthetische Zwecke verfolgen und nur geringe Kraftanstrengung erfordern, wird man einschr?nken. Neben den Frei?bungen ist das Ger?teturnen zu pflegen. Turnspiele, die zum Laufen und Springen Veranlassung geben, sind oft vorzunehmen. Steht ein gen?gend grosser Spielplatz zur Verf?gung, so empfehlen sich, unter Beachtung der erforderlichen Vorsichtsmassregeln, Schleuderballspiele, die den gesamten K?rper kr?ftig anregen. Gartenturnger?te sollen den Blinden zur ?bung seiner Kr?fte auch in der schulfreien Zeit einladen. Eine Kegelbahn wird besonders ?lteren m?nnlichen Blinden neben angenehmer Unterhaltung eine wohlt?tige k?rperliche Bewegung verschaffen. Selbst sportliche Bet?tigung ist in bescheidenen Grenzen m?glich; in erster Linie ist hier das Rodeln und Schlittschuhlaufen zu nennen; in England und Amerika wird auch das Radfahren unter F?hrung eines Sehenden gepflegt. Dass einige Anstalten ihren besonderen Saal mit orthop?dischen Ger?ten besitzen, die den Z?glingen zur St?rkung ihres K?rpers zur Verf?gung stehen, soll nur erw?hnt werden. F?r +alle+ Anstalten sind zu fordern breite, helle, luftige Korridore, die bei ung?nstiger Witterung als Wandelhallen benutzt werden k?nnen.
Die Verbesserung der +Haltung+ des blinden Kindes und seine Erziehung zu +Sitte+ und +gesellschaftlichem Anstande+ ist ebenfalls wichtig. Feste, unter allen Umst?nden unverr?ckbare Anstands- und Gesellschaftsregeln m?ssen in der Blindenanstalt beobachtet werden. Konsequent halte man darauf, dass die Knaben beim Gr?ssen ihre Verbeugung, die M?dchen ihren Knicks machen, dass sie um Entschuldigung bitten, wenn sie eine andere Person angerannt haben, dass sie bei der Unterhaltung keine Verlegenheitsbewegungen machen oder Stuhl und Tisch abtasten. Besonders wichtig ist die Erziehung zu guten Manieren beim Essen. Die richtige Haltung des L?ffels ist von vornherein zu ?ben; ?ltere Z?glinge sind an den Gebrauch von Messer und Gabel zu gew?hnen; die freundliche und geschmackvolle Ausstattung der Speisetische und die Beobachtung feststehender Tischsitten werden den Mahlzeiten einen wohltuenden Anstrich geben und die Manieren der Z?glinge g?nstig beeinflussen. Bietet sich Gelegenheit, die Z?glinge in Gesellschaft von Sehenden zu bringen, so tue man es; sie werden dadurch gen?tigt, auf die gesellschaftlichen Gewohnheiten und Regeln zu achten und sich manche Zur?ckhaltung aufzuerlegen, die sie im Verkehr mit ihren Schicksalsgenossen nicht zu beobachten brauchen. Aus diesem Grunde ist auch die gesellige Vereinigung der Anstaltsbeamten und der Z?glinge, wie sie sich z. B. an vaterl?ndischen Gedenktagen und bei Hausfestlichkeiten erm?glichen l?sst, zu empfehlen.
Neben die Gew?hnung tritt die Belehrung. Unterricht in der Anstandslehre, der nat?rlich die besondern Verh?ltnisse des Blinden ber?cksichtigt, sollte in keiner Anstalt fehlen.
Die h?sslichen, undisziplinierten Bewegungen mancher Blinden lassen sich nur durch h?ufiges Erinnern und eventl. durch ?ftere ?bung im Stillsitzen und Stillstehen beseitigen. Auch der Turnunterricht wirkt helfend mit.
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