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Read Ebook: Briefe Aufzeichnungen und Aphorismen. Erster Band by Marc Franz

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Ebook has 83 lines and 9323 words, and 2 pages

e, so lange ich noch lebe und male! Vergiss uns, Maria und mich, nicht ?ber dem Leid. Wir haben ein H?uschen und m?chten Kinder sehen und unsere Freundin bei uns, so oft Du nur magst. Was Dir die Deinen sind, k?nnen wir Dir gewiss nie sein -- aber das andere, was Dir und uns allen dieser grausame Krieg geraubt und get?tet hat, die Malerei von August, das Erbe seiner Ideen -- dies Leben sollst Du bei uns weiterleben und pflegen, so oft und viel Du willst. Lass Dir die Wangen streicheln von

Deinem treuen Franz

Gr?sse Deinen Bruder! Geht es ihm doch gut?

Liebe Lisbeth,

Was mich f?r Dich tr?stet, ist, dass Du wenigstens die beiden, lieben Buben von ihm hast, in denen der August immer lebendig bleibt. Was mir den Abschied von Maria schwer machte, war gerade der schwerm?tige Gedanke, dass ich sie ganz allein zur?cklasse, wenn ich nicht wiederkomme, ohne jede Zukunft und Aufgabe. Im Felde f?rchtet man den Tod ja gar nicht. Man streift ihn so oft, man geht zwischen all dem f?rchterlichen Sterben schliesslich ganz k?hl umher; aber, der Gedanke, kein Kindchen, keinen Erben des Blutes, das man sterbend vergiesst, zur?ckzulassen, ist f?r mich das Einzige ganz Traurige. Ich bin ja im allgemeinen wenig exponiert und glaube mit keinem Gedanken, nicht zur?ckzukehren; aber ebenso felsenfest hab ich an August's Stern geglaubt und doch schimmert er jetzt so tr?be, dass man verzweifeln m?chte. Nichts hat mich in diesem Kriege so ersch?ttert und deprimiert als diese Nachricht. Sie qu?lt mich oft des Nachts und taucht zwischen ganz anderen Gedanken immer wieder auf, dass ich erst jetzt ganz schwer f?hle, was ich und wir alle an ihm verlieren w?rden. --

Wir arbeiten immer noch an der Reorganisation unserer Truppe und vor allem unseres Pferdematerials, das in einem trostlosen Zustand aus den Vogesenk?mpfen kam; unsere ganze Division ist aus dem Gefecht gezogen; ich hab viel ruhige Stunden f?r mich und arbeite f?r mich an meinen Gedanken, die der Krieg in ganz neue Bahnen getrieben hat. Wen werde ich finden, mit dem ich ?ber das alles reden kann, wenn ich August nicht mehr habe? Du kannst es mit noch gr?sserem Recht sagen, aber was Dir Freunde sein k?nnen, das sollst und wirst Du an uns finden. Gr?sse Deinen lieben Bruder vielmals von mir; ich freu mich riesig, dass er sich wenigstens gut erholt, gr?sse auch herzlich Deine Angeh?rigen und lass Dir einen Freundeskuss geben von Deinem treuen

Franz.

Liebe Lisbeth,

Einmal muss dieser Krieg ja ein Ende nehmen, erst im Osten, dann im Westen. Man vertr?stet sich von einer Jahreszeit auf die andere!

Von Helmut hab ich die letzte Nachricht vom 6. Dez. Hoffentlich bewahrt ihn ein gutes Schicksal, freilich ist er sehr gef?hrdet da oben und als Infanterist doppelt und zehnfach.

Willst Du mir einmal eine Freude machen? Schick mir doch eine kleine Photographie von Wolfgang, wenn Du eine hast, . Koehler schreibt, er habe solche ?hnlichkeit mit August. Gib Walterchen und dem Kleinen einen herzhaften Kuss von mir und nimm Du auch einen von Deinem treuen

Franz Marc.

Liebe Lisbeth,

wie hat mich Dein guter Brief gefreut! Du lebst und f?hlst so sehr im Ganzen und Vollen mit uns allen draussen, dass Dir jeder Soldat dankbar die Hand dr?cken m?chte, auch wenn er nichts von Deinem besonderen Leide weiss, das Dein Leben f?r immer in das Schicksal dieses Krieges verflochten hat. Ich liebe heute alle Menschen, deren Herzen mit unserm Leben und mit dem Schicksalswillen dieses Krieges mitzittern. Es gibt merkw?rdigerweise doch auch viele, die ?ngstlich alles meiden, was ihre Seele in den Krieg hineinziehen k?nnte, die >>Neutralen<< im Lande!

H?rst Du etwas von Helmuth? Ich habe seit dem 6ten Dez. keine Nachricht mehr von ihm und bin etwas in Sorge. Schreib mir doch, wenn Du etwas ?ber ihn h?rst. Herr Koehler schrieb mir sehr treu und lebendig von seinem Besuch bei Euch, es waren wehm?tige und aufregende Tage f?r ihn, er leidet furchtbar unter dem Tod seines jungen, liebsten Freundes. Ich denke auch daran, wie wehm?tig mich ein Besuch in Eurem lieben H?uschen machen w?rde und doch m?chte ich so gern einmal, noch einmal August's Atelier sehen, seine letzten Arbeiten und den kleinen Wolfgang kennen lernen. Wann wird das alles einmal sein? Und wie wird es dann in Europa aussehen? und in unsern Herzen! Auch ich komme nicht mehr ganz als derselbe zur?ck. Der Krieg hat mein ganzes Denken wie im Sturm durchsch?ttelt.

Ach ja, die vergn?gten Glasbildchen, die sehen jetzt auch gewiss melancholisch und ernst drein -- so ver?ndern sich die Dinge!!

Leb wohl und bleib so mutig und lebensvoll wie wir Dich immer kannten und wie Dich Deine Briefe zeigen. Gr?sse herzlich Deine ganze Familie; wenn Du einmal Dr. Samuel schreibst, f?ge bitte einen kameradschaftlichen Gruss von mir bei. --

Weisst Du, was mir gerade einf?llt? ein Zukunftsbild: die erste Begegnung Deiner beiden Buben mit den zwei Niestl?'schen M?dchen -- auf solche k?stlichen Augenblicke, die doch kommen werden, freu ich mich!

Von Herzen Dein Franz Marc.

Liebe Lisbeth,

Auf Deinen lieben letzten Brief antwortete ich Dir kurz, tags darauf kam dann Dein gutes Schokoladepaketchen, sch?nen Dank! Bleibt alle gesund, Ihr lieben Drei. Mit herzlichem H?ndedruck

Dein Franz Marc.

Liebe Lisbeth,

Dank f?r Deinen langen guten Brief; ja, in M?llheim musste ich soviel an August und Dich denken; ich kam sehr ersch?pft nach einem langen 40 klm Ritt am Bahnhof an, band mein Pferd an einen Laternenpfahl und ruhte mich in der Gartenwirtschaft am Bahnhof aus -- da musste ich so an Euch denken. Ich blieb dann in M. ?bernacht und ritt am andern Tag etwas schweren Herzens zur?ck. Ich trennte mich so ungern vom Schwarzwald, der mir so deutsch und heimisch schien. Es kostete mich wirklich einen Entschluss wieder ?ber den Rhein zur?ck nach Westen zu reiten! Wann werden wir wieder friedlich ?ber den Rhein zur?ckkehren d?rfen?! Dass Maria sich jetzt entschliesst, Euch in Bonn zu besuchen, glaube ich nicht sehr; erstens bekommt unser liebes kleines Reh demn?chst Junge -- auch eine Sorge; man kann das Tierchen doch nicht in solchen Tagen verlassen und fremden H?nden anvertrauen; dann die Gartenbestellung und manches andere, ich glaube, Maria wird sich jetzt schwer von Ried trennen. Wenn Du mit den Kindern die Reise nicht wagst und lieber einmal einen kurzen Besuch allein machst, wirst Du Maria und mir auch eine grosse Freude machen; und ich hoffe so sehr, dass er f?r Dich selbst eine kleine seelische Erholung w?re --.

Schreibe mir nur mal wieder; ich freu mich immer so, wenn aus dem grossen Feldpostsack ein Brief mit Deiner Handschrift herausf?llt. Seid alle herzlich gegr?sst, auch Deine liebe, verehrte Mutter und Grossmutter und W. Gerhardt mit Frau.

Dein Franz Marc.

Liebe Lisbeth,

jetzt ist wohl bald der Jahrestag, an dem Du von August f?r immer Abschied genommen hast -- r?ckte er damals gleich ab? Und nun liegt Helmuth verwundet -- hast Du n?here Nachrichten? er schrieb mir wenige Tage nach seiner Verwundung aus dem Feldlazarett 4. 50. Inf.-Div. Westen; ich schrieb ihm sofort wieder habe aber seitdem keine Antwort, was mich etwas beunruhigt. Es war ein Granatsplitter im Hinterkopf. Er schrieb kurz nach der Operation, die gl?cklich verlaufen sein soll; aber, weiss Gott was hinterher kam; mich be?ngstigt sein Schweigen jedenfalls. Denn gerade im Lazarett ist man schreiblustig, wenn es einem gut geht. Gib mir bitte Nachricht, was Du ?ber Helmuth weisst und besuche ihn ja, wenn das Lazarett f?r Zivilpersonen erreichbar ist. Es ist ja auch die Frage, ob er dort geblieben ist. Wie gehts Euch allen; wo ist Dein Bruder? Gr?ss alle von mir und lass Dir die Hand dr?cken

von Deinem Franz.

Meine liebe, gute Lisbeth,

wie lieb von Dir, immer wieder so freundlich meiner zu gedenken; ich bin sehr schreibeunlustig geworden -- die Welt, die Arbeit und die Liebe, alles r?ckt so traumhaft fern in diesem endlosen lieblosen Kriege!! Ich schrieb in den letzten Monaten fast nur mehr Maria und meiner Mutter, aber meine Gedanken irren eigentlich in einem nirgendwo, unst?t, unproduktiv, voll Hass gegen diesen Krieg; und was mir diesen Zustand besonders unheimlich macht: ich werde ein immer besserer -- Soldat! Ich kenne mich oft nicht wieder; wir M?nner sind ein merkw?rdiges Geschlecht. Der Krieg verm?nnlicht uns leider noch mehr, ich kann mir Euch Frauen kaum mehr vorstellen; und dass es Kinder gibt und Kinderleben! -- Wie mag es dem armen Helmuth ergehen? Er ist in gef?hrlichster N?he der grossen Offensive. Ich selbst kann ?ber nichts klagen; ich bin jetzt Offizierstellvertreter und werde in B?lde Offizier sein; das erleichtert nat?rlich mein Leben ?usserlich sehr, aber die geistige Luft, in der ich nur m?hsam atme, wird dadurch nur noch >>dicker<<. Dabei >>geniesse<< ich den unbestrittenen Ruf eines >>vorz?glichen<< Soldaten. Ich bin es sogar. -- Das ist das Groteske meines jetzigen Lebens.

Sei nicht ungehalten und erschrocken, dass ich Dir nichts lieberes, ruhigeres zu sagen habe; ich m?chte Dein liebes Gesicht streicheln und Wolfg?ngchen auf den Knien haben; hoffentlich kommen f?r uns M?nner auch solche Zeiten wieder, nach diesen Jahren des gemeinsten Menschenfangs, dem wir uns ergeben haben. Wie haltet Ihr Frauen eigentlich diese tolle Epoche aus? Das frag ich mich oft. Du ?rmste hast das gr?sste Opfer gebracht, -- Deine Ruhe kann ich verstehen -- aber so viele andere?? Maria leidet sehr bitterlich und ich wage ihr kaum zu sagen wie gut ich sie dabei verstehe, um ihre Seele nicht noch mehr gegen diesen Krieg aufzubringen. Das soll nun ein Brief an Dich sein!! Verzeih mir ihn. Ich bin zu keinem anderen f?hig.

Mit herzlichem H?ndedruck

Dein Franz.

Liebe Lisbeth,

was f?r einen netten Weihnachtsgruss hast Du mir wieder geschickt! Dank f?r alle Deine Liebe, die so sch?n aus Deinen guten Briefen und Sendungen spricht. Ich verstehe gut, dass Dir die Weihnachtstage mehr Qual und Wehmut bringen als Freude, -- wenn Dir nicht die strahlenden Gesichter von Walterchen und Wolfgang alles Weh ?berstrahlen. Ich habe zuweilen eine wahre Sehnsucht nach diesen beiden kleinen Buben, ?hnlich wie zu den Kinderchen von Legros, die mich in meinem Urlaub k?rzlich so gefreut haben. Ihr Beide habt wirklich ein Lebenspfand in der Hand, das manchen tiefen Schmerz aufwiegen kann. Maria zeigte mir eine Photographie von Walterchen und Wolfgang -- ich war ganz ergriffen von der Sch?nheit von Walterchen, und Wolfgang, der noch zu v?gelchenhaft klein ist zur Sch?nheit, hat ein so lieblich sanftes Kindergesicht! Es werden schon wieder gute Stunden kommen, in denen wir um den runden Kirschbaumtisch sitzen und Glasbilder pinseln -- dann muss eben Walterchen auf August's Stuhl sitzen und mitmachen.

Maria schrieb mir davon, dass sie von Dir aufgefordert wurde nach Bonn zu kommen; ich glaub, sie scheut etwas die Reisekosten, obwohl wir jetzt gar nicht besonders unsicher mit dem Gelde stehen; ich werde ihr zureden und ihr wenigstens diesen Hinderungsgrund etwas ausreden, aber vielleicht h?lt sie auch anderes zur?ck, -- die Sorge das Haus zu lang allein zu lassen, und vielleicht auch der Gedanke Dir keine aufmunternde und heilsame Gesellschaft zu sein, da sie jetzt sehr schwarzseherisch und melancholisch gestimmt ist; ich freu mich jedenfalls, wenn sie Dich besucht, aber ich dr?nge in diesen Fragen zu nichts. Aber das hoffe ich heute schon: dass wir Dich mit Deinen beiden B?bchen nach dem Krieg zuweilen bei uns sehen!

Gr?sse Moilliet, ich gratuliere herzlich zu seinen Erfolgen; hoffentlich ziehen sie andere nach sich, wie es doch meist ist.

Wir sind ganz unerwartet in Armeereserve f?r circa einen Monat zur?ckgezogen worden und k?nnen unseren Soldaten morgen ein ganz gem?tliches Weihnachten richten. Gr?sse Deine Lieben alle recht herzlich von mir; gib Walter und Wolfgang einen Kuss von ihrem Onkel. In herzlicher Liebe

Dein Franz Marc.

Der Spitzweg ist reizend! dies k?stlich t?richte Einst und dies sinnlos grauenvolle Jetzt!

Das Blutopfer, das die erregte Natur den V?lkern in grossen Kriegen abfordert, bringen diese in tragischer, reueloser Begeisterung.

Die Gesamtheit reicht sich in Treue die H?nde und tr?gt stolz, unter Siegeskl?ngen den Verlust.

Der Einzelne, dem der Krieg das liebste Menschengut gemordet hat, w?rgt in der Stille die Thr?nen hinunter; der Jammer kriecht wie der Schatten hinter den Mauern. Das Licht der ?ffentlichkeit kann und soll ihn nicht sehen; denn die Gesundheit des Ganzen will es so.

Aber die grosse Rechnung des Krieges ist mit alledem nicht beglichen. Das grausame Ende kommt schleichend, langsam, sicher nach, in Zeiten, in denen der Quell des Leides nur mehr langsam rinnt.

Und manchen kannten wir gut, ach nur zu gut! --

August Macke, der >>junge Macke<< ist tot.

Wer sich in diesen letzten, ereignisvollen Jahren um die neue deutsche Kunst gesorgt hat, wer etwas von unsrer k?nstlerischen Zukunft ahnte, der kannte Macke. Und die mit ihm arbeiteten, wir, seine Freunde, wir wussten, welche heimliche Zukunft dieser geniale Mensch in sich trug. Mit seinem Tode knickt eine der sch?nsten und k?hnsten Kurven unsrer deutschen, k?nstlerischen Entwicklung j?h ab; keiner von uns ist imstande, sie fortzuf?hren. Jeder zieht seine eigene Bahn; und wo wir uns begegnen werden, wird er immer fehlen.

Aber sein Werk ist abgebrochen, trostlos, ohne Wiederkehr. Der gierige Krieg ist um einen Heldentod reicher, aber die deutsche Kunst um einen Helden ?rmer geworden.

Franz Marc.

Das Buch enth?lt Franz Marcs Briefe aus dem Felde, Tagebuch-Aufzeichnungen und Aphorismen. Der Tafelband stellt die originalgetreue Wiedergabe des letzten Skizzenbuches aus dem Felde in Lichtdruck dar. Der Textband der vorliegenden Ausgabe wurde im Jahre 1920 in der Offizin W. Drugulin in Leipzig gedruckt. Er enth?lt, gleichfalls in Lichtdruck, eine farbige Beilage nach dem Aquarell >>Tierschicksale<< von Franz Marc. Eine Vorzugsausgabe mit weiteren f?nf farbigen Lichtdrucken nach Zeichnungen von Franz Marc wurde in 320 in der Presse numerierten Exemplaren, von denen 300 in den Handel kommen, auf B?ttenpapier gedruckt und in Halbleder gebunden

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