Read Ebook: Novellen: Die zweite Liebhaberin; Verlust und Gewinn by Meyr Melchior
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Ebook has 792 lines and 95281 words, and 16 pages
n die Geliebte. Aus dem langen Brief heben wir folgende Stellen aus: >>Die pers?nliche Bekanntschaft mit Friedrich Willmann hat mich ?ber diesen Autor einigermassen entt?uscht. Im Grunde hat er mich gut aufgenommen und scheint mir n?tzlich werden zu wollen. In seiner Art liegt aber etwas Ironisches, das mir nicht recht gefallen kann. Er ist ein grosser Verehrer der Klugheit -- mehr als es sich f?r einen Dichter geziemen will -- und scheint mir bei seinen Arbeiten doch haupts?chlich auf die Vortheile zu sehen, die sie ihm bringen sollen. -- Mir ist die Poesie eine heilige Sache. Ich liebe sie um ihrer selbst und des Gl?ckes willen, das man f?hlenden Herzen damit bereiten kann. Wenn ja noch eine ihrer Folgen mich locken und reizend vor meiner Seele stehen mag, so ist es der Ruhm -- der Lorbeer, der die Schl?fe des Siegers kr?nen soll. An Weiteres denk' ich kaum, wie ich dir, edle und grosse Seele, frei bekennen will. Aber der wahre Dichter steht unter dem Schutze der G?tter und er hat die Verheissung, dass ihm alles Uebrige zufallen wird.
>>Unserem Rektor kannst du sagen, dass er mich an einen sonderbaren Kauz empfohlen hat. Ich meinte bisher, die Stockphilologen im schlimmen Sinne seyen ausgestorben und die M?nner der Erudition trachten darnach, dem Studium der Humaniora einige Humanit?t im wirklichen Leben beizugesellen; allein es gibt doch noch einzelne Exemplare und ich bin hier auf eines gestossen. Ein Mensch, der sich sein gelerntes Wissen m?hselig erworben hat, kann freilich einen andern, der sich das seine fr?hlich selber producirt, nur geringsch?tzen! -- Ich hab' mich aber doch ge?rgert, als der Pedant seine Empfindung so deutlich merken liess und sich mit der groben Ungerechtigkeit seines Vorurtheils sogar noch etwas zu wissen schien. Das Gute ist, dass nicht nur dem Gottseligen, sondern auch dem Poeten Alles zum Besten dienen muss. Jetzt, wo ich diess schreibe, steht der Mann als ein Original vor meiner Seele, das mich erg?tzt, und es wird h?chstens so viel Groll in mir bleiben, dass ich ihn gelegentlich einmal satirisch verwenden kann.
>>Ich bin vergn?gt, meine geliebte Auguste, denn mein dritter Besuch -- der eigentlich bedeutsame -- ist ?ber Erwarten gut ausgefallen. In der Schauspielerin, an die ich, wie du weisst, ein Schreiben hatte, und in ihrer Mutter, die ebenfalls beim Theater war, habe ich zwei ausserordentlich theilnehmende, liebensw?rdige Personen kennen lernen, und ich darf wohl sagen, Freundinnen gewonnen. Die junge Dame ist h?bsch und k?nnte manchem Andern gef?hrlich werden -- ich freilich bin gefeit und in mein Herz dringt kein anderes Bild, als das der Einen, die allm?chtig in ihm regiert. Ein Wesen von heiterem Humor und einem Trieb, neckisch mit den Menschen zu spielen, aber dabei ein freundliches Gem?th, das es nicht beim blossen W?nschen l?sst, sondern f?r Andere auch zu handeln vermag. Der Weg des St?ckes zur B?hne wird geebnet, und wenn nur dieses erste Ziel erreicht, die Annahme erfolgt ist, dann bin ich ausser Sorge.
>>Die Hauptrolle wird in sehr gute H?nde gelangen, das hab' ich schon erkundet, und wenn sie der K?nstlerin, die das St?ck lesen wird, einleuchtet, so wird diess auch bei der Frage der Annahme von grossem Gewicht seyn. -- Du siehst, es l?sst sich wirklich Alles gut an, und meine Zuversicht ist keine Thorheit.
>>Wie unendlich gespannt bin ich darauf, das herrlichste Gebilde meiner Phantasie, das gleichwohl nur ein schwaches Nachbild der geliebtesten Wirklichkeit ist, auf der B?hne verwirklicht zu sehen! Wie h?chst seltsam wird mir dabei zu Muthe seyn! -- Zauberei! Blick in eine Welt voll unaussprechlicher, magischer Erscheinungen! -- O Auguste! -- ich hab immer nur dich vor Augen, ich beziehe Alles, was ich erfahre, schaue, denke, auf dich, und wenn dein Bild vor mir aufleuchtet, scheint mir alle Kraft und Kunst nur gegeben zu seyn, dass ich dich verherrliche und dir ein Leben der Ehre und Wonne bereite! -- O Liebe -- Poesie der Poesie! Das liebende Auge sieht nicht nur die Geliebte in wunderholdem Licht; von dem Glanz, den es in sich aufgenommen, bleibt auch so viel zur?ck, dass es die ganze Welt verkl?rt und jeden Winkel der Erde in s?ssem Scheine malt!
>>Lasst mir's gelingen, gute Geister! lasst mich den Sieg erstreiten, nur um der Einen Lust willen, Ihr ihn zu melden! Ich wollte ja gern entsagend warten und ausdauern in Verkanntheit und Undank der Welt! Aber um deinetwillen darf's nicht seyn -- um deinetwillen muss es, wird es gl?cken!
>>Lebe wohl, Theuerste! Wenn du nur ein Tausendtheil der Freude empfindest, dieses zu lesen, die ich f?hle, es zu schreiben, so bin ich gl?cklich!<<
Die Trag?die wurde einem Copisten ?bergeben, der langsam schrieb, aber eine deutliche, charaktervolle Hand nachgewiesen hatte. Der Autor wartete indess zum Wiederbesuch seiner G?nnerinnen die Vollendung der Copie nicht ab. Man f?hrte im Hoftheater Minna von Barnhelm auf und Rosa gab darin die Franziska. Es war eine ihrer besten Rollen und sie ?bertraf sich diessmal selber darin. Das Publikum war hingerissen und unser Poet ausserordentlich erfreut. Zum erstenmal erkannte er die eigenth?mliche Bedeutung eines wahren Schauspiels oder Lustspiels, wenn er auch den Mangel der Gattung und das Einseitige des Lessing'schen St?cks nicht ?bersah. Haupts?chlich ?berzeugte er sich aber, was in einer Partie wie Franziska geleistet werden kann, wenn die Schauspielerin mit reizender Laune sie v?llig wieder zu beleben wusste, und er eilte daher gleich am andern Vormittag zu der K?nstlerin, um ihr seine Freude, seinen Dank mit Enthusiasmus auszusprechen.
Rosa l?chelte befriedigt, gl?cklich und antwortete von ihrer Seite mit dankendem Blick. Die Mutter trat aus dem Seitenzimmer und sie rief ihr heiter entgegen: >>Ich hab' ihm gestern gefallen, dem Trag?diendichter! und er ist gekommen, ein wahres F?llhorn des Lobes vor mir auszugiessen!<<
Vergn?gt erwiederte die Frau: >>Das ist freundlich. Aber du hast die Rolle gestern wirklich gut gespielt; ich habe sie noch nicht so von dir gesehen.<< -- >>Gott weiss, warum,<< entgegnete die K?nstlerin. >>Zuweilen ist man eben voller Lust und Uebermuth -- und das ist die Hauptsache bei der Schauspielkunst.<< -- >>Bei jeder Kunst!<< versetzte Heinrich.
Die K?nstlerin wiegte den Kopf. >>Sie geben also zu, dass es auch gar keine so schlechte Aufgabe w?re, ein Schauspiel zu schreiben?<< -- >>Um so lieber,<< versetzte der Poet, >>als ich's nie gel?ugnet habe. Das Schauspiel in Prosa hat seine Vorz?ge und seine Vortheile, obschon --<< -- >>Es nat?rlich tief unter der Trag?die in Versen steht,<< erg?nzte Rosa, >>das ist klar! Aber wenn es nun so ausfiele, wie Minna von Barnhelm --?<< -- >>Dieses St?ck,<< erwiederte Heinrich nach einigem Besinnen ernsthaft, >>ist vortrefflich in seiner Art; aber im Grunde ist doch zu viel b?rgerliche Moral und Tugend darin, wodurch es einen etwas hausbackenen Charakter erh?lt, und die Sph?re, in die wir blicken, hat etwas Enges, ja hie und da Gequ?ltes. -- Das poetische Drama, die Sch?pfung der idealisirenden Phantasie, die uns in eine grosse, weite, farbenreiche Welt f?hrt, ist doch was ganz anderes.<<
Die Schauspielerin, durch die Sicherheit, womit Heinrich dieses Urtheil f?llte, betroffen, ja gereizt, sch?ttelte unwillk?rlich den Kopf. >>Ei, ei,<< entgegnete sie, >>das heisst leicht fertig werden mit einem St?ck, das eine Probe bestanden hat, wie sie nicht viele bestehen! Diese Minna von Barnhelm ist seit ihrer ersten Auff?hrung ?berall auf dem Repertoire geblieben, und das muss doch seinen Grund in einem Werth haben, den wenige Dramatiker zu erreichen sich schmeicheln d?rfen.<<
Nach einer Weile begann sie: >>Wann bekommen wir aber Ihre Sch?pfung, die Trag?die zu lesen?<< -- Der Poet versetzte: >>In einer Woche soll ich die Abschrift erhalten. Diese wird in's Bureau der Intendanz wandern, mein eigenes Manuscript werde ich Ihnen zu F?ssen legen.<< -- >>Sehr viel Ehre,<< erwiederte sie heiter. -- >>Aber,<< fuhr sie nach einigem Besinnen fort, >>k?nnen Sie uns nicht einstweilen andere Produkte mittheilen -- oder selbst vorlesen? -- Sie haben gewiss lyrische Gedichte gemacht.<< -- >>Allerdings.<< -- >>Liebeslieder!<< -- >>Auch solche,<< versetzte der Poet l?chelnd. -- >>Nat?rlich,<< rief sie, indem sie ihn vergn?gt ansah. >>Nun, wissen Sie was? Kommen Sie ?bermorgen, wo ich frei bin, Abends zu uns und bringen Sie Ihre Gedichte mit. Wir lernen Sie dadurch n?her kennen, auch als Vorleser, und wenn Sie hier die Probe bestehen, dann k?nnen Sie den Schauspielern vielleicht Ihr St?ck selber vorlesen, was unter Umst?nden sehr n?tzlich seyn kann.<<
Die Mutter stimmte bei, und Heinrich sagte mit Vergn?gen zu. Man schied im besten Einvernehmen und gesteigerter wechselseitiger Theilnahme.
Als der Poet die Stube verlassen hatte, sagte Rosa zur Mutter: >>Vornehm ist er sehr, ich meine poetisch vornehm, im Grund aber doch ein guter Mensch!<< -- >>Das erste,<< versetzte die Mutter, >>hast du ihn vorhin beinahe zu deutlich f?hlen lassen.<< -- >>Konnte nicht schaden,<< erwiederte sie. Und l?chelnd fuhr sie fort: >>Auf seine Liebesgedichte bin ich begierig; wird wohl viel Einbildungskraft dabei seyn.<< -- >>Wer weiss!<< bemerkte die Mutter. >>Es ist ein h?bscher Mann und die Poeten --<< -- >>Phantasiren und idealisiren. Nun, wenn es nur sch?n herauskommt, dann soll er doch Lob haben.<<
Der Dichter machte mit allerlei Gedanken, aber im Grunde vergn?gt den Gang in die kleine Wohnung, die er sich nicht allzuweit vom Theater gemiethet hatte. >>Sie hat Recht,<< sagte er zu sich, >>wenn sie das St?ck von Lessing hoch h?lt; aber ich hab' auch Recht. Wie geistreich und fein die Com?die seyn mag, das eigentliche Aroma der Poesie ist doch nicht darin. Und hier allein liegt der wahre Zauber, das ?berschw?ngliche holde Leben, und wir k?nnen uns baden in einem Meer von Wohlger?chen.<<
Am Abend des zweiten Tages stellte er sich bei den Damen mit zwei Heften ein, in die er seine Gedichte eingeschrieben hatte. Man setzte sich um den runden Tisch, auf welchem bald die Theekanne brodelte. Das Getr?nk durchduftete die Stube, und Heinrich, von Rosa ermuntert, begann zu lesen. Er hatte die Hefte vorher durchgegangen und genau bestimmt, was und in welcher Folge er vortragen wollte. Trotz der geistigen Zuversicht, die er mitgebracht, fing er nun doch mit unsicherer Stimme und rothem, ziemlich befangenem Gesicht an zu lesen. Gl?cklicherweise hatte er zum Eingang Lieder gew?hlt, die eben so anspruchslos wie h?bsch waren; der aufrichtige Beifall der H?rerinnen entband ihn und gab auch seinen Sprachwerkzeugen die n?thige Freiheit. Bald war er in der h?heren Stimmung, wo man im Schwunge des Gef?hls gar nicht mehr weiss, dass es eine Befangenheit gibt.
Die Frauen konnten die Gedichte nicht immer gelungen finden. An den einen widersprachen Uebertreibungen ihrem Geschmack, an andern vermissten sie den wahrhaft schliessenden Schluss. Der Dichter, jetzt durch herzliches Lob erfreut, musste sich ein andermal mit einem ernsten Gesicht, das mehr Tadel zur?ckhalten als Anerkennung ausdr?cken sollte, oder mit einem Ausruf begn?gen, der etwa bedeutete: >>Nun ja, lassen wir's passiren!<< -- In seinem Eifer machte er sich aber nicht viel daraus, wenn er's auch richtig deutete, und im Ganzen war die Lobernte doch ?berwiegend. Endlich, beim Aufschlagen eines neuen Gedichts, wurde seine Miene ernst bis zur Feierlichkeit; er nahm eine entsprechende Haltung an und begann mit herz- und klangvollem Ton zu lesen. Es war eine begeisterte Schilderung der Geliebten und eine leidenschaftliche Erkl?rung v?llig und ewig sich hingebender Liebe.
>>Sehr sch?n!<< rief die Mutter, als er geendet hatte; und Rosa bemerkte mit Ernst: >>Bei weitem das sch?nste! Das innigste Gef?hl, edler Schwung, der wahrste, herzlichste Ausdruck! Das,<< setzte sie mit einem leisen L?cheln hinzu, >>das ist Poesie!<< -- Heinrich antwortete auf diese Anerkennung mit dem Ausdruck einer ernsten Freude. Er sah dann auf den Tisch und sagte: >>Wenn mir dieses Gedicht gelungen ist, so ist's auch nicht zu verwundern: es ist einfach aus meinem Herzen abgeschrieben, und an das M?dchen gerichtet, mit dem ich verlobt bin!<<
Mutter und Tochter fuhren bei diesem Gest?ndniss unwillk?rlich zusammen und sahen sich an. Auf dem Gesicht Rosa's folgte einer leichten Bl?sse rasch eine tiefere R?the; aber schnell sich fassend rief sie mit der Miene und Stimme herzlicher Theilnahme: >>Sie haben eine Braut? Und davon haben Sie uns noch nichts gesagt?<< -- >>Es fand sich noch kein Anlass dazu,<< erwiederte Heinrich. -- >>Nun,<< rief das M?dchen, die sich v?llig wieder in ihre Gewalt bekommen hatte, >>davon m?ssen Sie uns mehr erz?hlen! -- Das Idealbild,<< fuhr sie nach kurzem Innehalten mit L?cheln fort, >>haben wir aus dem Gedicht kennen gelernt. Aber wer ist sie? Weihen Sie uns ein; das Original erweckt in uns noch viel gr?ssern Antheil.<<
Heinrich befriedigte die erste Neugierde und gab dann Antworten auf weitere Fragen. Da die beiden Frauen das lebendigste Interesse zeigten, so glaubte er mit genauem Bericht ?ber Entstehung und Gang des Verh?ltnisses und namentlich mit dem freudigen Lob Auguste's ihnen eben die gr?sste Freude zu machen, und that sich nun Gen?ge nach dem Bed?rfniss eines Liebenden, ohne zu ahnen, welche Eindr?cke er damit auf das geheime Innere der jungen H?rerin hervorbrachte.
Es w?re f?r den, der in dieses Innere zu schauen vermocht h?tte, ein eigenes Schauspiel gewesen, das M?dchen zu beobachten, deren Herz, mehr als sie selber geahnt, sich dem jungen Mann zugewendet hatte. Die menschliche Seele ist reicher an F?higkeiten und Affekten, als die meisten Menschen gewahr werden, und gute und schlimme Gedanken, liebe und leide Gef?hle k?nnen in ihr so rasch wechseln, dass man an ein f?rmliches Zugleichseyn glauben m?chte. In Rosa spielten sie wunderbar durcheinander, als der Poet sein Liebesleben schilderte, sein Gl?ck ausmalte und seine Hoffnungen aussprach. Und sie liess nicht nach mit Fragen, als ob es jetzt f?r sie nichts S?sseres g?be, als die Antworten zu vernehmen. Doch ein ge?bter Wille und ge?bte Kunst standen ihr bei, und mit ihnen gelang es ihr, die Theilnahme einer Freundin zu beweisen, in nichts zu verrathen, dass sie den Verlobten der Andern liebgewonnen hatte, sondern zu thun, was ihr der Stolz des Weibes und ein im tiefsten Grunde zartes Gef?hl eingab.
Als Heinrich seine Bekenntnisse geschlossen hatte, sagte die Mutter: >>Unter diesen Umst?nden muss es Ihnen freilich doppelt lieb seyn, mit einem ausgezeichneten Erfolg heimzukehren, und wir m?ssen ?ber alles w?nschen, dass Sie ihn erringen.<< -- >>Allerdings,<< f?gte Rosa hinzu, die ihn von der Seite mit einem Blick angesehen, wie man einen kindlich Gl?cklichen betrachtet; >>und unsere Pflicht, Beistand zu leisten, wird immer ernsthafter. H?ren Sie meinen Vorschlag! Sie k?nnen, was nicht von jedem Poeten zu sagen ist, Ihre eigenen Gedichte gut vorlesen: wenn Sie n?mlich dreinkommen, und Sie kommen, wie es scheint, gerne drein, wenn gute Menschen Ihnen Vertrauen einfl?ssen. Machen Sie nun, dass wir Ihre Trag?die erhalten. Wir laden dann die Darsteller der Hauptrollen ein, und Sie lesen ihnen das St?ck. Tragen Sie es vor, wie Ihr letztes Gedicht, dann wird man die Rollen um so richtiger auffassen, um so lieber lernen und um so besser spielen.<<
Heinrich dankte mit Herzlichkeit, indem in seiner nat?rlichen und poetisch eingenommenen Seele nun doch fast eine Ahnung aufstieg, dass die Schauspielerin ihm eine besondere Freundlichkeit zuwendete. Den eigentlichen Zustand ihres Herzens errieth er freilich nicht, und verliess darum das Haus mit vollkommen ruhigem, gl?cklichem Gem?th.
Mutter und Tochter, als sie allein waren, gingen schweigend hin und her. Die letztere that eine h?usliche Frage und horchte auf die gewissenhafte Beantwortung mit halbgeschlossenen Augen und einem ernsten Schein von Aufmerksamkeit. Dann suchte sie eine ihrer Rollen hervor, setzte sich damit zur Lampe und fing an zu lesen. Unwillk?rliche Zeichen von Ungeduld und Abwesenheit verriethen aber der Mutter deutlich, von welchen Gef?hlen sie beherrscht war.
Rosa war sechs Jahre beim Theater und hatte ihr zweiundzwanzigstes Jahr hinter sich, ohne dass sie in eine ernstliche Herzensbeziehung w?re verflochten worden. Vor leichtsinnigem Vertrauen sch?tzte sie nicht nur eine erfahrene, sorgsame Mutter, sondern ihr eigener heiter verst?ndiger Sinn. Sie war durch Natur und Erziehung, was die Franzosen sage nennen, und liess sich nun wohl huldigen, trat aber vor gewissen Ann?herungen immer einen Schritt zur?ck, was dann die Folge hatte, dass sie als >>kalt<< verschrieen wurde. Eigentlich war sie aber nur so klar, hinter gewissen Betheurungen die egoistische Absicht wahrzunehmen und dar?ber die entsprechende Geringsch?tzung zu empfinden. Sie sammelte sich daher in dieser Hinsicht keine >>Erinnerungen,<< und liess sich an ihrem Beruf, an geselligem Verkehr, an unterhaltender, unterrichtender Lekt?re gen?gen. Auf der B?hne traf sie gleichwohl nicht nur den Ton einer fr?hlichen und schalkhaften Liebhaberin, der ihr unmittelbar von Herzen ging, sondern auch den Ausdruck tieferer Neigung, wor?ber sich nur diejenigen wundern k?nnen, denen die Sch?pferkraft der wahren K?nstlernatur unbekannt ist. Um Liebe darzustellen, muss man nicht, was man sagt, geliebt haben, so dass man darnach seine eigenen Erfahrungen spielt, es gen?gt die Liebef?higkeit. Und diese besass die K?nstlerin, m?chtiger als sie bis jetzt sich zugetraut hatte, wie sie nun zu ihrem Leide erfuhr.
Heinrich hatte schon einen freundlichen Eindruck in ihr hinterlassen nach der ersten Begegnung auf der Strasse. Davon war die Ursache nicht nur seine jugendlich m?nnliche Sch?nheit, sondern der Schein des Genius in seinem Gesicht und die Treuherzigkeit seines Wesens, der das l?chelnerregende gelinde Ungeschick eher n?tzte als schadete. Als sie in dem ihr Empfohlenen den jungen Mann erkannte, der ihr so schnell interessant geworden war, hatte sie die angenehmste Empfindung, und die erste Unterredung liess geradezu eine Neigung in ihr aufkeimen, wobei Streben und Vorhaben des Poeten heitere Bilder der Hoffnung vor ihre Seele riefen. Sein begeistertes Lob ihrer Franziska klang ihr um so wohlthuender, als sie darin ein Entgegenkommen sehen zu k?nnen glaubte; und wenn sie ihm bei zu geringer Sch?tzung des classischen St?cks mit einer empfindlichen Mahnung entgegen trat, so lag der Grund eben in der n?heren Theilnahme, der an dem Liebgewordenen eine Schw?che ?rgerlich war. Die leichten Lieder, die er heute gelesen, auch die ersten erotischen, aus denen kein nat?rlicher Ernst hervorsah, stimmten zu ihrer Hoffnung; und nun musste die Erkl?rung des Verlobten die zarte Maienbl?the ihres Gl?cks mit einemmal hintilgen!
Die Mutter, als Rosa sich endlich in's Lesen zu finden schien, ging in die K?che. Nach einer Weile kam sie wieder und jene, das Heft weglegend, bemerkte: >>Da hab' ich n?chstens wieder ziemlich geschraubte Dinge zu sagen. Was doch die Poeten manchmal f?r Reden drechseln, die wir dann nat?rlich und zierlich vortragen sollen, mit einem Ernst, als ob sie uns just aus dem Herzen k?men!<< Die Mutter, ernst l?chelnd, erwiederte: >>Es wird so arg nicht seyn. Uebrigens geh?rt das eben zum Kom?diespielen. Wenn die guten Dichter uns helfen, so m?ssen wir dagegen den mittelm?ssigen beistehen.<< -- >>Eine Pflicht, die zuweilen sehr l?stig werden kann,<< erwiederte Rosa mit einem Seufzer. Sie fuhr ?ber ihre Stirn und sagte: >>Ich bin m?de und mein Kopf ist eingenommen. Am Ende,<< fuhr sie mit halbem L?cheln fort, >>ist's der Duft der Poesie, die wir heute vernommen haben. -- Sey's was es wolle, ich geh' zu Bette.<< Sie reichte der Mutter die Hand und sagte mit weicher Stimme: >>Gute Nacht, Mutter!<<
Die gute Frau nahm sie in ihre Arme, k?sste sie auf die Stirn und erwiederte herzlich: >>Schlafe wohl, mein Kind!<< Beide sahen sich an und der feuchte Glanz ihrer Augen liess sie wechselseits in ihren Herzen lesen. Die Mutter nickte mit dem Ausdruck ernsten Bedauerns. Da hob Rosa den Kopf empor, l?chelte und rief: >>Dummes Zeug! Gute Nacht, Mutter!<<
Als sie das Zimmer verlassen hatte, stand die Frau eine Weile nachdenkend und sagte dann: >>Ich hoffe, es wird vor?ber gehen. Allerdings ist's ihre erste Neigung und sie geht tiefer, als sie selber zu wissen scheint. Aber das M?dchen ist verst?ndig und hat Charakter -- sie wird's ?berwinden.<<
Nach Verfluss einiger Tage sah die wackere Frau den Liebling in einer Stimmung, die sie in ihrer Hoffnung best?rkte. Am andern Morgen nach jenem aufkl?renden Abend hatte sie ?ber Kopfweh geklagt und endlich unterbrochenen Schlaf bekannt; aber am folgenden zeigte sie ein heiteres Gesicht, scherzte z?rtlich mit der Mutter und benahm sich fast ganz wie ehedem. Die Rolle, ?ber deren Unnatur sie geklagt hatte, spielte sie mit mehr Leben und Beifall als fr?her, l?chelte darnach ?ber sich selber und kehrte mit zufriedenem Gem?th nach Hause zur?ck.
Als Heinrich einen Tag sp?ter mit der Trag?die kam, wurde er von Mutter und Tochter so heiter wie freundlich empfangen und das Manuscript von der K?nstlerin mit einem Ausruf des Vergn?gens begr?sst. >>Endlich,<< rief sie, indem sie es mit beiden H?nden fasste, >>haben wir es! -- Und das andere?<< fuhr sie nach einem Moment fort, >>haben Sie's eingereicht?<< -- >>Heute,<< erwiederte der Poet. >>Der Herr Intendant war nicht zu sprechen, ich hatte mich aber vorgesehen, das Manuscript mit einem Schreiben eingesiegelt --<< >>Gut,<< rief die K?nstlerin. >>M?gen unsere Geschicke sich nun erf?llen! -- Ich bin sehr neugierig, besonders nach der Andeutung, die Ihnen letzthin entschl?pft ist -- auf die Heldin.<<
Er sah von der Tochter auf die Mutter und fuhr fort: >>Es ist ein grosses Gl?ck f?r mich, dass ich so liebensw?rdige G?nnerinnen gefunden habe. Ich weiss es aber auch zu sch?tzen. Lassen Sie mir's nur auch ferner angedeihen! Entziehen Sie mir Ihr Wohlwollen nicht! Ich werde Ihres Raths und Ihrer H?lfe nur immer mehr bed?rfen -- und sie mit der dankbarsten Verehrung erwiedern.<<
Auf diese mit Herzlichkeit gesprochenen Worte versetzte die Mutter: >>Rechnen Sie auf jeden Dienst, den wir ihnen leisten k?nnen. Sie sind uns von einem braven Mann und bew?hrten Freund empfohlen, und in der kurzen Zeit, wo wir Sie kennen, haben wir Sie liebgewonnen, erwarten von Ihnen das Beste --<< -- >>Nun,<< rief die Tochter mit g?tigem Blick, >>und wenn es Sie beruhigen kann -- so lassen Sie uns Freundschaft schliessen, treue Freundschaft! --<< Sie bot ihm die Hand, Heinrich ergriff und dr?ckte sie, indem ein Strahl des Dankes ihm aus dem Auge ging.
>>Sie sind verlobt und gl?cklich,<< fuhr das M?dchen mit edlem Ausdruck fort, >>und wenn der Erfolg hinzu kommt, haben Sie kaum noch etwas zu w?nschen. Aber eine Freundin beim Theater kann einem Dramatiker immer noch n?tzlich seyn, denn hier findet sich immer was zu thun.<< -- Sie hielt ein wenig inne, und indem ihre Miene sich anmuthig aufheiterte, f?gte sie hinzu: >>Nun, und f?r alle Dienste, die ich Ihnen zu erweisen gedenke, verlange ich nichts, als dass Sie mir gelegentlich eine h?bsche Rolle schreiben.<<
>>Oh,<< rief Heinrich, >>mit dem gr?ssten Vergn?gen! Seit ich Sie als Franziska gesehen, ist mir ein Licht aufgegangen ?ber den bezaubernden Reiz einer ?chten Lustspielfigur, und ich sage mir, wie sch?n es w?re, wenn mir auch auf diesem Felde etwas gel?nge. Aber lassen wir den Vortheil; ich verehre Sie, mein Fr?ulein -- Ihre Kunst, Ihren Charakter, Ihre Herzensg?te, und wenn ich Ihnen etwas zu Danke machen k?nnte, w?rde ich mich unendlich gl?cklich sch?tzen.<<
Diess war mit einer W?rme gesprochen, dass Rosa, begl?ckt, ger?hrt, ihm nochmal die Hand gab, und die ernstfreundliche Mutter dessgleichen.
Nachdem der Poet sich empfohlen und entfernt hatte, sagte Rosa zur Mutter: >>Ich w?nsche von Herzen, dass das St?ck sich bew?hrt und auf dem Theater etwas macht. Es ist wirklich ein braver Mensch, voll des besten Willens und kein Falsch in ihm. Eine r?hrende Mischung von Geschick und Ungeschick, Verstand und Naivet?t -- von einer Naivet?t, die andere vielleicht Blindheit nennen m?chten --<< -- >>Ein Dichter,<< fiel die Mutter mit dem halb ironischen L?cheln des Wohlwollens ein, >>der mehr in einer Welt der Tr?ume als in der wirklichen zu Hause ist. Die Erfahrung wird ihn schon kl?ger machen, obwohl ich sehe, dass er auch schon mit seiner Naivet?t gar sehr zu wirken und die Herzen f?r sich zu gewinnen vermag.<< -- >>Vielleicht,<< erwiederte Rosa, die nachdenklich dagestanden, >>hilft sie ihm auch beim Publikum durch -- es gelingt der erste Wurf, und wir haben einen Gl?cklichen mehr.<<
Die K?nstlerin hatte sich von dem ersten Schmerz, welcher nach dem pl?tzlichen Versinken einer lieblichen Hoffnung ihr Herz angefallen, in Wahrheit erholt. Es war still geworden in ihr, nachdem sie mit ausdauerndem Wollen den letzten Unmuth der Entt?uschung ?berwunden hatte, und da sie dem jungen Mann, f?r den eine Neigung in ihr entstanden war, doch eigentlich keinen Vorwurf machen konnte, so glaubte sie in dem erhebenden Gef?hl der Genesung ganz zu seiner Freundin, seiner uneigenn?tzigen Freundin geeignet zu seyn.
Nun musste sie aber doch erfahren, dass eine Neigung, die, wie rasch immer, sich einmal in's Herz gesenkt hat, nicht so leicht wieder vergeht oder in ein anderes Gef?hl sich wandeln l?sst. Das Bild des jungen Mannes stellte sich ihr vor die Seele, sie f?hlte mehr und mehr einen Zug zu ihm hin, ein Hangen und Wohlgefallen, welches nicht das der Freundschaft war. Konnte sie nicht mehr hoffen, so war es doch immer noch Liebe, was sie empfand, und diese hatte nur einen andern Charakter. Es war die Liebe, die sich aus sich selber n?hrt und aus der stillen tiefen Freude an dem Geliebten; die Liebe, die sich mit Grossmuth paart und im Bunde mit ihr auch die Entsagung vers?ssen kann. Es ist auch eine sch?ne Flamme, die heimlich im Herzen lodert und deren Strahlen geistig hold um den Geliebten spielen. Wenn sie unerwiedert bleibt, so ist eben damit ein eigenth?mliches Gl?ck verbunden; die liebende Seele kann sich dann des reinen Schenkens und Gebens bewusst seyn. Und wenn Geben, von Empfangen belohnt, seliger ist, Geben ohne Lohn ist edler und gr?sser.
Rosa, der schmeichelnden Einladung folgend, wurde in einen Strom von Empfindungen getaucht, die ihr g?nzlich neu waren und deren Schauer sie mit Staunen erf?llten. Wie oft hatte sie die Liebe schon gespielt, und mit Leben, ja mit Leidenschaft gespielt! Aber es war doch nur eine Leidenschaft der Phantasie, wobei das Herz nur in gewissem Sinn mitwirkte. Die Gef?hle, die jetzt in ihr erstanden, waren That und Wahrheit, von Natur getr?nkt, und ?bten auf sie eine unwiderstehliche Anziehungskraft.
In diesen Tagen einer verh?ngnissvoll sich entwickelnder Neigung war das M?dchen durch ein Zusammentreffen von Umst?nden an der B?hne nicht besch?ftigt. Sie brachte die meiste Zeit daheim zu, verkehrte mit der Mutter in alter Gem?thlichkeit, die jetzt nur einen stilleren, sanfteren Charakter hatte, und die Mutter konnte wohl an eine vollendete Heilung glauben. Aber die Krankheit war eine Liebe, die vielmehr gepflegt und gen?hrt wurde.
Zuweilen, wenn die Neigung in der Liebenden zum Verlangen wurde und sich pl?tzlich die Hoffnungslosigkeit vor sie stellte, begann es freilich in ihr zu beben und zu gl?hen, und sie f?hlte: wenn das dauerte, w?r' ich verloren! Aber sie riss sich heraus aus diesen Empfindungen, die Kraft der Entsagung ?berwog, ihr nat?rlich frischer Sinn half, und es blieb von dem Leidgef?hl nichts zur?ck, als eine milde Trauer, die sie gleichfalls in sich zu verschliessen wusste.
Sonderbare Gedanken gingen durch ihren Kopf. >>Was ich jetzt habe,<< sagte sie sich einmal, >>ist mir doch lieber, als meine fr?here leichte Fr?hlichkeit. Ich w?rde mir's nicht mehr nehmen lassen! -- Wer weiss? Vielleicht ist das eben recht f?r eine Schauspielerin! Die Andere ist gl?cklich in der Wirklichkeit, ich im Bilde, und vielleicht spielt nur die Entsagung mit wahrer Innigkeit und Leidenschaft, und ich gewinne an Ruhm auf dem Theater, was ich an Gl?ck im Leben verliere.<<
Eine Woche ging hin, ohne dass sie zum Lesen der Trag?die gekommen war. Wie stark erst ihre Neugierde gewesen, es erhob sich in ihr eine Scheu, das Manuscript anzusehen, die m?chtiger wurde und sie immer wieder z?gern liess. War es die Besorgniss, die Dichtung m?chte nicht gelungen seyn, der Geliebte m?chte sich nicht rechtfertigen als dramatischer Poet und sie in die Lage kommen, ihn beklagen, mit ihm leiden zur m?ssen? Oder war es ein Zagen vor der Heldin, deren Urbild der Autor hatte errathen lassen? Die Furcht, sie m?chte diesem Idealbild allzu un?hnlich seyn, allzu tief unter ihm stehen, und schmerzlicher Dem?thigung, unwiderstehlicher Eifersucht ?berliefert werden? Vielleicht alles zusammen. Nachdem sie diesem Gef?hl indess wieder und wieder nachgegeben, kam zu der innern Mahnung, ihr Versprechen zu halten, gr?sseres Vertrauen zu dem Dichter und zu sich selber. Eines Abends, wo die Mutter ausgegangen war, nahm sie das Heft vor und las.
Das Verzeichniss der Personen mit den Namen und Titeln alter Zeiten ermangelte nicht, ein gewisses romantisches Verlangen in ihr zu erregen. Sie ging die erste, zweite, dritte Scene durch und f?hlte sich angezogen. Warme Situationen, und ein warmer, inniger Ton, dem die Ueberschw?nglichkeit, zu welcher sich einzelne Worte und Zeilen verstiegen, nicht eigentlich schadete; gl?hende, tiefe Liebe zweier Personen, die f?r einander geschaffen und einander werth waren; heroische, opferfreudige Kraft, mit feindlichen M?chten in Kampf zu treten und zu siegen in Triumph oder Untergang.
Die Schauspielerin, sich selbst vergessend, las weiter. Die geahnten, gef?rchteten Wolken steigen am Horizont der sonnebegl?nzten Landschaft, in welche das Liebespaar gestellt erscheint, rasch empor und entfalten sich drohend. Ein erster Zusammenstoss erfolgt, und die Liebe, die Treue siegt. Aber andere Menschen mit andern Leidenschaften und Zwecken treten auf, n?hern sich der feindlichen Gewalt, sehen sich von ihr angezogen, beredet, und in Verflechtung selbstischer Interessen kn?pft sich ein Bund, welcher dem Neid, der Eifersucht und dem giftigen Groll unwiderstehlich dienen zu k?nnen scheint.
Der erste Akt ist zu Ende. F?r die Auff?hrung allerdings zu lang und einzelne Scenen in der zweiten H?lfte nicht klar, nicht schlagend genug. Aber beiden Uebelst?nden kann durch Streichen und theilweises Umarbeiten abgeholfen werden. Dann wird er nicht nur als Exposition seine Schuldigkeit thun, sondern bereits wirklich ergreifen, einen grossen romantischen Prospekt er?ffnen und durch die eigenth?mliche dichterische Sprache das Publikum anziehen und erheben.
Die K?nstlerin, die ?ber ihre bisherige Rollensph?re hinaus begabt war, f?hlte sich zufrieden und wahrhaft gl?cklich. Sie freute sich im Namen des Poeten, der sich als dramatischen, als B?hnendichter bewiesen; sie freute sich der Poesie, die aus dem Buch in ihre Seele str?mte; und -- sie freute sich ?ber sich selber, dass die ihr allerdings nicht ?hnliche Heldin, mit der sie aber dennoch f?hlen konnte, ihr vielmehr lieb geworden war. Die Poesie ist heilig und heiligend. Wenn die Seele zu ihr sich erhoben hat, schweigen die irdischen Gef?hle und Leidenschaften, und bewusst oder unbewusst sieht der Geist die Wirklichkeit vom Gesichtspunkt des Ewigen.
Rosa, wie ger?hrt sie war und wie sehr sie auf das Kommende sich freute, wollte f?r jetzt doch nicht weiter gehen. Sie f?hlte sich durch das Bisherige schon eingenommen und gewissermassen ges?ttigt. Es war ein guter, ein sehr guter Anfang; an ihm wollte sie sich erg?tzen, ihn wollte sie in der Seele tragen und den Genuss des verheissenen guten Fortgangs auf die folgenden Tage sparen. War ihre Liebe zu dem Manne doch schon jetzt vertieft und erh?ht -- durch die Achtung, die er ihr eingefl?sst! Wie sch?n, wenn er durchdrang mit seiner ersten Dichtung, um ihr immer bedeutendere, reifere nachfolgen zu lassen! -- Sie stand auf, ernst und gehoben, mit dem Ausdruck eines guten und gut seyn wollenden Gem?ths.
Unterdessen hatte sich Heinrich weiter in der Residenz umgesehen, neue Bekanntschaften gemacht und, da er nicht feiern konnte, sogar eine neue dramatische Arbeit begonnen -- wieder ein Trauerspiel. Dieses freilich nicht aus Trotz gegen die Rathschl?ge der Klugheit und auf seinen Genius pochend, sondern einfach, weil er nur dazu einen Entwurf besass und nicht zu einem Schauspiel oder Lustspiel. Er trat aber darin dem Schauspiel bereits etwas n?her, und sehr schmeichelte ihm nun der Gedanke, die Vorz?ge der Trag?die und des Dramas in der neuen Dichtung vereinigen und beide Parteien zufrieden stellen zu k?nnen. Das allein schien ihm auch die seiner in der That w?rdige Aufgabe, w?hrend er sich, ein Schauspiel fertigend, wie man es w?nschte, von der H?he, zu der er sich berufen halten musste, doch einigermassen herabzusteigen schien.
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