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Read Ebook: Der Kriegsfreiwillige by M Hlenfels Hedwig Von Vogt Curt Illustrator

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Ebook has 1784 lines and 79210 words, and 36 pages

Grossvater lenkte ab und wandte sich an die Schwiegertochter: ,,Nun, hast du den ersehnten Brief vom Jungen vorgefunden?"

Und Grossmutter bat: ,,Nun erz?hl' endlich, Maria! Aber ein bisschen folgerichtig, nicht so sprunghaft, Maria. Aus euren paar Briefen und Karten konnte man so gut wie nichts entnehmen. Also fang' nur gleich mit eurer Abreise von Norderney an! Nein, wie ich Gott gedankt habe, dass ihr die verr?ckte Idee, in ein belgisches Seebad zu fahren, nicht ausgef?hrt habt. Wenn schon einer so viel ?brig hat, dass er in ein Bad fahren kann, dann soll er sein Geld doch lieber im Lande lassen, statt es den Ausl?ndern in den Rachen zu werfen. Man sieht ja nun, wie sie es mit uns meinen. ,Bleib' im Lande und n?hre dich redlich.' Dieser Spruch wird von jetzt an mit Gottes Hilfe wieder zur Geltung kommen."

Grossvater sagte: ,,Ich meine, Maria sollte erz?hlen." Grossmutter liess sich nicht gern massregeln und blickte ?rgerlich auf.

,,Notabene," nahm Grossvater wieder das Wort, ,,Mertens und Hieronymus wollen heute abend wieder kommen, und vielleicht spricht auch Hauptmann Prell vor."

,,Aber hoffentlich nicht zum Essen," rief Grossmutter auffahrend.

,,Nein, ganz solide zum Glas Wein nach Tisch."

Grossmutter sagte zu Maria: ,,Wenn du doch noch je einmal heiraten solltest, Kind, so mache es deinem Manne gleich zu Anfang klar, dass er dir nicht ungefragt Leute ins Haus bringt, die auf ein warmes Abendbrot warten. Du weisst nicht, in welch eine Verlegenheit eine Hausfrau bei solchen Veranlassungen kommen kann."

,,Ich w?rde Maria gleich ein ganzes Erziehungssystem f?r den Fall ihrer Wiederverheiratung aufschreiben," schmunzelte der alte Herr. Und Grossmutter fuhr ?rgerlich dazwischen: ,,Du und Maria, ihr seid immer eins. Aber nun erz?hl', Kind! Wenn die Herren nach Tisch kommen, m?ssen wir zeitig essen. Also in Norderney erfuhret ihr das erste vom Krieg und packtet eure Koffer. Die Reise dauerte eine Ewigkeit, das weiss ich aus euren Karten, und dann fuhret ihr nach Berlin. Aber was kam dann? Vor allem interessiert mich's, zu wissen, wie der Junge die ganze Sache aufnahm. Hat er gleich von Anfang an mitgewollt?"

,,Erst freute er sich mal, dass es ein Notabitur gab," begann Maria.

,,Ja ja, das Notabitur. Das kann ich mir denken. Da hat er uns gleich am n?chsten Morgen telegraphiert: ,Gl?nzend bestanden', weil ich ihm f?nfhundert Mark f?r den Fall des Bestehens ausgesetzt hatte."

,,Die du dem armen Kerl aber nicht in bar, sondern in einem jetzt unverk?uflichen Papier ausgezahlt hast," f?gte Grossvater ein.

,,Was soll der Junge jetzt mit so viel barem Geld?" erwiderte die alte Frau gereizt. ,,?brigens lass Maria endlich zu Worte kommen!" Draussen klingelte es, und irgendjemand begehrte mit Grossvater zu sprechen.

,,Wenn er denn gar keine Ruhe hat, dann erz?hl' mir nur allein, Maria! Also Montags fr?h bekam er die Nachricht aus der Schule, dass er sich am Abend einzufinden habe! Was hat er da wohl f?r ein Gesicht gemacht? Das h?tte ich sehen m?gen."

,,Erstmal traf er sich mit drei Freunden, und da erz?hlte er mir, dass sie vor allem die Kleiderfrage er?rtert h?tten. Sie hatten sich doch einen Gesellschaftsrock zum Abitur bauen lassen wollen. Nun waren bei uns nicht mal die Koffer zur Stelle, und er musste im grauen Sommeranzug gehen."

,,Glaubst du, dass ihm das hart war?"

,,Vielleicht f?r einen Augenblick, aber das verflog doch schnell neben allem andern. Den ganzen Tag gab es Extrabl?tter; um Mittag waren wir Unter den Linden, da hatten sie gerade zwei Spione aufgefangen. Er w?re gern mit mir in ein Caf? gegangen, aber nat?rlich war nirgendwo ein Platz. So stand man denn und wartete und sah und h?rte. Du machst dir keinen Begriff, wie das in diesen Tagen in Berlin zuging."

,,Das kann ich mir denken und, Maria, so sehr ich mich gr?me, dass in unseren vorgeschrittenen Zeiten solche Barbarei noch gut m?glich ist, ich musste mir doch immer sagen, dass es f?r einen jungen Menschen mit gesunden Gliedern und hellem Verstand gar nichts Wundervolleres geben kann, als in solch einer Zeit miteingreifen zu d?rfen. War er denn sehr begeistert?"

,,Du weisst, dass er sich wenig ?ber alles, was in ihm vorgeht, ?ussert, Grossmutter."

,,Leider Gottes, und sein Lehrer, der ihn schon jetzt ,Professor' nannte, hat eigentlich recht. Da hatte sein Vater einen ganz anderen Schneid." In Marias Gesicht kam ein ablehnender Zug.

,,Also weiter, dann ging's zur Schule?"

,,Ja, und da soll es dann sehr feierlich gewesen sein, der Direktor begeistert und bis zu Tr?nen ger?hrt, und die Lehrer h?tten sich wie die Kameraden gegeben."

,,Das kann man sich denken."

,,Erst bekamen sie ein Sextanerthema zu ihrem Aufsatz: ,Begeisterung ist die Quelle zu grossen Taten', und da h?tten sie dann einen heillosen Bl?dsinn zusammengeschrieben."

,,Du hast doch hoffentlich seinen Aufsatz aufgehoben? Ich w?rde jetzt alles von ihm aufheben, Maria. Du kannst nicht wissen, wie es kommt, und nachher hast du dann doch wenigstens ein paar Andenken an seine letzte Zeit."

,,So sollst du nicht sprechen, Grossmutter. Ich will nicht denken, dass ihm etwas passiert."

,,Besser, man macht sich mit so etwas vertraut, Maria, als wenn es einen ganz unerwartet trifft. Das war ja das Entsetzliche f?r mich bei Alfreds Tod, dass die Nachricht wie der Blitz aus heiterem Himmel kam."

,,Du wusstest aber doch, dass er herzleidend war, Grossmutter."

,,Aber ich wusste auch, dass die ?rzte zu mir gesagt hatten, er k?nne sechzig Jahre alt werden trotz seines Leidens. Lass gut sein, Kind, wir wollen nicht die alten Geschichten aufr?hren! Nur das eine kann ich dir sagen, Maria: ?ber den Tod eines Mannes kommt man hinweg, denn selbst wenn man einem Manne sehr gut ist, so kann man ihn doch nie mit solcher Liebe lieben wie das Kind, das man unter dem Herzen getragen hat."

Maria war bleich geworden.

,,Aber nun erz?hle weiter! Also der Aufsatz war Bl?dsinn und wurde doch f?r gut befunden. Gott, und gerade vor dem Aufsatz hatte er die gr?sste Angst gehabt, weil sie da oft so verr?ckte Themata geben. Da sieht man mal wieder, dass der Mensch sich keine Sorge um das, was die Zukunft bringt, machen soll. Es kommt immer alles anders als man denkt, im Grossen wie im Kleinen. Wurden sie denn in den andern F?chern ?berhaupt gepr?ft?"

,,Ja, er sagte mir, in allem seien sie gepr?ft worden, aber, weisst du, so, dass die Lehrer selbst die Antwort gaben oder sie ihnen doch in den Mund legten. In der Geschichte fragte man ihn: ,Wann starb die K?nigin Luise?' und gleich danach: ,Sie wissen doch, vor zwei Jahren feierte man ihren hundertsten Todestag?'"

,,Grossvater, das musst du h?ren!" rief Grossmutter zum wiedereintretenden alten Herrn, ,,wie sie den Jungen in Geschichte gepr?ft haben!"

Grossvater h?rte liebensw?rdig zu, entschuldigte sich aber gleich wieder. Er hatte von einem Extrablatt, das ausgegeben sein sollte, geh?rt und wollte es sich verschaffen, damit die Herren am Abend nicht den Triumph haben sollten, ihm mit Neuigkeiten zuvorzukommen. Grossmutter war ?rgerlich.

,,Du kannst mir glauben, Maria, seit diesem unseligen Krieg ist unser ganzes Zusammenleben zerst?rt. Grossvater ist rein aus dem H?uschen und schert sich um keine Zeiteinteilung mehr. Es ist zum Verzweifeln."

Grossvater sagte ernst: ,,Wie kannst du klagen, da wir hier in unserer behaglichen Sicherheit leben!" Und die alte Frau nickte: ,,Ist schon gut, Alterchen. Jetzt kommt er mit seinen Ostpreussen. Geh' nur, aber sieh', dass du zum Essen zeitig da bist!" und dann wieder zu Maria gewandt: ,,Ja, stell' dir vor, Maria, wenn ich ihm den Gefallen getan h?tte und mit ihm in seine Heimat nach Ostpreussen gezogen w?re. Ich war nahe genug daran, aber ich weiss nicht, warum: ich hatte immer ein Grauen davor, so nahe an der Grenze zu wohnen. Nun denkt aber Grossvater, er h?tte ein Recht, mir bei jeder kleinsten Gelegenheit das Schicksal seiner armen Landsleute vorzuwerfen, statt dass er sich freut, hier in Ruhe zu sitzen."

Maria sagte nachdenklich: ,,Es geht mir manchmal wie Grossvater, ich sch?me mich des Wohlergehens! Es klingt frivol, aber oft w?nsche ich, man litte mehr unter dem Krieg, ich meine es jetzt rein ?usserlich."

Das verstand Grossmutter nicht.

,,Du warst ja immer ein bisschen anders als andere Leute, Maria; aber nun erz?hl' weiter. Also die Lehrer legten ihm die Antwort beim Examen in den Mund! Das finde ich famos! Wie ging es denn mit der Mathematik?"

,,Die haben sie ihm geschenkt, weil er darin immer besonders gut war. ?brigens hat er mir das gar nicht so ausf?hrlich erz?hlt. Was ihnen allen imponierte, war, dass die T?chter des Schuldirektors ihnen Tee und Kuchen servierten, und dass alle Lehrer sich mit ihnen unterhielten, als seien sie v?llig gleichgestellt. Zu Ernst hat einer gesagt: ,Mensch, wenn Sie nicht trotz allem und allem das werden, was ich von Ihnen erwarte, dann pfeife ich auf alle meine Menschenkenntnis.'"

,,So, was erwartet er denn von ihm?" fragte die Grossmutter.

,,Du weisst doch, sie nannten ihn den Philosophen, weil er so gerne ?ber alles m?gliche nachgr?belt!"

,,Ja, das muss ich gestehen, das ist's, Maria, was mir am allermeisten missfallen hat. Kein Schneid! Nenne mir einen Philosophen in der Welt, der das ergr?ndet hat, was uns nun einmal verborgen bleiben soll! Gibt's nicht! Und ich will dir sagen: Zwei- oder dreimal in meinem Leben habe ich in solche B?cher hereingeschaut und hab' sie mit Abscheu wieder zugeschlagen. ,Esel sind diese Kerle' habe ich mir gesagt. Wollen anderen Menschen weismachen, dass sie mehr wissen als sie, und f?hren einen nur irre und nehmen einem die Freude am Dasein. Nein, ich sehe es als eine F?gung Gottes an, dass der Junge nun doch Soldat werden muss. Wenn er dann nebenbei das Philosophieren nicht lassen kann, ~? la bonne heure~ -- aber nicht als Beruf, nicht als Broterwerb!"

,,Man kann ?ber so etwas nicht verf?gen, Grossmutter. Ich glaube, jeder Mensch muss doch einmal das werden, was in seiner Natur begr?ndet liegt."

Die Grossmutter zuckte die Achseln. ,,Das sind die heutigen Ansichten. Am besten, man steckt einen Buben mit elf Jahren ins Kadettenkorps, dann lernt er nichts anderes kennen. Wie lange hat denn nun diese Abitursache an jenem Abend gedauert?"

,,Um zehn Uhr kam er zur?ck -- gleich mit der Bescheinigung in der Tasche. Er hatte sich grossartig ein Auto genommen und blieb nur eine Viertelstunde. Sie hatten sich zu einem Kneipabend verabredet."

,,So so!" antwortete die Grossmutter, und Maria w?rgte an irgend etwas.

,,Denk mal, Grossmutter," sagte sie dann und stockte gleich wieder.

,,Nun, was denn?"

,,Um halb ein Uhr kam er zur?ck; ich lag schon zu Bett, konnte aber nat?rlich nicht schlafen. Er war ganz blass und aufgeregt, und dann erz?hlte er, sie seien da in eine Kneipe gegangen, und pl?tzlich habe einer von ihnen ein M?dchen an den Tisch gebracht, -- und dann seien immer mehr gekommen, und auf einmal h?tte auch eine neben ihm gesessen."

Die Grossmutter blickte auf, und ein seltsamer Zug lag um ihren Mund: ,,Na -- und?"

,,Ja, ich weiss nicht -- -- sie hat gesagt: ,Sag' doch ,Hannchen' zu mir und hat ihn gefragt, ob er immer so ledern w?re, und ist ihm ganz naheger?ckt."

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