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Read Ebook: Das wandernde Licht: Novelle by Wildenbruch Ernst Von

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Ebook has 1325 lines and 41612 words, and 27 pages

tte das zu bedeuten? Etwa, dass er daran dachte --? Man konnte es den Eltern im Grunde nicht verdenken, wenn sie sich aufgeregt f?hlten.

Einen Freiherrn von Fahrenwald zum Schwiegersohn zu besitzen, die eigene Tochter als Gebieterin eines grossen Verm?gens, als Besitzerin eines von aller Welt gepriesenen Herrensitzes zu wissen -- unter normalen Umst?nden w?re es ja ein Ziel gewesen, >>aufs innigste zu w?nschen<<. Aber so -- wie nun einmal die Verh?ltnisse jetzt lagen --

Erkl?rlicherweise bem?chtigte sich die Aufregung der Eltern in noch st?rkerem Masse der T?chter selbst. Neugier mischte sich mit Grauen; es war eigentlich ein noch nie dagewesener Gesellschaftsreiz.

Sobald es feststand, dass der >>verr?ckte Baron<< -- denn unter dieser Bezeichnung ging er kurzweg -- zu einer Gesellschaft eingeladen sei und erscheinen w?rde, flogen die jungen Damen auf, von Haus zu Haus, her?ber und hin?ber, und es gab ein Gewisper und Gefl?ster, ein Kichern und Lachen, und ein woll?stig wonnevolles Graueln.

Wie doppelt begehrenswert man sich erschien! Wie man sich gegenseitig darauf ansah, auf welche von ihnen wohl der unheimliche Mensch die Augen richten, nach welcher von ihnen er die Hand ausstrecken w?rde! Die bl?henden Wangen beugten sich zu einander, die kleinen H?nde dr?ckten sich mit gegenseitigem Verst?ndnis -- es war wie ein erregter Taubenschwarm, ?ber dem der Habicht in L?ften steht.

Man kann sich hiernach vorstellen, wie eigent?mlich und gepresst der Empfang war, der dem Baron Eberhard von Fahrenwald zu teil wurde, so oft er in Gesellschaften erschien.

Seine pers?nliche Erscheinung und die Art seines Auftretens best?rkte alles das, was ?ber ihn gemunkelt und geredet wurde.

Man wusste, dass er stets von seinem Diener begleitet wurde, der nie von seinen Schritten wich und ihm zu jeder Gesellschaft folgte.

Dieser Diener war ein langer, hagerer, eisgrauer Mann, mit einem von schweren Runzeln durchfurchten Gesicht, aus dem eine starke, gekr?mmte Nase hervorragte. Stets in schwarzem Frack und weisser Krawatte, wie ein versteinerter Ueberrest aus der Zeit, da es noch grosse Herren und grosse Kammerdiener gab.

Nie hatte man ein Wort aus seinem Munde vernommen, kaum einmal hatte man gesehen, dass er nach rechts oder links blickte -- an einem einzigen Gegenstande haftete sein Denken und Sinnen, das war sein Herr.

Jeden Abend, wenn er den Baron zu einer Gesellschaft begleitete, wiederholte sich ein besonderer Vorgang: er stand hinter seinem Herrn und nahm ihm mit schweigender W?rde den Mantel ab; w?hrenddem wandte der Baron sich zu ihm um und sagte: >>Geh nach Haus, Johann, und hole mich nachher ab.<< Jedesmal, so oft der Baron dieses sagte, verneigte sich der alte Johann, feierlich wie ein Senator, nahm den Mantel seines Herrn an sich und ging nicht nach Haus. Im Dienerzimmer setzte er sich nieder, ernst, w?rdevoll und schweigsam, und wartete, bis die Gesellschaft zu Ende war. Sobald der Baron dann heraustrat, stand der Alte schon wieder da, den Mantel in beiden H?nden, stumm, regungslos, wie eine Bilds?ule. Nat?rlich hatten die Diener und Hausm?dchen der H?user, wo die Gesellschaften stattfanden, sich bem?ht, den komischen alten Kerl zum Sprechen zu bringen und ?ber seinen Herrn auszuholen, aber sie hatten ihre Versuche aufgeben m?ssen; sie h?tten ebensogut zu einem Stein sprechen k?nnen; der Alte hatte nicht einmal gethan, als ob er sie ?berhaupt vern?hme.

Ein einziges Mal hatte er ein Lebenszeichen gegeben -- der Fall war sorgf?ltig registriert worden -- als einmal ein schnippisches Stubenm?dchen in seiner Gegenwart gesagt hatte, nun w?rde der Herr Baron wohl n?chstens heiraten und eine Frau Baronin nach Haus bringen. Er w?re so zusammengezuckt, erz?hlte das M?dchen, als er das geh?rt, dass es nicht anders ausgesehen h?tte, als wenn er sich sch?ttelte, und dann h?tte er sie mit einem Blick angesehen -- ganz gr?sslich, sagte das M?dchen. Und dann h?tte er die Achseln gezuckt, ganz hoch hinauf, und alsdann wieder stumm dagesessen. Und das Achselzucken, das h?tte ausgesehen, als wollte er sagen: >>Was redst du denn? Weisst du denn nicht, dass er verr?ckt ist?<<

Seitdem stand es f?r die Dienerschaft fest: der Baron von Fahrenwald war verr?ckt. Der alte Johann war sein W?rter, und der W?rter hatte es gesagt.

Und aus dem Dienerzimmer fl?sterte sich das, wie es ja stets geschieht, in die herrschaftlichen Zimmer hin?ber: der Baron von Fahrenwald war verr?ckt.

Und wer, der ihn ansah, h?tte zweifeln k?nnen, dass es wirklich also war?

Wenn die Th?r sich aufthat und er hereintrat mit langsam schleppendem Schritt, ein langer, eckiger Mann, mit dunklem, fast schwarzem Haar, das bleiche, beinahe marmorweisse Gesicht von dunklem Barte umrahmt, dann legte es sich unwillk?rlich wie ein Alp auf die Anwesenden, Wirte und G?ste, Herren und Damen.

Und dieser Bann ging haupts?chlich von den Augen des Mannes aus, die ganz tief, wie zwei dunkle tiefe L?cher in dem bleichen Gesichte lagen, und aus denen ein starrender, suchender, bohrender Blick hervorgekrochen kam, langsam, beinahe wie ein Wurm.

>>Er sieht eigentlich kolossal interessant aus,<< hatte die junge Komtesse Karmsdorf, als sie ihn zum erstenmal erblickte, hinter dem F?cher hervor zu ihren Freundinnen gesagt, >>aber da man weiss, wie es mit ihm steht, ist es des Interessanten denn doch ein bisschen zu viel.<<

Die Freundinnen hatten kopfnickend und kichernd best?tigt, dass es so sei, und als der Baron Miene machte, auf sie zuzutreten, waren sie samt und sonders, wie von einem panischen Schrecken erfasst, nach einer andern Ecke des Saales entwischt, und es hatte nicht viel gefehlt, so h?tten sie laut aufgekreischt.

So erging es dem Baron Eberhard von Fahrenwald. Die Wirte, die ihn eingeladen hatten, konnten sich seiner Begr?ssung nat?rlich nicht entziehen. Aber wenn er alsdann mit schwerer, eckiger Verbeugung auf sie zutrat, sah man ihm an, wie wenig er in fr?hlich ausgelassene Gesellschaft passte. Er versuchte, sein Gesicht zu einem verbindlichen Ausdruck zurechtzulegen, zu l?cheln, aber das L?cheln wollte sich so gar nicht mit dem bleichen, schwerm?tigen Gesicht verstehen, es sah aus, als th?te es ihm weh.

Beim Tanze blieb er Zuschauer, am Kartenspiel nahm er nicht teil, so blieb er einsam, und das wiederholte sich in jeder Gesellschaft, so dass man sich unwillk?rlich fragte, wie lange er die zwecklosen Besuche und Versuche fortsetzen w?rde.

Offenbar f?hlte er das selbst, denn der Ausdruck dumpfer Schwermut in seinem Gesichte verst?rkte sich von einem zum andern Mal, seine Bewegungen wurden immer schleppender, es sah aus, als erm?dete der Mann unter der Last des Daseins.

So n?herte sich der Winter seinem Ende. Ein grosses Ballfest wurde gegeben, dem der Baron, einsam und teilnahmlos wie gew?hnlich, beiwohnte.

Indem er, an den Th?rpfosten des Nebenzimmers gelehnt, dem wirbelnden Tanze zuschaute, der im Saale auf und nieder flog, richtete er pl?tzlich das Haupt zur Seite -- es war ihm gewesen --

Auf einem Stuhle, dicht an die Wand ger?ckt, sass ein junges M?dchen. Sie nahm nicht teil am Tanze, offenbar, weil sie nicht aufgefordert worden war, ein Mauerbl?mchen, wie man zu sagen pflegt.

Wenn man sie ansah, begriff man das einigermassen; sie hatte etwas Unscheinbares; sie war nicht besonders h?bsch und, wie es schien, arm. Ein schmaler Silberreif um den Hals, das war der ganze Schmuck des jungen K?rpers; ihr d?rftiges weisses T?llkleidchen stach von den Gewandungen ihrer reicheren, gl?cklicheren Altersgenossinnen ab.

Indem der Baron den Kopf nach ihr umwandte, bemerkte er, dass sie ihn schon l?ngere Zeit von der Seite betrachtet hatte. Er sah zwei runde, nicht besonders sch?ne, aber unendlich gutm?tige Augen, die stumm beobachtend, aber ohne Neugier auf ihm ruhten. Jetzt, da er zu ihr hinblickte, senkte sie die Augen, und er gewann Zeit, sie von seiner Seite zu betrachten.

Sie war in Verlegenheit etwas err?tet; um den kleinen Mund, der sich ein wenig nach vorn zuspitzte, war ein unmerkliches Zittern; dadurch erhielt das ganze Gesichtchen etwas Trauriges, beinahe, als wenn es mit verhaltenem Weinen k?mpfte.

Er war also nicht der einzige Einsame heute abend; da war noch eine, und er sah es ihr an, sie f?hlte sich ungl?cklich. Solch ein junges M?dchen, das zum Balle eingeladen, nicht zum Tanze aufgefordert wird und in der Ecke sitzen bleibt, leidet ja in Wirklichkeit ganz bitterlich; alle Qualen der Zur?cksetzung lasten auf der armen jungen Seele.

Jetzt schrak die einsame Kleine leise auf, die R?te auf ihren Wangen wich einer tiefen Bl?sse, ihre H?nde, die einen mageren F?cher im Schosse hielten, pressten sich zusammen -- der Baron Eberhard von Fahrenwald hatte sich neben sie gesetzt. Sie hatte nat?rlich, wie alle andern, von dem >>verr?ckten Baron<< erz?hlen geh?rt, und nun sass er pl?tzlich neben ihr, nicht durch Zufall, sondern weil er sie aufgesucht hatte. Es wurde ihr unheimlich zu Mute.

Vorhin, als sie den blassen einsamen Mann, dem man das Ungl?ck am Gesicht ansah, an der Th?r hatte lehnen sehen, war ihr Herz ganz von tiefem Mitleid erf?llt gewesen -- jetzt f?hlte sie eine Angst, die ihr die N?he des unheimlichen Menschen verursachte.

Eine Zeit lang sassen beide schweigend, dann erhob der Baron das Gesicht.

>>Es thut mir so leid,<< sagte er, >>dass ich nicht tanze, gn?diges Fr?ulein, sonst w?rde ich um die Erlaubnis bitten, Sie dort hineinf?hren zu d?rfen.<<

Er hatte mit dem Kopfe nach dem Tanzsaale gedeutet; mit unwillk?rlichem Staunen wandte sie sich zu ihm um und sah ihm ins Gesicht. War das die Stimme eines >>Verr?ckten<

Ein so tiefer, milder Wohlklang lag in den einfachen Worten; etwas so Sanftes, so Warmes, so G?tiges kam von ihm zu ihr her?ber, dass es ihr war, als h?tte eine Hand ihre Hand erfasst, mit liebem, tr?stendem Drucke.

Schweigend blickte sie ihn an und war sich kaum bewusst, dass sie es that. Schweigend hielt er die Blicke in die ihrigen gerichtet; in seinen tiefen geheimnisvollen Augen erwachte etwas, wie eine sehnende Frage, wie ein Hoffen, das sich nicht hervorgetraut, wie ein verstohlenes Leuchten in lichtloser Nacht.

So sassen die beiden, von niemand beachtet, nach niemand fragend, wie zwei Leidensgef?hrten, die unausgesprochenes Verst?ndnis zu einander f?hrt, und nach einiger Zeit schob er, ohne ein Wort zu sagen, die Hand zu ihr hin, und ohne ein Wort zu erwidern, l?ste sich ihre kleine Hand vom F?cher, den sie immer noch krampfhaft umspannt hielt, und senkte sich zitternd in seine Hand. Und als sie nun den leidenschaftlichen Griff f?hlte, mit dem er ihre Finger zusammenpresste, erschrak sie; aber als sie dann f?hlte, wie er sogleich, indem er ihren Schreck empfand, den Druck m?ssigte, fasste sie neues Vertrauen. Welche Aufmerksamkeit sprach aus seiner Bewegung, welche Zartheit; es war, als streichelten seine Finger ihre erschreckte Hand, als spr?che seine Hand: >>Ich thue dir nichts, f?rchte dich nicht.<<

Sie kamen dann ins Gespr?ch, und im Verlaufe desselben erfuhr er Genaueres ?ber die Kleine.

Anna von Glassner hiess sie und war eine Waise. Ihre Eltern hatten ihr so gut wie nichts hinterlassen, und weil sie doch irgendwo bleiben musste, war sie von einem entfernten Onkel, einem alten pensionierten Major und dessen Frau aufgenommen worden. Bei denen wohnte sie in Breslau, und es war nicht schwer, aus ihren Andeutungen zu entnehmen, dass der Aufenthalt ein ziemlich tr?bseliger war.

Die alten, kr?nklichen, kinderlosen Leute besuchten keine Gesellschaften, weil sie sie nicht erwidern konnten; bei Gelegenheiten, wie die heutige eine war, liessen sie das junge M?dchen allein gehen und durch das Dienstm?dchen aus der Gesellschaft abholen.

>>Wollten Sie mir sagen,<< fragte sie nach einiger Zeit den Baron, >>welche Zeit es ist? Ich darf nicht zu sp?t nach Haus kommen.<< Der Baron sah nach der Uhr. Sie raffte ihr d?nnes Kleidchen zusammen. >>Dann muss ich gehen.<<

>>So fr?h schon?<<

>>Mein Onkel und meine Tante schlafen so schlecht,<< erwiderte sie, >>und haben es nicht gern, wenn ich sie so sp?t in der Nacht st?re.<<

Sie erhob sich; zugleich mit ihr stand er auf.

>>Ich werde auch gehen,<< sagte er.

Sie senkte das K?pfchen und err?tete.

Auf dem Flure draussen sass die K?chin, die sie erwartete. Eine Person mit groben, missmutigen Z?gen, der man ansah, wie wenig Vergn?gen es ihr bereitete, dass sie, neben der gew?hnlichen Tagesarbeit, jetzt auch noch durch die Winternacht laufen musste, um das >>Fr?ulein<< nach Haus zu bringen.

Ein Paar Gummischuhe standen neben ihr, die sie dem jungen M?dchen mit nicht ?berm?ssiger Verbindlichkeit zuschob. W?hrend Anna ihre kleinen, mit weissen Atlasschuhen bekleideten F?sse in die Ueberschuhe zw?ngte, stand der Baron hinter ihr und sah zu. Die K?chin trat heran und gab ihr den Mantel um, ein dickes, schweres Kleidungsst?ck von grobem, dunklem Tuch, unter dem die jugendliche Gestalt ganz unkenntlich und unf?rmlich wurde. Jetzt wandte sich Anna, und da sie den Baron noch immer stehen sah, wollte sie mit einer fl?chtigen Neigung des Kopfes an ihm vor?ber.

Mit einem hastigen Schritte war er an ihrer Seite.

>>Darf ich Sie um eine Gnade bitten?<< fragte er.

Erstaunt, beinahe erschreckt, blickte sie auf.

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