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Read Ebook: Das wandernde Licht: Novelle by Wildenbruch Ernst Von

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Ebook has 1325 lines and 41612 words, and 27 pages

Erstaunt, beinahe erschreckt, blickte sie auf.

>>Wollen Sie meinen Wagen benutzen, damit er Sie nach Haus bringt?<<

Nun erschrak sie wirklich.

>>Ach nein -- wie k?nnte ich das -- nein wirklich --<<

Er wich einen halben Schritt zur?ck; ihre Sch?chternheit erschien ihm als Angst; sie f?rchtete sich also auch vor ihm. Als er so j?hlings verstummte, erhob sie unwillk?rlich das Haupt. Sie sah, wie der Kummer in seine Z?ge zur?ckgekehrt war.

>>Ich -- weiss wirklich gar nicht<< -- begann sie stockend. >>Sie -- sind wirklich -- so gut zu mir --<<

Wie neubelebt trat er wieder heran.

>>Ach, wenn Sie es annehmen wollten,<< fl?sterte er, >>wenn Sie w?ssten, was f?r eine Freude Sie mir damit bereiten w?rden.<<

Nun konnte sie nicht mehr >>nein<< sagen; mit einer leisen Neigung senkte sie das Haupt.

Der Baron wandte sich rasch zur?ck. Hinter ihm stand der alte Johann, den Pelzmantel seines Herrn in H?nden, regungslos wie eine Bilds?ule, mit starren, sonderbaren Augen auf den Baron und das Fr?ulein blickend.

>>Ist der Wagen da?<< fragte der Baron.

Der Alte verneigte sich mit schweigender W?rde. Hurtig fuhr der Baron in den Mantel, dann bot er Anna von Glassner den Arm.

>>Darf ich Sie hinunterf?hren?<<

Von ihm geleitet stieg das junge M?dchen die Treppe hinab; die K?chin folgte hinterdrein.

Vor der Hausth?r stand ein verdecktes Coup? mit einem m?chtigen Pferde bespannt; zwei strahlende Wagenlaternen warfen ihr Licht in die Strasse hinaus.

Anna wich beinahe zur?ck -- in solch' eleganten Wagen sollte sie sich hineinsetzen?

Der Baron aber hatte bereits den Schlag ge?ffnet und bot ihr die Hand zum Einsteigen. Indem er ihre Hand ergriff, zog er sie an die Lippen, und sie f?hlte, wie er den Mund darauf presste, einmal, zweimal, leidenschaftlich.

>>Leben Sie wohl,<< sagte er leise, >>leben Sie wohl, ich sehe Sie wieder? Nicht wahr, ich sehe Sie wieder?<<

Anna war keiner Antwort f?hig. Wie in Bet?ubung stieg sie in den Wagen und sank in eine Ecke, nach ihr kam die K?chin, die sich gesperrt und geweigert hatte, und erst auf ein >>nur zu<< des Barons sich zum Einsteigen entschloss.

Der Baron liess sich Strasse und Hausnummer angeben, rief sie dem Kutscher zu, und im n?chsten Augenblick rasselte der Wagen von dannen.

In ihren Mantel gewickelt sass Anna da und fragte sich, ob das alles ein Traum sei, was sie erlebte.

F?r gew?hnlich reichten ihre Mittel gerade zu einer Fahrt auf der Pferdebahn -- und jetzt sauste sie durch die Strassen von Breslau, dass das Pflaster unter den R?dern knatterte!

Die K?chin, die ebenfalls ganz sprachlos vor Staunen gewesen war, hatte angefangen, mit tastenden H?nden den Stoff der Polster zu untersuchen, auf denen sie sass. Jetzt seufzte sie in Bewunderung auf.

>>Du meine G?tte -- gn?' Fr?ulen,<< sagte sie, >>die reine Seide alles, die reine Seide!<<

Die weibliche Neugier siegte ?ber Annas Befangenheit; sie zog den Handschuh von der einen Hand und tastete ebenfalls auf den Wagenpolstern herum. Die K?chin hatte recht gehabt. Alles Seide -- die Polster, die W?nde des Wagens, alles Seide. Lautlos sank sie in ihre Ecke zur?ck. Was bedeutete das alles und wohin ging das alles?

Sie, das arme, unscheinbare M?dchen, das sich zu Gesellschaften ein paar armselige F?hnchen zusammenst?ckelte, um nur nicht gar zu erb?rmlich gegen den Reichtum der andern abzustechen, pl?tzlich, wie durch die Hand eines Zauberers, mitten hineinversetzt in F?lle, Glanz und Pracht!

Ihr, an der die Menschen auf der Strasse vor?bergingen, wie an einem Nichts, die man auf B?llen in der Ecke sitzen liess, weil es sich nicht der M?he lohnte, mit ihr zu tanzen oder gar sie zu unterhalten -- ihr n?herte sich pl?tzlich ein Mann, einer der reichsten M?nner von ganz Schlesien, und bat sie sch?chtern, ?ngstlich und dem?tig, ihm zu erlauben, dass er seinen Reichtum in ihren Dienst stellen d?rfe. Sie schloss die Augen; war das Wirklichkeit, was ihr geschah? Dann aber schrak sie innerlich auf: der Mann war ja ein Wahnsinniger; alle Welt sagte es ja? Und also war es nur die Phantasie seines kranken Hirns, die ihn zu alledem getrieben hatte, was er heute abend gethan? Aber, indem der Schauder sie ?bermannen wollte, kam ihr die Erinnerung an den Ton seiner Stimme zur?ck, die zu ihr gesprochen hatte, wie noch keines Menschen Stimme je zuvor. Nein, nein, nein -- es war ja doch nicht m?glich; es konnte ja nicht sein!

W?hrend Anna unter solchen wechselnden Empfindungen zu ihrer in der fernen Vorstadt gelegenen Wohnung fuhr, wanderte der Baron Eberhard von Fahrenwald, von seinem Diener gefolgt, zu Fuss nach Haus.

Sein Haupt, das f?r gew?hnlich zur Erde hing, war aufgerichtet, seine ganze Gestalt hatte etwas Aufatmendes, Befreites, ein Gl?cksgef?hl wie heut abend hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht empfunden.

Welche Wonne, dass das M?dchen arm war! Immer wieder vergegenw?rtigte er sich den s?ssen Augenblick, als sie in ihrer Bescheidenheit gez?gert hatte, den pr?chtigen Wagen zu besteigen -- und dieser Wagen war der seinige! All die Behaglichkeit, all die weiche Ueppigkeit, die sie jetzt umgab, kam ihr von ihm! Er lachte still gl?ckselig vor sich hin. All sein Denken und Thun war ein best?ndiges br?tendes Gr?beln ?ber sich selbst, ?ber seinen Zustand und ?ber das Verh?ngnis, das auf ihm lastete -- zum erstenmal konnte er an etwas andres denken, an einen andern Menschen; und dieser andre Mensch, dieses liebe Wesen konnte gl?cklich werden durch ihn. Gl?cklich durch ihn, der sich wie ein zum Ungl?ck Geborener, wie eine Last der Menschheit empfand! Hatte er nicht den dankbar erstaunten Ausdruck in ihrem bescheidenen Gesichtchen gesehen und hatten ihre Augen ihm nicht gesagt, dass er stark genug sei, um Gl?ck auf Menschen ausgehen zu lassen? Ja, ja, ja, es war so, und unwillk?rlich, indem er so seinen Gedanken nachhing, reckte er die Arme aus, als wollte er dem Kraftgef?hle Ausdruck geben, das ihn durchstr?mte.

Einige Schritte hinter ihm kam der alte Johann. Den Kopf weit vorgebeugt, kein Auge von seinem Herrn verwendend, ging oder schlich er vielmehr hinter dem Baron einher. In seiner ganzen Haltung war etwas Beobachtendes, Lauerndes. Als er sah, wie der Baron die Arme ausreckte, war er unh?rbar mit einem Sprunge ganz dicht hinter ihn herangekommen, das hagere Gesicht zu einer Aufmerksamkeit gespannt, die beinahe feindselig aussah. Seine H?nde, die er in den Taschen des Ueberziehers getragen, hatte er hervorgezogen und frei gemacht, so dass es den Anschein bekam, als bereitete er sich darauf vor, sich im n?chsten Augenblick auf seinen Herrn zu st?rzen, wie der W?rter eines Wahnsinnigen sich auf seinen Schutzbefohlenen st?rzt, um ihn von irgend einer schrecklichen That zur?ckzuhalten. Denn der Mensch da vor ihm war ja ein Kranker, ein Wahnsinniger, Verr?ckter, das wusste er ja wohl genau genug, er, der ihn als Kind auf den Armen getragen hatte, der ihn hatte heranwachsen sehen und um ihn gewesen war zu jeder Zeit und an jedem Orte. Und seit heute abend wusste er ja auch, dass er seine Aufmerksamkeit verdoppeln und vervierfachen musste. F?r den ungl?cklichen Menschen da vor ihm gab es nur eine M?glichkeit zum Leben, Ruhe, Ruhe und immerdar Ruhe. Das hatte ihm vor Jahren der Arzt gesagt, und wenn es der Arzt nicht gesagt h?tte, w?rde sein Instinkt es ihm verraten haben. Ein Tag musste sein wie der andre, gleichm?ssig, immer, immer gleichm?ssig. Und heute abend hatte er mit ansehen m?ssen, wie dieser Mann anfing, sich zu verlieben!

Verlieben! Wohl etwa gar heiraten?

Er war ganz w?tend, er knirschte beinahe mit den Z?hnen. So wenig also kannte der ungl?ckselige Mensch seinen Zustand? Na -- es war nur gut, dass er da war, der alte Johann; er w?rde schon acht auf ihn geben, ja, das w?rde er, ja!

Und er schob die H?nde, indem er sie zu F?usten ballte, in die Taschen seines Ueberziehers zur?ck, weil er sich ?berzeugt hatte, dass der Baron vorl?ufig nichts weiter Gef?hrliches unternahm.

Am n?chsten Vormittag, und zwar am ziemlich fr?hen Vormittag, klingelte es an der Wohnung von Annas Onkel, und als die K?chin ?ffnete, ging ein verst?ndnisvolles Grinsen ?ber ihre Z?ge; der Herr von gestern stand vor der Th?r, der Baron Eberhard von Fahrenwald.

Ein sprachloses Erstaunen bei dem Onkel und der Tante, ein gl?hendes Err?ten bei Anna -- und im n?chsten Augenblick, noch bevor man ihn eigentlich hereingebeten hatte, stand er schon auf der Schwelle. Auch wenn man ihn abgewiesen h?tte, er w?rde sich nicht haben abweisen lassen, das sah man ihm an. Seine Brust ging auf und nieder, und in dem bleichen Gesicht gl?hten die Augen wie Kohlen.

Beinahe wie ein Spieler, der das letzte Geld auf eine Karte gesetzt hat, so sah er aus.

Es kostete ihn M?he, die ?usserlichen Regeln der H?flichkeit innezuhalten; seine Blicke hingen an Anna, unverwandt, beinahe mit angstvollem Ausdruck, als f?rchtete er, dass sie hinausgehen, dass sie ihm entfliehen k?nnte.

Nachdem er den alten Major und dessen Frau begr?sst hatte, trat er auf das junge M?dchen zu.

>>Darf ich Sie sprechen?<< fragte er. >>Darf ich Sie allein sprechen?<<

Seine Stimme war heiser vor innerer Erregung.

Anna stand gesenkten Hauptes mitten im Zimmer. Herz und Kehle waren ihr durch die Angst wie zugeschn?rt; sie hatte in diesem Augenblick die sichere Empfindung, dass sie es mit einem Wahnsinnigen zu thun hatte. Etwas Aehnliches schienen auch der Onkel und die Tante zu empfinden, die sich gegenseitig stumm fragend ansahen.

Der Baron bemerkte das alles. Pl?tzlich ging er auf die beiden alten Leute zu, streckte beide H?nde aus und fasste den Onkel an der linken, die Tante an der rechten Hand.

>>Aengstigen Sie sich nicht,<< sagte er, und das Wort kam feierlich aus der Tiefe seiner Brust; in seinen Augen war ein flammendes Leuchten.

Die beiden alten Leute sahen ihn ganz verdutzt an, machten eine verlegene Verbeugung und zogen sich in das Nebenzimmer zur?ck.

Anna stand noch immer, wo sie gestanden hatte. Als sie sich jetzt mit ihm allein sah, ?berkam sie die Angst so heftig, dass sie sich nicht mehr zu raten und zu helfen wusste. Sie zog ihr Taschentuch hervor, dr?ckte es an die Augen und fing an zu weinen. Der Baron stand einige Schritte von ihr entfernt und sah ihr schweigend zu.

>>Bin ich Ihnen so schrecklich?<< fragte er endlich. Der Ton klang wieder so sanft und herzlich, dass sie einigermassen zu sich selbst kam. Sie steckte das Tuch in die Tasche und sch?ttelte leise das Haupt.

>>Denken Sie denn gar nicht mehr an gestern?<< fuhr er fort. >>Gestern abend waren Sie doch so -- so lieb und gut, denken Sie denn gar nicht mehr daran?<<

Er war zu ihr herangetreten und hatte sie an beiden H?nden erfasst; Anna f?hlte, wie behutsam er sie ber?hrte, trotzdem vermochte sie noch nicht, das Gesicht zu ihm zu erheben.

Er behielt ihre H?nde in den seinigen.

>>Gestern abend,<< sagte er, >>bin ich so gl?cklich gewesen, und darum bin ich heut so fr?h wiedergekommen. Bitte, seien Sie doch nicht b?se darum. Wenn Sie sich auch vor mir f?rchten, dann habe ich ja niemand mehr.<<

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