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Read Ebook: Pieter Maritz der Buernsohn von Transvaal by Niemann August

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Ebook has 2417 lines and 202522 words, and 49 pages

Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal.

Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal.

Von

August Niemann.

Mit 16 Tonbildern, 1 Karte und zahlreichen Textabbildungen.

Achte Auflage.

Alle Rechte vorbehalten.

Druck von Velhagen & Klasing in Bielefeld

Inhalts?bersicht.

Seite

Erstes Kapitel

In der Mordh?hle von Makapanspoort

An einem Nachmittage des Monats Januar 1878 zog ein einzelner Reiter, neben dessen Pferd ein Knabe von etwa vierzehn Jahren einherschritt, durch das Thal des Nylflusses, welches die langgestreckten H?henz?ge der Waterberge im Lande Transvaal in S?dafrika durchbricht.

Die Strahlen der Sonne fielen in blendender Klarheit vom unbew?lkten Himmel herab und erzeugten in dem engen Thale eine brennende Glut. Nur langsam bewegte der kleine Zug sich vorw?rts, das Pferd ging einen m?den Schritt, der Reiter hatte sein b?rtiges Haupt auf die Brust gesenkt, und der Knabe, welcher mit einer Hand den Steigb?gelriemen gefasst hatte, blickte oft voll Besorgnis zu dem Gesicht des Mannes empor.

Der Reiter war von gewaltigem Wuchse, breit von Brust und Schultern und mit langen Beinen. Er hatte ein kriegerisches Aussehen, obwohl keine Abzeichen milit?rischer Art seinen Anzug als den eines Soldaten kenntlich machten. Sein Gesicht war von Wind und Wetter gebr?unt, ein Hut mit sehr breitem Rande bedeckte sein Haupt, ?ber der dunkelgrauen Bluse trug er einen Gurt von B?ffelleder, an welchem ein Hirschf?nger herabhing; ?ber die eine Schulter geh?ngt war ein breiter Lederriemen, der der ganzen L?nge nach mit metallenen Patronen besteckt war, und ?ber der anderen Schulter trug er eine B?chse. Seine F?sse steckten in hohen, bis zum Knie reichenden Stiefeln mit schweren Sporen.

Gleich dem Reiter war auch das Pferd seinem Aussehen nach an die Beschwerden der M?rsche, der Jagd und des Krieges gew?hnt. Es war ein sch?nes starkes Tier von brauner Farbe, an dessen Brust und Hals einige hellere Streifen im Haar die Narben empfangener Wunden, sei es von Kugeln oder den Wurfspiessen der Schwarzen kennzeichneten. Seine feinen, nervigen Beine zeigten eine ausserordentliche Muskelkraft an, sein schlanker Hals war mit einer langen, leichten M?hne geziert, seine Augen gl?nzten von Klugheit, sein Kopf war zierlich und gedrungen, sein langer Schweif peitschte die Flanken. Kleine runde Narben ?ber den Sprunggelenken liessen erkennen, dass es die Krankheit der s?dafrikanischen Wildnis ?berstanden hatte und nun allen Strapazen jenes Landes gewachsen war. Es war ein gesalzenes Pferd, wie die europ?ischen Kolonisten sich dort ausdr?cken.

Welches aber der Grund davon war, dass das Tier so langsam ging und der Reiter sowohl wie der ihn begleitende Knabe so traurig aussahen, das war bei n?herer Betrachtung leicht zu erkennen. Die linke Hand des Reiters hing bewegungslos an seiner Seite herab, und die Z?gel lagen in der rechten. Dazu war diese gel?hmte Hand mit einer Binde umwunden, welche von Blut gef?rbt war, wie aus einer frischen Wunde. Ausserdem aber war die Bluse auf der Brust mit dunkelroten Flecken reichlich bedeckt, und es war zu erkennen, dass auch hier, so nahe dem Sitze des Lebens, die Geschosse der Feinde bedrohlich gewirkt hatten. Auf diese Flecke und auf das Antlitz des verwundeten Mannes richteten sich die Blicke des besorgten Knaben an seiner Seite. Er hielt sich dicht am Pferde und war bereit, dem Vater eine St?tze zu sein, falls dieser etwa, vom Blutverlust geschw?cht, nicht mehr imstande sein sollte, sich allein im Sattel zu halten. Er war ein kr?ftiger Knabe, dem Vater ?hnlich an Gestalt. Unter seinem Hute hervor wallten blonde Locken bis auf den Kragen seiner Bluse herab und umrahmten ein frisches Gesicht mit hellen blauen Augen. Er war gleich dem Vater umg?rtet und trug ein Waidmesser an der H?fte, doch weiter keine Waffen. Ebenso trug er die hohen Stiefel, in welche die weiten Beinkleider hineingesteckt waren, doch keine Sporen.

>>Wir werden unsern Marsch nicht lange mehr fortsetzen k?nnen, ich f?hle mich zu schwach, mein Junge,<< sagte in holl?ndischer Sprache der Vater. >>Und wer weiss, ob diese schwarzen Teufel uns nicht doch ?berholen, wenn sie die Richtung entdecken, in der wir ihnen entwischt sind. Aber ich weiss ein Versteck hier in dieser Gegend, dort wollen wir uns verbergen. Es ist mir um dich zu thun, Pieter Maritz, mein guter Sohn, denn was mich betrifft, so f?hle ich wohl, dass es mit mir zu Ende geht.<<

Indem der Reiter diese Worte mit schwacher Stimme sprach, lenkte er sein Pferd seitw?rts nach dem Abhange des Berges zur Linken hin, in ein Dickicht. Das von der Sommerhitze verbrannte, lange, braune Gras, welches unter den Hufen des Pferdes und den F?ssen des Knaben knisterte, h?rte hier auf, und der Boden war mit frischen gr?nen Gew?chsen bedeckt. Im Schatten hoher Agaven, deren gelbe Blumen hoch ?ber dem Kopfe des Reiters leuchteten, hatte sich die Erde von dem letzten Gewitterguss feucht erhalten, und brennend rote Pelargonien, sowie die schirmf?rmigen, himmelblauen Bl?tenrispen der Kaplilie schimmerten zwischen dem Gr?n. Der Reiter richtete einen forschenden Blick auf die Gestalt der Felsen, deren rotbraune Fl?chen zwischen den B?schen hindurchschienen, und trieb das Pferd tiefer in das unwegsame Dickicht hinein. Kaktusb?sche von mannigfaltiger Gestalt, mit furchtbaren Stacheln bewaffnet, versperrten hier und dort den Weg und n?tigten zu Umwegen, Schlingpflanzen zogen sich von Busch zu Busch und erschwerten das Vorw?rtskommen. Endlich aber war die gesuchte Stelle erreicht. Eine mit gr?nem Moose ?berzogene Felswand zeigte sich dem Blicke. Hierher schien die Sonne nicht, denn sie richtete ihre Strahlen auf die andere Seite des Gebirges, und die Felswand lag im Schatten. Ein erfrischender Hauch ging von ihr aus, so dass das Pferd den Kopf erhob und mit den heissen N?stern durstig schnupperte. Silberhelles Wasser rann in unz?hligen Tropfen die Moosdecke hinab und bahnte sich einen Weg nach dem Thale hin.

Der wunde Mann hielt das Pferd an und sah mit schwerm?tiger Miene rings um sich. Es war hier ganz still, nur das leise Rieseln des Wassers war vernehmbar, und aus der Ferne t?nte von dem verlassenen Dickicht her der Ruf eines Pavians, der auf Wachtposten vor seiner Herde stehen und die N?he des Menschen gewittert haben mochte.

>>Lange Jahre ist es her, dass ich zuletzt hier war,<< sagte der Verwundete leise, >>und ich hatte nicht gedacht, dass ich diesen Ort wiedersehen sollte.<<

Er liess das Pferd wieder angehen und lenkte eine kurze Strecke weit l?ngs der Felswand hin, bis sich in dieser eine Kluft er?ffnete. In diese ritt er hinein, und der Knabe hielt sich dicht an seiner Seite. Auf beiden Seiten stiegen die Felsen schroff empor, und ihre Moosbekleidung ward von einem schr?g und schmal hereinfallenden Sonnenblick wie mit Gold ?bergossen. Jetzt zeigte sich in der Kluft ein schmaler Einschnitt in der Wand zur Rechten, kaum breit genug, um Pferd und Reiter hindurchzulassen. Hier hinein ging der Weg. In der D?mmerung, die hier herrschte, ward es dem Knaben, der jetzt dem Pferde folgte, nicht leicht, die Gegenst?nde ringsum zu erkennen, doch schritt er dicht hinter dem Tiere weiter. Er bemerkte zur rechten Seite einen tiefen Schlund, der schwarz und unabsehbar, wie ein Brunnen, nur mit weit gr?sserer ?ffnung, sich hinabsenkte, zur linken Seite dagegen er?ffnete sich gleich darauf eine breite m?chtige Halle. Auch hier herrschte ein d?mmerndes Licht, welches vom Himmel herab durch irgend welche Spalten oder L?cher hereinfallen musste, und nur undeutlich zeichneten sich an der hohen W?lbung lange spitze Zacken von Tropfstein ab, welche wie Zieraten herabhingen. Von der Halle aus ging es in eine schr?g abfallende H?hle, die mit Schutt und Ger?ll bedeckt war, und an deren Ende f?hrte ein schmaler Eingang in eine zweite hochgew?lbte nat?rliche Halle. Hier war der Boden mit Wasser bedeckt, welches dem Knaben anf?nglich bis ?ber die Kn?chel reichte. Das Wasser wurde tiefer, je weiter die Fl?chtigen in den Berg hinein vordrangen, und es ging dem Pferde bis ?ber die Kniee, als der Reiter zur Seite und aufw?rts lenkte, um eine neue H?hle zu erreichen, welche h?her lag. Diese bildete einen weiten Saal von etwa dreissig Fuss H?he, und man blickte von hier aus in eine lange Reihe von anderen ?hnlichen Gew?lben, deren Ende nicht abzusehen war. Es schien dem Knaben, als befinde er sich in einem unterirdischen Palaste, von dem er wohl die Grossmutter in ihren M?rchen hatte erz?hlen h?ren, und voll Staunen blickte er in den d?mmerigen R?umen umher. Ein sonderbares Glitzern und Flimmern, wie von vielen geschliffenen Glasfl?chen, erf?llte diese unter der Oberfl?che des Berges befindlichen S?le und war in der Ferne noch heller als an dem Orte, wo sein Vater jetzt das Pferd anhielt. Doch nicht ohne Schaudern gewahrte der Knabe eine Menge von Gegenst?nden, die den Boden bedeckten. Es waren gebleichte Knochen in grosser Zahl. Hier starrte der Sch?del eines Menschen mit leeren Augenh?hlen empor, und daneben lagen lange weisse Arm- und Beinr?hren, deren Fleisch, und Blut vor vielen Jahren schon dahingeschwunden war. Dort lag ein ganzer Haufen von Knochen wirr durcheinander. Auch Sch?del von Ochsen, an deren Stirn die langen, gewundenen spitzigen H?rner emporragten, lagen zwischen den Gebeinen der Menschen umher. Neben den Gerippen aber waren es noch andere Gegenst?nde, welche die Aufmerksamkeit des Knaben erregten. Da lagen zerbrochene Wurfspiesse und Streit?xte, Bogen und Pfeile, dazu geflochtene Matten, Thonkr?ge, Trinkflaschen der Kaffern, Tabaksdosen, allerhand Schmuckst?cke, wie Halsketten von Tigerz?hnen und kupferne Armringe, auch M?ntel von Fell und sonstige Gegenst?nde, welche von den afrikanischen St?mmen getragen werden. Das lag alles in w?ster Unordnung durcheinander und machte auf den Knaben einen schauerlichen Eindruck. Denn diese unterirdischen H?hlen erschienen ihm wie die Grabst?tte eines ganzen Volkes, und der Schimmer der Tropfsteingebilde an der Decke machte den Greuel am Boden nur noch deutlicher.

Auch auf den Vater selbst wirkte dieser Ort mit der Gewalt von etwas Unheimlichem, und als der Sohn ihm fragend ins Gesicht sah, sch?ttelte er den Kopf und wies nach einer Ecke der H?hle hin, wo sich eine kleinere Abteilung, einer Nische gleich, befand und wo dichtes Moos die Erde bedeckte, aber keine jener schrecklichen ?berbleibsel lagen.

M?hsam stieg er alsdann, von dem Knaben gest?tzt, vom Pferde und ging wankenden Schrittes, auf dessen Schulter gelehnt, nach der bezeichneten Nische, die wie mit gr?nem Teppich bekleidet war. Dort breitete Pieter Maritz den Mantel, welchen er vom R?cken des Pferdes genommen hatte, auf dem Boden aus, nahm dem Vater die B?chse und den Patronengurt ab und half ihm sich niederzulegen. St?hnend sank der gewaltige Mann hin und fl?sterte mit trockenen, fieberheissen Lippen: >>Wasser.<<

Pieter Maritz blickte sich um und sah, dass das Pferd, welches sich selbst ?berlassen geblieben war, seinem Instinkt folgend, dem Geruche frischen Wassers nachgegangen war und am andern Ende der H?hle mit niedergebeugtem Kopfe trank. Er ergriff eine der am Boden liegenden Trinkflaschen und ging eben dorthin, wo ein Quell aus dem Felsen hervorrieselte und ein schmales B?chlein bildete, das abw?rts nach jener H?hle lief, durch welche sie gekommen waren. Hier sp?lte er die Trinkflasche sorgf?ltig rein, f?llte sie und brachte den Trank seinem nach Labung lechzenden Vater. Dieser trank mit begierigen Z?gen und sank dann mit einem Seufzer der Erleichterung auf sein Lager zur?ck. Der Knabe kniete neben ihm nieder und betrachtete traurig sein bleiches Gesicht.

>>Wir sind hier sicher vor Verfolgung,<< hub der Verwundete nach einer Weile an. >>Kein Kaffer wird sich hierher wagen, denn sie f?rchten sich vor den Toten. Ein furchtbarer Kampf war hier vor mehr als zwanzig Jahren. Ich war mit dabei. Hier in dieser H?hle hatten sich Tausende von Schwarzen eingeschlossen, um sich gegen uns zu verteidigen, aber wir h?uften Strauchwerk vor den Eing?ngen auf und z?ndeten es an, so dass sie alle im Rauche erstickten.<<

>>Wir haben dieses Land m?hsam erobern m?ssen,<< setzte er nach einer Pause hinzu, als der Knabe ihn mit dem Ausdruck des Entsetzens anblickte. >>Entweder unser Blut musste fliessen oder das unserer Feinde. Doch lass mich noch einmal trinken, ich f?hle ein Brennen in meinem Blute, und ich f?rchte, der Pfeil, der meine Hand traf, ist vergiftet gewesen.<<

Der Knabe reichte ihm von neuem die Trinkflasche, er leerte sie vollst?ndig und schloss dann die Augen, um zu schlafen. Der Knabe aber stand auf und ging zu dem Pferde. Er nahm ihm den Sattel ab und streifte ihm den Zaum ?ber den Kopf, legte beides zur Seite nieder und liess dem Tiere v?llige Freiheit. Es rieb, ihm gleichsam dankend, seinen Kopf an des Knaben Schulter, sch?ttelte sich und ging dann, nach Futter suchend, zur H?hle hinaus.

Als der Knabe wieder zu seinem Vater zur?ckkehrte, fand er ihn noch mit geschlossenen Augen daliegend, aber sein Atem war unregelm?ssig und seine H?nde und Arme zuckten unruhig. Der Knabe sah diese Anzeichen des Fiebers mit tiefer Besorgnis. Er presste die H?nde auf die Brust und murmelte leise eine Bitte zu Gott, dem Vater in dieser Not beizustehen. Der Mann musste die N?he seines Sohnes sp?ren, er ?ffnete die Augen, dann bewegte er den Kopf, richtete sich auf und blickte den Sohn an.

>>Es geht schnell zu Ende,<< sagte er. >>Gr?sse deine Mutter und Geschwister, ich werde sie nicht wiedersehen. Bleibe ein frommer Junge und behalte dein Vaterland lieb. Sei immer treu und wahrhaft und tapfer, Pieter Maritz, und bedenke, dass deine V?ter dieses Land mit ihrem Leben erkauft haben.<<

Er schwieg, da ihm die Kraft zum ferneren Sprechen ausging, und trank noch einmal aus der Flasche, die Pieter Maritz von neuem mit Wasser gef?llt hatte.

>>Wir haben nur einen Feind,<< sagte er dann, w?hrend in seinen Augen ein zorniges Licht aufblitzte. >>Dieser Feind ist England. H?tten die treulosen Engl?nder nicht die elenden Kaffern ermutigt, so h?tten diese nie gewagt, sich gegen uns aufzulehnen. Es ist die Hand der Engl?nder, die deinen Vater get?tet hat, Pieter Maritz, das vergiss nicht.<<

>>Ich werde es nicht vergessen,<< sagte der Sohn, dem Vater mit festem Blick ins Gesicht sehend.

Der sterbende Mann heftete seine Augen lange auf des Knaben offenes und ehrliches Gesicht, und der tr?stliche Gedanke, dass er einen Sohn von m?nnlichem Sinne zur?cklasse, goss Balsam in seine Seele. Er legte von neuem den Kopf auf das Lager zur?ck und sprach mit fl?sternden Lippen ein Gebet.

Der Knabe, welcher neben ihm kniete, faltete die H?nde, und ein Gef?hl des tiefsten Schmerzes durchdrang seine Brust. Er sah, dass das Ende des geliebten Vaters schnell herannahte. Noch eine halbe Stunde wohl bewegte die Brust des t?dlich Verwundeten sich auf und nieder und verk?ndigte, dass das Leben noch nicht entflohen war. Diese Zeit erschien dem Sohne wie eine unermessliche Reihe voll trauriger Bilder. Er sah sich noch als Kind, umgeben von der Sorgfalt des nun Dahinscheidenden, er sah sich heranwachsend und von dem Vater den Gebrauch des Gewehrs und der Z?gel lernend. Diese kraftvollen H?nde sollten nun erlahmen, diese starke Gestalt, zu der er sein Lebenlang voll Ehrfurcht aufgeblickt, sollte dahinschwinden. Jetzt richtete sich der Blick des Vaters noch einmal voll Liebe auf den Sohn, ein Schauer durchlief den K?rper, ein Zucken bewegte alle Glieder, und es war alles vorbei.

Pieter Maritz brach in ein stilles Weinen aus, welches seine Brust krampfhaft ersch?tterte. Er dr?ckte dem Vater die Augen zu und blieb noch lange auf den Knieen neben ihm.

>>O Vater, Vater!<< rief er einmal ?ber das andere. >>O lieber Vater, bist du dahingeschieden und hast mich zur?ckgelassen? H?tte mich doch die Wunde getroffen! H?tte ich doch f?r dich sterben d?rfen! Nun ist die Mutter verlassen, nun sind wir Kinder verwaist!<< Er warf sich ?ber die Brust des Toten, als k?nnte seine Umarmung das entflohene Leben zur?ckrufen, er presste seinen Mund auf die bleichen Lippen und schluchzte voll Jammer.

Endlich, als der K?rper des Toten erkaltete und als der Gedanke, dass der geliebte Vater wirklich aus dem Leben geschieden sei, ihm v?llig klar geworden war, stand er auf und dachte an sein eigenes Schicksal. Doch nur z?gernd vermochte er sich von dem toten K?rper loszureissen. Der Gedanke, ihn zu verlassen, ihm kein christliches Begr?bnis geben zu k?nnen, war ihm furchtbar. Noch einmal warf er sich in inbr?nstigem Gebet neben der Leiche auf die Kniee, dann erhob er sich und ging mit schwerem Herzen. Er beschloss, zu den Seinigen zur?ckzukehren. Aber wie sollte er sie finden? Die Gemeinde der Buern, zu welcher er geh?rte, war von ihrem Standorte aufgebrochen, weil ein benachbarter Betschuanenstamm sich in feindlicher Absicht in ihrer N?he gezeigt hatte. Es war zu K?mpfen gekommen, die sich in Angriff und Verfolgung ?ber weite Strecken Landes hingezogen hatten. Wo mochte jetzt die Gemeinde sein?

Der Knabe ging bis zum Ausgang der H?hle, und da er das Pferd nicht sah, setzte er die Hand an den Mund und liess einen gellenden Pfiff von besonderer Art ert?nen. Es w?hrte nicht lange, da h?rte er den Schritt des treuen Tieres, welches sich gehorsam n?herte. Er streichelte es, umarmte seinen schlanken Hals und benetzte die seidenweiche M?hne mit Thr?nen. Es war ihm, als umarme er einen Freund, der seine einzige St?tze in grosser Not sei. >>Du und ich, alter Jager, wir sind jetzt allein,<< sagte er, ihm die N?stern liebkosend. Dann legte er ihm den Zaum an und schnallte ihm den Sattel auf den R?cken, verk?rzte die Steigb?gelriemen, so dass sie f?r ihn passend wurden, hing die schwere B?chse und den breiten Patronenriemen ?ber die Schultern und stieg auf das Tier. Er war breitschulterig und stark gebaut, nach der Art seines Vaters, und wenn ihn auch dessen Ausr?stung belastete, so war ihm doch der Druck nicht zu schwer. Er warf noch einen Blick zur?ck, einen Blick, dessen Erinnerung sich f?r immer seinem Gem?te einpr?gte, und ritt dann den Weg zur?ck, den er gekommen war.

Als er den letzten Ausgang der H?hle erreicht hatte und aus der Spalte hervorkam, welche ein schmales Eingangsthor in dem moos?berkleideten Felsen bildete, sah er, dass die Sonne schon tief am Horizonte stand und dass der Einbruch der Nacht in etwa einer Stunde zu erwarten war. Es galt also, die Zeit zu benutzen, um noch vor der Dunkelheit ein t?chtiges St?ck Weges zur?ckzulegen. Er lenkte sein Pferd nach rechts, um denselben Pfad durch das Dickicht zur?ckzureiten, welcher ihn hierher gef?hrt hatte, aber das Tier widersetzte sich und zeigte eine beharrliche Neigung, nach links zu gehen. Weder Zurufe noch Z?geldruck wirkten, es stemmte zuerst seine Vorderf?sse fest in den Boden und fing dann an, auf den Hinterbeinen in die H?he zu steigen.

>>Nun gut,<< sagte sich Pieter Maritz, >>vielleicht weisst du besser als ich, welches der richtige Weg ist.<<

Er legte dem Tier die Z?gel auf den Hals, und alsbald wandte es sich links und ging in schnellem, munterem Schritt vorw?rts. Ruhe, Wasser und Futter hatten es neu gekr?ftigt. Zufrieden sah der Knabe, dass Jager mit grossem Geschick, als sei er in dieser Wildnis zu Hause, die stachlichten B?sche der Kaktus und der Giraffen-Akazie umging und seinen Weg durch die an manchen Stellen undurchdringliche Waldung fand. So ging es eine Strecke weiter, und dann ?ffnete sich ein Felsenthal, wo im Grunde ein halbvertrocknetes B?chlein rieselte und allerhand wunderlich gebildete m?chtige Steine den Weg von beiden Seiten einfassten. In Zickzack-Windungen ging es zwischen B?schen und Felsen immer weiter, oft stiegen hohe spitze Felsen wie T?rme d?ster empor, und das tiefe Schweigen dieses Thales ward nur durch das Grunzen einzelner Paviane unterbrochen, welche den Reiter in der Ferne begleiteten und mit grossen S?tzen von Stein zu Stein sprangen. Aber nach und nach wurden dieser Tiere mehr, und als Jager unruhig schnob, fingen sie an zu schnattern, die Z?hne zu fletschen und laut zu rufen, so dass ihrer Hunderte von allen Seiten zusammenliefen. Sie kamen oft nahe an Pieter Maritz heran, grinsten ihn an, streckten ihre M?uler vor, zogen die Stirnhaut empor und schienen Lust zu einem Angriff zu haben. Pieter Maritz nahm die B?chse von der Schulter und drohte ihnen, indem er ihnen die M?ndung zeigte. Es war ein ausgezeichnetes Gewehr, ein Martini-Henry, dessen Magazin ihn in den Stand setzte, zw?lf Sch?sse hintereinander abzugeben, ohne neu zu laden. Aber er h?tete sich wohl zu schiessen, da er die Natur dieser Affen kannte. H?tte er einen von ihnen verwundet, so w?rden sie ihn in St?cke gerissen haben, ehe er den zweiten Schuss h?tte abfeuern k?nnen. So begn?gte er sich damit ihnen zu drohen, und sie schienen das zu verstehen und griffen nicht an, obwohl einzelne so nahe kamen, dass sie seinen Hut streiften, als er an einem ?berh?ngenden Felsen vor?berritt, auf dem sie hockten.

Doch jetzt kam Befreiung aus dieser Not. Das enge Thal ?ffnete sich pl?tzlich, eine weite Ebene dehnte sich dort aus, und die h?sslichen Affen scharten sich am Ausgange zu einer schnatternden l?rmenden Versammlung, als ob sie einen Rat hielten, was sie thun sollten. Pieter Maritz hatte wohl Lust, dem gr?ssten unter ihnen, einem wild aussehenden Burschen, der ihn z?hnefletschend von einem Stein herab ansah, zum Abschied eins auf den Pelz zu brennen, und zweimal war sein Zeigefinger schon im Begriff, an den Dr?cker zu r?hren, aber er sagte sich: Ich bin davongekommen, ich will dankbar sein. Er zog den Kolben von der Backe herunter, warf das Gewehr ?ber den R?cken und ergriff die Z?gel, als Jager jetzt aus dem Thal ins Freie trat und alsbald in eine schnellere Gangart fiel.

Auch dem Pferde war angst gewesen. Der Schweiss lief ihm vom K?rper herab, obwohl es der vielen Steine und verschlungenen Wurzeln wegen hatte im Schritt gehen m?ssen. Sobald es jetzt auf die freie Ebene kam, schnob es tief und kr?ftig, hob den Kopf und setzte sich in den schnellsten Galopp. Pieter Maritz dr?ckte den Hut fester auf den Kopf, beugte sich vor und liess Jager laufen, wie er laufen wollte. Das Tier bewahrte die Schnelligkeit, durch die es ber?hmt war und die ihm den Namen Jager verschafft hatte, da es auf der Jagd das Wild von fern witterte, ehe noch der Reiter es erblicken konnte, und selbst die Antilope und den Strauss ?berholte. Wie die Windsbraut fegte Jager mit seiner leichten Last ?ber die Ebene dahin.

Aber die Sonne neigte sich zum Untergange. Ihre schr?gen Strahlen ?bergossen das Land mit rotgoldenem Lichte und liessen das Heidekraut, ?ber welches die Hufe des Rosses dahineilten, weithin, soweit das Auge blickte, wie einen roten Teppich erscheinen. Der Schatten von Ross und Reiter war riesengross angewachsen und begleitete den eiligen Ritt gleich einer am Boden hinfliegenden sonderbar gestalteten Wolke. Jetzt sank die Sonne unter den Horizont, und mit einem Schlage verbreitete sich v?llige Finsternis ?ber Himmel und Erde. Pieter Maritz sp?hte sorgenvoll umher. Was sollte er beginnen? Sollte er das Pferd anhalten und auf freier Ebene die Nacht verbringen? Aber schon h?rte er in der Ferne den Ruf der Schakale und Hy?nen, welche ihre Schlupfwinkel verliessen, um ihrer Beute nachzugehen. Sollte er versuchen, beim Schein der jetzt am Himmel hell aufleuchtenden Sterne ein Geb?sch zu erreichen, wo er hoffen durfte, ein Feuer anz?nden zu k?nnen, um die Raubtiere w?hrend der Nacht fern zu halten? Aber er f?rchtete, durch den Schein des Feuers etwa umherstreifende Kaffern herbeizulocken, die ihm, dem einzelnen Knaben, gef?hrlich werden konnten. Er beschloss nichts zu thun, sondern im Sattel zu bleiben und sich ganz der F?hrung des Pferdes zu ?berlassen. Jager war mit Einbruch der Dunkelheit in Schritt verfallen und verschnaufte von dem meilenweiten schnellen Lauf. Er ging vorsichtig weiter und spitzte die Ohren. Der Knabe zog ein St?ck getrocknetes Antilopenfleisch aus der Tasche und ass. Er hatte seit dem Morgen nichts genossen, und nur die Aufregung des ereignisreichen Tages hatte seinen Hunger bet?ubt. Jetzt ass er mit gierigem Appetit das ganze Fleisch, welches er bei sich trug, und trank dazu von dem Wasser, das er vorsichtigerweise in der Trinkflasche aus der H?hle mitgenommen hatte.

W?hrenddessen erhellte sich die Nacht immer mehr, die Sterne funkelten mit Brillantlicht, und die Mondsichel erschien in reiner silberner Klarheit ?ber der schwarzen runden Linie, die im Osten die Erde vom Himmel abschnitt. Aber w?hrend das Licht dem Geiste des Knaben Beruhigung einfl?sste, wurde er zugleich auch darauf aufmerksam, dass die W?ste lebendiger wurde. Das entfernte Heulen und lachende Bellen der Hy?nen und Schakale, welches ein seinem Ohre wohlbekannter Ton war, verst?rkte sich und schien n?her zu kommen. Auch Jager musste diese unheimlichen Laute vernommen und verstanden haben. Er schnob kr?ftiger, und sein Gang ward unruhig. Er stutzte zu Zeiten und schnupperte, als wollte er die Luft nach Anzeichen von Gefahr durchforschen, und setzte sich dann mit hoch emporgehobenen F?ssen wieder in Bewegung.

Mit einem Male erscholl ein neuer Ton ?ber die Wildnis dahin, welcher f?r kurze Zeit alle ?brigen verstummen machte. Er klang aus weiter Ferne und war nicht laut, aber es war eine ersch?tternde Kraft in der Art und Weise seines Klanges. Es war wie ein Donner aus einer fernen Wolke, ein langhin hallender tiefer Klang. Jager stemmte im Schrecken seine vier F?sse fest gegen den Boden und bog sich zusammen. Pieter Maritz f?hlte, wie des Pferdes Flanken zitterten. Es hatte die Stimme des L?wen erkannt. Dann sprang es mit einem ungeheuren Satze vorw?rts, so dass der Knabe seiner ganzen Reitkunst bedurfte, um sich im Sattel zu erhalten, und flog in erneutem Galopp ?ber den Boden hin. Seine M?digkeit schien v?llig verschwunden zu sein, die Angst gab ihm Fl?gel, und schneller noch als vorhin jagten seine Hufe ?ber das Heidekraut. Noch einmal und ein drittes Mal erklang nach langen Pausen der f?rchterliche Ton, welcher die Stimmen der schw?cheren Raubtiere zum Schweigen brachte, und das Br?llen schien n?her zu kommen. Kein Spornstreich h?tte Jagers Eile so beschleunigen k?nnen. Pieter Maritz liess ihm die Z?gel und ?berliess sich v?llig dem Instinkt des edlen Tieres. Er bemerkte, dass es eine bestimmte Richtung festhielt und selbst in seiner Angst nicht von ihr abirrte. Pfeilgerade lief es nach S?dosten, wie der Knabe an dem Stande der Sonne gemerkt hatte und jetzt an der Stellung der Sternbilder sah. So wurde Meile nach Meile zur?ckgelegt, die Nachtluft pfiff durch des Knaben Locken und liess die weiche M?hne und den langen Schweif des Rosses nach r?ckw?rts flattern. Sollte es immerfort, ohne das Ziel zu erreichen, so weitergehen, bis Ersch?pfung dem Rennen ein Ende machte?

Da wurde der Knabe auf einen Schimmer aufmerksam, der gerade vor ihm mit mattem, r?tlichem Schein den Himmel f?rbte. Der Schimmer war nahe ?ber der Erde und verlor sich nach oben in einem weisslichen Streifen, gleich einer leichten Wolke. Er ward immer deutlicher, je weiter der Ritt ging, und frohe Hoffnung liess des Knaben Herz lebhafter pochen. Er erkannte, dass der rote Schein nur von einem grossen Feuer ausgehen konnte, und wo das Feuer war, da mussten auch Menschen sein. Seine Hoffnung t?uschte ihn nicht. Bald sah er deutlich die roten Flammen mehrerer Lagerfeuer und den Qualm und Rauch brennender Rhenosterb?sche gen Himmel steigen.

Er jauchzte vor Freude, als er n?her kam. Das treue kluge Tier hatte ihn zu den Seinigen zur?ckgetragen. In einem grossen Kreise standen wohl zwanzig riesige Wagen mit hell schimmernden runden Verdecken, zahllose langh?rnige Ochsen waren teils an diesen Wagen festgebunden und teils in einem von Stricken umz?unten Pferch versammelt. Mehrere Feuer inmitten der Wagenburg loderten empor, und ihr rotes Licht, welches bald hell flammte und bald einen d?stern Schein aus erstickendem Rauch warf, erhellte den ganzen Umkreis.

Pieter Maritz dr?ngte sein Pferd zwischen dem Vieh hindurch in den Kreis der Wagen und sah an dem gr?ssten der Feuer eine zahlreiche Versammlung von Buern, M?nner und Frauen, darunter auch seine eigene Familie lautlos versammelt. Sie h?rten der Abendandacht zu, welche ein stattlicher Mann mit unbedecktem, weissem Haupte und langem, weissem Bart hielt. Pieter Maritz kannte diesen Mann nicht, h?rte aber an seiner Aussprache des Holl?ndischen, dass es ein Deutscher sein m?sse. Als Kanzel diente dem Prediger der Vorderkasten einer der grossen Wagen, so dass er ?ber der schweigenden und and?chtigen Gemeinde stand. Sein ehrw?rdiges Antlitz war vom Feuerschein hell beleuchtet. Er sprach ?ber die Verw?stung, die der letzte Kampf angerichtet habe, und tr?stete seine Zuh?rer ?ber ihre Verluste. Zuletzt stimmte er mit starker Stimme und dem Ausdruck unersch?tterlicher Zuversicht eine Hymne an und sang:

F?r eine Zeitlang wohl mag Satan siegen, Sein finstres Reich h?lt er f?r sicher dann, Gerechter M?nner Bitten unterliegen, Des Himmels frohe Botschaft langt nicht an. Doch harr' im Glauben aus, bald wird erspriessen Das Samenkorn, das zu ersticken schien, Von Zions H?hen wird ein Regen fliessen und fruchtbar durch das Land der D?rre ziehn. Dann lacht die Flur und wird mit Gr?n sich schm?cken Jehovahs Preis das bange Herz begl?cken.

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