Read Ebook: Dürer by Knackfuss H Hermann
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Ebook has 116 lines and 30576 words, and 3 pages
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Anmerkungen zur Transkription
Der vorliegende Text wurde anhand der 1897 erschienenen Buchausgabe so weit wie m?glich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungew?hnliche und altert?mliche Schreibweisen, sowie regionale Ausdr?cke, insbesondere in Zitaten aus D?rers Zeit, bleiben gegen?ber dem Original unver?ndert; fremdsprachliche Zitate wurden nicht korrigiert.
Einige Abbildungen wurden zwischen die Abs?tze verschoben und zum Teil sinngem?ss gruppiert, um den Textfluss nicht zu beeintr?chtigen.
Das Original wurde in Frakturschrift gesetzt; hiervon abweichende und besondere Schriftschnitte wurden in der vorliegenden Fassung mit den nachfolgenden Sonderzeichen gekennzeichnet:
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Liebhaber-Ausgaben
K?nstler-Monographien
In Verbindung mit Andern herausgegeben
von
H. Knackfuss
D?rer
+Verlag von Velhagen & Klasing+
D?rer
Von
H. Knackfuss
+Mit 134 Abbildungen von Gem?lden, Holzschnitten, Kupferstichen und Zeichnungen+
+Verlag von Velhagen & Klasing+
Von diesem Werke ist f?r Liebhaber und Freunde besonders luxuri?s ausgestatteter B?cher ausser der vorliegenden Ausgabe
veranstaltet, von der nur 100 Exemplare auf Extra-Kunstdruckpapier hergestellt sind. Jedes Exemplar ist in der Presse sorgf?ltig numeriert und in einen reichen Ganzlederband gebunden. Der Preis eines solchen Exemplars betr?gt 20 M. Ein Nachdruck dieser Ausgabe, auf welche jede Buchhandlung Bestellungen annimmt, wird nicht veranstaltet.
Druck von Fischer & Wittig in Leipzig.
Albrecht D?rer.
Von Albrecht D?rers fr?h entwickelter aussergew?hnlicher Begabung sind uns zwei Proben bewahrt geblieben. Die unter dem Namen Albertina bekannte Sammlung von Kupferstichen und Handzeichnungen im Palast des Erzherzogs Albrecht zu Wien besitzt ein mit dem Silberstift gezeichnetes Selbstbildnis des Goldschmiedelehrlings mit der sp?ter eigenh?ndig hinzugef?gten Beischrift: ,,Das hab ich aus einem Spiegel nach mir selbst konterfeit im 1484. Jahr, da ich noch ein Kind war. Albrecht D?rer" . Das andere Blatt, welches mit Hinsicht auf die Jugend seines Urhebers eine nicht minder erstaunliche Leistung ist als jenes, und das zugleich bekundet, dass auch in der Goldschmiedewerkstatt ein gediegener Zeichenunterricht erteilt wurde, befindet sich im Kupferstichkabinett des Berliner Museums; es ist eine Federzeichnung vom Jahre 1485 und stellt eine thronende Mutter Gottes zwischen zwei Engeln dar. Da sehen wir Figuren, die, wie es nicht anders zu erwarten, eine nur unvollkommene Kenntnis des menschlichen K?rpers verraten, und Gew?nder, die in angelernter Formengebung die eckige Scharfbr?chigkeit des Faltenwurfs zeigen, welche der sp?tgotischen Kunst Oberdeutschlands eigen war und die nicht nur mit der Vorliebe der Zeit f?r leichte Sammetgewebe zusammenhing, sondern auch mit der tonangebenden Stellung der Holzschnitzerei in der bildenden Kunst. Zugleich aber zeigt sich in dem Aufbau der Komposition neben einer liebensw?rdigen kindlichen Schlichtheit ein feiner Sinn f?r Raumausf?llung und abgewogene Verteilung der Massen, und vor allem erfreut den Beschauer eine Herzlichkeit und Innigkeit der Empfindung, die vollkommen k?nstlerisch ist. Und die zarten und doch schon so sicheren Striche, mit denen der Knabe gezeichnet hat, lassen die markige Festigkeit der Hand des Mannes vorausahnen .
Am 30. November 1486 kam Albrecht D?rer zu Michael Wolgemut in die Lehre; auf drei Jahre ward die Zeit bemessen, die er hier ,,dienen" sollte. -- Aus dieser Lehrzeit D?rers stammt ein Bildnis seines Vaters, das in der Uffiziengalerie zu Florenz bewahrt wird . Schon in diesem fr?hen Werk gibt sich der junge K?nstler als ein Meister der Bildnismalerei zu erkennen. Die ernsten, klugen Z?ge des Mannes auf dessen frommen Sinn der Rosenkranz in seinen H?nden hinweist, sind mit grosser Lebendigkeit und Feinheit aufgefasst; man sieht, das Bild muss sprechend ?hnlich gewesen sein. Den liebevollen Fleiss, den der junge Maler auf die Ausf?hrung dieses ersten Bildnisses verwendet hat, kann man in dem jetzigen Zustande des Gem?ldes nur noch ahnen. Denn dasselbe war sehr schlecht erhalten und ist deswegen einer ?berarbeitung unterworfen worden; dabei hat alles ein derberes Aussehen bekommen, als es noch vor wenigen Jahren -- vor der ?berarbeitung -- der Fall war; namentlich erscheint das Gesicht durch die Vergr?berung der Z?ge jetzt ?lter, als in dem fr?heren Zustand. Auf diesem Bilde erscheint zum erstenmal das bekannte Monogramm Albrecht D?rers, welches er zeitlebens beibehalten hat. Auf die R?ckseite der Holztafel hat D?rer ein Wappen gemalt. Noch st?rker durch die Unbilden der Zeit gesch?digt, als die Vorderseite, zeigt diese erste Probe von D?rers heraldischem Geschmack in ihrem jetzigen ?bermalten Zustand kaum noch einen Strich von seiner Hand. Doch bleibt dieselbe sachlich interessant. Es ist ein Ehewappen. Von den beiden unter einem Helm vereinigten Schilden muss demnach der linke -- mit einem springenden Widder -- derjenige der m?tterlichen Vorfahren D?rers sein; der rechte Schild, derjenige der Familie D?rer, zeigt als sogenanntes redendes, das heisst aus dem Namen hergeleitetes Wappen eine ge?ffnete Th?re .
Als Albrecht ausgedient hatte, schickte ihn sein Vater auf die Wanderschaft. Nach Ostern 1490 zog er aus und sah sich vier Jahre lang in der Welt um. In Kolmar und in Basel ward er von den Br?dern des k?rzlich verstorbenen Martin Schongauer freundlich aufgenommen. Von dort aus scheint er die Alpen durchwandert zu haben und bis nach Venedig gekommen zu sein. Unterwegs hielt er manches Landschaftsbild fest, und zwar bisweilen in sorgf?ltigster Ausf?hrung mit Wasserfarben. D?rer war vielleicht der erste Maler, welcher die selbst?ndige Bedeutung der Landschaft und die Poesie der landschaftlichen Stimmung erfasste. Dabei wusste er die Formen und die Farben der Natur mit unbedingter Treue wiederzugeben. Manche seiner fr?heren und sp?teren Studienbl?tter aus der Fremde und aus der Heimat sind Landschaftsbilder im allermodernsten und allerrealistischsten Sinne .
Neben vielerlei Studien und Entw?rfen hat sich aus D?rers Wanderzeit auch ein sorgf?ltig in ?l gemaltes Selbstbildnis vom Jahre 1493 erhalten . Goethe hat dasselbe beschrieben mit den Worten: ,,Unsch?tzbar hielt ich Albrecht D?rers Portr?t, von ihm selbst gemalt mit der Jahrzahl 1493, also in seinem zweiundzwanzigsten Jahre, halbe Lebensgr?sse, Brustst?ck, zwei H?nde, die Ellenbogen abgestutzt, purpurrotes M?tzchen mit kurzen schmalen Nesteln, Hals bis unter die Schl?sselbeine bloss, am Hemde gestickter Obersaum, die Falten der ?rmel mit pfirsichroten B?ndern unterbunden, blaugrauer mit gelben Schn?ren verbr?mter ?berwurf, wie sich ein feiner J?ngling gar zierlich herausgeputzt h?tte, in der Hand bedeutsam ein blaubl?hendes Eryngium, im Deutschen Mannestreue genannt, ein ernstes J?nglingsgesicht, keimende Barthaare um Mund und Kinn, das Ganze herrlich gezeichnet, reich und unschuldig, harmonisch in seinen Teilen, von der h?chsten Ausf?hrung, vollkommen D?rers w?rdig, obgleich mit sehr d?nner Farbe gemalt." ,,Mein Sach die geht, wie es oben steht", ist mit zierlichen Lettern in den Hintergrund geschrieben .
Als D?rer nach Pfingsten des Jahres 1494 heimkam, hatte ihm sein Vater bereits die Braut geworben. Es war Agnes Frey, die Tochter eines kunstreichen Mannes, der ,,in allen Dingen erfahren" war, aus angesehenem Geschlecht. Schon am 14. Juli desselben Jahres fand die Hochzeit statt.
Man m?chte denken, dass D?rer sich beeilt h?tte, die Z?ge seiner jungen Gattin, die als sch?n galt, in einem Bilde festzulegen. Erhalten hat sich aber aus der ersten Zeit der Ehe nur eine ganz fl?chtige Federzeichnung , die nicht als Bildnis, sondern mehr als Scherz aufgefasst, die junge Frau in halber Figur zeigt, wie sie, mit auf den Tisch gest?tztem Arm, das Kinn auf die Hand gelehnt, eben im Begriff ist einzunicken. ,,Mein Agnes" hat D?rer dabei geschrieben. Wie Frau Agnes, die hier in der Haussch?rze und mit unbedecktem, nicht ganz in Ordnung gehaltenem Haar erscheint, in ihren guten Kleidern aussah, mag man wohl berechtigt sein, aus drei ebenfalls in der Albertina befindlichen Trachtenbildchen zu entnehmen, aquarellierten Federzeichnungen, die D?rer im Jahre 1500 ausf?hrte und mit den Beischriften versah: ,,Also geht man in H?usern N?rnberg", ,,Also geht man in N?rnberg in die Kirchen" und ,,Also gehen die N?rnberger Frauen zum Tanz." Ein wirkliches Bildnis der ,,Albrecht D?rerin" hat D?rer im Jahre 1504 mit dem Silberstift gezeichnet. Dasselbe befindet sich, leider sehr verwischt, in einer Privatsammlung zu Braunschweig. Da sehen wir unter der grossen Haube ein nicht mit ungew?hnlichen Reizen ausgestattetes, aber offenes und verst?ndiges Gesicht.
D?rers Ehe blieb kinderlos. Dennoch hatte er bald f?r den Unterhalt einer gr?sseren Familie zu sorgen. Im Jahre 1502 beschloss D?rers Vater sein Leben; er hatte dasselbe ,,mit grosser M?he und schwerer, harter Arbeit zugebracht". Mit schlichten, herzlichen Worten hat D?rer in seinen Aufzeichnungen das Andenken des Mannes geehrt, der ihn von fr?hester Kindheit an zu Fr?mmigkeit und Rechtschaffenheit erzogen hatte. Nach des Vaters Tode nun lag dem jungen Meister nicht nur f?r die z?rtlich geliebte Mutter, die er zu sich nahm, sondern auch f?r eine Schar von j?ngeren Geschwistern die Sorge ob. Dem Anschein nach waren seine Verm?gensverh?ltnisse eine Zeitlang keineswegs gl?nzend; durch seine unerm?dliche Arbeitskraft aber und durch seine rastlose Th?tigkeit brachte er es nach und nach zu einer ganz ansehnlichen Wohlhabenheit.
Bald nach der Verheiratung er?ffnete D?rer eine selbst?ndige Werkstatt. Dazu bedurfte es weder eines Meisterst?ckes noch sonstiger F?rmlichkeiten. Denn in N?rnberg galt, im Gegensatz zu den ?brigen St?dten Deutschlands, die Malerei als eine freie Kunst, die keinen z?nftigen Ordnungen unterworfen war. Das kam auch der Stellung eines Malers, der in Wahrheit ein K?nstler war, zu gute: Albrecht D?rer ist niemals als Handwerksmeister betrachtet worden. Die ersten gr?sseren Auftr?ge freilich, die dem jungen K?nstler zu teil wurden, Altarwerke und Ged?chtnistafeln, mussten in der ?blichen Weise mit Hilfe von Gesellen hergestellt werden. Doch auch in diesen Arbeiten offenbarte sich deutlich die sch?pferische Kraft des Meisters und seine sichere Beherrschung der Form, und unverkennbar pr?gte er manchem der Bilder die Z?ge der eigenen K?nstlerhand auf.
In D?rers k?nstlerischem Wesen treten zwei Grundz?ge hervor, der wissenschaftliche und der phantastische. D?rer erkl?rte den Wissenstrieb f?r die einzige unter den begehrenden und wirkenden Kr?ften des Gem?ts, welche niemals befriedigt und ?bers?ttigt werden k?nnte. So trat er auch seiner Kunst als Forscher entgegen. Er wollte erkennen, um sich immer mehr vervollkommnen zu k?nnen. Das Suchen nach dem Wesen der Sch?nheit f?hrte ihn zwar zu dem echt k?nstlerischen Bekenntnis: ,,Die Sch?nheit, was das ist, das weiss ich nicht." Aber von seiner Jugend an bis ins Alter liess er nicht ab, mit Zirkel und Massstab die Gestalt des Menschen und des n?chstsch?nen Gesch?pfes, des Pferdes, zu untersuchen, um, wenn sich auch die Sch?nheit mit Mass und Zahl nicht fassen liess, so doch die Gesetzm?ssigkeit, auf der die Harmonie der Erscheinung beruhen musste, zu ergr?nden. Zum Ausgleich war ihm neben dem gr?belnden Verstand eine k?hn umherschweifende Phantasie gegeben. W?hrend jener das Gesetzm?ssige suchte, liebte diese das Ungew?hnliche und Seltsame; sie reizte ihn, Erscheinungen, welche die Tr?ume ihm vort?uschten, in Form zu kleiden. Forschungstrieb und Einbildungskraft, beide liessen ihn als beste Lehrmeisterin der Kunst die Natur entdecken. Das war der grosse Schritt, der D?rers Kunst von derjenigen seiner Vorg?nger scheidet. D?rer umfing die Natur mit Liebe. Er wusste das Wirkliche mit der denkbar gr?ssten Unmittelbarkeit aufzufassen. Aber bei der ?ussersten Naturtreue opferte er auch nicht das geringste von seinen k?nstlerischen Absichten auf. Seine eigenen Worte kennzeichnen am besten die ganze Hoheit seiner Kunstanschauung: ,,Wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur; wer sie heraus kann reissen, der hat sie." Niemand solle glauben, f?hrt D?rer den Gedanken weiter aus, dass er etwas besser machen k?nne, als wie es Gott geschaffen habe. Nimmermehr k?nne ein Mensch aus eigenen Sinnen ein sch?nes Bild machen; wenn aber einer durch vieles Nachbilden der Natur sein Gem?t voll gefasst habe, so besame sich die Kunst und erwachse und bringe ihres Geschlechtes Fr?chte hervor: ,,daraus wird der versammelte heimliche Schatz des Herzens offenbar durch das Werk und die neue Kreatur, die einer in seinem Herzen schafft, in der Gestalt eines Dinges." -- Schon in seinen Jugendarbeiten hat D?rer gezeigt, einen wie reichen Schatz er in seinem Herzen versammelt hatte. -- Das ?lteste erhaltene Altarwerk aus D?rers Werkstatt befindet sich in der Dresdener Gem?ldegalerie. Dasselbe besteht aus drei mit Temperafarben auf Leinwand gemalten Bildern und zeigt uns in der Mitte die Mutter Gottes, auf den Fl?geln die Heiligen Antonius und Sebastian. D?rers eigenh?ndige Arbeit blickt hier ?berall durch, und sein erfindender Geist waltet sichtbar in der kleinsten Einzelheit. Die drei Bilder bringen schon in der Auffassung ganz Neues, sind unabh?ngig von jeder fr?heren Art und Weise, die hier gegebenen Gegenst?nde zu behandeln. Auf dem Mittelbild sehen wir die Jungfrau Maria, in weniger als halber Figur, hinter einer Br?stung, auf welcher das Jesuskind schlafend auf einem Kissen ruht. Sie hat in einem Gebetbuch gelesen, welches aufgeschlagen auf einem kleinen Pult an dem einen Ende der Br?stung liegt, und wendet sich jetzt nach dem Kinde hin, an das sie mit gefalteten H?nden die Fortsetzung ihres Gebetes richtet. ?ber ihr schweben kleine Englein und schwingen Weihrauchf?sser, deren aufsteigender Dampf nach alter kirchlicher Symbolik das Gott wohlgef?llige Gebet bedeutet. Zwei andere Englein halten ?ber dem Kopf der Jungfrau eine pr?chtige Krone. Wieder andere der kleinen Engelkinder sind herabgestiegen auf den Boden des Gemaches, dessen Raum den Hintergrund bildet, und machen sich hier und in der in einem Durchblick sichtbaren Werkstatt Josephs durch h?usliche Verrichtungen n?tzlich. Eines der kleinen Wesen weht mit einem Wedel die Fliegen vom Antlitz des schlummernden Jesus. Das ist alles ?beraus liebensw?rdig empfunden, und ein unendlicher Fleiss der Ausf?hrung erstreckt sich von dem erkennbaren Bilderschmuck des Gebetbuchs im Vordergrund bis zu den winzigen Figuren, die man ganz fern auf der durch das Fenster des Gemaches sichtbaren Strasse gewahrt. K?nstlerisch aber noch bedeutender als das Mittelbild sind die schmalen Fl?gelgem?lde, welche die beiden Heiligen ebenfalls als Halbfiguren hinter Br?stungen zeigen mit kleinen Engeln, die ihre H?upter umschweben . Der heilige Einsiedler Antonius ist ein ruhiger Greis; er h?lt die trockenen, knochigen H?nde auf das Betrachtungsbuch gelegt und l?sst sich nicht mehr ?ngstigen durch die unholden Teufelsfratzen, die seinen Kopf umschwirren und um deren Verscheuchung die kleinen Engel sich bem?hen. Bei dem heiligen Sebastian ist die Jugendlichkeit ebenso vollkommen durchgef?hrt, wie bei dem Einsiedler die Altehrw?rdigkeit; sie spricht aus den weichen Formen des Kopfes, dem lockigen Geringel der Haare und den kraftgef?llten Muskeln des entbl?ssten K?rpers, wie aus dem lebhaften Ausdruck des Betenden und selbst seiner Art und Weise, die H?nde zu falten. Von den munter flatternden Englein sind einige damit besch?ftigt, ein Purpurgewand um die nackten Schultern des Glaubenszeugen zu legen, zwei andere, von denen eines ein B?ndel Pfeile als Zeugnis von dessen Martertod unter dem Arm tr?gt, halten einen goldenen Reif, die Krone der Heiligkeit, f?r ihn in Bereitschaft. Auch bei dem heiligen Antonius tr?gt einer der Engel ein solches schmales Diadem herbei. Durch diese Reifen und die entsprechende K?nigskrone im Mittelbilde hat D?rer die sonst gebr?uchlichen Heiligenscheine ersetzt, deren Anbringung ihm wohl nicht recht vereinbar erschien mit der aufrichtigen Naturwahrheit, mit der er seine Gestalten durchbildete. Das Streben nach m?glichst vollkommener Naturwahrheit -- nach innerer im Charakter und Ausdruck der Personen, und nach ?usserer in der Form, spricht sich in diesen Bildern schon sehr deutlich aus. Unverh?llte K?rperformen von so durchgearbeiteter sch?ner Naturtreue wie der Oberk?rper dieses Sebastian waren bis dahin in Deutschland noch nicht gemalt worden. -- Das Dresdener Altarwerk stammt aus der Schlosskirche zu Wittenberg. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass dasselbe zufolge einer Bestellung des Kurf?rsten Friedrich von Sachsen ausgef?hrt worden ist, der sich zwischen 1494 und 1501 wiederholt in N?rnberg aufhielt und f?r den D?rer mehrfach th?tig war. -- Mehrere um diese Zeit oder wenig sp?ter unter D?rers Leitung und nach seinen Entw?rfen angefertigte Altargem?lde und Einzeltafeln lassen die Hand von Gehilfen recht deutlich erkennen. Aus anderen hinwiederum spricht mit voller Kraft des Meisters begnadete Eigenart und seine packende, ?ber jeden Wechsel des Zeitgeschmacks triumphierende Wahrhaftigkeit der Darstellungsweise. Vor allem gilt dies von einem in der Alten Pinakothek zu M?nchen befindlichen, wiederum aus einem Mittelbild mit zwei Fl?geln bestehenden Altarwerk, welches, weil es im Auftrage von Mitgliedern der N?rnberger Familie Paumg?rtner gemalt worden ist, als der Paumg?rtnersche Altar bezeichnet zu werden pflegt . Die Mitteltafel dieses Werkes zeigt die Geburt Christi. Wir blicken in das Innere einer malerischen Ruine, deren S?ulen und Bogen dem romanischen Stil angeh?ren; das ist sehr bezeichnend f?r die Renaissance, die das Alte aufsuchte und nachbildete, w?hrend sich die mittelalterliche Kunst bei der Darstellung von Architekturen stets aufs genaueste nach dem jedesmaligen Baustil der Zeit richtete; Werke des Altertums hatte D?rer ja noch nicht kennen gelernt, und so ?usserte der Zug der Zeit sich bei ihm darin, dass er anstatt des Antiken das Altert?mlichste, was ihm zug?nglich war, also Romanisches, zur Darstellung brachte. Die Ruine dient als Stall. Dem Seitenraum, welcher Ochs und Esel beherbergt, ist ein Bretterdach vorgebaut, und unter diesem liegt das neugeborene Kn?blein, von kindlich sich freuenden Engeln umgeben. Maria betrachtet knieend ihr Kind in freudiger Erregung. Joseph kniet ergriffen und bewegt an der anderen Seite des Kindes, ausserhalb des Schutzdaches nieder. Von draussen herein kommen schon einige Hirten, denen der Engel, den man noch in den L?ften schweben sieht, die Botschaft verk?ndet hat . Das Sch?nste aber an dem Paumg?rtnerschen Altar sind die beiden Fl?gelbilder; auf jedem derselben erblicken wir die lebensvolle Prachtgestalt eines geharnischten Kriegers, der in wilder Landschaft neben seinem Rosse steht . Vermutlich f?hren uns diese M?nner mit ihren scharf ausgepr?gten bildnism?ssigen Gesichtern die Stifter des Altarwerks vor. Man pflegt den vom Mittelbild rechts stehenden als Lukas Paumg?rtner, den anderen als dessen Bruder Stephan zu bezeichnen. Es war ja nicht ungebr?uchlich, dass die Stifter eines Altars ihre Bildnisse auf demselben anbringen liessen. Und sich in Kriegskleidung darstellen zu lassen, dazu k?nnten die Paumg?rtner ja irgend eine besondere Veranlassung gehabt haben. Aber es widerspricht der kirchlichen Gepflogenheit und dem nat?rlichen Gef?hl, dass in Stifterbildnissen als solchen die irdischen Pers?nlichkeiten anders als in der durch die Zusammenstellung mit dem G?ttlichen gebotenen Haltung der Verehrung und Anbetung abgebildet worden w?ren. Deswegen muss man annehmen, dass die beiden Geharnischten, auch wenn sie die Z?ge der Paumg?rtner tragen, zugleich zwei ritterliche Heilige -- etwa Georgius und Eustachius -- vorstellen. Das Fehlen des Heiligenscheins ist kein Gegengrund gegen diese Annahme. Denn D?rer hat dieses herk?mmliche Zeichen der Heiligkeit in seinen ausgef?hrten Gem?lden immer weggelassen. Mit der vollkr?ftigen Wirklichkeitstreue, in der er seine Gestalten und deren Umgebung malte, vertrug sich selbst der leichte goldene Strahlenschein nicht, den die van Eycksche Schule an Stelle des mittelalterlichen Nimbus eingef?hrt hatte.
Zwei einzelne Altartafeln, die zwar ?berwiegend von Sch?lerhand ausgef?hrt, aber als Kompositionen bedeutsame Werke des Meisters sind, die eine mit der Jahreszahl 1500 bezeichnet, die andere augenscheinlich zu derselben Zeit entstanden, stellen die Beweinung des Leichnams Christi dar. Das eine dieser beiden Bilder, in der M?nchener Pinakothek befindlich, f?hrt uns an den Fuss des Kreuzes. Der in ein Leintuch gebettete heilige Leichnam ist eben auf den Boden gelegt worden; Joseph von Arimathia h?lt den Kopf und Oberk?rper desselben emporgerichtet, w?hrend Nikodemus, mit einem grossen Gef?ss Spezereien im Arm, das Leintuch am Fussende gefasst hat. Neben Nikodemus steht eine der Marien, tief eingeh?llt in einen dunklen Mantel, mit einem zweiten Salbengef?ss. Die ?brigen Frauen haben sich neben dem Toten auf den Boden niedergelassen; zwischen zwei wehklagenden Matronen ringt die Mutter Maria in lautlosem Schmerz die H?nde; Maria Magdalena h?lt liebkosend die schlaffe Rechte des Leichnams gefasst. Der J?nger Johannes ist ehrerbietig hinter die Frauen zur?ckgetreten; er blickt mit gefalteten H?nden zur Seite, ins Leere. In der Ferne sieht man in hellem Abendlicht unter einer dunklen Wolke die Stadt und Burg von Jerusalem mit dar?ber emporsteigendem felsigen Gebirge. Das Bild als Ganzes fesselt gleich beim ersten Anblick den Beschauer durch die wunderbare Freiheit und Nat?rlichkeit der doch so sorgf?ltig abgewogenen Komposition, und je l?nger man dasselbe eingehend betrachtet, um so ergreifender spricht aus demselben die tiefempfundene Klage . Das andere Gem?lde ist diesem in der Stimmung sehr ?hnlich. Es wurde im Auftrage der Familie Holzschuher gemalt und befindet sich jetzt im Germanischen Museum zu N?rnberg. Der Schauplatz des Vorgangs ist hier vor die ?ffnung der Grabesh?hle verlegt; es ist der Augenblick einer kurzen letzten Rast auf dem Wege von Golgatha, das man in der Ferne sieht, zur Gruft. Die Stifterfamilie ist nach einem der ?lteren Kunst sehr gel?ufigen, bei D?rer sonst nicht mehr vorkommenden Gebrauch am unteren Rande des Bildes in ganz kleinen Figuren, welche im Gebete knieen, abgebildet.
Die Aufgabe der Malerei begrenzt D?rer im Sinne seiner Zeit folgendermassen: ,,Die Kunst des Malens wird gebraucht im Dienst der Kirche... beh?lt auch die Gestalt der Menschen nach ihrem Absterben." Die Gem?lde sollen also entweder Andachtsbilder oder Bildnisse sein. Doch hat er sich im Jahre 1500 auch einmal auf dem der Kunst des Nordens bisher fast v?llig fremden Gebiete der Mythologie versucht, mit einer Darstellung des Herkules, der die stymphalischen V?gel t?tet . Dieses mit d?nnen Farben auf Leinwand gemalte Bild ist sehr beachtenswert als ein Zeugnis von der eingehenden Gewissenhaftigkeit, mit der D?rer den menschlichen K?rper kennen zu lernen sich bem?hte. In Bezug auf diese Kenntnis steht D?rer unendlich hoch ?ber all seinen Vorg?ngern in Deutschland. Das beweisen schon die Christusk?rper auf den beiden vorerw?hnten Gem?lden. Hier aber hat er sich die Aufgabe gestellt, das Spiel der Muskeln in einer lebhaften Bewegung zu erfassen und wiederzugeben. Bemerkenswert ist auch die sch?ne Landschaft mit den grossen Linien von Berg und See; ?hnliche Formen mag D?rer wohl auf seiner Wanderschaft am S?dfuss der Alpen gesehen haben . Viel bedeutender aber als dieses Bild, das ?brigens durch schlechte Behandlung sehr gelitten hat, sind die Bildnisse, welche D?rer neben seinen Altarwerken in jener Zeit malte. Ein in das Berliner Museum gelangtes Bild eines Mannes in reicher Kleidung, mit Temperafarben gemalt, wird mit grosser Wahrscheinlichkeit als das Portr?t des Kurf?rsten Friedrich von Sachsen angesehen. Wenn diese Annahme zutrifft, so w?rde es wohl gleichzeitig mit dem Dresdener Altarwerk entstanden sein, und dieser f?rstliche G?nner w?re vielleicht der erste gewesen, der bei D?rer ein Bildnis bestellte . Das Bild eines betenden M?dchens mit pr?chtigem aufgel?sten Goldhaar, ?ber dem auf Stirn und Scheitel ein ganz d?nner, durchsichtiger Schleier liegt, in der Gem?ldegalerie zu Augsburg, gilt f?r das Portr?t einer Tochter der N?rnberger Familie F?rleger. Dieses holdselige M?dchenbild, das wie eine Naturstudie zu einer Madonna aussieht, zeigt uns, dass D?rers scharfer Blick f?r das Charakteristische auch den Zauber weiblicher Anmut und zarter Jungfr?ulichkeit im innersten Wesen zu erfassen wusste . Ein aus dem n?mlichen Jahre 1497, dem die ,,F?rlegerin" angeh?rt, stammendes Bildnis von D?rers Vater befindet sich im Besitze des Herzogs von Northumberland; vielleicht ist die sch?ne Kohlenzeichnung, welche das Britische Museum bewahrt, als die Vorzeichnung zu demselben anzusehen . In Ermangelung von Bildnisauftr?gen sass sich D?rer, nachdem er den Vater gemalt hatte, wieder selbst Modell. Die dunkelblonden Locken wallten ihm jetzt in reicher F?lle auf die Schultern herab, in seinen Z?gen lag ein ?ber seine Jahre hinausgehender Ernst. So zeigte er sich in dem im Pradomuseum zu Madrid befindlichen Gem?lde, in schwarz und weisser Kleidung von ausgesuchtem modischen Schnitt, mit einem fast schwerm?tig zu nennenden Ausdruck um Mund und Augen. Das Bild ist mit der Jahreszahl 1498 und den Worten:
,,Das malt Ich nach meiner gestalt Ich war sex und zwanzig Jar alt
Albrecht D?rer"
und darunter noch mit dem Monogramm bezeichnet. Eine Wiederholung desselben, in welcher der Ausdruck des Kopfes etwas abgeschw?cht und die Z?ge ruhiger und heiterer gehalten sind, befindet sich in der Sammlung von Malerbildnissen in der Uffiziengalerie zu Florenz . Das folgende Jahr brachte Bestellungen aus den Kreisen der N?rnberger B?rgerschaft. Drei Bildnisse aus der Familie Tucher tragen die Jahreszahl 1499. Es sind Brustbilder in halber Lebensgr?sse. Zwei derselben, Hans Tucher und seine Ehefrau Felicitas befinden sich im Museum zu Weimar, das dritte, Frau Elsbeth Tucherin, Gattin von Niklas Tucher -- dessen Bild zweifellos auch vorhanden gewesen ist --, in der Gem?ldegalerie zu Kassel. Alle drei Bilder sind in ganz gleicher Weise ausgef?hrt. Die Gesichter sind mit einer harten Bestimmtheit gezeichnet, zweifellos in sch?rfster ?hnlichkeit. Die Hintergr?nde bestehen aus Damastteppichen und Ausblicken in das Freie, wo B?umchen und Wolken in einer eigent?mlich kindlichen Weise angegeben sind. Fast m?chte man glauben, D?rer w?re bei der Aufgabe, Personen aus einem so vornehmen Geschlecht zu malen, einigermassen befangen gewesen: die Malerei ist glatt und sauber, aber ohne lebendigen Farbenreiz. Ungleich malerischer ist das in der M?nchener Pinakothek befindliche pr?chtig lebenswahre Bildnis des Oswald Krell aus dem n?mlichen Jahre. Schwarzer Sammt, brauner Pelz, eine rote Stoffwand und das Blau und Gr?n eines reizvollen landschaftlichen Ausblickes umgeben den von hellbraunen Locken umwallten Kopf des jungen Mannes mit einem kr?ftigen Farbenklang . Im Jahre 1500 malte D?rer dann das bekannteste und sch?nste seiner Selbstbildnisse, das sich in der Pinakothek zu M?nchen befindet: in gerader Vorderansicht, das edle Antlitz von einer noch st?rker gewordenen F?lle wohlgepflegter Locken umrahmt, mit ruhigem Ausdruck und mit klar beobachtendem Blick aus den gl?nzenden, offenen Augen .
Dasjenige aber, wodurch Albrecht D?rer schon in jungen Jahren zu einem weltbekannten Manne wurde, waren weder seine Kirchengem?lde noch seine Bildnisse, sondern ein Holzschnittwerk. Gem?lde hafteten an ihren Pl?tzen auf den Alt?ren der Kirchen oder in den Wohnungen der Besteller. Es war immer nur ein mehr oder weniger eng begrenzter Kreis von Menschen, der dieselben zu Gesicht bekam. Holzschnitte aber, die dank der Billigkeit ihrer Druckherstellung zu einem ?usserst niedrigen Preise vertrieben werden konnten, gingen als ,,fliegende Bl?tter" in alle Welt hinaus. Durch diese wurde in jener Zeit mehr noch als durch das gedruckte Wort Tausenden und aber Tausenden eine begierig aufgenommene geistige Nahrung zugef?hrt. Im Jahre 1498 gab D?rer die Geheime Offenbarung des Evangelisten Johannes mit lateinischem und deutschem Text und f?nfzehn Holzschnitten von sehr grossem Format heraus. Er kam mit der Wahl dieses Stoffes der Stimmung der Zeit entgegen. Die erregten Gem?ter des noch unklar nach Neuem ringenden, mit sich selbst im Zwiespalt liegenden Zeitalters vertieften sich mit besonderer Vorliebe in die geheimnisvollen und so verschiedenartig ausgelegten Weissagungen der Apokalypse. Ihm aber, dem von Schaffensdrang erf?llten K?nstler, bot sich hier das reichste Feld f?r seine unersch?pfliche Einbildungskraft. Der Zeichner wusste den phantastischen Geschichten des Verfassers mit gleich k?hnem Fluge der Phantasie zu folgen. So schuf er eine Verbildlichung der dunklen Seherworte des Evangelisten, wie sie so k?nstlerisch und gehaltreich die Welt noch nicht gesehen und nicht geahnt hatte. Sein Werk war etwas ganz Neues, eine Offenbarung der Kunst. Auch heute noch k?nnen diese urw?chsigen, kraft- und geistvollen Bilder ihre Wirkung niemals verfehlen. Derjenige m?sste wahrlich ein ganzer Barbar sein, der bei diesen Meisterwerken grossartiger Erfindung Ungenauigkeiten und H?rten der Zeichnung kleinlich bem?ngeln wollte, anstatt sich hinreissen zu lassen von der Wucht der urgewaltigen Kompositionen. Gewiss fehlt es nicht an H?rten und an Verst?ssen gegen die ?usserliche sogenannte Richtigkeit, und oberfl?chliche Sch?nheit der Gestalten war niemals ein Endziel von D?rers k?nstlerischen Bestrebungen. D?rer bediente sich, um auszusprechen, was er zu sagen hatte, der Formensprache, die er erlernt hatte, der Formensprache seiner Zeit. Diese Formensprache ber?hrt den heutigen Menschen, der an eine andere k?nstlerische Ausdrucksweise gew?hnt ist, anfangs befremdlich, ebenso wie die Schriftsprache jener Zeit. Sie befremdet in den Holzschnittzeichnungen in st?rkerem Masse, da D?rer hier f?r die grosse Menge deutlich verst?ndlich sein wollte, und da er, damit das Charakteristische nicht unter dem Messer des Holzschneiders verwischt werde, die kr?ftigste, h?rteste Kennzeichnung anstreben musste, w?hrend in seinen Gem?lden das Studium des Naturwirklichen seiner k?nstlerischen Sprache Wendungen verleiht, die sie der heutigen, wieder auf die Natur zur?ckkehrenden Ausdrucksweise n?her bringt. Aber jedermann, der sich die M?he gibt, kann D?rers Formensprache erlernen. Namentlich f?r uns Deutsche ist es nicht so schwer, wie es vielleicht anfangs manchem scheint; denn jeder Strich, den D?rer gezeichnet hat, ist deutsch. Wer sich in die Bl?tter der Apokalypse, die, wenn auch in Originaldrucken nicht mehr allzu h?ufig, so doch in verschiedenen, durch die technischen Mittel der Gegenwart mit vollkommener Treue wiedergegebenen Nachbildungen ?berall zug?nglich sind, ernstlich vertieft, der wird bei jeder Betrachtung neue k?nstlerische Sch?nheiten entdecken und neuen Genuss aus denselben ziehen. ?berall sehen wir hier die tiefsten Gedanken mit packender Kraft zum Ausdruck gebracht, mag nun die Darstellung nur aus wenigen Figuren bestehen oder m?gen zahllose Figuren die Bildfl?che f?llen; mag der Jubel der Seligen geschildert sein oder grauser Schrecken. -- Das erste Blatt der Folge dient als Einleitung und besch?ftigt sich mit der Person des Verfassers der geheimen Offenbarung: es zeigt den Evangelisten Johannes, wie er, nach der Erz?hlung einer Legende, unter dem Kaiser Domitian mit siedendem ?l gepeinigt wird, ohne Schaden zu nehmen. Dann beginnt die Reihe der apokalyptischen Bilder mit der Erscheinung Gottes vor dem Evangelisten . Wie grossartig ist hier allein schon die Entr?ckung aus aller Erdenn?he angedeutet durch einen Wolkenraum, der die Vorstellung des Unbegrenzten erweckt! In dem Wolkenmeere thront der Herr, von sieben goldenen Leuchtern umgeben, und Johannes ist bei seinem Anblick ihm zu F?ssen niedergefallen und vernimmt mit gefalteten H?nden seine Worte. Die Erscheinung Gottes ist im engsten Anschluss an die Worte des Textes dargestellt: Sonnenstrahlen umgeben sein Haupt, Feuerflammen lohen aus den Augen, ein Schwert geht von seinem Munde aus. Das alles wirkt so gewaltig, dass das Befremdliche hinter dem Grossartigen des Eindrucks verschwindet. D?rers k?nstlerische Kraft hat auch das f?r die bildliche Wiedergabe scheinbar ganz Unm?gliche bew?ltigt: wie machtvoll blicken die Augen zwischen den nach aussen lodernden Flammen heraus, und welche erhabene Gr?sse liegt in der ausgestreckten Rechten, an der sieben flimmernde Sterne haften. -- Im folgenden Bilde sehen wir ?ber der Erde, die durch eine formenreiche Landschaft angedeutet wird, das ge?ffnete Himmelsthor. Im Wolkenringe, aus dem Blitzesflammen hervorbrechen, zwischen denen blasende K?pfe die Stimmen des Donners verbildlichen, sitzen die vierundzwanzig ?ltesten mit Kronen und Harfen. Innerhalb des von ihnen gebildeten Kreises erscheint in der H?he der Herr auf dem vom Regenbogen umzogenen Thron, umgeben von den sieben Lampen und den vier lebenden Wesen. Ein Engel fliegt vor seinen F?ssen herab, um zu fragen, wer das Buch mit sieben Siegeln, das auf dem Schosse Gottes liegt, zu ?ffnen w?rdig sei; und Johannes, der an der tiefsten Stelle des Wolkenringes kniet, erh?lt von dem ihm zun?chst befindlichen ?ltesten die Antwort auf diese Frage: schon hebt das Lamm Gottes sich auf der Stufe des Thrones empor, um das Buch zu ?ffnen. -- Das n?chste Blatt, das zu allen Zeiten am meisten bewunderte der ganzen Folge, verbildlicht, was bei der Er?ffnung der vier ersten Siegel sich dem Seher zeigt . In sturmbewegten, von Feuerstrahlen durchzuckten Wolkenmassen st?rmen die verderbenbringenden Reiter einher. Der gekr?nte Reiter mit dem Bogen, der mit dem Schwerte und der mit der Wage erscheinen wie sieggewohnte Krieger auf wilden, m?chtigen Rossen, unter deren Hufen die Menschen zu Haufen st?rzen. Als eine unheimliche gespenstische Erscheinung galoppiert der vierte auf magerem Klepper in ihrer Reihe, der Tod. ,,Und das Totenreich folgte ihm nach"; das ist angedeutet durch den ge?ffneten H?llenrachen, der eben einen Gewaltigen der Erde verschlingt. Das Grauen des Unabwendbaren ist in dieser Komposition mit einer Wucht zum Ausdruck gebracht, der sich kaum etwas ?hnliches in der bildenden Kunst aller Zeiten zur Seite stellen l?sst. -- Es folgt die ?ffnung des f?nften und sechsten Siegels. Oben in der Wolkenh?he werden an einem Altar die Blutzeugen durch Engel mit weissen Gew?ndern bekleidet. Darunter sieht man Sonne und Mond, nach mittelalterlicher Weise mit Gesichtern; diese Darstellungsweise entspricht sonst dem Wesen D?rers nicht, aber hier hat sie ihre Bedeutung: die Himmelslichter blicken mit Grauen und Entsetzen auf die Erde hinab. Der die Erde ber?hrende Himmelssaum rollt sich zusammen, dass die Wolkenr?nder wie ein Vorhang nach beiden Seiten auseinander gehen. In dem Zwischenr?ume fallen die Sterne flammend herab auf die Menschen. Verzweifelt schreien M?nner und Weiber; gekr?nte H?upter und Geistliche jeden Ranges, vom Papst bis zum M?nch, dr?ngen sich in hilflosem Klumpen zusammen. Alle irdische Macht und Kraft h?rt auf. Die Schluchten der Erde bieten keinen Schutz: man sieht, wie die Felsen schwanken. -- Wieder eine Komposition von ausserordentlicher Gr?sse ist das folgende Bild. In der H?he fliegt ein Engel, der ein Kreuz, ,,das Zeichen des lebendigen Gottes" tr?gt, und gibt den vier Engeln Befehl, die ?ber die Winde Gewalt haben. Diese vier Engel, starkknochige M?nnergestalten mit m?chtigen Schwertern, vernehmen das Gebot; sie wehren den Winden, die als blasende K?pfe von wildem Aussehen in den Wolken umherbrausen. Eine Gruppe schlanker, fruchtbeladener B?ume ragt unbewegt in die sturmdurchtobte Luft. Wie Frieden und Sonnenschein liegt es seitw?rts ?ber der Landschaft, wo ein lieblicher Engel einherschreitet, der mit einem Schreibrohr das Zeichen des Kreuzes an die Stirnen der in dichter Schar am Boden knieenden Auserw?hlten malt. -- Darauf kommt die Er?ffnung des siebenten Siegels. Die sieben Engel haben von Gott ihre sieben Posaunen empfangen, und ?ber die Erde brechen die Schrecken herein, die das Blasen der vier ersten Posaunen begleitet. Hier ist es wieder staunensw?rdig, wie der Zeichner es verstanden hat, die verheerenden Ereignisse, welche der Text schildert, in einer ganz unbefangenen, aber sprechend deutlichen Ausdrucksweise zur Anschauung zu bringen. -- Es folgt die Darstellung des sechsten Posaunenstosses und seiner Wirkung. Von den vier Ecken des goldenen Altars, der vor dem Angesicht Gottes steht, ert?nt die Stimme, und die vier Engel vom Euphrat, harte, grimmige Gestalten, walten schonungslos ihres Amtes, den dritten Teil der Menschheit zu t?ten; ihren wuchtigen Schwerthieben erliegen die M?chtigsten wie die Geringen, der gewappnete Krieger wie das junge Weib. ?ber ihnen saust in den Wolken das Reiterheer heran -- wiederum in wortgetreuer Verbildlichung des Textes --, das mit Feuer, Rauch und Schwefel die Menschen t?tet . -- Dann kommt ein Bild, das an unbefangener K?hnheit der Darstellung das ?usserste bietet. Der Engel, der mit Wolken bekleidet ist, dessen Gesicht, vom Regenbogen umkr?nt, der Sonne gleicht, und dessen F?sse feurige S?ulen sind, steht mit dem einen Fuss auf dem Meer, mit dem anderen auf der Erde und reicht, w?hrend er die Rechte zum Schwur ?ber die Wolken emporhebt, mit der Linken dem Johannes das offene Buch, das dieser auf Geheiss eines Himmelsboten verschlingt. So befremdlich diese Darstellung erscheint, die seltsame Riesengestalt des Engels ist mit solchem Ernst aufgefasst, dass auch hier Grossartigkeit des Eindrucks erzielt wird. -- Das folgende Blatt zeigt den Himmel in freudiger Stimmung. Denn der Sohn des Weibes, das, mit der Sonne bekleidet und mit Sternen bekr?nt, auf dem Monde steht, wird von kleinen Engeln zu Gott emporgetragen. Die Sterne, wie ein Blumenschmuck ?ber den Himmel ausgebreitet, strahlen und funkeln in festlicher Pracht. Dem Weibe gegen?ber, dem Adlerfl?gel gegeben sind zum Entfliehen, kriecht aus der Tiefe der Erde hervor der siebenk?pfige Drache, der mit dem Schweif in die Sterne schl?gt und einen Wasserstrom ausspeit gegen das Weib. Auch in der Gestalt dieses Drachens offenbart sich D?rers merkw?rdige sch?pferische Kraft: das greuliche Ungeheuer erscheint in einer, man m?chte sagen glaubhaften, lebensvollen Bildung. -- Hieran schliesst sich die Darstellung, wie Michael und seine Engel mit unwiderstehlicher Kraft den Satan und seine Genossen -- grauenvoll phantastisch gestaltete Wesen -- hinabwerfen auf die Erde, deren Gefilde ahnungslos in sonnigem Frieden daliegen. Dann erscheint das siebenk?pfige Tier auf der Erde, das die Menschen anbeten, und sein Gehilfe, das Tier mit den Lammesh?rnern, das Feuer vom Himmel fallen macht. Aber dar?ber erscheint im Lichtglanz zwischen den Wolken, von Engeln umgeben, der Herr mit der Sichel. -- Im Gegensatz zu der dem B?sen dargebrachten Huldigung zeigt das folgende Bild die endlose Menge der Auserw?hlten, die dem im Strahlenglanz zwischen den vier lebenden Wesen erscheinenden Lamm lobsingen. -- Darauf sehen wir die grosse Babel, die als geschm?cktes Weib auf dem siebenk?pfigen Tier sitzt und F?rsten und V?lkern den Becher der Verf?hrung entgegenh?lt, und zugleich das Hereinbrechen des Strafgerichts: neben dem m?chtigen Engel, der den M?hlstein ins Meer zu werfen sich anschickt, st?rmen himmlische Kriegerscharen aus den Wolken, und in der Ferne geht die Stadt Babel in Rauch und Flammen auf. -- Das Schlussbild zeigt den Engel, der den gefesselten Teufel in den Abgrund hinabzusteigen zwingt, zu dessen Th?r er den Schl?ssel h?lt. Diese beiden grossen Figuren nehmen den Vordergrund des pr?chtigen Blattes ein. Weiter zur?ck steht auf waldbekr?ntem Bergesgipfel Johannes, und ein Engel zeigt ihm das neue Jerusalem, das sich reich und pr?chtig an einem baumreichen Bergeshang ausdehnt.
Es ist nicht allein die vorher nie dagewesene und nachher nie ?bertroffene Gr?sse und K?hnheit der Erfindung, was D?rers Zeichnungen zur Apokalypse ihre grosse Bedeutung gibt. Zu dem k?nstlerischen Wert dieser Bl?tter kommt die besondere kunstgeschichtliche Stellung, die sie einnehmen. Sie bezeichnen den wichtigsten Wendepunkt in der Geschichte des Holzschnittes. Bisher mussten die Holzschnitte bemalt werden, um f?r fertige Bilder gelten zu k?nnen. D?rer machte seine f?r den Schnitt bestimmten Zeichnungen so, dass es keiner derartigen Erg?nzung bedurfte; er war der erste, der durch Anbringen geschlossener Strichlagen Gegens?tze von Hell und Dunkel, Licht und Schatten in die Holzzeichnungen brachte und durch dieses bis zu einem gewissen Grade ,,farbige" Zeichnen eine malerische Wirkung erreichte, welche die Zuhilfenahme von Farben ?berfl?ssig machte. Die Anforderungen an die ausf?hrenden Formschneider, welche mit dem Messer seinen Strichen folgen mussten, so dass die Striche erhaben ?ber dem vertieften Grund der Platte stehen blieben, wurden dadurch allerdings gewaltig gesteigert. Aber durch das gew?hlte sehr grosse Format und durch die ausdrucksvolle Bestimmtheit seines Striches half D?rer den Formschneidern die Schwierigkeiten der Aufgabe, die er ihnen stellte, ?berwinden. Zweifellos hat er die Schnittausf?hrung pers?nlich sehr aufmerksam ?berwacht. Im allgemeinen muss man sagen, dass die Bilder zur Apokalypse daf?r, dass die Formschneider niemals zuvor Gelegenheit gehabt hatten, so hohen k?nstlerischen Anspr?chen gegen?ber ihre Geschicklichkeit zu erproben, recht gut geschnitten sind; in den feineren Teilen, besonders Gesichtern und H?nden, hat das Schneidemesser freilich noch oft genug den Strich des Meisters verunstaltet.
Die gleiche Aufmerksamkeit wie dem Holzschnitt wandte D?rer dem Kupferstich zu. Wann er angefangen hat, sich mit diesem Kunstverfahren zu besch?ftigen, wissen wir nicht. Vielleicht hatte er dazu schon bei seinem Vater die Anregung empfangen; in Goldschmiedewerkst?tten war ja die Kupferstecherkunst geboren worden. Die ?berlieferung, dass er auch hierin von Wolgemut unterrichtet worden sei, leidet an Unwahrscheinlichkeit, da eine kupferstecherische Th?tigkeit Wolgemuts nicht erwiesen ist. Es gibt unter D?rers fr?hesten, noch mit sch?chterner Hand ausgef?hrten Kupferstichen einige, welche mehr oder weniger genau mit Stichen einer ge?bteren Hand, die mit einem +W+ gezeichnet sind, ?bereinstimmen. Das +W+ ist auf Wolgemut gedeutet worden, und man hat geglaubt, D?rer habe, als er seine ersten Versuche in der Grabstichelarbeit machte, zu seiner ?bung Werke des ?lteren Meisters nachgestochen. Aber die Annahme, dass das +W+ Wolgemut bedeute, ist mit den gewichtigsten Gr?nden zur?ckgewiesen worden; und f?r den unbefangenen Beschauer spricht aus den fraglichen Bl?ttern so deutlich D?rers Geist, dass man ihn f?r den Erfinder und jenen Meister +W+, wer es auch sein mag, f?r den Nachstecher halten muss. Zu diesen Stichen geh?rt das in Abbildung 9 wiedergegebene Marienbild, das wegen des darauf befindlichen Affen -- einer m?ssigen Beigabe, wie sie die K?nstler jener Zeit gern anbrachten, um die Vielseitigkeit ihrer Geschicklichkeit zu zeigen, -- die Bezeichnung ,,Madonna mit der Meerkatze" f?hrt. Die Unge?btheit im technischen Verfahren verr?t sich hier an manchen Stellen. Aber ?ber dem Ganzen liegt eine Stimmung von echt D?rerscher Poesie. Wir empfinden in dieser Landschaft die Luft eines k?hlen deutschen Sommerabends; Wolken steigen geballt empor, aber der Wind, der die K?pfe der alten Weiden beugt, vertreibt sie wieder. Es geht ein fr?stelnder Schauer durch die Natur, und in leiser Schwermut schweifen die Gedanken. Mit stillem, ahnungsvollen Leid betrachtet die junge Mutter ihr Kind, das sorglos mit einem Vogel spielt. Zu der Landschaft, die diesem Blatte die Stimmung, in der sein k?nstlerischer Wert liegt, gibt, hat D?rer eine noch vorhandene Naturaufnahme aus der Umgegend von N?rnberg benutzt. Dieselbe befindet sich im Britischen Museum zu London und tr?gt von D?rers Hand die Aufschrift ,,Weier-Haus". Es ist einer jener mit Wasserfarben gemalten Ausschnitte aus der landschaftlichen Wirklichkeit. -- In der realistischen Umgebung liegt auch der besondere, uns heute wieder so unmittelbar ansprechende Reiz des gleichfalls zu D?rers fr?hen Kupferstichen geh?rigen Blattes: ,,Der verlorene Sohn". Unregelm?ssige, teilweise verwahrloste Bauernh?user und Stallungen, feuchter Erdboden, ein Misthaufen, in dem ein Hahn herumpickt: das ist der Schauplatz, in dessen Poesielosigkeit gerade die ergreifende Poesie der Darstellung liegt. In dem Schmutze dieses Hofes ist bei den Schweinen und Ferkeln, die sich um den Futtertrog dr?ngen, ein verkommener Mensch niedergekniet und presst in heissem Gebet die Finger ineinander, zu reuiger Umkehr entschlossen. Gewiss bleibt der Blick manchen Beschauers zuerst an der ungeschickten Zeichnung des schurzartig umgebundenen Kittels h?ngen, unter dessen Falten der Zusammenhang zwischen Rumpf und Beinen der Figur verloren geht; aber man sehe sich statt dessen den Kopf und die H?nde an, mit welcher Zerknirschung und welcher Inbrunst dieser Mensch betet! .
,,Ein guter Maler," schrieb D?rer einmal, ,,ist inwendig voller Figuren, und wenn's m?glich w?re, dass er ewiglich lebte, so h?tte er aus den inneren Ideen allzeit etwas Neues durch die Werke auszugiessen." Holzschnitt und Kupferstich gaben ihm Gelegenheit, aus der F?lle der Ideen mehr auszugiessen, als in durchgef?hrten Gem?lden m?glich gewesen w?re. Mehr noch als der Holzschnitt, bei dem immerhin in der R?cksichtnahme auf die Volkst?mlichkeit der Darstellung eine Beschr?nkung lag, gestattete ihm der Kupferstich, seinen k?nstlerischen Einf?llen zu folgen und Gegenst?nde zu bearbeiten, die ihm nicht gewichtig genug erschienen als Vorw?rfe f?r Bilder, oder die ihrer Natur nach die immer mit einer gewissen Stofflichkeit behaftete Ausf?hrung in Malerei nicht zuliessen, oder die sich nach den allgemeinen Anschauungen der Zeit nicht zu Gem?lden eigneten. Denselben Meister, der in den apokalyptischen Bildern das Erhabenste und ?bernat?rlichste so eindringlich zu schildern wusste, sehen wir gelegentlich in das volle Menschenleben hineingreifen und die allt?glichsten Dinge k?nstlerisch wiedergeben. D?rer hat eine Anzahl echter Genrebilder und genrehafter Gruppen oder Einzelfiguren ver?ffentlicht, voll von schlagender Lebenswahrheit, bisweilen von k?stlichem Humor . Auch Stiche mythologischen, sinnbildlichen und phantastischen Inhalts gab er neben seinen zahlreichen religi?sen Bl?ttern heraus.
Wie den Holzschnitt, so brachte D?rer auch den Kupferstich zu malerischer Wirkung, und zwar, da hier die Ausf?hrung eine eigenh?ndige war, in viel weiter gehendem Masse. In seinen fr?hen Stichen ging die Helldunkelwirkung nicht wesentlich ?ber dasjenige hinaus, was die zur Heraushebung der Formen erforderliche Schattierung von selbst mit sich brachte. Das war die Art und Weise, wie damals allgemein in Kupfer gestochen wurde. D?rer aber stellte in dem Masse, wie seine Geschicklichkeit mit der ?bung zunahm, immer gr?ssere Anforderungen an sich selbst in der Handhabung des Grabstichels, und bald beherrschte er dieses Werkzeug so, dass er damit die kr?ftigsten wie die zartesten T?ne hervorrufen konnte. W?hrend er durch seine kr?ftigen Holzschnittzeichnungen seinen Namen den breitesten Volksmassen bekannt machte, wurde er durch seine feinen Kupferstiche zum Liebhaber der Kunstfreunde und Sammler. -- Das Meisterwerk von D?rers Grabstichelarbeit aus dieser Zeit seines Heranreifens -- eine der vollendetsten technischen Leistungen der Kupferstecherkunst ?berhaupt -- ist ,,das Wappen des Todes" von 1503, zugleich ein Muster heraldischer Formengebung und in seiner d?steren Stimmung ein Erzeugnis echtester k?nstlerischer Empfindung . -- Der erste in hellen und dunklen Massen zu voller malerischen Bildwirkung durchgef?hrte Kupferstich erschien im Jahre 1504, eine Darstellung von Adam und Eva. Eine sch?ne Vorzeichnung zu diesem Stich, die sich in der Albertina zu Wien befindet, zeigt die beiden Figuren auf ganz schwarzem Hintergrunde . In dem ausgef?hrten Stich aber hat D?rer eine reichere und nat?rlichere Wirkung erzielt durch die dunkelen Massen der schattigen Paradieseslandschaft . Noch in anderer Beziehung ist dieses Blatt ein Markstein in der Geschichte der deutschen Kunst. D?rer hat sich ehrlich bem?ht, die nat?rliche Sch?nheit der Menschengestalt zur Geltung zu bringen, und man darf nicht verkennen, wie viel er hier als erster, der sich auf keinen Vorg?nger st?tzen konnte, da man vor ihm den nackten Menschen als etwas Unsch?nes darzustellen pflegte, in dieser Hinsicht erreicht hat. In wohlberechtigtem Selbstgef?hl brachte er auf dem Stich statt des blossen Monogramms ein Inschriftt?felchen an, durch das er in der damaligen Weltsprache der Gelehrten, auf lateinisch, mitteilte, dass Albrecht D?rer aus N?rnberg diese Arbeit gemacht habe. Man muss freilich annehmen, dass bei der Bildung der Gestalten von Adam und Eva dem Meister die Anschauung italienischer Werke anregend und behilflich gewesen ist. Eben die Kupferstecherkunst war es, welche durch ihre leichtbeweglichen Erzeugnisse die Kenntnis von der italienischen Kunst auch diesseits der Alpen verbreitete. Besonders waren es die Stiche des Mantuaners Mantegna, die auf D?rer grossen Eindruck machten, so dass sie ihn gelegentlich sogar zur Nachbildung reizten.
Die Th?tigkeit D?rers als Maler wurde inzwischen wieder durch den Kurf?rsten von Sachsen in Anspruch genommen. Die Jahreszahl 1502 auf einer im Museum zu Basel befindlichen Zeichnung, welche die Kreuzigung Christi in einer an Figuren ?berreichen Komposition darstellt , bestimmt die Entstehungszeit eines f?r diesen F?rsten angefertigten Altarwerkes, welches sich jetzt im Schloss des F?rst-Erzbischofs von Wien zu St. Veit bei Wien befindet. Die Mitteltafel dieses Werkes zeigt die Kreuzigung in fast ganz genauer ?bereinstimmung mit der Baseler Zeichnung. Die Fl?gel, welche infolge des Hochformates des durch sie zu verschliessenden Mittelbildes sehr schmal sind, enthalten die Kreuztragung und die Erscheinung des Auferstandenen vor Maria Magdalena; dabei ist hier durch die sch?ne baumreiche Landschaft, dort durch das Stadtthor und die verk?rzt gesehene Stadtmauer das unbequeme Format sehr gl?cklich ausgenutzt. Aussen enthalten die Fl?gel die grossen Gestalten des heiligen Sebastian und des heiligen Rochus. Die Ausf?hrung dieses Altargem?ldes hat D?rer den H?nden von Gehilfen ?berlassen. Dagegen malte er im Jahre 1504 eine vom Kurf?rsten von Sachsen f?r die Schlosskirche zu Wittenberg bestellte Altartafel, die Anbetung der heiligen drei K?nige darstellend, ganz mit eigener Hand. Dieses wunderbare Gem?lde, das jetzt in dem Kranze auserlesener Meisterwerke prangt, den die sogenannte Tribuna der Uffiziengalerie zu Florenz umschliesst, l?sst bei dem vorz?glichen Zustand seiner Erhaltung den ganzen urspr?nglichen Reiz der Farbengebung und die bis auf die kleinsten Einzelheiten sich erstreckende liebevolle Sorgfalt der Meisterhand erkennen und bewundern. Wer deutsch empfindet, den wird es von all den herrlichen Sch?pfungen der Antike und der italienischen Renaissance, die hier in einem Raume vereinigt sind, immer wieder hinziehen zu dem wunderlieblichen Bilde dieser deutschen Madonna, die in unbefangener W?rde und voll stillen Muttergl?ckes zusieht, wie dem nackten Kn?blein aus ihrem Schoss von fremden F?rsten ehrerbietige Huldigungen dargebracht werden .
Aus dem n?mlichen Jahre 1504 stammen zwei nicht ganz fertig gewordene Altarfl?gel in der Kunsthalle zu Bremen, welche den Einsiedler Onuphrius und Johannes den T?ufer in trefflich mit den Figuren zusammenkomponierten Landschaften zeigen.
Zugleich arbeitete D?rer in dieser Zeit wieder an zwei grossen Holzschnittwerken, von denen das eine die Leidensgeschichte Christi, das andere das Leben der Jungfrau Maria behandelte. Mit gleich hoher Meisterschaft schilderte D?rer in diesen Werken, die unter den Namen ,,Grosse Passion" und ,,Marienleben" bekannt sind, die ergreifendsten tragischen Vorg?nge und die reizvoll behaglichsten Familienbilder. Beide Werke kamen indessen erst sp?ter zum Abschluss und zur Ver?ffentlichung. Das Bilderwerk ?ber die Leidensgeschichte, dem er ein ?hnlich grosses Format gab, wie der Apokalypse, hat er wahrscheinlich schon bald nach der Vollendung jenes ersten Holzschnittwerkes in Angriff genommen. Sieben von den Bl?ttern stimmen in der Art und Weise der Zeichnung ganz mit den Bildern der Apokalypse ?berein. In tief ergreifender Auffassung ist da geschildert, wie der Heiland im Gebet am ?lberg kniet und die H?nde wie in einer unwillk?rlichen Bewegung der Abwehr gegen den Leidenskelch vorstreckt, w?hrend im Vordergrunde die J?nger schlafen und in der Ferne schon der Verr?ter die Gartenpforte durchschreitet; wie er zur Geisselung an eine S?ule gebunden, der Grausamkeit der wilden Peiniger und dem Hohn der nicht minder rohen Zuschauer preisgegeben ist; dann wie er, eine bejammernswerte, gebeugte Gestalt, in Mantel und Dornenkrone von Pilatus dem erbarmungslosen Volke gezeigt wird. Das grossartig erdachte n?chste Blatt zeigt den Erl?ser, unter der Last des Kreuzes auf die Kniee niedergesunken, den Kopf der Veronika zugewendet, die sich anschickt, das blut?berstr?mte, schmerzdurchzuckte Antlitz abzutrocknen; der rauhe Kriegsknecht, der den Dulder an einem um den G?rtel gebundenen Strick f?hrt, h?lt in diesem Augenblick mit Zerren inne, aber einer der den Zug begleitenden Beamten st?sst den Zusammengebrochenen unbarmherzig mit seinem Stab in den Nacken. Dann folgt die Kreuzigung in gedr?ngter Komposition: auf der einen Seite des Kreuzes die Mutter Maria ohnm?chtig in den Armen einer der anderen Marien und des Johannes, auf der anderen Seite der Hauptmann mit einem Begleiter zu Pferde; Engel fangen das Blut aus den Wunden des Erl?sers auf, und Sonne und Mond erscheinen hier wieder mit schmerzlich teilnehmenden Gesichtern -- wie denn ?berhaupt dieses Blatt sich am wenigsten von der ?berlieferten Darstellungsweise entfernt. Das n?chste Bild schildert die Klage um den vor dem Eingang des Grabes unter einem d?rren Baum niedergelegten heiligen Leichnam; und daran schliesst sich die Darstellung, wie der K?rper des Heilandes, von einem inzwischen gr?sser gewordenen Gefolge begleitet, in die Gruft getragen wird, w?hrend Maria kraftlos in der Unterst?tzung des Johannes liegen bleibt. Bewunderungsw?rdig ist in diesen beiden Bildern, wie auch in anderen, die Landschaft, deren Linien und Massen wesentlich mit zur Komposition geh?ren. -- Leider ist die Schnittausf?hrung der Passionsbilder weniger gut gelungen als diejenige der Zeichnungen zur Apokalypse; bei einzelnen hat das Schneidemesser den Strich des Meisters sichtlich in gar grober Weise entstellt.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass D?rer durch die Einbusse, welche seine Sch?pfungen unter der Hand der Holzschneider erlitten, bewogen wurde, die Leidensgeschichte Christi gleich noch einmal in freien Zeichnungen, bei denen keine R?cksicht auf das, was dem Formschneider m?glich und was ihm nicht m?glich w?re, ihn beengte, zu behandeln. Im Jahre 1504 zeichnete er die herrliche Folge von zw?lf Bl?ttern, die nach der Farbe des Papiers ,,die Gr?ne Passion" genannt wird . Die Gegenst?nde der Folge sind der Judaskuss, Christus vor Herodes, Christus vor Kaiphas, die Geisselung, die Dornenkr?nung, die Vorstellung vor dem Volk, die Kreuzschleppung, die Anheftung an das Kreuz, der Kreuzestod, die Kreuzabnahme, die Grablegung und die Auferstehung. D?rer machte diese Zeichnungen nicht zum Zwecke der Ver?ffentlichung, sondern f?r sich; doch als etwas in seiner Art Fertiges, dessen Ausf?hrung durch Entw?rfe vorbereitet wurde . Man m?chte glauben, dass er sich selbst eine Entsch?digung geben wollte f?r die Nichtbefriedigung, die ihm die Holzschnittkompositionen verursachten. Seine k?nstlerische Freiheit ist hier sehr viel gr?sser als dort. Er hat sich mit voller K?nstlerlust in die Aufgabe versenkt, sich die geschichtlichen Begebenheiten so nat?rlich wie m?glich vorzustellen. Darum bleibt auch alles Unnat?rliche, von der ?lteren Kunst in sinnbildlicher Bedeutung Angewendete, wie die Strahlenscheine und die Verk?rperung von Sonne und Mond, weg. Die Naturwahrheit in der Schilderung der Vorg?nge, die mit einer staunensw?rdigen Schlichtheit und Einfachheit anschaulich gemacht werden, hat den K?nstler sozusagen von selbst auch zu einer reineren Nat?rlichkeit der Form gef?hrt. Unverkennbar ist D?rer bei der Anfertigung dieser Bl?tter auch von dem Verlangen nach einer weitergehenden und feineren malerischen Wirkung, als sie ihm durch die derben offenen Striche der Holzzeichnung erreichbar war, geleitet worden. Es ist ?berraschend, wieviel Farbigkeit des Eindruckes er mit ganz geringem Aufwand von Mitteln, in Schwarz und Weiss mit dem Pinsel auf dem get?nten Papier zeichnend, erreicht hat. Der sehr gl?cklich gew?hlte gr?nliche Ton des Papiers spricht selbst mit, indem er wesentlich beitr?gt zu der eigenen, wehm?tigen Stimmung der Bilder .
Von den Holzschnittbildern, in denen D?rer das Leben der Jungfrau Maria nach der Legende und den Evangelien schilderte, scheint der gr?sste Teil in den Jahren 1503 bis 1505 fertig geworden zu sein. Diese liebensw?rdigen Bl?tter sind auf einen ganz anderen Ton gestimmt als die Apokalypse und die Passion. Mit richtigem Gef?hl hat D?rer hier, wo die Darstellungen nicht sowohl durch Grossartigkeit, als vielmehr durch innige Poesie wirken wollen, einen kleineren Massstab gew?hlt, und dem entspricht die zartere Zeichnung. Trotz dieser besonderen Schwierigkeiten f?r den Formschneider ist die Mehrzahl der Bl?tter wieder ganz gut geschnitten. D?rer muss entweder geschicktere und besser ge?bte H?nde f?r diese Arbeit gefunden oder aber sich mehr Zeit genommen haben, die Schnittausf?hrung pers?nlich zu beaufsichtigen. Die Bilderdichtung beginnt im Anschluss an die alte Legende von den Eltern Marias, mit der Darstellung, wie das Opfer, welches Joachim im Tempel darbringen will, vom Hohenpriester zur?ckgewiesen wird, weil die Unfruchtbarkeit seiner zwanzigj?hrigen Ehe mit Anna als ein Zeichen gilt, dass Gottes Fluch auf dem Ehepaar laste. Dann erscheint dem Joachim, der sich im Kummer ?ber diese Schande von seiner Frau getrennt und in die Ein?de zu den Hirten zur?ckgezogen hat, ein Engel, der ihm die Geburt einer Tochter vorherverk?ndet. Ganz pr?chtig ist in diesem Bilde die Landschaft: die langgestreckte Halde, auf der die Schafe weiden, am Saum eines wilden Waldes, mit Ausblick auf das fern in der Tiefe liegende Meer mit gebirgiger K?ste. Der empfangenen Verheissung zufolge in die Stadt zur?ckgekehrt, trifft Joachim unter der Goldenen Pforte des Tempels, die als reicher sp?tgotischer Rahmen das Bild einschliesst, mit Anna wieder zusammen; w?hrend die beiden sich in herzlicher Umarmung begr?ssen, machen die in einiger Entfernung stehenden Nachbarn -- eine pr?chtige Gruppe -- ihre Bemerkungen ?ber die Begegnung, und ein Bettler eilt mit Hast herbei, um die freudig bewegte Stimmung des Ehepaares f?r sich auszun?tzen. Dann blicken wir in einem k?stlichen Bild in die Wochenstube, wo das neugeborene Kindlein gebadet wird, w?hrend eine Dienerin der Mutter Anna die Suppe an das Bett bringt, an dessen Seite die alte W?rterin eingeschlafen ist, und Gevatterinnen und Basen mit Bier und Kuchen das Ereignis feiern. Das ist recht und schlecht ein N?rnberger Sittenbild aus D?rers Zeit. Nur die sch?ne Gestalt eines Engels, der in einer Wolke oben im Gemach schwebt und knieend dem Kindlein aus der H?he herab huldigt, belehrt uns, dass dieses Kind, Maria, ein aussergew?hnliches Wesen ist. Das folgende Blatt f?hrt uns in die Vorhalle des Tempels, wo die Wechsler nicht fehlen, die das Bethaus entweihen. Das heranwachsende Kind schreitet aus der Schar der anteilnehmenden Verwandten heraus und betritt die zum Heiligtum f?hrenden Stufen, um sich oben, wo es von den Priestern erwartet wird, dem Dienste Gottes zu weihen. In der Architektur des Tempels und seines Vorhofes hat D?rer sich bem?ht, etwas ,,Antikisches" -- so nannte man damals dasjenige, was wir heute als Renaissance bezeichnen -- zu schaffen. Mehr gotisch als antikisch ist die Kirchenarchitektur auf dem so einfachen und so sch?nen Bilde, welches die Trauung der zur Jungfrau herangewachsenen Maria mit Joseph vor dem Hohenpriester darstellt . Das n?chste Blatt zeigt Maria, wie sie, in einem weitr?umigen Gemach, dessen Decke auf stattlichen Bogenstellungen ruht, am Betpult sitzend, die Botschaft des Engels dem?tig entgegennimmt. Dann folgt wieder ein ganzes Meisterwerk: die Begr?ssung von Maria und Elisabeth vor der Th?re von Elisabeths Wohnung, auf deren Schwelle Zacharias, den Besuch h?flich gr?ssend, erscheint. Maria ist ?ber das Gebirge herabgekommen, und man sieht in der Ferne, hinter dem schattigen Tannen- und Laubwald des Mittelgrundes, die Bergmasse, die sich in mannigfaltigen Formen immer h?her emport?rmt, hell beleuchtet in durchsichtiger Luft; vom entlegensten und h?chsten Gipfel hat ein weisser Wolkenballen sich losgel?st, der in dem tiefen Ton des sommerlichen Himmels langsam zerfliesst. Man weiss nicht, was man hier mehr bewundern soll, die prachtvolle landschaftliche Stimmung oder die feinf?hlige Beobachtung der Frauenseele, die in den Figuren sich ?ussert. Dann sehen wir Maria in einem zerfallenen Stallgeb?ude vor dem Kn?blein knieen, dem sie das Dasein gegeben hat; kleine Engel betrachten mit kindlicher Freude und Neugier den Neugeborenen, und andere Englein lobsingen ihm in der Luft; von der einen Seite kommt Joseph mit eiligen Schritten mit einer herbeigeholten Laterne herein -- man sieht, dass er w?hrend des Geheimnisses der Geburt nicht zugegen war --, und durch die andere Th?re nahen schon die Hirten mit Schalmei und Dudelsack, um das Kind zu gr?ssen. Auf dem folgenden Bild wohnen Maria und Joseph der durch die Priester in einer Art von Kapelle vorgenommenen Beschneidung des Jesuskindleins bei. Darauf nehmen sie in einem als Stall dienenden zerfallenen Burggem?uer die Huldigungen entgegen, welche die mit reisigem Gefolge herbeigekommenen drei k?niglichen Weisen dem Kinde darbringen. Weiterhin bringt Maria das Reinigungsopfer in der fremdartig, aber gross erdachten, in der Tiefe von d?mmerigem Dunkel erf?llten S?ulenhalle des Tempels. Dann f?hrt Joseph die mit dem Kinde auf dem geschirrten Esel sitzende Maria ?ber einen Steg in endlos ausgedehntem Wald, dem eine naturgetreu gezeichnete Dattelpalme ein morgenl?ndisches Gepr?ge gibt; eine lichte Wolke, mit kleinen Cherubim angef?llt, gleitet ?ber den Fl?chtlingen durch die Wipfel der B?ume. Darauf folgt ein k?stlich erfundenes Blatt, welches den ungest?rten friedlichen Aufenthalt der heiligen Familie in ?gypten verbildlicht. In einer Ortschaft, der man die Weltentlegenheit ansieht, wo erhaltene und verfallene Geb?ulichkeiten aneinander lehnen, haben die Fl?chtlinge Unterkunft gefunden. Da liegen sie im Freien ihren t?glichen Arbeiten ob, unweit der Treppe eines halbzerst?rten verlassenen Hauses, neben der ein Laufbrunnen pl?tschert. Joseph haut mit der Axt ein Balkengestell zurecht; Maria sitzt in seliger, stiller Mutterfreude neben der Wiege und spinnt. Drei grosse und ein kleiner Engel umgeben das Kopfende der Wiege; eine Schar von kleinen Engeln tummelt sich mit kindlicher Gesch?ftigkeit, um die von Josephs Arbeit abfallenden Sp?ne aufzuheben und fortzuschaffen; andere bringen, selber spielend, Spielzeug herbei, um das jetzt schlafende Jesuskind nach seinem Erwachen zu unterhalten. Hoch vom Himmel blicken Gott Vater und der heilige Geist herab auf das Idyll, das eines jeden Beschauers Herz erfreut . Darauf folgt gleich die Darstellung der Begebenheit, die zuerst bekundet, dass der Sohn Marias den Kreis des engen Familienlebens verlassen muss, um seinen Beruf zu erf?llen: Maria und Joseph finden den zw?lfj?hrigen Jesus im Tempel zwischen den Schriftgelehrten. Was alles die Mutter an namenlosen Schmerzen erdulden muss w?hrend des Leidens ihres Sohnes, das hat D?rer nur angedeutet in einem einzigen Blatt von ersch?tternder Macht des Ausdrucks: Jesus schickt sich an, den Weg zu betreten, der ihn zu Leiden und Tod f?hrt. Er hat Abschied genommen und wendet sich noch einmal um und segnet seine Mutter, die, auf die Kniee niedergesunken und nur durch die besorgte Unterst?tzung einer Freundin am Umfallen verhindert, in ahnungsvoller Seelenqual die H?nde ringt, w?hrend ihre Blicke sich festzusaugen scheinen an die Augen des Sohnes .
Nach der Fertigstellung dieser sechzehn Bl?tter fehlte nur noch weniges an der Vollendung der Bilderfolge des Marienlebens. Die Ereignisse aber brachten es mit sich, dass dieses Wenige erst nach einer Reihe von Jahren zur Ausf?hrung kam.
Der Umstand, dass D?rers Holzschnitte in Venedig unbefugterweise nachgestochen wurden und dass der deutsche Meister deshalb den Schutz seines Urheberrechtes bei der venezianischen Regierung h?tte nachsuchen wollen, soll die erste Veranlassung zu einer l?ngeren Reise nach Venedig gewesen sein, die D?rer im Jahre 1505 antrat.
Haupts?chlich besch?ftigte ihn aber in Venedig die Ausf?hrung einer Altartafel, die er im Auftrage der dort ans?ssigen deutschen Kaufleute f?r deren Kirche San Bartolomeo malte. Es ist das jetzt im Pr?monstratenserstift Strahow zu Prag befindliche ,,Rosenkranzfest." Darauf sind in einer Komposition von reicher, festlicher Pracht die Jungfrau Maria und das Jesuskind als Spender des Rosenkranzes dargestellt: sie schm?cken die H?upter des Kaisers Maximilian I und des Papstes Julius II mit Kr?nzen von nat?rlichen Rosen; zu beiden Seiten werden eine Anzahl anderer Personen durch den heiligen Dominikus und eine Schar von Engeln in gleicher Weise gekr?nt. Im Hintergrunde erblickt man den Maler selbst nebst seinem liebsten und treuesten Freunde, dem ber?hmten Humanisten Wilibald Pirkheimer; er h?lt ein Blatt in der Hand, worauf zu lesen ist, dass in einem Zeitraum von f?nf Monaten der Deutsche Albrecht D?rer das Werk im Jahre 1506 ausgef?hrt habe . Leider hat das vielbewunderte Gem?lde, das noch vor seiner Vollendung den Dogen und den Patriarchen von Venedig veranlasste, den deutschen Maler in seiner Werkstatt aufzusuchen, das nachmals durch Kaiser Rudolf II f?r eine sehr hohe Summe angekauft und mit unglaublichen Vorsichtsmassregeln nach Prag gebracht wurde, in sp?teren, r?cksichtsloseren Zeiten durch starke Besch?digungen und mehr noch durch schauderhaft gef?hllose, modernisierende ?bermalung der K?pfe von Maria und dem Jesuskind, sowie der Luft und anderer Teile schwer gelitten. Die Sch?nheit der Gestalten und der Komposition, bei der Mehrzahl der Figuren auch den Charakter und den Ausdruck der K?pfe und H?nde k?nnen wir noch bewundern; aber der einst aufs h?chste gepriesene Reiz der Farbe und der meisterlichen Ausf?hrung kommt nur noch stellenweise zur Geltung und l?sst uns die Zerst?rung doppelt beklagen. Eine bessere Vorstellung von der urspr?nglichen Klarheit des Gem?ldes und besonders von dem Kopf der Maria erhalten wir durch eine alte Kopie desselben im Hofmuseum zu Wien, obgleich diese Kopie der Feinheit D?rers, besonders in den K?pfen, bei weitem nicht gerecht wird .
Nebenher malte D?rer in Venedig eine Anzahl von Bildnissen und mehrere kleinere Gem?lde. Das sch?nste von diesen besitzt die Dresdener Galerie in der ergreifenden und malerisch wirkungsvollen Darstellung des Gekreuzigten, die ungeachtet des miniaturartigen Massstabes ein wahrhaft grossartiges Werk ist. Finsternis senkt sich ?ber die Erde herab; nur am Horizont gl?ht ein gelblicher Lichtstreifen ?ber dem Meere. Der Wind macht die Haare und das Lendentuch des Gekreuzigten flattern, dessen hellbeleuchtete Gestalt als das Licht in der Finsternis erscheint. Kein Zucken in dieser Gestalt weist auf die Qual der Schmerzen hin: Ruhe ist ?ber den Dulder gekommen, er hebt das edle Anlitz mit dem Ausdruck ungebeugten Vertrauens empor, und wir vernehmen die Worte: ,,Vater, in deine H?nde befehle ich meinen Geist" . -- In der Barberinischen Sammlung zu Rom befindet sich ein laut Inschrift in f?nf Tagen gemaltes Bild, welches den zw?lfj?hrigen Jesus im Gespr?che mit den Schriftgelehrten darstellt. Es ist die schnelle, wenn auch durch Studien vorbereitete Niederschrift eines Gedankens, zu dem D?rer durch den Anblick von Leonardo da Vincis Charakterk?pfen angeregt worden sein mochte. Das Ganze besteht eigentlich nur aus K?pfen und H?nden; aber diese sind alle gleich ausdrucksvoll . -- Zu den in Venedig entstandenen Portr?ts geh?rt vielleicht das mit der Jahreszahl 1507 bezeichnete Bildnis eines blondhaarigen jungen Mannes im kunsthistorischen Hofmuseum zu Wien, welches bekundet, dass D?rer im Anblick der italienischen Kunstwerke gelernt hatte, alle ihm eigene scharfe Bestimmtheit der Kennzeichnung in ein Gesicht zu legen, ohne dabei die Z?ge so hart zu malen, wie er es in seinen fr?heren Bildnissen gethan hatte . Dieses Bild hat eine besondere Merkw?rdigkeit. Auf die R?ckseite der Holztafel, die vorn den so angenehm aussehenden jungen Mann zeigt, hat D?rer die Avaritia, den Geiz, gemalt in der Gestalt eines h?sslichen, abgemagerten alten Weibes, das einen Sack mit Goldst?cken h?lt und den Beschauer h?hnisch anlacht. Gewiss hat der junge Mann sein Portr?t bei D?rer bestellt gehabt, dann aber nicht bezahlen wollen, und der K?nstler hat seinem ?rger hier?ber Luft gemacht durch die Allegorie, die er breit und mit kr?ftigen Farben auf die R?ckseite des nun in seinem Besitz verbleibenden Bildes hinstrich. -- In dieselbe Zeit mag wohl auch der im Schloss Hamptoncourt befindliche treffliche Bildniskopf eines anderen jungen Mannes mit wollig herabh?ngendem blonden Haar fallen, auf das als ein bisher unbeachtet gebliebenes und durch tadellose Erhaltung ausgezeichnetes Werk D?rers erst k?rzlich die Aufmerksamkeit gelenkt worden ist .
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