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Read Ebook: Die schöpferische Pause by Klatt Fritz

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Ebook has 368 lines and 46754 words, and 8 pages

Anmerkungen zur Transkription

Das Original ist in Fraktur gesetzt. Im Original gesperrter Text ist +so ausgezeichnet+.

Weitere Anmerkungen zur Transkription befinden sich am Ende des Buches.

Zeitwende

Schriften zum Aufbau neuer Erziehung

Fritz Klatt

Die sch?pferische Pause

Drittes bis f?nftes Tausend

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1922

Alle Rechte, insbesondere das der ?bersetzung in fremde Sprechen, vorbehalten. Copyright 1922 by Eugen Diederichs Verlag in Jena

Rhythmische Schwingungen

Alles was der ?berlieferung wert erscheint, ist entweder Gekonntes oder Gewusstes. Jede ?berlieferung hat die Absicht, die J?ngeren zu ihrer +eigenen+ sch?pferischen Leistung und zur eigenen liebenden Weisheit zu f?hren. Wer zu solch eigenem K?nnen, eigenem Lieben, eigenem Wissen kommen will, muss zun?chst einmal das +Werkzeug+ seines Lebens in die Hand bekommen. Er muss seinen ererbten und durch die Umst?nde bedingten K?rper sich zu eigen machen. Und dies kann nur geschehen, wenn der Mensch diesen seinen K?rper einmal wirklich gesp?rt hat. Nur in einer g?nstigen Stunde wird das sein k?nnen. Diese Stunde wird eine Stunde der Bewegtheit sein. Das Lebendige wird dann als das Schwingend-Bewegte im eigenen K?rper gesp?rt werden. Wer einmal so in sich das Leben gesp?rt hat, ahnt, dass diese innere Bewegung gesetzm?ssig verl?uft, dass die Schwingungen dies es +selbst+ gelebten Einzellebens Abwandlungen des allg?ltigen Lebensgesetzes darstellen, des obersten Gesetzes, das in der sichtbaren wie der unsichtbaren Gesamtnatur herrscht und Aufbau und Abbau, Spannung und Entspannung, Kraft und Schw?che in rhythmischer Folge miteinander wechseln l?sst.

Alle Schwingungen des eigenen k?rperbedingten Lebens, die kleinteiligsten wie die weitestschwingenden, sind also jedesmal neuartige Erf?llungen des allgemeinen Gesetzes und k?nnen als solche Erf?llungen +empfunden+ werden. Dieses allgemeine Schwingungsgesetz vom Auf- und Abbau des Lebendigen ist nun so gebaut, dass zwischen Abschwellung und Anschwellung, zwischen Entspannung und neuer Spannung jedesmal eine Pause liegt, eine Pause, in der, ohne dass etwas getan wird, doch der neue Antrieb verborgen liegt. Und auf die +sch?pferische+ Bedeutung dieser Ruhelage vor allem kommt es an, bei all den kleinsten wie den gr?ssten Rhythmengef?gen, durch die das Selbst des Menschen hindurchschwingt.

Blutschwingungen

Die pulsenden Schl?ge des Herzens bilden den kleinteiligsten Rhythmus in der Lebensleistung des K?rpers. Wir wissen es alle, das eigenbewegte Blut ist das Grundfliessend-Bewegte in uns. Hier ist der Rhythmus, der uns mit allem Lebendigen zu unterst in schwingender Verbindung h?lt, zugleich der Rhythmus, der uns in die eigenste und einsamste Absonderung treibt.

Das str?mende Blut verbindet den Leib der Mutter unmittelbar mit dem Kind. Dies ist ja wirklich jedem geschehen. Wer es vermag sich da hinunter zu ducken, dem schlafen alle Sinne ein. Er wird wie durch einen dunkel purpurnen Schlund hinunter gezogen auf den Grund eines Stromes, der zu unterst unter Zeit und Raum, Licht und Dunkelheit fliesst, aus dem alles Lebendige immer von neuem wirbelhaft aufgeschleudert wird, ein Springbrunn von Blut. Weil dieser Springbrunnen so langsam durch die Zwischenschichten: Raum und Zeit und Licht dringt, sind wir meist wie gel?hmt in unserer Verbindung nach dem Grund. Wir sp?ren nur unsern eigenen Auftrieb, nicht das Woher dieses Auftriebes. Nur wenn einer so mitten im Leben einmal, ohne zu wissen warum, an seine Mutter denkt, nicht denkt, sondern so wie von einem Schreck ganz und gar von diesem Gef?hl: Mutter durchschossen wird, in dem spricht dann das Blut aus seiner schwindelnden Tiefe. Er ist nicht mehr einsam, sinkt in den Strom von Familie, Geschlecht, Rasse, verliert sich selbst und wird nur noch Bewegung von irgendwoher nach irgendwohin.

Verbindung nach unten ist das eine, der Auftrieb ist das zweite Erlebnis des Blutes. Zur Absonderung treibt es, zu hundert Zweigungen und ?sten, Liebesgedanken und Lebenswerken und schliesslich zum Tod. Auch dies sp?rt ein jeder, vielleicht wenn er mitten in der Nacht einmal aufwacht und in der grossen Stille seiner Einsamkeit gewahr wird. Oder wenn er mitten in freudevollster Arbeit inneh?lt und die Arbeit seiner H?nde oder seiner Gedanken noch fast unmittelbar als die aus seinem Blut hochgesprossene Bl?te riecht, als die letzte, nun der Erstarrung preisgegebene Endigung abspritzenden Lebens.

Nun kommt alles darauf an, nach der einen +wie nach der anderen+ Seite voll zur Schwingung zu gelangen. Mit willensm?ssiger Anspannung ist nichts getan. Das Herz schl?gt, kann nicht eigenwillig beschleunigt oder verlangsamt werden. Sich geschehen lassen, hingegeben sein, ist hier die Haltung. Alles was Liebe, Wissen, Tod genannt wird, alles was den einzelnen Menschen aus seiner Vereinzelung heraus sich besinnen l?sst, alles was Verbindungen schafft und schliesslich das Opfer des Selbst erfordert, hat hier in der Tiefe des menschenverbindenden Blutstroms seinen sinnlich-sp?rbaren Grund, seine Wirklichkeit. Dies wird sp?ter zu verfolgen sein.

Aber alles was Lust, Freude, Leistung, Leben genannt wird, was den einzelnen Menschen gerade in seiner Vereinzelung, seiner Einmaligkeit steigert und unverwechselbar in seinem eigenen Selbst schwingen l?sst, das ist der Auftrieb aus dem allverbindenden Blutstrom. Davon soll zun?chst die Rede sein.

Atemschwingungen

Die Schwingungen des Atems ?bert?nen die Herzschl?ge. Mehrere Blutwellen gehen w?hrend eines Atemzuges ein und aus. Der Atem geht lauter. Vor allem: die Schwingungen des Atems sind willk?rlich dehnbar. Dabei ist von entscheidender Wichtigkeit, dass die Pause zwischen Ausatmung und neuer Einatmung dehnbar ist.

Diese +Pause+ ist +sch?pferisch+. Aus ihrer Tiefe kann der wahrhaft eigene Atem sich erheben. Bei den meisten Menschen wird diese Gelegenheit immer wieder vorbeigelassen. Ihr Atem schwingt achtlos ?ber diese Besinnungspause hinweg. So kommen alle diese gar nicht zu ihrem Eigenatem, sondern verbleiben in dem allgemeinen Rhythmus ihres durch Vererbung bedingten Gattungs-K?rpers. W?rde man die t?glichen Atemz?ge eines Menschen in schwingenden Kurven darstellen ?ber einer Linie, welche die Ruhepunkte zwischen Ein- und Ausatmen miteinander verb?nde, so w?rde das ein h?chst zittriges und kl?gliches Bild ergeben. Auch w?rde diese Kurve mit dem An- und Abschwellen der allt?glichen Leistungen der Menschen durchaus nicht ?bereinstimmen. Vielmehr werden die Atemschwingungen gew?hnlich kurzwellig und ?ngstlich, wenn die Leistung gr?sser wird. Die Atempausen werden dann nicht innegehalten. Der Mensch dringt nicht bis in die Tiefe der Besinnung hinab, atmet hastig schon wieder ein, wo er eigentlich noch einhalten m?sste.

Es besteht zwischen solchem ?ngstlichen Atem und dem Misslingen der Leistungen ein urs?chlicher Zusammenhang, der durch Selbstbeobachtung leicht in seinem ganzen Umfang aufgedeckt werden kann. Wo dann trotz dieses Widerspruches von Atmung und Leistung Taten entstehen, geschieht das eben auf Kosten der Lebenskraft. Und dieses ist der gew?hnliche Zustand der heutigen Menschen, die durch ihre Arbeit hoffnungslos aufgezehrt werden und oft schon in der Mitte ihres Lebens verbraucht sind.

Das Wissen von dem grundlegenden Wert des Atems ist Urzeitgut aller Menschen. In allen grossen Religionen ist der Heilswert des Atems bewusst in das Ritual eingebaut. Ausatmend wird der Gottheit das Opfer der gesprochenen Gebete dargebracht und nach der sch?pferischen Pause einer inbr?nstigen Besinnung dann die Gnade des Gottes mit dem eingeatmeten Luftstrom in den K?rper aufgenommen.

Es m?sste dann hier der ganze anatomische Vorgang der Atmung und seine entscheidende Bedeutung f?r das K?rperleben dargestellt werden. Und der Doppelstrom religi?ser Inbrunst und naturwissender Klarheit zusammen w?rde dem System der Atemlehre gen?gend Weite geben.

Die Andeutung dieser grossen Zusammenh?nge gen?gt. An der systematischen Erkenntnis allein ist hier wenig gelegen. Nur wer in irgendeiner dunklen Stunde des Einklangs mit sich selbst erlebt hat, wie sein Atem rauschte, und wie der Rhythmus des eigenen Blutes in der Tiefe der Atempause sp?rbar wurde, nur der kann begreifen, dass es sich hier in Wahrheit um das Wesentliche handelt, n?mlich um die Aneignung des Rhythmus, der jeder Regung und Leistung des eigenen Lebens zugrunde liegt.

Der f?hrende Mensch hat an dieser entscheidenden Stelle seine immer wieder neue Bildungsaufgabe, n?mlich den Eigenrhythmus in dem Atem seines Anvertrauten hervorzulocken. Bildung ist nur durch Beispiel m?glich. Die F?hrung an dieser entscheidenden Stelle misslingt naturgem?ss ?berall da, wo der F?hrende seinen eigenen Rhythmus verwirrt oder sich verwirren l?sst. Er merkt es sofort: er hat dann nicht Ruhe zu warten, und wie lange wird er auf den Rhythmus des Anderen lauschen m?ssen, bis er eines Tages wirklich weiss: dies ist sein Rhythmus. Erst mit diesem Klangbild im Herzen wird er ihn nun zu locken beginnen mit einer solchen freudevollen Gewissheit, dass sich der Andere dem gar nicht mehr entziehen kann. Nicht in irgendeinem zwangsm?ssigen Sinn: zu jeder Stunde, wo er merkt, dass jener seinem eigenen Rhythmus nahe kommt, da wird er mit seinem ganzen f?hrenden Wesen zu rauschen beginnen, er wird den suchenden Atemklang des werdenden Menschen mit einem ganzen B?ndel mitklingender T?ne aus seiner eigenen Seele umgeben, dass jener sofort merkt: hier wird etwas in mir. Kein Wort wird die Bedeutung solchen Augenblicks zum Ausdruck bringen k?nnen, h?chstens, dass es im Auge mit aufleuchtet.

Selbstatmend wird er ihm helfen, indem er seine eigenen Atemz?ge einfliessen l?sst in die Atemgezeiten seines Vertrauten, vielmals des Tags bei Arbeit und Freude und manchmal des Nachts in der wechselnden Tiefe des Schlafs. Unmerklich wird er so den Atem des Anderen lenken und vielleicht durch sein immerw?hrendes Beispiel ihn verm?gen, ?fter und tiefer herabzusteigen zu der Ruhelage seines eigenen Selbst. Nur in v?lliger Selbstlosigkeit und ohne Machtgel?ste und ohne zur Schau getragene Absichtlichkeit darf diese Lenkung geschehen. Vielleicht wird der Atem auch bewusst ge?bt werden k?nnen. Die Gefahr dabei ist, dass der erste Antrieb, die dunkle Sehnsucht zum Eigensten, verdeckt wird durch die besondere Lust, die jedes K?nnen durch sich selbst bereitet. Der F?hrer, der stets jenes erste Klangbild von dem Atemrhythmus des J?ngeren in sich bewahrt, wird dann an irgendeinem Tage ihm auf die Schultern klopfen und ihm begreiflich machen: so ist das Bild, und dein K?nnen bleibt an dieser Stelle. Stimmt das noch?

Tagesschwingungen

Der durch den schwingenden Atem immer sicherer werdende Eigenrhythmus wird auch allm?hlich helfend sp?rbar werden, wo das Selbst des Menschen durch gr?ssere Zeitteile des Lebens hindurch schwingt. Alle diese gr?sseren Rhythmengef?ge, die da in Betracht kommen, unterscheiden sich in +etwas+ grunds?tzlich von dem Blut- und Atemrhythmus. Der schwingende Atem erbaut seine Periodik nach einer gewissermassen in dem Menschen selbst befindlichen Schwingungszahl. Diese gr?sseren Rhythmengef?ge aber, von denen nun die Rede sein wird, schwingen ausserhalb des Menschen selbst. Auf ihre Periodik hat er keinen willensm?ssigen Einfluss. Hier bleibt immer nur die Frage: wie schwingt sich sein Selbst durch diesen fest bestimmten und unver?nderlichen Lauf der Gezeiten? Oder anders gewandt: Wie behauptet sich sein Selbst in der Zeit?

Genau so achtlos und ihrer selbst unbewusst wie die Menschen gew?hnlich hinwegatmen ?ber ihren eigenen Rhythmus, genau so mechanisch leben sie im allgemeinen ?ber die durch den Umlauf der Gestirne bedingten kleineren und gr?sseren Gezeiten hinweg, ohne ihren eigenen Rhythmus darin zu behaupten oder auch nur zu erkennen. Deutlich wird dieser Zustand an der Tatsache, dass der Kalender zu einer ganz mechanisch benutzten Zeittabelle herabgesunken ist. Der Abreisskalender ist heute das Symbol f?r diese achtlos wegwerfende Geb?rde der Menschen. Man reisst die Tage in seinem Leben ab, achtlos einen nach dem andern und so die Wochen, Monate, Jahreszeiten und Jahre.

Niemand fragt: was ist das nun, Tag? Diese durch den Sonnenlauf gesetzm?ssig bedingte Einheit, geteilt in Tag- und Nachth?lfte, dieser Doppelrhythmus, ansteigend und absteigend von Morgen zu Abend und abermals absteigend und ansteigend von Abend zu Morgen. Niemand fragt auch die zweite darin enthaltene Frage: wie behauptet sich nun das Selbst des Menschen in diesem rhythmisch schwingenden Tageslauf?

Diese beiden Fragen sind aber von grundlegender Bedeutung f?r den Lebensaufbau. Es muss geschehen, dass der Mensch diese rhythmische Urgewalt von Tag und Nacht immer von neuem wieder sp?rt und liebend erkennen lernt und sein Selbst darin einf?gen lernt. Zun?chst also dies: von der einfachen Schwere dieses gesetzhaften Ereignens: Tag und wieder Tag und wieder Tag! muss der Mensch bis zum Rand voll werden. Er muss leben k?nnen wie ein Vogel oder ein Waldtier, hingegeben und ganz abh?ngig von der ewigen Wiederkehr der Tage. Ganz klein und schwach muss er werden, willenlos sich ?berlassen dieser reissenden Gewalt des Sonnenlaufs. Er muss sich mit aufnehmen lassen von dem grossen Schwung des Morgens, er muss sanft und langsam mit hinabschwingen bis zur mitt?glichen Pause. Er muss dann mit dem Nachmittag schwerer sich noch einmal aufschwingen und dann endg?ltig hinabschwingen in die Ruhe der abendlichen Pause, in den Feierabend. Die grosse Frage jedes Tages ist also: wie ist es m?glich, sich ganz offen zu halten, sich ungehemmt von den rhythmischen Wellen der Sonnenwiederkehr durchfluten zu lassen?

Das ist nur m?glich, wenn der K?rper des Menschen mit dem Tag, durch den er hindurchschwingt, gleich gestimmt wird. Wie schwingt nun das Selbst des Menschen durch seinen eigenen K?rpertag? Ein jeder weiss ja ungef?hr von diesem seinem t?glichen Auf- und Abbau, aber das Wissen darum ist eben ganz l?ckenhaft und das Gesetz, das da zugrunde liegt, bleibt unvollkommen erkannt und st?ckweis befolgt.

So ist der t?gliche Auf- und Abbau des Menschen, der Stoffwechsel, zu beschleunigt oder zu stockend geworden, weil er von Jugend an sein eigenes Gesetz nicht recht beachtend, zu viel oder zu wenig oder unzutr?gliche Nahrung zu sich nimmt und dementsprechend die Abfallstoffe nicht gen?gend ausscheidet. Unreinheit des Blutes, Stocken des ganzen S?fteumlaufs ist die Folge. Nach aussen braucht das oft gar nicht so sichtbar zu werden. Oft aber ist es sp?rbar als ein fader oder gar schlimmer Geruch, der sich von dem K?rper erhebt. Allgemeine Nahrungsgesetze und chemische Tabellen k?nnen hier nur den ?usseren Rahmen einer vern?nftigen Ern?hrung bestimmen. Nur unmerklich und zwanglos kann der F?hrer hier sein Amt erf?llen. Der junge Mensch muss einfach eine nicht einseitige, sorgf?ltig und liebevoll bereitete und in jedem Fall reine Nahrung erhalten und nach seinem Beispiel allm?hlich freudig und nachdenkend essen lernen. Er wird lernen, wie diese Nahrungsstoffe gewachsen, zusammengesetzt und wie sie zubereitet sind, vor allem aber wie sie auf sein Selbst wirken. Er wird lernen, wieviel von Aufbau bewirkenden und Ausscheidung bewirkenden Stoffen er braucht, in welchen Abst?nden er essen muss und in welchen Abst?nden er wiederum sich der Abfallstoffe entledigen muss.

So wird der junge Mensch allm?hlich ?berall die noch nicht vom eigenen Rhythmus beseelte Schwere seines K?rpertages zu sp?ren beginnen. Alle die vielen Menschen, die noch keinen eigenen K?rper besitzen, die h?chstens ?ber dem mit Kleidern behangenen Rumpf einen eigenen Kopf besitzen, werden schwer begreifen, um was es sich hier handelt, n?mlich um die Eigenbeweglichkeit des Menschen. Der F?hrer wird lange hinh?ren m?ssen, wo und wann es sich zuerst in dem K?rper seines Vertrauten regt. Am Morgen vielleicht, wenn die ersten Bewegungen des K?rpers noch gegen die Ruhelage der Nacht am ausdrucksvollsten sich abheben, wird er sagen k?nnen: so st?rmisch oder so bed?chtig ist sein wahrer Tagesrhythmus. Die Muskeln und Sehnen werden entweder verkrampft sein oder zu wenig entwickelt. Die Verdauung wird zu schnell oder zu langsam arbeiten. ?berhaupt der ganze Mensch wird entweder zu gespannt oder zu schlaff sein. Das ist eine Abweichung von dem wahren Selbst dieses Menschen, der sich in seiner ganzen Sch?nheit dem F?hrenden vielleicht einmal in der gelockerten Haltung des Schlafes oder in einer unbewussten Geb?rde irgendeines wilden Tages +wesentlich+ offenbart hat.

Diese Abweichung im Sinne zu grosser Spannung oder zu grosser Entspannung wird vielleicht durch ?bung der einzelnen Glieder und des ganzen K?rpers aufgehoben werden k?nnen. Solche gymnastische ?bung braucht nun keineswegs jeden K?rper wom?glich nach demselben System gleichm?ssig in allen seinen Teilen durchzubilden. Wie bei der Ern?hrung kann das System nur der ?ussere Rahmen der K?rper?bungen sein. Die +Schwingung des K?rpertages+ muss durchschlagen, muss allein bestimmend sein f?r die Wahl, Anzahl und Zusammensetzung der ?bungen. Oft werden auch gar keine ?bungen n?tig sein. Das grosse Ziel, das immer im Auge behalten werden muss, ist allein dieses: wie der ganze Mensch ist, so sollen seine Geb?rden, sein Gang, seine Haltung, alle seine Bewegungen sein, ein immer lebendiger unverwechselbarer Ausdruck +seiner+ Tage.

Beides zusammen, der Stoffwechsel im Innern des K?rpers und die Bewegung des K?rpers nach aussen, erbauen das Gef?ge des K?rpertages. Dieser tagt?glichen Wahrheit gilt es ganz eingehend in sich selbst nachzusp?ren: wie die von aussen genommenen t?glichen Aufbaustoffe innen im K?rper verarbeitet werden und sich wieder nach aussen in die t?gliche Bewegung des K?rpers umpr?gen. Die Geb?rde, d. h. die gesamte Eigenbeweglichkeit der Menschen ist ganz entscheidend von der Ern?hrung abh?ngig. Die auff?llige Verschiedenheit des Menschenschlags in oftmals nahe beieinanderliegenden Gegenden ist aus der verschiedenen Nahrung zu erkl?ren. In Gegenden, wo viel Fleisch und Fett gegessen wird, bildet sich ein schwerer Schlag aus, Menschen von langsamen, nachdr?cklichen, schwerfl?ssigen Geb?rden. Und wie im kleinen so sind auch sicherlich die wenigen grossen Rassen der Menschheit in ihrer k?rperlichen Artverschiedenheit nicht nur durch das Klima bestimmt, sondern auch durch grundlegend verschiedene Ern?hrungsgewohnheiten. Davon h?ngt wesentlich ab, was in Geb?rde und Geruch bei den anderen Rassen anders ist und oftmals gerade die un?berwindliche Abneigung der Rassen voreinander, den Rassenhass, im tiefsten und unbewussten Sinne begr?ndet. Die Menschen k?nnen sich tats?chlich nicht riechen und geraten in Wut, wenn sie die grundanderen Geb?rden der anderen Rasse sehen.

Die wenigen selbst?ndigen Menschen, die Rassenhass wirklich ?berwinden k?nnen, sind nicht etwa die geistig Selbst?ndigen , sondern die k?rperlich Selbst?ndigen, welche Eigengeruch und Eigenbeweglichkeit besitzen. Sie allein k?nnen die rassenfremde K?rperlichkeit als etwas Schicksalhaftes begreifen, vielleicht sogar als etwas Fernes lieben, wie sie ja auch die Masse der eigenen Rassegenossen l?ngst als k?rperfremd und fern zu empfinden gelernt haben. Nur die wenigen Menschen, die sich ihren K?rper zu eigen gemacht haben, also ihr k?rperliches Selbst beherrschen und lieben k?nnen, finden stillschweigend ?ber alle Rassenunterschiede hinweg unmittelbaren Zugang zueinander. ?ber alle die andern kommt notwendig immer wieder der wilde, leidenschaftlich sch?ne Hass, der letzten Endes zu Krieg und Vernichtung f?hrt, aber zuvor freilich auch die herrlichsten Werke des Glaubens und der Kunst im Wetteifer gegeneinander emporstellen hilft.

Das Bild eines Tages

Der f?r jeden Menschen nach einem ganz allein ihn selbst angehenden Gesetz gebaute +K?rpertag+ f?gt sich ein in den grossen, f?r alle Menschen, ja f?r alle Lebewesen gleichgestimmten +Sonnentag+. Diese t?gliche Durchdringung von K?rper- und Sonnentag wird sich nun vielleicht f?r die gemeinsam Suchenden, f?r F?hrer und Gemeinde in den gemeinsam durchlebten Tagesl?ufen, allerdings langsam genug, ergeben.

Am fr?hen Morgen entscheidet sich das Schicksal jedes Tages. Die aufspringende Wucht des Morgenanstiegs muss vor allen Dingen ungehemmt bleiben. Die in der Nacht abgebauten Stoffe m?ssen da sorgf?ltig aus dem K?rper entfernt werden, so dass der K?rper von innen und aussen leicht und rein in den Morgen geht. Aus der Ruhelage der Nacht schiesst die Morgenkraft des Sonnentages auf. Dies Schwebende, Schiessende, Spriessende des Morgens ist so unbeirrt stark und eigenst?ndig, dass der Mensch sich davon tragen lassen muss. Alles muss er tun, um seinen K?rper leicht zu machen, dass er die Schaukel jedes Sonnentages bei ihrem Aufschwung m?glichst wenig beschwert. Erwachend, muss er seine Atemschwingungen gleich leicht machen, die Schwere des Schlafes ausatmen. Sich dehnend, wird er die schlafgebundenen Glieder wieder beweglich machen. Er wird den ganzen K?rper durch ein Bad von aussen und durch die Abf?hrung der Abfallstoffe von innen reinigen. Mit aller Inbrunst wird er sich dieser Bereitung seiner selbst hingeben, wissend, dass er nur so in den aufschwingenden Takt des Tages rasch und leicht hineinkommen kann. Nun muss er sich tragen lassen von dem Aufschwung des Morgens und alles Eigenwillige unterlassen. Wenn er durch eine grosse Morgenmahlzeit dem K?rper sehr viel Aufbaustoffe zuf?hrt, ist es vorbei mit diesem Sichtragenlassen. Nicht viele schwere fett- und mehlhaltige Stoffe wird er zu sich nehmen, sondern viel eher irgend etwas Zartes und Aromatisches. Der F?hrende kann hier seinen Anvertrauten viel helfen, indem er all das, was die bequemliche Gewohnheit alternder Menschen dem Morgenanstieg in den Weg gebaut hat, ihnen fortr?umt oder vielmehr erst gar nicht an sie heranl?sst. Er wird einfach bei jedem Einzelnen abwarten, ob er auch wirklich das Verlangen hat, solche schweren Dinge fr?hmorgens zu essen. Diese t?gliche Morgenfrage muss eben t?glich von neuem eine Frage sein, darf nicht durch einen immer wieder in der gleichen Weise besetzten Fr?hst?ckstisch abgestumpft werden. Erst dann wird allm?hlich jeder Einzelne lernen, was und wieviel und zu welcher Zeit er etwas fr?hst?cken soll, ohne sich f?r +seinen+ Tag zu belasten.

Die aufsteigende Kraft des Morgens wird sich nun voll und freudig in Arbeit umsetzen k?nnen. Die fr?hen Morgenstunden sind die Stunden der sch?pferischen Leistung. Das kann nun k?rperliche wie gedankliche Leistung sein. In jedem Fall aber muss die Arbeit getragen sein von dem Morgen, muss dr?ngen und str?men und jubeln mit dem steigenden Bogen der Tageskraft. Wo die Arbeit des fr?hen Morgens etwa durch ihre Schwere oder ihre Zerstreutheit oder ihre Gleichf?rmigkeit zu unlustiger oder gedankenloser Verrichtung zwingt, ist gleich der ganze Tagesschwung in seiner aufspringenden Wucht gef?hrdet. Der Mensch ergibt sich dann wohl auch, tr?gt seine Arbeitslast geduldig oder ungeduldig bis zum Abend fort, aber Lust und Freude ist dahin. Der lebendige Wettlauf der eigenen Kr?fte mit der steigenden Sonne ist am Anfang gleich unm?glich gemacht. Das ist das Schicksal der meisten k?rperlich wie geistig arbeitenden Menschen unserer Tage geworden.

Hier gilt es umzuordnen. Die wahrhaft dr?ngende, die sch?pferische Arbeit muss an den Morgen des Arbeitstages geschoben werden. Feld- und Gartenarbeit in dem aufdampfenden Erdboden mit den erwachten Pflanzen ist so dr?ngende Arbeit. Auch das Versorgen der morgenkr?ftigen Tiere im Stall ist so dr?ngend. Die Vorbereitung und Zubereitung der Speisen f?r die beiden Tagesmahlzeiten in der K?che, das Schaben und Putzen, Kochen und Backen der frischen, wohlriechenden Dinge, die dem t?glichen K?rperaufbau dienen sollen, auch das ist solche dr?ngende Arbeit. Dies alles muss den jungen werdenden Menschen fr?h schon nahegebracht werden, nicht als harte Notwendigkeit, sondern als spielendes, freudevolles Tun. Bei solcher dr?ngenden Morgenarbeit m?ssen sie spielend erst, dann helfend dabei sein. Solche dr?ngende Wucht und str?mende Notwendigkeit muss zum mindesten hinter aller Morgenarbeit jugendlicher Menschen stehen. Sch?pferische Arbeit muss es sein. Alles handwerkliche und k?nstlerische Tun und jede Unterweisung darin geh?rt in den Morgen des Tages. Es ist ein trauriges Ergebnis, wenn man die >>Stundenpl?ne<< der Schulen und Hochschulen daraufhin pr?ft.

Die Kraft des aufsteigenden Tagesbogens reisst Tat- und Gedankensch?pfung mit sich empor. Das entstehende Werk wird durch die mitschaffenden Elementarkr?fte des Morgens mitgetragen und von jeder anhaftenden Schwere und Eigenwilligkeit seines Erschaffers befreit. Die ansteigende Bogenkraft des Tages kann sich dehnen und manchmal ein stundenlanges Aufsteigen gew?hren. Stunden der Schaffenskraft, in denen der Mensch sich getragen f?hlt, in denen die schaffende Kraft durch ihn hindurch durch die Vermittlung seiner H?nde und seines Geistes die Dinge ordnet und auferbaut.

Aber der Aufstieg wird auch aufh?ren. Die Stunden des Abbaus beginnen. Auch hier muss der Mensch f?r seinen K?rpertag lernen, dem Willen des Sonnentages nachzugehen. Wo der F?hrer bei seinen Vertrauten die ersten Zeichen der Erm?dung versp?rt, muss er die Kraft haben, den Gang der Dinge zu unterbrechen, zu sagen: jetzt ist's genug. Jetzt tun wir etwas anderes. Er muss sie nun zu reproduktiver, zu mechanischer, zu ?bender Arbeit hin?berleiten. K?rperliche ?bungen, Ged?chtnis?bungen, Sprach?bungen, belehrende Unterredung ?ber die Geschichte der Natur und des Menschen geh?ren in diese absteigenden Vormittagsstunden. Fallende, nicht steigende Kraft treibt hier das R?derwerk der Arbeit, bis die Tiefe des Tages, die Mittagspause, erreicht ist.

Nur wer im hohen Sommer die mitt?gliche Ruhe der Natur einmal wirklich erlebt hat, kennt den Sinn des Mittages. Der Mensch muss hier in sich selbst versinken, ganz zur Besinnung, zur Ruhe kommen. Und als erste k?rperliche Aufbauregung wird nun der Hunger kommen, das Verlangen nach aufbauender Nahrung, und dieses Verlangen wird befriedigt werden im Mittagessen, das wahrhaft eingebettet sein muss in die sch?pferische Pause des Tages. Das Essen wird in Stille und Freudigkeit eingenommen werden und ganz hingegeben an den aufbauenden Sinn des Essens. Wenn es in Gemeinschaft geschieht, d?rfen sich die Menschen dabei gegenseitig nicht mehr st?ren durch viel Gespr?ch und irgendwelche Anforderungen aneinander. Das Beispiel des F?hrenden wird hier wirken und allm?hlich eine rechte Tischgemeinschaft unter seinen Anvertrauten schaffen m?ssen.

Nun wird der Nachmittag heraufsteigen; sein Anstieg hat nicht die Wucht des Morgenanstiegs, dem Eigenwillen der Menschen ist nun viel mehr Freiheit gegeben. Die durch das Essen zugef?hrten Stoffe m?ssen im K?rper verarbeitet werden. Darum ist die Lust, an irgendwelche Arbeit nach aussen Kraft abzugeben, gering. Besonders bei Kindern, die noch im Wachstum sind, ist der nachmitt?gliche Arbeitswille gering. Viel eher ist es dem kindlichen Leben gem?ss, am fr?hen Nachmittag zu spielen und herumzulaufen, und am sp?ten Nachmittag erst wird sich das Kind wieder zu kurzer Arbeit entschliessen k?nnen. Wo Kinder fr?hzeitig zur Nachmittagsarbeit gezwungen werden, geht das sicherlich auf Kosten ihres K?rperaufbaus. Wenn sp?terhin die dem Kindesalter entwachsenen Menschen am Nachmittag noch schaffende Arbeit tun wollen, m?ssen sie wissen, dass diese Arbeit schwere Arbeit ist. Sie wird dem K?rper abgerungen und ist nicht so str?mend und so dr?ngend wie die Morgenarbeit. Der Fluss der Leistung ist z?her, von dem bewussten Willen abh?ngiger. Entwerfen, Planen, Beginnen geh?rt in die Morgenstunde. Aber das Durcharbeiten und Pr?fen, ?berdenken, Ver?ndern, Vollenden geh?rt in den Nachmittag. Nachmittagsarbeit ist langsamer und stockender, von vornherein auf die ?berwindung von Hindernissen eingestellt. Schwere problemreiche Arbeit von wissenschaftlich-philosophischer Art geh?rt in den Nachmittag, als ein +Sieg+ des Geistes ?ber k?rperliche Schwere.

Dieser Sieg kann naturgem?ss nur dann errungen werden, wenn die Wechselbeziehung zwischen der f?r den K?rperaufbau notwendigen Kraft und der freiwerdenden Arbeitskraft genau bekannt ist. Der F?hrende wird jeden seiner Anvertrauten von fr?h auf genau beobachten m?ssen, damit er ihm sp?ter auf seine Fragen Aufschluss geben kann. Und alsdann wird es f?r alle einzelnen Glieder der Gemeinschaft allm?hlich klar werden, dass sie ihr Mittagessen nicht allein nach ihrem Hunger bemessen d?rfen, sondern auch noch irgendwie mit ihren vielleicht sehr verschiedenen Tagesabsichten in Einklang bringen m?ssen! Ein wahrhaft sch?pferischer Tag l?sst Hungergef?hl oft erst sehr versp?tet oder gar nicht aufkommen.

Wenn stundenlang schwere und m?hsame Arbeit getan ist, kommt die Abspannung des Gesamttages. Der Mensch geht in den Abend des Tages ein. Und damit erreicht er wieder die sch?pferische Pause. Er ?berl?sst sich der Ruhe des Sonnentages. In kleinen St?dten und auf dem Lande setzen sich zu dieser Stunde die Menschen auf die Bank vor dem Hause oder gehen ?ber die abendlichen Felder. Aus dem Zusammenklang der inneren Abendruhe des Menschentages mit der ?usseren Abendruhe des Sonnentages wird Feierabend. Des Morgens darf der K?rper nur m?glichst wenig belastet werden, um den Morgenaufschwung nicht zu hemmen, am Mittag muss das Gleichgewicht zwischen K?rperaufbau und Tagesleistung geschaffen werden. Am Abend aber erh?lt der Tag seine Schwere. Das aufbaubegehrende Gef?hl des Hungers bekommt das entscheidende ?bergewicht, das Abendessen wird die Hauptmahlzeit des Tages.

Ein richtiges Gleichgewichtsgef?hl wird den Abstand zwischen Abendmahlzeit und Schlafengehen richtig bemessen. Unmittelbar nach der Mahlzeit ist noch ein St?ck grober Verdauungsarbeit zu tun. Jeder Mensch muss f?hlen lernen, wieviel Zeit er dazu braucht. Es ist schlecht m?glich, diese Arbeit im Schlaf zu tun. Und so wird das Essen unmittelbar vor dem Schlafengehen eine Unm?glichkeit.

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