Read Ebook: Ein Sommer im Orient by Warsberg Alexander Freiherr Von
Font size:
Background color:
Text color:
Add to tbrJar First Page Next Page Prev Page
Ebook has 810 lines and 138064 words, and 17 pages
Der F?rst Cousa, S. 268-270.
Gassen- und Friedhofsbilder, S. 270-272.
Mondnacht und Meerfahrt, S. 272-274.
Schreibweise und Formengef?hl der Orientalen, S. 274-277.
Gang +auf+ den Stadtmauern der Landseite, S. 277-281.
Die Cisternen des alten Constantinopel, S. 282-288.
Handelsverkehr im goldenen Horne, S. 288-289.
Eine Nacht in den Ruinen des byzantinischen Kaiserpalastes, S. 289-300.
Die heutigen Sultanspal?ste, das Geburtsfest Abdul Aziz', diplomatischer Empfang in Dolma Bagdsche, das Schloss, die Garden des Sultans, Beleuchtung der Stadt und des Bosporus, Ball bei Ali Pascha in Bebek, Heimfahrt vom Balle auf einem Dampfer, S. 300-311.
Die Reste der Denkmale des alten Constantinopel, S. 311-317.
Vogelschau von dem Seraiskeriatsthurme, die Lage und die Grenzen des alten Byzanz, seine Zerst?rung durch Septimus Severus, Dio Cassius dar?ber, die neue Stadt- und Palastanlage des Constantin, S. 318-329.
Kahnfahrt nach Prinkipo, S. 330.
Die Insel Chalki, S. 331-333.
Das Georgskloster auf Prinkipo und der wahnsinnige Schiffscapit?n, S. 333-335.
Geschichtliche Erinnerungen dieser Inseln, das Grab der Kaiserin Irene, st?rmische Seefahrt um Prinkipo, das Kloster und die M?nche des h. Nikolaus, S. 335-341.
Bujuk-Dere, das Thal, die Bucht, der Ort und seine G?rten, S. 342-345.
Besteigung des Bulgurlu, S. 345-348.
Der Riesenberg, das fabelhafte Grab auf seiner Spitze, das Genueser Schloss, Alter seiner Anlage, ?lteste Tempel und Stadtbauten hier, neuentdeckte Inschrift, Lorbeerb?sche und Fabel dieses Strauches, S. 348-356.
Spaziergang zum schwarzen Meere, S. 356.
Kiredsch-Burun und der Schl?ssel des Pontus, S. 357-359.
Der Kabatasch Dag und seine Aussicht, S. 359-361.
Kastanjesu und sein Thal, S. 361-363.
Rumili Kawak, verlassener Wachtthurm, Hochebene auf den europ?ischen Uferbergen und weiter Blick auf das schwarze Meer, Scene mit t?rkischen Marinesoldaten, S. 363-368.
Die Gartenanlagen des Bosporus, in Jeni K?i bei dem Logotheten Aristarchi und in Kandlische bei Fuad Pascha, Sonntagsfeier in Tschibukly, S. 368-371.
Geologische Bildung des Bosporus, die Cyaneen, Fahrt dorthin und Besteigung derselben, S. 371-376.
Das Paradies, lorbeerbekr?nzter Esel, S. 376.
Unter der Platane Gottfried's von Bouillon, S. 377-380.
Chunkjar Iskelessi, seine Platanen und seine Wiese, Spaziergang nach Tokat, ein Feiertagsabend am Bosporus, S. 381-383.
Das Lager zu Maslak, unterirdische G?nge dort entdeckt, S. 383-385.
Monastir Deressi, S. 385.
Die armen Seelen des Bosporus, S. 386.
Die Jasonsage, ein neuer Versuch ihrer Erkl?rung, S. 388.
Therapia, S. 393.
Die s?ssen Wasser von Asien, S. 394.
Ein Abend auf dem ~Quai de Bujuk-Dere~, S. 395.
Wallfahrt nach Belgrad zu den Erinnerungen an Lady Montague, S. 396.
Eine neue Gefahr der orientalischen Frage, S. 399.
Abschied von Constantinopel und Schiffbruch im Hafen, S. 402.
Fahrt durch das Marmora-Meer, S. 403.
Im Archipel, Eub?a, Cap Sunium und seine Tempelruine, Aegina, das attische Festland, poetische Abendfeier, neugriechische Unwissenheit altgriechischer Heldenthaten, S. 405.
Athen, unpraktische Anlage der neuen Stadt, baierisches Uebersehen der nationalen Eigenth?mlichkeiten, Sonnenaufgang auf der Akropolis, der Zeustempel, das Dyonisische Theater, die Strasse der Dreif?sse, der Theseustempel, neuentdeckter antiker Friedhof, die H?gel zu F?ssen des Burgfelsen, S. 409-418.
St?rme im ?ginetischen und adriatischen Golfe, Heimweh nach dem Orient und Vision seiner geschauten Herrlichkeiten, S. 419.
Triest, H?tel de la Ville, den 13. Mai 1864.
Briefe und die letzten Vorbereitungen f?llten den gestrigen Tag. M?de und abgespannt, eigentlich krank und fiebernd stieg ich in Graz Abends 6 Uhr in den Eisenbahnwagen; erst da ich heute Morgens das Meer wieder sah und dem alten Lieblinge das freudige ???????! ???????! entgegenrufen konnte, ward mir wieder wohl in Leib und Seele.
Die Nacht war kalt gewesen, wie wenn dem Kalender zum Trotze der Winter noch fortdauere. Oder wollte sich die Heimath nur eindringlich dem Scheidenden in's Ged?chtniss heften? Umsonst die Angst, dass ich sie vergesse! es liegt ja die Nothwendigkeit der R?ckkehr vor mir. Lange konnte ich den Schlaf nicht finden; daf?r fand ich in der Ungest?rtheit des Alleinseins mich selbst wieder, der sich in den Sorgen und M?hen der letzten Monate verloren hatte. Es ist das ein Vortheil des Reisens, dass es uns mit der Unabh?ngigkeit auch die unabweisliche Selbst?ndigkeit gibt; herausgerissen aus der Bequemlichkeit der gew?hnlichen Verh?ltnisse, zwingt es uns die Gedanken und die Hilfe, die wir sonst rechts und links neben uns schon hergerichtet fanden, nunmehr in uns selbst zu suchen. Menschen, die sich bisher noch gar nicht kannten, haben sich oft am ersten Reisetage erst erkennen lernen. Ein Gang in die weite Welt ist die beste Schule f?r das Leben, und gerade f?r uns Kinder der Civilisation eine um so unentbehrlichere, als wir in stubenhockerischen Gewohnheiten den Contact mit der Natur verloren haben. Diese und sich selbst findet der verzogene Mensch dort wieder und so auch die Freiheit, die nur dort ist, wo der Mensch allein, oder wo er fremd unter Hunderten seines Gleichen steht.
Nach 6 Uhr erwache ich. Ich sehe den Karst, auf dessen H?he wir fahren; die Sonne ist vom Regen versteckt, der die Steinfelder dieser Berge noch unwirthlicher als sonst erscheinen l?sst. In Nabresina h?lt der Zug; die Bahn nach Italien trennt sich hier von der, welche den Karst hinab nach Triest f?hrt. Der Bahnhof ist gross und zweckm?ssig eingerichtet. Schon singt Alles das Italienische. Erfreut durch die bekannten Kl?nge beobachte ich das zu- und abstr?mende Gedr?nge. Ein Conducteur war mir darin aufgefallen, weil seine Blicke mich unabl?ssig verfolgten. War der Mann ein Vertrauter der Polizei und hielt er mich f?r einen Fl?chtling? Jetzt dr?ngte er sich zu an die offene Wagenth?re, umfasste meine Knie, er hatte mich erkannt! Es war Venerando, der Gondolier, der mich in Venedig immer gef?hrt hatte. Wie aber auch h?tte ich ihn, den zierlichen, schlanken Burschen, der mich so oft in der ?rgsten Sommerhitze, nichts als ein Hemd und die leichte Hose an, nach dem Lido, nach den Inseln, nach Torcello oder nach San Francesco del Deserto gerudert hatte, in der steifen, zugekn?pften Eisenbahnuniform erkennen sollen? Fr?h Morgens schon klopfte er damals an meine Th?re. Ich wollte die Leute schonen und so verneinte ich die Absicht einer Fahrt. Er aber kannte die stille Neigung meiner W?nsche und aufopfernd wusste er mich bald zu ?berreden, mich ihm und seinem Genossen hinzugeben. Landeten wir dann nach stundenlanger Fahrt an einsam abgelegener K?ste und hatte ich die Fr?chte, die ich mitgenommen, mit ihnen getheilt, so geleitete er mich in das Innere des Landes, dem Fremdlinge die herrlichen Reste einer abgestorbenen Kunst mit all' dem Sch?nheitssinn und all' der Liebe zu seinem Vaterlande zu erkl?ren, die dem S?dl?nder, und dem Italiener insbesondere, eigen sind. War ich m?de geworden, so ruhten wir neben einander auf dem Strande aus, dem das Meer mit leicht aufschlagenden Wellen, die immer n?her unsern F?ssen kamen, vertraute Gr?sse aus entlegenen Fernen zubrachte. Sein fortw?hrendes Gelispel machte die Rede meines Venerando noch geschw?tziger. Von Venedig erz?hlte er mir, das vor uns lag im Dufte gluthvoller Mittagssonne, von den Lagunen und von den Geheimnissen, die sich n?chtlich darauf begeben; zuweilen auch, wenn ich ihm besonders geneigt schien, von sich und seinen Freunden und dass er schon einmal das Messer gez?ckt, weil man seinem Weibe zu nahe treten wollte. Ich h?rte ihm immer mit regem Interesse zu; seine Worte waren gut gew?hlt und seine Stimme klang melodisch. Erst Abends, wenn die Sonne schon auf den schneeigen Gipfeln der Alpen ruhte, ruderte er mich zur?ck durch das purpurfarbene Meer nach der goldbeth?rmten, kuppelbedeckten Stadt. Mit mir trug ich kostbare Erinnerungen, die ich unvergesslich festhalte und ihm treulich danke. Sein Gef?hrte hiess Beppo, aber er war vergleichsweise unbedeutend.
,,Venerando", rief ich auch heute meinem Freunde wieder, ,,wie ist es m?glich, Du, der sch?nste, der schnellste Gondolier des ganzen Venedig, hier in diesem Kleide Conducteur einer Eisenbahn?" -- ,,Konnt' ich anders, Signore? Ich bin verheirathet, habe Kinder, und meine Frau meinte, ich solle von meinem m?chtigen Dienstherrn das F?rwort zu einer Staatsanstellung erbitten. Das sei ein bleibender Verdienst, sichere mir das Alter, ihr und den Kindern sogar f?r den Fall meines Todes das Leben. Und ich liebe mein Weib ?ber Alles, wie h?tte ich ihr diesen Wunsch nicht erf?llen sollen?" -- Ich begriff und schwieg, denn selbst ein Wort des Mitleidens w?re Kr?nkung gewesen. Der Mann f?hlte ohnedem seine ganze Herabw?rdigung tief genug, das zeigte seine Haltung und der niedergeschlagene Blick seiner Augen. Aber so sind die Weiber! das H?chste wie das Niedrigste k?nnen nur sie aus den M?nnern machen. Und doch gibt's noch Eingebildete, die sich die Herren der Sch?pfung tr?umen!
Ueber andere Dinge wechselten wir noch einige Worte, der Anklang an die fr?here Zeit erheiterte sie; dann trennte uns die Pfeife und das Weitergehen des Zuges. Wir haben es uns nicht gestanden, aber er muss die Freude des Wiedersehens aus meinen Blicken wie ich aus den seinigen gelesen haben. Wozu auch reden, wenn die Augen aufrichtiger als alle Worte sprechen!
Gleich hinter Nabresina ?ffnen sich zwei Felsen, zwischen denen durch und ?ber die vorliegenden Steinmassen hinab man sonst den ersten Blick aus das Meer hat. Heute erschienen dort nur undurchsichtige, regenhaltige Nebel. Aber wenige Windungen weiter, wie sie die Bahn so vielf?ltig ?ber diesen Gebirgsr?cken schlingt, jetzt eine die entschieden gegen S?den wendet, und ?berm?chtig, durch keinen Nebel und durch keine Wolken, nicht durch Regen und auch durch die Nacht nicht mehr verbergbar liegt das Meer weit ausgebreitet, rechts unten an den Felsenh?ngen, Alles beherrschend, die Natur und unser Denken. Dunkle Farben kleiden es, aber auch so ist es gross, bezwingend in seinem Eindrucke; und wenn es noch d?sterer, noch unfreundlicher w?re, von dieser Stelle gesehen, wird es mir immer nur entz?ckende Freude gew?hren. Es haftet an diesem Puncte einer der begl?cktesten Augenblicke meines Lebens. Ich hatte die See sonst nur im Norden gesehen, wo sie grau und kalt ist, und mir doch lieber als das Gr?n der Wiesen und der Schnee der Alpen geworden war, so lieb, dass ich nicht glauben wollte, dass sie irgendwo noch sch?ner erscheinen k?nne. Da zeigte mir ein warmer Julitag, es war Abends und die Sonne eben im Scheiden, von dieser Stelle das erste Mal das adriatische Meer. Ein Schrei des Entz?ckens und dann verlor ich im Schauen jede Besinnung. In Thr?nen l?ste sich die Freude auf, dass Gott so Herrliches geschaffen und dass er mir gegeben es zu sehen. Wie in dem Halbkreise eines Theaters ruhte das Meer in seinen Felsenmauern; tiefes Rothblau auf seiner Fl?che, nur rechts hin?ber, wo Venedig liegt, und in seiner Mitte, wo die Sonne in zerrissenen Wolken untertauchte, fl?ssiges Gold darauf. Von seinem Horizonte schossen breite, feurige Strahlen in die Kuppel empor, dass Himmel und Wasser wie in einem Brande gl?hten. Schiffe waren weithin zerstreut mit weissen und rothen Segeln, die mit lautlosem Leben die geweihte Stille des Bildes durchzogen. Von kleinen Wellen getrieben segelten sie und verrinnende Kreise schlugen hinter ihnen an die gr?nen Abh?nge des Ufers. Links erschienen die ersten Lichter von Triest und das Leuchten seines Leuchtthurms.
Wer einmal ein solches Bild lebhaft in sich aufgenommen, dem wird es auch die geringste Mahnung ganz wieder lebendig machen. Das ist eben das Gottgesegnete solcher begeisterten Augenblicke, dass sie unvergessliche werden. Der erste Eindruck kehrt an derselben Stelle immer wieder, versch?nert und vergr?ssert, weil die Erinnerung ihn gen?hrt hat. Und dabei sind die angenehmen Erinnerungen weit z?her in ihrer Lebensdauer als die unangenehmen. Es ist das auch eine der vielen Gottesgaben, die der Mensch unbewusst und gew?hnlich undankbar geniesst. Er nimmt sie wie die Luft, die er athmet, und das Licht, das er sieht, als ein ihm Geb?hrendes, als etwas Allt?gliches. Heute kam zu diesem Vergn?gen noch die sichere Hoffnung hinzu, dieses befreundete Element, das Meer, nun durch Monate besitzen und es zu jeder beliebigen Minute schauen zu d?rfen.
Um halb 9 Uhr stiegen wir im Bahnhofe aus; immer noch dieselbe d?rftige Bretterbude. Nun, da ich in der Stube des Gasthofes sitze, hat der Regen aufgeh?rt. Warmer Sonnenschein schl?pft durch die Fenster herein, den S?den und seinen Fr?hling k?ndend. Ich eile ein um das andere Mal vom Schreibtische weg auf den Balkon hinaus, die Luft, die ich in diesem Jahre noch nicht gekostet, in vollen Z?gen zu athmen. Unten auf dem Quai ist dasselbe Gedr?nge und Geschrei wie ehemals und sogar die Blumenm?dchen vom Jahre 1860 glaube ich zu erkennen. Die See weiter draussen, wo ich sie zwischen und ?ber den Masten der vorliegenden Schiffe weg ersp?he, ist dunkelblau geworden und an dem Himmel ziehen die Nebel in m?chtigen Wolkenballen davon. Ein grosser englischer Schraubendampfer gleitet eben am Molo di San Carlo vor?ber nach der Darsena. Der Hafen erscheint mir leerer als sonst.
Add to tbrJar First Page Next Page Prev Page