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Read Ebook: Drei Erzählungen für junge Mädchen by Helm Clementine

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Ebook has 699 lines and 58758 words, and 14 pages

s sch?rfer an; denn sie sah allerdings nicht aus, als scherze sie. Sie stand mit gesenkten Augen vor ihm, und als sie dieselben aufschlug, waren sie voll Thr?nen.

>>Suschen, mein Herzenskind, was ist denn vorgefallen?<< rief Herr von Sassen erschrocken; denn Thr?nen in des fr?hlichen Kindes Augen, das war etwas ganz Unerh?rtes. Susanne fiel dem Vater pl?tzlich um den Hals, und ihr blondes K?pfchen in den dunklen Vollbart desselben schmiegend schluchzte sie bitterlich.

>>O Papa, Papa!<< rief sie endlich flehend, >>erlaube doch nur, dass ich Bertel nicht heirathe! Wir Beiden passen wirklich nicht zusammen. Wenn du deine kleine Susanne lieb hast, Papa, zwinge mich nicht, und sei mein guter, lieber kleiner Papa, der du immer gewesen bist!<<

Und nun schlang sie ihre vollen weichen Arme von Neuem z?rtlich um seinen Hals und k?sste seinen Mund und seine Augen so st?rmisch, dass er gar nicht im Stande war, sogleich zu antworten. Endlich aber machte er sich frei und blickte sein Kind kopfsch?ttelnd an.

>>Ich begreife dich nicht, Susanne,<< sagte er ernst. >>Den braven, sch?nen Bertel, auf den jedes M?dchen stolz sein w?rde, willst du nicht haben? Ich denke, du bist die gl?cklichste Braut unter der Sonne? Aus euch M?dchen werde ein Anderer klug! Und das jetzt so wie aus der Pistole geschossen? Weiss denn Bertel, dass du andern Sinnes geworden bist? Wie kr?nkend ist das f?r ihn. Und ich freute mich so, einen so ausgezeichneten Schwiegersohn zu bekommen. Ich begreife dich wirklich nicht, Susanne.<<

Das junge M?dchen zog den Vater zum Sopha, und sich dicht an ihn schmiegend sagte sie leise: >>Papa, komm, ich will dir alles erz?hlen!<< Und dann legte sie ihren Kopf an seine Schulter, nahm seine grosse Hand z?rtlich zwischen ihre kleinen, feinen Fingerchen und erz?hlte ihm die Geschichte, die sie soeben in der dunklen Laube im Garten geh?rt hatte.

Als sie zu Ende war, sass Herr von Sassen noch eine lange Weile schweigend neben seiner Tochter. Endlich k?sste er ihre Stirn und sagte sanft: >>Und du, kleine Susanne, an dich selbst denkst du gar nicht dabei?<<

>>O Papa,<< rief das junge M?dchen lebhaft, >>an mich denke ich wohl. Soll ich es dir gestehen? Mir ist zu Muthe, wie meinem Papagei vorhin. Nachdem ich die Schnur abgel?st, die ich um sein Bein gebunden, um ihn fest zu halten, schlug er fr?hlich mit den Fl?geln und war so vergn?gt, wieder frei zu sein. Mich hat meine Fessel schon in den paar Tagen so gedr?ckt, dass ich gar nicht mehr recht lustig sein konnte. Bertel ist so sch?n und gut, das ist wahr; aber er ist dabei so furchtbar klug und gelehrt -- und das Papa, das passt nicht f?r mich, und ich passe nicht f?r ihn. Es ist mir ein wahrer Trost, dass ich es jetzt weiss, er wird froh sein, wenn ich ihm sein Wort zur?ckgebe. Nun kann ich doch auch wieder lachen und jubeln wie fr?her, ich glaube, bei Bertel h?tte ich das ganz und gar verlernt.<<

>>Ich will gleich einige Worte an Bertel schreiben, das sind wir ihm schuldig,<< sagte Herr von Sassen aufstehend.

Soeben macht mir meine kleine Susanne das Gest?ndniss, dass sie trotz aller Liebe und Bewunderung, die sie f?r Dich hege, doch nicht deine Frau werden wolle und mich bitte, Dir das mitzutheilen. Sie behauptet, Ihr Beiden passtet nicht f?r einander, und da ich mein einzig Kind nicht zu einem Bunde zwingen will, dem ihr Herz widerspricht, so bitte ich Dich, sie frei zu geben. Ein inniger Wunsch meines Herzens geht freilich damit zu Grabe; denn ich h?tte Dich so gern meinen Sohn genannt! Aber, lieber Bertel, wenn auch meine wunderliche kleine Tochter anderen Sinnes geworden ist, mir wirst Du immer so lieb sein und bleiben, als w?rest Du mein Sohn. Sieh' auch ferner noch mein Haus als das Deine an, und wie sich auch Deine Zukunft gestalten m?ge, Du wirst jederzeit einen treuen, v?terlichen Freund besitzen in

Diesen Brief in der Hand st?rzte Hubert in das Zimmer seiner alten Freundin, Frau Booland.

>>Das ist dein Werk, Du Zauberin, sieh' hier!<< rief er und warf das Blatt Papier der Alten in den Schooss; dann umschlang er sie mit beiden Armen und erdr?ckte sie fast vor ungest?mer Freude.

>>Ich bin ja frei, Tante, frei wie der Vogel in der Luft. O Dank, Dank! Nicht wahr, du bist es, die mich gerettet hat?<<

Die Alte schob den Ungest?men sanft von sich, um den Brief zu lesen, der so verh?ngnissvolle Worte enthielt. Dann nickte sie mit dem Kopfe und sagte bewegt: >>Braves, liebes Kind! Sie h?tte es sicher auch gethan, selbst wenn sie dich lieb gehabt h?tte! O Bertel, dies liebe Herz ist besser als du denkst! In diesem leichtherzigen, sorglosen Kinde ruht ein tief gef?hlvolles, edles Gem?th. Du hast sie nicht geliebt, sonst h?ttest du den Schatz wohl erkannt, und sie h?tte sich an deiner Seite herrlich entwickelt; Gott gebe ihr ein anderes Herz, das es versteht, sie gl?cklich zu machen; denn wahrlich sie verdient es!<<

Nun hatten die Beiden noch eine lange Unterredung, und die Folge derselben war ein ?usserst gesch?ftiges Kramen und Gehen und Bedenken von Seiten unserer guten alten Dame Booland, die einen riesenhaften Entschluss gefasst hatte. Am andern Morgen wanderte sie schon in fr?her Stunde eilig durch das Dorf, dem Pfarrhause zu, um ihrer lieben Pastorin das volle Herz auszusch?tten, w?hrend Hubert indessen eine wichtige Zwischensprache mit seiner Mutter hielt. Frau von Ihlefelds Herz hatten in der ganzen letztvergangenen Zeit tausend widerstreitende Gef?hle und Gedanken best?rmt; denn wenn bisher einerseits ihr sehnlichstes W?nschen und Hoffen dahin gerichtet war, ihrem Sohne durch die Verbindung mit der Familie von Sassen den Weg zu Reichthum und Wohlbehagen zu bahnen, so f?hlte sie andererseits doch gar wohl, welches Unrecht sie dadurch an der grossherzigen Esther beging, und mit welchem Undank sie die Opfer dieses edlen M?dchens lohnte, deren Liebe zu Bertel ihrem scharfsichtigen Frauenauge nicht entgangen war. Aber Hubert schien Esther nicht zu lieben, sonst h?tte er sich schwerlich den Bitten seiner Mutter gef?gt. Das war f?r Frau von Ihlefeld eine grosse Beruhigung; jetzt musste man suchen, sich Esther auf irgend eine Weise dankbar zu erzeigen f?r alles, was sie gethan hatte. Die Mittel dazu mussten sich finden, es konnte nicht allzu schwer sein; denn Esther war ja ein einfaches, anspruchsloses M?dchen. Aber als jetzt nach Ankunft von Esthers letztem Briefe ihr Sohn so aufgeregt davon st?rmte, da schlug auch Frau von Ihlefelds Herz unruhiger. Was hatte Bertels Gem?th so heftig bewegt, als er diesen Brief las? Ahnte er Esthers Liebe zu ihm, die ja nicht mehr zu verkennen war? Jetzt aber war ja die Br?cke abgebrochen, an Esther durfte er nicht mehr denken! Wie gut, dass dieser Brief erst jetzt kam, nachdem alles fertig und Bertels Zukunft gesichert war; w?re er fr?her gekommen, Hubert w?re schwerlich auf ihre Pl?ne eingegangen! W?hrend Frau von Ihlefeld noch ihren Gedanken nachhing, trat ihr Sohn mit dem Briefe Herrn von Sassens zu ihr, freilich ohne zu gestehen, wer diese Wandlung in Susannes Seele hervorgerufen. Da aber erwachte der ganze Stolz in dem Herzen der noch immer vornehmen Frau; zornig fuhr sie auf und rief heftig: >>Wie? Das bietet man uns? O wahrlich, in fr?heren Tagen h?tte man das nicht gewagt! Erst weiss man nicht Wege genug, dich heran zu ziehen, und jetzt wirft man dich wieder fort, wie ein Spielzeug, das der albernen kleinen Prinzessin nicht mehr gef?llt! Und der schwache Vater leidet solche Thorheit? O sie ist deiner gar nicht werth, das leichtsinnige Ding! Dich so zu behandeln, es ist ja emp?rend. Gut denn, lass sie laufen, sie verdient es nicht besser! Gott sei Dank, wir haben jetzt nicht mehr n?thig, durch andere unsre Lage zu verbessern. Wenn es auch kein grosses Verm?gen ist, das wir erhalten, so gen?gt es doch, bis du einmal eine Anstellung bekommst. Und weisst du, was du jetzt thun solltest, Bertel, gerade um der hochm?thigen Susanne zu zeigen, dass du dir aus ihrem Korbe nichts machst? Verlobe dich mit unserer Esther! Sie liebt dich, dessen bin ich sicher, und wenn ich es recht bedenke, kannst du eigentlich nie ein M?dchen finden, das besser zu dir passt. Freilich, sie ist nur ein B?rgerkind, und unser alter Adel wird arg dadurch gesch?digt; -- aber lieber Gott, wir sind dem guten M?dchen doch sehr viel Dank schuldig, und sie wird dich und mich sicher stets mehr in Ehren halten, als es jene leichtfertige Susanne gethan h?tte.<<

Hubert hatte seine Mutter ruhig ausreden lassen; denn das Herz war ihm so ?bervoll, dass er jeden Augenblick in Gefahr war, sein Geheimniss zu verrathen. Seine Mutter aber durfte nicht ahnen, dass er selbst die Hand zu dem Bruche mit Susanne geboten, sie h?tte ihm das nie vergeben. Rastlos schritt er w?hrend ihrer Rede in dem kleinen Zimmer auf und nieder. Als aber Frau von Ihlefeld von dem neuen Verlobungsplane sprach, da trat er rasch an das Fenster, seine Bewegung zu verbergen. So freudig ?berrascht er auch war, von seiner Mutter selbst eine Aufforderung zu erhalten, von der er sich gef?rchtet hatte, ihr zu sprechen, so verletzte es ihn doch, dass sie glauben konnte, sein Herz sei so rascher Wandelung f?hig. Wie, wenn er nun Susanne wirklich geliebt h?tte, wie sie geglaubt? Konnte er dann augenblicklich eine Andere an ihre Stelle setzen? Und seine Mutter gestand jetzt, sie habe gewusst, dass Esther ihn liebte; trotz alledem ?berredete sie ihn zu der Verbindung mit Susanne! In Huberts Seele stritten tausend Gedanken mit einander, und er f?hlte, dass sein Herz mehr und mehr von bittren Gef?hlen gegen seine Mutter erf?llt wurde, in deren H?nden er wie Wachs bald so bald so geformt werden sollte, gerade wie es ihren Zwecken entsprach. Aber endlich verwandelte sich diese Bitterkeit in Zorn gegen sein eigenes, schwaches Gem?th, das diesen Anmuthungen so wenig eigene Willenskraft entgegengesetzt hatte. Seine Mutter, so wenig er auch deren Handlungsweise billigen konnte, war doch nur durch die Liebe zu ihrem Sohne dazu getrieben worden; ihr durfte er nicht z?rnen. So gab er denn keinem jener bittern Gedanken Worte, sondern sich zu seiner Mutter wendend, sagte er weich: >>Liebe Mutter, es ist mir lieb, dass Susanne mir ihr Wort zur?ckgegeben. Ich h?tte sie nie gl?cklich machen k?nnen; denn seit der Ankunft von Esthers Brief weiss ich erst, wie sehr ich Esther liebe und immer geliebt habe. Ich danke Gott f?r diese L?sung, und ich bin gl?cklich, dass dein Wunsch mit dem meinen zusammentrifft. Eine bessere Tochter, als Esther k?nnte ich dir nie zuf?hren.<< Dann k?sste Hubert mit Innigkeit seiner Mutter, die ihn betroffen anblickte, die Hand; aber Beide schwiegen, denn sie f?hlten wohl, dass es besser sei, alles Weitere uner?rtert zu lassen.

Frau von Ihlefeld wandte das Gespr?ch auf den Brief, den sie soeben im Begriff war, sowohl an Esther, als auch an Herrn Richard zu schreiben, um Esther aus der peinlichen Situation zu erl?sen, in welcher das brave Kind sich befand.

>>Nur an Herrn Richard schreibe sogleich, liebe Mutter; alles andere ?bernehme ich selbst,<< sagte Hubert freudig err?thend. >>Morgen fr?h reise ich selbst zu Esther.<<

Frau von Ihlefeld blickte erstaunt auf ihren Sohn, dessen rasches entschlossenes Wesen ihr etwas ganz Neues war. Sein Gesicht war pl?tzlich so strahlend sch?n geworden, von Wonne und Gl?ckseligkeit, dass sie ihr Auge fast erschrocken auf ihm ruhen liess; denn jetzt erst erkannte sie, was in ihrem Sohne vorging. >>Bertel, mein liebes, theures Kind!<< rief sie unwillk?rlich und streckte ihm die Arme entgegen, und mit dem jubelnden Ruf: >>O meine Mutter!<< hielt der Sohn seine Mutter umschlungen.

F?r Esther war indessen die Zeit mit bleiernem Fl?gelschlage dahingeflogen. Ein uns?gliches Weh erf?llte ihre Brust; sie h?tte sich am liebsten nieder gelegt, um nie wieder aufzustehen; denn was sollte sie noch hier auf Erden, wo Gl?ck und Freude f?r sie verschwunden waren. M?de und gleichg?ltig sass sie eines Abends am Fenster ihres Zimmerchens und schaute in die fast unheimliche Gluth, welche die sinkende Sonne ?ber Himmel und Meer verbreitete, als solle die ganze Erde von dem gl?henden Feuer verzehrt werden. Endlich verblichen die brennenden Tinten; kalte Abendschatten legten sich ?ber Land und Meer, und der Zauber von Licht und Glanz, der soeben noch die Welt in wonniger Pracht erstrahlen liess, er war geschwunden; graue Nebel stiegen empor, und erloschen war aller Reiz und alle Sch?nheit.

>>Wie mein Leben!<< seufzte Esther, die tr?ben Blicke ?ber das Meer hin?bersendend. >>Seine Liebe war die Sonne, in deren goldnem Scheine mein armes Leben in wunderbarer Herrlichkeit lachte -- nun ist meine Sonne erloschen, mein Leben todt und reizlos und von grauen Nebeln umh?llt!<<

Sie legte ihren Kopf gegen die kalten Scheiben des Fensters, denn ihre Stirn brannte und suchte K?hlung. Da wurde an die Th?r geklopft. >>Ein Brief, mein Fr?ulein!<< Hastig griff Esther nach demselben. Er war auf der Heimath, aber die Schrift kannte sie nicht. Mit fliegender Hand riss sie ihn auf; es war Susannes Brief.

Als Esther das Schreiben gelesen, strich sie langsam ?ber ihre Stirn. War es denn Wirklichkeit, was sie soeben durchlebte, oder trieben muthwillige Tr?ume ihr Spiel mit ihr? Sie trat n?her an das Fenster, den Brief noch einmal zu lesen; aber ihr armer Kopf, der in den letzten Tagen so Furchtbares durchdacht und durchk?mpft, schwindelte heftig, und die Buchstaben schwammen durch einander. Esther z?ndete Licht an, ging einige Male im Zimmer auf und nieder, um sich zu sammeln, und dann setzte sie sich still in den Lehnstuhl, den Brief noch einmal ruhig zu lesen. W?hrend ihre Augen diese Zeilen jetzt von Neuem durcheilten, flog mehrere Male ein L?cheln ?ber ihre Z?ge, und endlich sch?ttelte sie wehm?thig den Kopf. >>Liebes, herziges Kind,<< seufzte sie leise, >>du ahnst nicht, was deine Worte mir f?r Schmerzen bereiten! Gott, mein Gott, was heisst das alles nur? Sie weiss von meiner Liebe zu Bertel, die mir bis vor Kurzem selbst noch ein Geheimniss war? Sollte Tante Booland mit ihr davon gesprochen haben? aber ich selbst habe ja nie etwas gesagt, das sie dazu berechtigte, und diese treue Seele w?rde mein heiligstes Geheimniss doch nicht preisgeben. Und wem preisgeben! Der Braut dessen, den ich liebe. O nein, nein, das ist unm?glich. Aber woher sonst sollte Susanne es wissen? Und Bertel? O wenn er dieses holde, kleine Gesch?pf wirklich liebt, wie trostlos muss er sein, dass sie ihm sein Wort zur?ckgiebt und den Bund wieder l?st, der ihn so zu begl?cken schien. In welches Wirrsal st?rzt mich dieser kindische Brief! Und dabei keine Nachricht von den Meinen! Jetzt k?nnte doch nun Antwort hier sein; warum schreibt nur niemand?

Es war f?r Esther eine traurige Nacht, welche der Ankunft dieses Briefes folgte. Schlaflos w?lzte sie sich auf ihrem Lager umher, und tausend Gedanken durchkreuzten ihren heissen, schmerzenden Kopf. Hoffnung, Liebe und Zuversicht k?mpften mit Schmerz und Zweifeln, und erst der heraufd?mmernde Morgen brachte ihr Schlaf und Ruhe. Sie schlief schwer und tief viele Stunden lang; es war als ob ihr ersch?pfter K?rper Kr?fte sammeln wollte f?r die bevorstehenden Wonnetage, welche leise und sonnig, aber ungeahnt fern am Horizonte heraufzogen.

Die Sonne stand schon hoch im Mittag, als Esther erwachte. Ueberrascht fuhr sie empor und rieb sich die Augen; ihr war, als h?tte sich etwas Besonderes zugetragen, aber lange konnte sie keinen klaren Gedanken fassen. Ein Klopfen an der Th?r schreckte sie auf. Hastig sprang sie empor und ?ffnete. Es war die Hauswirthin, welche ihr mittheilte, ein Herr habe vor einiger Zeit nach ihr gefragt, da Mademoiselle aber auf ?fteres Klopfen nicht geantwortet, so sei der Herr wieder fortgegangen mit dem Versprechen, in einigen Stunden wieder vorzufragen.

Esther forschte nach dem Aeusseren des Fremden, und aus der Beschreibung schien ihr hervorzugehen, dass Herr Richard sie besucht habe. Ihr Herz schlug st?rmisch. Schnell kleidete sie sich an, und kaum war sie fertig, da sah sie wirklich Herrn Richard auf das Haus zuschreiten und gleich darauf bei ihr eintreten.

>>Mein Fr?ulein,<< sagte der Kaufmann, indem er z?gernd an der Th?r stehen blieb, >>darf ich es wagen, Sie aufzusuchen, nachdem Sie neulich so tief beleidigt von mir schieden? Ich komme, Sie um Verzeihung zu bitten, dass ich Sie so bitter kr?nkte. Aber die Umst?nde, unter denen ich Sie kennen lernte, m?ssen mein Betragen gegen Sie entschuldigen; ich kann jetzt eben nichts weiter thun, als die Bitte an Sie richten: Verzeihen Sie mir, denn ich kannte Sie nicht.<<

>>Warum sind Sie jetzt andrer Meinung geworden, mein Herr?<< fragte Esther mit leise zitternder Stimme, ohne jedoch ihrem Gaste einen Schritt entgegen zu treten.

>>Hier diese Zeilen sagen mir, welches edle Herz ich beleidigt und gekr?nkt habe!<< rief Herr Richard und hielt dem jungen M?dchen einen Brief hin. Esther trat jetzt schnell n?her und erkannte Frau von Ihlefelds Handschrift.

>>Frau von Ihlefeld hat Ihnen geschrieben, mein Herr?<< sagte sie hoch err?thend. >>Sind Sie angewiesen, mir das Geld zu ?bergeben?<<

>>Wenn ich recht verstehe, so wird Herr von Ihlefeld in diesen Tagen selbst kommen, die Schuld einzufordern,<< entgegnete Herr Richard sorglos, erschrak aber ?ber die Wirkung, welche diese Worte hervorbrachten.

>>Selbst? Er will selbst kommen?<< stammelte Esther erbleichend, und pl?tzlich vergingen ihr die Sinne. Mit einem leisen St?hnen sank sie zusammen, und fiel dem rasch zuspringenden Herrn Richard bewusstlos in die Arme.

Als sie sich endlich erholte, blickte sie scheu und erschrocken um sich; bald aber war sie wieder das starke M?dchen, und h?rte jetzt ruhig an, was Herr Richard ihr mitzutheilen hatte. Dieser erz?hlte nun, dass Frau von Ihlefeld ihm geschrieben, Esther Wieburg sei der gute Engel ihres Hauses; was sie f?r ihren Sohn und sie selbst gethan, k?nne nur Gott dem edlen Kinde vergelten, und wer ihr wehe thue, kr?nke ein Herz, das immer nur f?r das Gl?ck Anderer geschlagen.

>>Und ich habe dies Herz so tief gekr?nkt!<< schloss Herr Richard, der ergl?henden Esther herabh?ngende Hand an seine Lippen f?hrend. >>Sagen Sie mir, Fr?ulein Esther, wollen Sie mir verzeihen?<<

Das junge M?dchen blickte ernst vor sich hin. >>Sie kannten mich ja nicht, Herr Richard,<< sagte sie sanft, >>und ich glaube, es war sehr th?richt von mir, jene Forderung ohne Beweisgr?nde an Sie zu stellen. Es mag in der Welt wohl so viel schlechte Menschen geben, dass man sich vorsehen muss. Lassen wir das jetzt. Mein Z?rnen war vielleicht ganz ungerecht; Sie konnten wohl kaum anders handeln, als Sie gethan, das sehe ich mehr und mehr ein, da ich ruhiger dar?ber nachgedacht habe. Aber nun lesen Sie mir die Worte vor, die Sie zu der Vermuthung veranlassen, Hubert werde selbst kommen.<<

Herr Richard faltete den Brief und ?berlas ihn schnell. >>Hier ist's,<< sagte er dann und las: >>Was nun die Geldsumme betrifft, von welcher der Schuldschein meines Vetters spricht, so soll diese Sache der braven Esther keine M?he mehr verursachen. Mein Sohn wird selbst....<< In diesem Augenblicke aber h?rte man eine Stimme in dem Hausflur. Esther stiess einen lauten Schrei aus und sprang empor; aber ihre F?sse zitterten so heftig, dass sie kraftlos auf ihren Sitz zur?ckfiel. Da h?rte man rasche Schritte; die Th?r flog auf, und Bertel stand in dem Zimmer. >>Esther!<< rief er jubelnd und in demselben Augenblicke lag das geliebte M?dchen an seiner Brust.

Lange fanden die beiden gl?cklichen Menschen kein Wort f?r das Entz?cken ihres Herzens. Esther war so ersch?ttert von diesem pl?tzlichem Wiedersehen, dass sie kraftlos und weinend in ihres Freundes Armen lag, der ihren lieben Kopf z?rtlich k?sste und immer von Neuem an seine Brust dr?ckte. Die s?ssesten Schmeichelnamen, wie sie nie ?ber seine Lippen gekommen, fl?sterte er dem vor Freude erbebenden M?dchen in das Ohr, und endlich erhob diese unter Thr?nen l?chelnd ihr Gesicht. Nie hatte Bertel bis jetzt so zu ihr gesprochen, nie hatte sie noch an seiner Brust gelegen wie jetzt, und noch nie war sie ihm gegen?ber so schwach und weichm?thig gewesen.

>>Verzeih' mir, Bertel; die Freude, Dich wiederzusehen, macht mich ganz hinf?llig!<< sagte sie, die Thr?nen aus den Augen trocknend. Dann schrak sie pl?tzlich etwas zusammen, machte sich aus Huberts Armen los und fl?sterte, sich verlegen umschauend: >>Aber wir sind ja nicht allein, erlaube dass ich dir Herrn Richard....<<

Doch kein Herr Richard war mehr in dem Zimmer; an seiner Stelle aber stand eine andere Person, welche still, die hellen Thr?nen auf dem guten, alten Gesicht, auf die beiden Kinder ihres Herzens schaute. Es war Frau Booland.

>>Tante, liebe, gute Tante!<< jubelte Esther und flog zu der Alten, die ihre grossen Arme weit nach ihr ausbreitete und sie dann so energisch ?ber ihrem Herzbl?ttchen schloss, als sollten sie sich nie wieder ?ffnen.

>>Aber liebe, einzige Tante Booland, solche Reise hast du zu unternehmen gewagt!<< rief Esther endlich, als sie wieder auf eigenen F?ssen stand; denn die grosse, starke Frau hatte das schlanke M?dchen wie ein kleines Kind zu sich empor gehoben, als k?nne sie nur so ihrer st?rmischen Z?rtlichkeit Gen?ge leisten. >>Du musst ja Tag und Nacht gefahren sein, um schon heute hier anzukommen.<<

Die Alte schob die zerknickte Haube zurecht, die im Sturme des Entz?ckens auf und davon zu fliegen drohte, und dann mit ihren grossen H?nden Bertel drohend, der lachend und von Gl?ck strahlend neben Esther stand, rief sie ?rgerlich: >>Hat der Bengel da mir armen, alten Frau denn Ruhe geg?nnt unterwegs? Durfte ich meine alten Knochen denn auf der ganzen heillosen Hetzparthie nur ein einzig Mal ordentlich in ein Bett legen? War's nicht immer, als st?nde einer mit der Hetzpeitsche hinter uns und triebe uns vorw?rts? Weiss Gott, wie's der Bursche fertig gebracht hat, mich ganzbeinig bis hierher zu schleifen, nun aber bringen mich keine zehn Pferde von hier wieder fort, ehe ich nicht ordentlich einmal wieder ausgeschlafen habe!<<

>>Aber Tante Booland, die Betten hier zu Lande, bedenke doch! Du hast dich ja verschworen, dich in keins wieder zu legen, so lange du in diesem heillosen Franzosenlande bist,<< rief Bertel lachend.

>>Herr du mein Gott, ja da hast du Recht, Kind!<< rief Frau Booland entr?stet. >>Hat man je so etwas von einem Nachtlager erlebt, wie da in dem Neste,.... na wie hiess es denn gleich?<< >>Avignon,<< erg?nzte Hubert.

W?hrend Frau Booland ihren Gef?hlen in dieser Weise Luft machte, hatte Bertel Esther neben sich auf das Sopha gezogen, und w?hrend er beide H?nde des jungen M?dchens ergriffen, ruhte sein Auge forschend auf ihren Z?gen.

>>Warst du krank, Esther?<< fragte er jetzt angstvoll, und erschrocken wandte nun auch Frau Booland ihre Blicke auf ihres Lieblings Gesicht, das allerdings von der Anstrengung und dem unbehaglichen Leben der vergangenen Monate, und nun gar von den durchk?mpften, schweren Tagen der letzten Woche schmal und bleich geworden war, wie nie zuvor. Esther beruhigte die beiden geliebten Menschen, sass aber unbeschreiblich ?ngstlich und unbehaglich an Bertels Seite, immerfort bestrebt, ihm ihre H?nde zu entziehen, die er jedoch nicht frei gab. Da erhob sich Frau Booland rasch von ihrem Stuhle, auf den sie sich ersch?pft niedergelassen hatte und sagte, sich die Stirn mit dem Tuche abwischend und dann den Staub von ihrem Kleide sch?ttelnd: >>Aber mein Gott, wie sieht man nach so einer Reise aus! Es ist ja ganz grauenvoll, solchen Schmutz mit sich herum zu tragen. Estherchen, da nebenan ist wohl dein Schlafst?bchen? Ich will mich dort nur ein Bischen zurecht machen; lasst euch die Zeit indessen nicht lang werden, ihr Kinderchen!<<

Und eilig huschte sie in das anstossende, kleine Zimmer, dessen Th?r nur halb geschlossen war, ihren beiden Lieblingen im Hinausgehen noch schelmisch zul?chend. Sie klinkte das Th?rschloss fest hinter sich zu, und Esther war allein mit ihrem Freunde.

>>Esther, nicht wahr, du hast einen Brief von Susanne erhalten?<< fragte Bertel, sobald Frau Booland das Zimmer verlassen.

>>Ja Bertel, gestern,<< erwiederte Esther und tiefe Gluth flog ?ber ihr blasses, br?unliches Gesicht.

>>So weisst du, dass wir nicht mehr verlobt sind?<<

Esther sch?ttelte den Kopf und sagte scheu: >>Ich kann nicht glauben, dass es Susanne Ernst mit diesem kindlichen Briefe gewesen ist. Wenn du sie liebst, wird sie sich bald anders besinnen.<<

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