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Read Ebook: Festländer und Meere im Wechsel der Zeiten by B Lsche Wilhelm

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Ebook has 263 lines and 37972 words, and 6 pages

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Festl?nder und Meere

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Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde, Stuttgart

Die Gesellschaft Kosmos will die Kenntnis der Naturwissenschaften und damit die Freude an der Natur und das Verst?ndnis ihrer Erscheinungen in den weitesten Kreisen unseres Volkes verbreiten. -- Dieses Ziel glaubt die Gesellschaft durch Verbreitung guter naturwissenschaftlicher Literatur zu erreichen mittels des

ferner durch Herausgabe neuer, von ersten Autoren verfasster, im guten Sinne gemeinverst?ndlicher Werke naturwissenschaftlichen Inhalts. Es erscheinen im Vereinsjahr 1913 :

Gesch?ftsstelle des Kosmos: Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart.

Festl?nder und Meere

im Wechsel der Zeiten

Von

Wilhelm B?lsche

Mit zahlreichen Abbildungen nach Original-Aufnahmen und Zeichnungen, 6 Karten und einem farbigen Umschlagbild, das 1895 eingest?rzte Helgol?nder Felsentor: Letge Kark darstellend.

Stuttgart

Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde

Gesch?ftsstelle: Franckh'sche Verlagshandlung

~Copyright 1913 by Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart

~ Stuttgarter Setzmaschinen-Druckerei Holzinger & Co.

Wasser und Land, Erdteile und Meere: -- die grosse Zweiheit, in die wir nach unserm Schicksal untrennbar hineingeboren sind.

Wer aber zweien Herren angeh?rt, der hat vielleicht einen doppelten Schutz, doch er hat auch eine doppelte Sorge. Immer muss er bedacht sein, dass diese beiden Gewaltigen ?ber ihm sich gegenseitig die Wage halten, dass nicht der eine gegen den andern pl?tzlich verderbenbringend sein Machtbereich ver?ndere und ausdehne. Und so ist das Bangen der V?lker seit uralten Tagen hinter der Frage gewesen: ist der Bestand des Festlandes und des Wassers auf der Kulturerde ein dauernder, ein geregelter, mit dem wir uns einrichten k?nnen; ist die Besitztafel, die Karte, die dieses Verh?ltnis wiedergibt, ein grundlegende Dokument f?r die Ewigkeit; oder fliessen diese Dinge selbst, wandeln sich im Laufe der Zeiten oder st?rzen gar gelegentlich in furchtbaren Katastrophen, den Ort wechselnd, durcheinander ...?

In alten Tagen soll das Wasser einmal so hoch gestiegen sein, dass es die ganze bewohnbare Erde ?berschwemmte; so hoch zuletzt, dass sogar die Gipfel der Berge ?berflutet wurden; wenn Bewohner des Landes damals dieser Flut entkommen sind, so konnten sie es nur mit Hilfe eines Schiffs, das so lange auf den Wogen trieb, bis die Wasser sich wieder zur?ckzogen. In ungef?hr dieser Form fand und findet sich die Sage bei den verschiedensten V?lkern. Uns ist sie am gel?ufigsten in dem biblischen Bericht, der sie mit dramatischer Anschaulichkeit schildert. Im alten Babylon l?sst sie sich in auff?llig ?hnlicher Form bis ins dritte Jahrtausend vor Christus zur?ck verfolgen. In einer auch von hier beeinflussten Gestalt dauerte sie noch bei den antiken Griechen fort. Sie klingt an in den indischen Veden und der nordischen Edda und tritt selbst?ndig stark auf im alten Persien. Fast gar nicht bekannt bei den Negerv?lkern Afrikas, besch?ftigt sie um so lebhafter heute noch die Phantasie fast aller S?dseeinsulaner. In Amerika lebt sie in ungez?hlten Varianten von den Eskimos im h?chsten Norden an durch alle Indianerst?mme durch bis tief nach S?damerika herab, und die verklungenen Kulturstaaten von Mexiko und Peru hatten sie so genau in ihrer Geschichts- und Religionsbibel wie die Babylonier oder Hebr?er.

Vielgestaltig ist ihre Einkleidung je nach dem Glaubenskreise und sonstigen Weltmythus so verschiedenartiger V?lker. Im altpersischen Bericht trifft die ungeheure Flut noch auf keine Menschen, sondern rafft nur d?monische Unget?me, die das b?se Prinzip geschaffen hat, dahin. In der Edda ber?hrt sie nur die vormenschliche Zeit der Riesen, von denen sich ein Paar in einem Boot rettet. Bald ist sie nur ein chaotischer Naturspuk, bald wieder wird sie aufgenommen in die sittlichen Erz?hlungen, mit denen eine moralische Wahrheit im anschaulichen Gleichnis beigebracht werden soll; die schreckliche kommt, weil die Menschen b?se waren, und nur der Gute ?berlebt; in diesem ethischen Kleide geht die Sintflut in der Bibel; aber die Idee eines Strafgericht kehrt beispielsweise auch bei den Fidschiinsulanern in einer offenbar dort ganz urspr?nglichen Form wieder. In dem ?lteren babylonischen Bericht steht hinter dem schauerlichen Todesurteil eine Vielheit von G?ttern; in dem j?ngeren biblischen hat nur der eine Gott die ganze Trag?die des Untergangs und der Errettung in seiner allm?chtigen Hand. An vielen Stellen tritt der Bericht uns entgegen im Gewande eines mehr oder minder anmutigen kleinen Volksm?rchens, oft mit humoristischen Z?gen; daneben aber stehen die dichterischen Ausgestaltungen schon im Kunstepos wie in der babylonischen Erz?hlung oder in der mexikanischen Legende. Gern kehren gewisse kleine Z?ge auch an den entferntesten Ecken wieder: so dass das rettende Schiff an einem hohen Berggipfel landet, oder dass, wie die Taube der Bibel, Tiere ausgesandt werden, um das Fallen der Gew?sser zu erkunden. In manchen F?llen ist ja hier ohne Absicht in die Dinge hineingemogelt worden: Missionare haben z. B. heutigen Naturv?lkern aus dem biblischen Text erz?hlt, das ist weitergegeben, mit echter Volks?berlieferung vermischt und bei anderer Gelegenheit einem andern Missionar oder Forscher, der einheimischen Sintflutsagen nachfragte, ganz gem?tlich als alt und echt aufgetischt worden. Aber nicht alle ?bereinstimmungen lassen sich so erkl?ren.

L?sst man den ethisch-religi?sen Lehrinhalt und die ersichtlichen dichterisch-mythischen Ausschm?ckungen beiseite, so hat das Interesse lange und bis heute immer wieder bei der Frage verweilt, ob nicht im Kern der Sintflutsage die Erinnerung an ein wirkliches naturgeschichtliches, ein geologisches Ereignis stecken k?nne: die Erinnerung an eine erdumspannende Wasserkatastrophe, die im Morgenrot der V?lker tats?chlich noch einmal unsern ganzen Planeten betroffen h?tte.

Verschiedene der einzelnen Flutberichte enthalten auch die deutlichsten Anzeichen einer Katastrophe, wie sie lokal nur dort m?glich war, wo heute noch das betreffende Volk sitzt. Was man in chinesischen Chroniken als Sintflutbericht bezeichnet hat, ist nichts anderes als die unverkennbare Beschreibung von besonders verheerenden Ausbr?chen des Stromes Hoangho durch Risse seiner nat?rlichen Uferleisten aus sogenanntem L?ssstaub; solche Ausbr?che kommen dort heute noch vor. Und wenn bei den Kordilleren-Indianern S?damerikas in ihrer Sintflut Erdbeben und Vulkanausbr?che mitspielen, so f?hlt man ebenso den Heimatboden. Selbst f?r die ber?hmteste Gestalt der Sage, die babylonisch-biblische, hat aber schon vor Jahren der grosse Wiener Geolog Eduard Suess den ansprechenden Beweis versucht, sie auf ein durchaus ?rtliches Ereignis in der mesopotamischen Niederung am Euphrat und Tigris zu beziehen. Der ?ltere babylonische Bericht scheint in der Tat noch eine ganze Reihe erkennbarer naturgeschichtlicher Lokalfarben zu geben. Die Erde habe gezittert, die Wasser der Tiefe seien ausgebrochen, Sturm und Finsternis seien ?ber das Land gekommen, und der Wogenschwall sei vom Meer heraufgest?rmt. Das alles w?rde f?r ein furchtbares Erdbeben im Gebiet des persischen Meerbusens sprechen, bei dem das Grundwasser aus Bodenspalten brach und mit dessen h?chster Steigerung sich, wie so oft, ein gewaltiger Zyklon oder Wirbelsturm im Meer verband, der die Wassermassen tief ins Land hineintrieb. Wenn sich bei den ersten Vorst?ssen des Bebens Menschen auf Schiffe gerettet hatten, so mussten diese Schiffe dabei weit nordw?rts ?ber die ganze Niederung bis an die begrenzenden Berge verschleppt werden, wo sie ganz wie die Arche des Berichts stranden konnten. Wir brauchen nicht ins Sagenland zu gehen, um die zerst?renden Wirkungen solcher vom Meere kommenden Zyklone und Erdbebenfluten kennen zu lernen.

Schliesslich w?re sogar m?glich, dass die Menschheitskultur auf einer sehr fr?hen Stufe durch eine Zeitlage durchgegangen w?re, die solchen lokalen ?berschwemmungen allgemein besonders g?nstig war. Wenn die Geologie auch nichts von einer Wasserbedeckung der Erde weiss, so lassen sich doch wohl Spuren merken einerseits, wie erw?hnt, von einer grossen Regenzeit , die ?ber die ?quatorn?heren Gebiete der Erde parallel zu der nordischen diluvialen Eiszeit hingegangen ist, andrerseits von einem m?chtigen Anschwellen der Fl?sse und Binnenseen, das im Gefolge des wiedereintretenden Schmelzens dieser grossen Eismassen sich vollzogen haben muss. Werden diese ganzen Vorg?nge sich auch ?ber Jahrtausende verteilt haben, so mag im einzelnen doch in ihnen ein h?ufigerer Anlass zu b?sen ?rtlichen Katastrophen gelegen haben, und dass der fr?here Kulturmensch diese Dinge noch miterlebt hat, ist gewiss. Wenn man die Sage also durchaus f?r sehr alt halten will, mag man wenigstens diese geologische Urerinnerung noch hineinbringen. Auch sie kann aber schon an den verschiedensten Stellen und von getrenntesten V?lkern unabh?ngig erworben sein.

Doch wie das alles nun sei: auch in ihrer strengsten, starrsten und abenteuerlichsten Form, wie die Sintflutlegende geglaubt worden ist, hat sie f?r einen bestimmten Fortschritt des menschlichen Wissens und wahren Naturerkennens einen ganz unsch?tzbaren Gewinn gehabt. W?hrend sie n?mlich die Phantasie der Menschen unterhielt mit dem Schauergem?lde einer schwarzen Riesenflut, die einst die ganze Menschenerde ?berschwemmt habe, schuf und sch?rfte sie ganz in der Stille den Kulturmenschen den Blick f?r eine ganz andere, sozusagen ger?uschlose Art, wie in langen langen Zeitr?umen wirklich Wasser und Land, Feste und Meer im weitergehenden Masse auf dieser Erde sich verwandelt, miteinander abgewechselt und einander abgel?st haben mussten.

Wenn in wilder Sturmnacht das Meer br?llt und die Wogen Stoss um Stoss gegen die Deiche rennen wie Sturmwidder gegen eine Festung, dann ergreift auch uns ja heute, so fern uns die alten V?lkersagen allm?hlich liegen m?gen, etwas Revolutionsangst vor der Natur. Aber die Nacht vergeht, und die Meeresfl?che ruht feierlich still in ihrem Blau unter der Sonne: wie stark erscheint der Gegensatz des Naturfriedens in diesem Bilde! Und wir wandern an solchem frischen Morgen landeinw?rts, ?ber uns gehen ein paar sch?ne weisse Wolken, geisterhaft schwebend und zerfliessend in ihrem Himmelsazur, mit, neben uns rinnt ein B?chlein leise singend durch den Wiesenplan, uns vertraut in dieser lieben Heimlichkeit seit Kindertagen. Tauperlen gl?nzen noch in der Fr?hsonne von den gr?nen Halmen. Fern l?sen sich zarte Nebelschleier, das violette Gebirge wird hell mit ein paar Schneegipfeln. Die Ahnen unseres Volkes sind schon ?ber diese P?sse gezogen, wie heute lag damals bereits der Schnee, wie heute dr?ngten die Wolken herauf gleich Herden weisser Sch?fchen und zerstiebten wieder zu wesenlosem Schein, w?hrend die uralten Granitriesen in unersch?tterlicher Herrlichkeit ragten, ein Bild der Ewigkeit. Friedlich wie ein murmelndes B?chlein scheint ?ber solche Landschaft auch der gewohnte Kreislauf der Natur hinzuziehen. Man denkt an das Bibelwort, das diesem Kreislauf so sch?n als die ewige Friedensverheissung hinter den Sintflutschrecken setzt: >>So lange die Erde steht, soll nicht aufh?ren Samen und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.<<

Merkw?rdig aber, wie der Standpunkt wechseln muss. Der Naturforscher, der sich wenig um die Sintflut sorgt und selbst der wildesten Sturmflut der K?ste doch nur eine untergeordnete Rolle in jenem grossen Wandel des Geologischen beimisst, weiss, dass eine der nachhaltigsten Revolutionen unserer Erdoberfl?che sich fort und fort gerade in diesen scheinbar idyllischen Naturbildern vollzieht. Nur der langsame Gang, mit unsern Menschenmassen des Alltagslebens gemessen, verschleiert das d?monisch Ungeheure des Ereignisse hier. K?nnten wir unsern Zeitblick ?ndern, Jahrhunderttausende in einem Augenblick sehen: wir w?rden ein Schauspiel erleben, das sich mit jeder Sintflut messen k?nnte, ja sie ?berb?te. Von diesem sonnenhellen blauen Meeresspiegel stiege es unsichtbar herauf wie ein geheimnisvoller Zauber gegen dieses ganze Land, zu diesen Bergen. Und von ihm ber?hrt, zerbr?chen die Berge, l?sten sich auf, rasselten in unermesslichen Tr?mmern und Scherben flutend ins Flachland herab. Das Land selber aber h?hlte sich allenthalben, s?nke ein, zerbr?ckelte, w?hrend es gleichzeitig wie eine teigartige Masse in das Wasser hinausqu?lle.

In Wahrheit ist der Zauber, der da waltet, aber auch nichts anderes als Wasser selbst. Es ist das Wasser des Ozeans, das allerdings nicht in einer schwarzen Schauernacht ?ber die Lande aufb?umt, das aber unabl?ssig, Tag um Tag, Jahr um Jahr, Jahrtausend um Jahrtausend unsichtbar in Gestalt wassergetr?nkter Luft auf diese Feste heraufkriecht und hier in dem allbekannten Kreislauf vom h?chsten Fels bis zum tiefsten Tal alles durchfeuchtet, durchrieselt, durchstr?mt, um endlich wieder heimzukehren in seinen grossen Urschoss. Diese >>geheime Sintflut<< braucht nicht pl?tzlich zu kommen, sie ist best?ndig ?ber uns, um uns. Um unsere Ahnen floss sie schon, und sie hat h?her, als die Bibel weiss, bereits ?ber allen Bergen der Erde gestanden, lange ehe der Mensch mit seiner Kultur begann. Ihr Kommen k?ndigt sich nicht mit Finsternis an, sondern recht eigentlich gerade ein Kind der Sonne ?ber dem blauen Meer ist sie ihrem innersten Ursprung nach.

Wenn die Sonne die Fl?chen des Ozeans erw?rmt, so befreit sich still ein Teil des Wassers dort von seinem gew?hnlichen Zustande und steigt als feiner Dunst, feiner Wasserschwaden in die L?fte empor. Dort bald verdichtet, f?llt ein grosser Teil dieser wandernden Wasserst?ubchen allerdings wieder in den Mutterschoss zur?ck. Aber ein anderer Teil breitet sich in diesem freien Spiel weit aus allen Meeresgrenzen hinaus auch ?ber die Lande aus, er verschwebt bis zu den fernsten Bergen, und wenn er dort jetzt auch zur Verdichtung kommt, so erscheint er inmitten der Feste als Feuchte, die scheinbar vom Himmel f?llt. Sie sinkt herab als Tau und als Regen, als Hagel, Reif und Schnee. Viel von ihr verdunstet sogleich neu in die Luft hinein. Aber nicht alles kann so bew?ltigt werden. Regentr?pfchen vereinigen sich zu feinsten Wasser?derchen; die verschmelzen zu B?chlein, der Bach wird zum Fluss. Vieles senkt sich zun?chst in die Tiefe des Bodens, durchfeuchtet die innere Feste, bricht aber wieder als Quell vor. Immer aber auch auf der oberen Fl?che folgt die rieselnde Welle dem Zwang nach der Tiefe, als Tr?pfchen wie als Strom zuletzt rinnt sie abw?rts, vom Gebirge zum Flachland, bis sie endlich die eigene Heimat, das Meer, wieder erreicht hat, mit dessen Verdunsten und Verdampfen im Sonnenkuss das rastlose Spiel neu beginnt.

Nun aber diese Kreisbahn, die vom Standpunkt des Wassers doch immer nur wie eine einfache Wanderschaft erscheinen k?nnte, die die Dinge im Fluss h?lt, aber zuletzt nichts ?ndert, ist von der schier unfassbar einschneidendsten Bedeutung f?r das Land selbst. Wie jeder Pilger mit dem Tritt seines Fusses Teilchen von dem Boden absch?rft, den er ?berschritten hat; wie man sagt, dass jeder Heimkehrende etwas Staub der Fremde an den Sohlen mitbringt: so gr?bt auch jedes wandernde Wassertr?pfchen seine Spur ein und so schleppt auch jedes Tr?pfchen sein St?ubchen mit fort. Der fallende Tropfen h?hlt zuletzt den Stein. Der Kreislauf der Tropfen aber vom Ozean bis zur Regenwolke, vom Bach bis zum Strom und vom Strom wieder ins Meer, ?ber Jahrhunderttausende immerzu fallend, grabend und fortkarrend, w?scht zuletzt ein ganzes Gebirge zu Tal und tr?gt die Tr?mmer als Sand ins Meer.

Im allt?glichen Naturbilde weiss das jeder: dass jeder Regen Risse in den weichen Boden kerbt und Erdreich mitschwemmt; dass der Bach und der Fluss sich ihr Bett durchweg selber gegraben haben; dass sie Gestein und Schlamm abw?rts verfrachten, Steine zu Sand zermahlen und den Sand endlich in unabsehbaren Fl?chen in ihrem untersten Lauf h?ufen, bis die Meereswelle ihn zuletzt verschlingt. Wer sich den Blick aber einmal hier ge?bt hat und ins Gebirge kommt, der muss gewahren, dass auch unsere h?chsten Gebirge von heute eigentlich verfallende, zerbrechende Ruinen sind. Von diesen >>Ewigkeitszeugen<< herab ziehen sich allenthalben die w?sten Schutthalden. Die himmelragenden Zinken sind nahe besehen nur noch verwitterte Restzacken wie an hohlen Z?hnen. Die Schneekoppe unseres Riesengebirges, die vor dem Wanderer fern im Tal auftaucht wie ein blauer Dom der Unverg?nglichkeit, entpuppt sich beim Aufstieg als ein einiger Scherbenberg, zertr?mmert wie ein Lager T?pfe, in das eine ?berm?chtige Faust geschlagen. Das ungeheure Matterhorn in der Schweiz, das aussieht, als habe mit ihm die Sch?pfung angefangen, erweist sich nahe auf seine Schichtung gepr?ft als ein letzter noch stehengebliebener Pfeiler eines ehemaligen kolossalen Gew?lbesattels, den das absch?tzende Auge sich noch ganz gut in der blauen Luft hinzu erg?nzen kann; in Wahrheit liegt er bis auf die eine Zahnecke zermalmt, zermahlen als Schutt im Tal, als Sand im Meer ... Keine Hunnen und Vandalen haben so zerst?ren, keine Kanonen solche Burgen der Natur zerschiessen k?nnen; aber einer hat es vollbracht: der Wassertropfen. Und nicht nur das Gebirge verf?llt ihm so. Wer in der s?chsischen Schweiz je durch die schmalen Klammen gewandert ist, in deren Spalt man den Himmel nur noch wie ein d?nnes Streifchen erblickt; wer in Adelsberg die schwarzen Wasser sich in unergr?ndlicher Grottentiefe hat verlieren sehen: der ahnt, was auch in der Feste unter unsern F?ssen sich abspielt, wie auch dort der Schutt dabei ist, uns zuletzt den Boden fortzuziehen; er ahnt, dass eine Macht der Zerst?rung auch den Sockel der L?nder annagt, zerschneidet und durchfrisst. Und auch das ist der Wassertropfen, der an allen W?nden der Klamm als Feuchte ausschl?gt und in der finstern Grotte von jeder Tropfsteinspitze heruntertickt. Er sch?rft und karrt nicht bloss. Er sprengt auch, indem er in den Spalten gefrierend sich ausdehnt. Und mit Kohlens?ure beladen, schmilzt er den Kalkstein fort wie Salz, zersetzt er chemisch selbst den Granit.

Man muss eben in jener Adelsberger Karstgegend sehen, was die Kohlens?ureschmelzung des Kalks neben der einfachen Schwemmung, Unterw?hlung und Spaltung dort nach unten im bodenbildenden Kalkgestein vollbracht hat. In Trichtern senkt sich allenthalben die Bodenfl?che ein, in Trichtern bis fast zu Kilometerbreite, schaurige Schlote st?rzen senkrecht von ihnen ab, in der Tiefe ist die ganze Feste durchl?chert wie ein Schwamm und unendliche Labyrinthe spinnen sich darin hin, in denen die w?hlenden Wasser unabl?ssig schmelzend, nagend, fressend und fortschleppend weiter rauschen. Diese >>Brunnen der Tiefe<< brauchen nicht heraufzusprudeln, um die Menschen als Sintflut zu verschlingen: unmerklich l?sen sie in rastloser Arbeit den Boden selber unter ihnen fort, bis ab und zu bald dieses, bald jenes Haus spurlos von der g?hnenden Leere des Abgrundes eingesaugt verschwindet. Oder man muss hoch oben im Granitgebirge der Leidensgeschichte dieses trotzigsten Titanen folgen. Wie die stolzen reinen Z?ge seiner edeln Stirn verwitternd zu den humoristischen Fratzen abschmelzen, die der Volksmund nicht m?de wird, mit Tier- und Teufels- und Gespensternamen zu begaben. Wie er zu losen Kugeln zerf?llt, die in ungeheuren Felsenmeeren zu Tal branden gleich Riesenkieseln der leibhaftigen Sintflut und in Wahrheit doch auch nur das Ger?ll dieser viel z?heren Dauersintflut des fressenden Wassertropfens sind. Bis endlich Ton und Sand die letzte Spur des alten Wolkenwanderers andeuten, wie es in der Dichtung von dem toten C?sar heisst, dass er, Staub und Lehm geworden, eine alte Wand verklebt.

Die Arbeit, wie sie hier skizziert ist, hat aber in der Tat zweifellose Sintfluttendenz. Sie arbeitet gegen das Land. Wohl kann ja das Wasser die Bestandteile der Feste nicht wirklich einschlucken im Sinne einer Vernichtung. Es kann ein Gebirge zu Sand reiben und den Sand bis in den Ozean tragen, aber endlich muss er doch wieder sich irgendwie ablagern. Den Kalk, den es in sich aufgel?st, muss es gelegentlich wieder irgendwie absetzen; was es davon bis ins Meer schleppt, das ziehen dort Tiere heraus, die sich Schalen davon bauen, die als solche wieder eine grosse Widerstandsf?higkeit gegen erneute Zersetzung haben und nach dem Tode ihrer Bewohner geh?uft ebenfalls wieder kalkiges Gestein bilden helfen. Eine t?chtige Menge Wasser geht auch bei dem Kreislauf immer verloren. Es ist nicht so, dass bloss das Wasser Stein fr?sse, es gibt auch Steine genug, die Wasser fressen. Eben bei jenem k?hnsten Verwitterungsangriff, dem selbst der Granit erliegt, schluckt immer der ?brigbleibende Ton ein ganzes Teil Wasser f?r sich ein, das zun?chst nicht wieder in den Kreislauf kommt. Auch feuchtet sich zuletzt alles Gestein in die Tiefe abw?rts allm?hlich durch, und wenn die Erdkugel im ganzen eine trockene und m?ssig k?hle Masse bis zum Mittelpunkte w?re, so l?ge hier auf die Dauer eine nicht unbedenkliche Wasserfalle f?r den ganzen Kreislauf der Oberfl?che.

Was aber das best?ndige Wiederablagern der zerst?rten Gesteine durch das Wasser betrifft, so ist dieser Verlauf doch immerhin einseitig. Das Wasser schafft zwar die Mineralstoffe der oberen Erdrinde nicht aus der Welt, aber es nivelliert, es arbeitet von sich aus unabl?ssig einseitig dahin, die Ungleichheiten der Landfeste m?glichst fortzugl?tten. ?ber das Schicksal einer Erde, lediglich in seine Hand gegeben, k?nnte bei der n?tigen Zeit also kein Zweifel sein. Alle Gebirge w?rden endlich heruntergetragen. Jede gegenw?rtige Unebenheit des Bodens aller L?nder w?rde beseitigt. Gleichzeitig aber w?rden die Kontinentsockel selbst von den R?ndern und in die Tiefe hinab zernagt und erniedrigt, w?hrend die Meere umgekehrt durch das hier entzogene Material immer mehr ausgef?llt, durch wachsende Schlammschichten immer seichter gemacht w?rden, was wieder eine umfassendere ?berflutung der ?berall holl?ndisch platten Festl?nder zur Folge haben m?sste. Als ungef?hres Schlussbild k?nnte die Phantasie sich denken, dass zuletzt die allseitig ausgewalzten und angeebneten Schutt- und Sandreste des alten Erdreliefs einen v?llig einheitlichen Plan um die Erde bildeten, auf dessen H?he ein seichtes Meer ebenso einheitlich die ganze Kugel umwogte. So sehr seicht brauchte dieses sieghafte Schlussmeer noch gar nicht einmal zu sein: die heutige Wassermasse aller Ozeane, ?ber die gesamte Erde gleichm?ssig verteilt, erg?be immer noch einen Wasserstand von rund 2000 ~m~ Tiefe. Also eine recht t?chtige >>Sintflut<< als Schluss!

Der Faden der Geschichte des Land- und Wasserwechsels im Wandel der Zeiten w?re also, rein so besehen, ein ungemein einfacher: alles Land, wie es heute unsere Erdkarte noch zeigt, vergeht allm?hlich zugunsten eines allseitig erh?hten einheitlichen Meeresgrundes; die Sterne der Zukunft spiegeln sich in einem absolut sieghaften Meer. Fragt sich bloss, warum bei der sicher erweislichen ungeheuren L?nge der geologischen Zeitr?ume dieses Ziel nicht l?ngst erreicht ist. In all diesen Zeiten hat das Wasser doch rastlos so gearbeitet und es hat Sandschichten geh?uft, die selber wie Gebirge so dick sind und denen man also zutraute, dass sie Gebirge geschluckt haben k?nnten; trotzdem ragen noch immer himmelhohe Gebirge ?ber uns. Die Jahrmillionen scheinen aber selbst f?r die Zerst?rung von Kontinenten zu langen. Und doch stehen noch f?nf zum Teil gen?gend ansehnliche Erdteile auf unserer Karte, w?hrend gleichzeitig der Meeresgrund keineswegs Anstalten macht, ?berall gleichm?ssig zu versanden; noch gibt es Meerestiefen, in denen der h?chste Himalajagipfel versenkt werden k?nnte, ohne aus dem Wasserspiegel zu ragen.

In diesem Widerspruch weisen jetzt jene alten Meermuscheln tief im Lande sogleich den weiteren richtigen Weg. Sie fallen doch versteint aus versteintem Meeresschlamm von ehemals. Dieser Schlamm ist offenbar vorzeiten durch Arbeit des Wasserkreislaufs vom Lande, vom Gebirge heruntergewaschen und im Meeresgrunde abgelagert worden; die Muscheln bezeugen, dass er wirklich schon einmal im Meere war. Aber heute liegt er ebenso ersichtlich nicht mehr in diesem seinem Meeresgrunde. Hoch auf dem Festland liegt er vielmehr wieder, weit im Binnenlande, ja den Wolken nahe neu in himmelragendem Gebirge. Unglaublich hoch kann er so liegen: im Himalaja finden sich gewisse Schichten mit Meertieren noch bis 5000 ~m~ hoch. Hier ist also etwas Besonderes noch nachtr?glich geschehen, das niemals vom Wasser selbst ausgehen konnte. Durch eine unabh?ngige Macht ist der Meeresboden wieder ganz aus dem Wasser gehoben, zu neuem Festland gemacht worden. Und auf diesem Festlande ist er, wenn er heute gar hoch im Gebirge liegt, nochmals h?her und h?her bis in die Wolken hinaufgestaut worden durch eine Gebirgsbildung dieses Festlandes, die ebenfalls seither noch neu stattgefunden haben muss. Im einzelnen k?nnen wir heute oft noch angeben, wann diese Bildung erst sich vollzogen haben kann. In jenen jetzt so fabelhaft hoch verstiegenen Schichten am Himalaja finden sich die Reste gewisser meerbewohnender Urtiere, der Nummuliten, die in dieser Gestalt f?r die Meere im Anfang der sogenannten Terti?rzeit charakteristisch waren. Um diese Zeit muss ein solches Nummulitenmeer also auch dort in Indien noch geblaut haben. In der Zwischenzeit seit damals kann dann aber erst das Gebirge sich gebildet haben, das an seinem Fleck eben diesen Meeresboden bis zu 5000 ~m~ H?he hinaufgeschoben hat, w?hrend es selber zugleich in seinem aller?ussersten Gipfel es dabei bis zum Mount Everest gebracht hat, also der h?chsten Bergerhebung ?berhaupt der ganzen Erde.

Kein Zweifel, dass wir auch hier vor einer Arbeit unseres Planeten stehen, die sich noch heute fortwirkend studieren l?sst, genau wie die Zerst?rungsarbeit des Wassers. Wenn wir vom Meer sprachen und seinen unruhigen Wassergeistern, die in Tropfengestalt die Feste zu meistern suchten, so erschien diese Feste, erschien die ganze harte Erdrinde in ihrer mineralischen Starre als der Gegensatz des ewig Ruhigen; passiv liess sie sich nur von jener Wasserunruhe zerst?ren; ohne diese Unruhe stand der Granit wirklich von Ewigkeit zu Ewigkeit. Aber auch das ist niemals genau richtig. Um noch einmal an das alte Sintflutbild zu erinnern: in bestimmtem Sinne wandeln wir auch auf dieser festesten Erde best?ndig eigentlich ?ber einer geheimen Flut, die langsam steigt und ebbt, schaukelt und Wellen wirft, -- das alles aber, wunderbar genug, jetzt in Gestalt tiefinnerlichster Verschiebungen des Gesteins selber, die mit echter Wasserbewegung gar nichts zu tun haben.

Das geschulte Auge des wirklichen Geologen st?sst aber in jeder Gegend bei Schritt und Tritt auf die steinernen Wogenspuren. So stark die Wasserarbeit sich ?berall aufdr?ngt: die Arbeit dieser Steinflut ist im sichtbaren Erdbilde doch vielfach noch durchschlagender. Wo immer jenes Zerst?rungswerk des w?hlenden Wassers das Gestein in seinem Gef?ge aufgeschlossen oder wo immer es seine urspr?nglichen Aussenformen noch nicht zu verwischen vermocht hat, da st?sst man auf sie. Es brauchen nicht immer unmittelbare Falten zu sein. Wo die dr?ngelnden Gesteinsmassen sich gestaut haben, gewahrt man die Spalten, zu denen sie k?mpfend zerbrochen sind, man erkennt, wie die dicken Schichten an solchen Br?chen sich geradkantig auf- und abgeschoben haben, wie ganze Schollen zu Gr?ben und Kesseln hinabgesunken, andere in Restbrocken als hohe einsame Kl?tze dar?ber stehengeblieben sind. Der Laie muss sich belehren lassen, dass aus der Heimat oder von der Karte allbekannte Landschaften solchen wilderen Wogenprall darstellen: das mittlere Rheintal und das Rote Meer solche Grabenversenkungen zwischen zwei Spalten, unsere Vogesen oder unser Schwarzwald solche stehengebliebenen Restkl?tze. Der Geolog verfolgt die Spur aber weiter auch an den ganzen Kontinenten, die wieder im noch gr?sseren teils solche Kl?tze und Bl?cke, teils aneinander gescharte Faltensockel ?ber den gewaltigen Senkungsfeldern der tiefen Ozeane bilden. Und an tausend Anzeichen erkennt er, weit ?ber den einzelnen Muschelfund im Binnenlande noch hinaus, dass dieses Wogen der Steinrinde unseres Planeten seit Urtagen dauert. Alle geologischen Epochen hindurch dauert es, von der endlos entlegenen Devonzeit, deren Seelilien und Meerkrebse heute im Kalkstein der Eifel liegen, bis zur Steinkohlenperiode, durch deren heute tief verborgene Kohlenschichten noch die Spr?nge und Zickzackfalten einer damaligen europ?ischen Gebirgsbildung laufen, von der sogenannten Triasepoche, deren Korallen- und Kalkalgenriffe heute unsere Dolomitalpen bilden und in der man trockenen Fusses ?ber den Indischen Ozean gehen konnte, bis zur Kreidezeit, deren ozeanischer Schlamm heute aus den weissen Felsen von R?gen gl?nzt, und zum Terti?r, wo die Seek?he bei Mainz durchs Rheintal schwammen wie heute im Roten Meer, w?hrend Scharen fl?chtiger Steppenpferde ?ber die Reste der >>Atlantis<< von Gr?nland nach Europa her?ber und hin?ber kreuzten. Immer hat das flutende Auf und Ab des Gesteins dem einf?rmigen Nivellieren der Wasserarbeit Schach geboten. Ging dieses Nivellieren unabl?ssig neben ihm her, nagte seine Erdteile, seine Gebirgsfalten immer wieder an und suchte seine Meeresh?hlungen erneut mit Sand zu versch?tten, so machte dieser Wellenschlag des Steinmeeres es zu einem Danaidenwerk, das nie fertig wurde, ewig neu beginnen musste. Gl?ttete der Wassertropfen rastlos am Relief der Erdkugel, so baute der dr?ngende Stein ebenso ruhelos neues Relief. Gegen?ber der wesentlich landfeindlichen Richtung der Wasserarbeit war die Steinarbeit geologisch stets eine landfreundliche. W?hrend der Wasserkreislauf auch da, wo er scheinbar baute: bei seinem H?ufen von Sandschichten am Meeresgrunde, eigentlich nur an der noch gr?ndlicheren ?berflutung der L?nder arbeitete , schuf die Steinbewegung selbst da mehr Land, wo sie den Meeresboden zeitweise senkte; denn in den Abgr?nden, die sie tiefte, liefen die Wasser umgekehrt zusammen, wodurch anderswo das Flachland der K?sten trocken gelegt werden musste. Andrerseits wurde auch der Wasserflut mit ihrer rinnenden Sanduhr ein wirkliches Bauen von ihr selbst nachtr?glich noch aufgezwungen, wenn sie die ungeheuren Lasten Meersand, die jene zwecklos h?ufte, durch ihr Schaukeln gleichsam ?ber Nacht tats?chlich wieder zu Land machte. ?ber Nacht freilich nur im Sinne, wie es in der Bibel von den Nachtwachen des Weltsch?pfers heisst. Denn in Wahrheit ging das Spiel auch hier durchweg langsam genug. Daf?r ging es durch Jahrmillionen. Auf jeden Fall aber musste die titanische Doppelarbeit dieser beiden Erdgewalten im Laufe dieser Zeiten ein wahrhaft kaleidoskopisches Wechselspiel von Meer und Festland auf unserm Planeten schaffen, von dem das heutige Bild nur gerade einen zuf?lligen Einzelfall gibt.

Diese Unkenntnis h?ngt stark zusammen mit einer andern. W?hrend uns n?mlich die Ursache jenes best?ndigen Wasserflutens um die Erde von der Sonnenw?rme an, die zuerst die Wasserteilchen aus dem Ozean lockt, bis zu den letzten zermahlenen Sandteilchen, mit denen das wolkenragende Gebirge endlich in diesem Ozean anlangt, so gut wie ganz durchsichtig ist, haben wir lange nicht die gleiche Einsicht in die Ursachen jener faltenden Steinflut der Erdrinde.

Eine ganze Weile hat man sich dabei auf einer unmittelbar falschen F?hrte bewegt. Man suchte die Ursache in den von unten hebenden vulkanischen Erscheinungen. Aus der Erdentiefe dr?ngen bekanntlich immerzu gl?hend fl?ssige Massen aufw?rts. Bald entfliessen sie unsern Vulkanen noch als Lava, bald erstarren sie bereits in der Tiefe. Zu der Erdrinde verhalten sie sich wie die juvenilen Quellen zum Kreislauf der Gew?sser. Sie bringen neue Stoffe hinzu, entsprechend hier statt Wasserdampf und Heisswasser geschmolzenes Gestein. Zweifellos nehmen sie in ihrer Art so auch Anteil an der Arbeit dieser Rinde. Sie mehren die Masse dieser Rinde, schaffen erkaltend m?chtige Einlagen und Auflagen, gelegentlich sch?tten sie auch einmal selber eine Insel im Meer, einen Berg ?ber der Feste auf. Man glaubt auch zu beobachten, dass sie gern da hochquellen, wo eine jener Rindenspalten zeitweise den Druck von oben vermindert. Und auch gegen Teile der Rinde dr?ngeln sie gelegentlich in ihrer Weise. Aber davon kann keine Rede sein, dass sie wirklich die geheimen Kobolde w?ren, die das ganze Steinmeer tanzen liessen, hinter allen Erdbeben, Faltungen, Senkungen, ja hinter der Entstehung jener Spalten selber st?nden. Vollkommen musste das aufgegeben werden von der neueren Geologie.

Die heute gangbarste Meinung sucht die Ursache der Steinflut vielmehr in der fortdauernden Zusammenziehung der Erdkugel. Gleich allen andern Weltk?rpern verdichtet sich die Erde fortgesetzt im Innern. Dabei verkleinert sich ihr Kern. Die Rinde muss nachsinken. Vielfach bricht sie dabei ?rtlich ein, w?hrend andere Teile einzeln stehenbleiben. Vielfach auch wirft sie Falten wie ein schrumpfend sich runzelnder Apfel. Ich verhehle nicht, dass auch diese Ansicht noch viele Schwierigkeiten hat. Sie teilt vorl?ufig die Gefahr aller Erkl?rungen, die vom Geologischen ins Astronomische greifen. Immerhin ist sie zurzeit die beliebteste.

Aber auch wenn sie ganz genau richtig w?re, so w?rde uns das noch gar nichts sagen ?ber das Gesetz, das nun im Engeren dieses Nachgeben und Sichrunzeln der Erdkruste geologisch beherrscht hat. Wir wissen nicht, in was f?r Abs?tzen, Zeitfolgen, in was f?r einem Rhythmus sozusagen diese Rindenschrumpfung sich vollziehen soll. Auch das ist das Missliche gerade astronomischer Deutungen, dass sie f?r geologische Dinge durchweg zu allgemein, zu umfassend sind, um im einzelnen etwas zu besagen. Der Astronom hat das Gl?ck ?usserst sicherer Berechnungen, eben weil er die Dinge meist so im grossen sieht; ihm sind ganze Weltk?rper vielf?ltig nur leuchtende Punkte. Der Geolog haftet trotz seiner langen Zeitr?ume, die den Laien schon erschrecken, mit seinen W?nschen an sehr viel kleineren Erscheinungsreihen. Und so bleibt es trotz so mancher Versuche, die in alter und neuer Zeit gemacht worden sind, einstweilen aussichtslos, den Wechsel von Wasser und Land in der Urwelt gleichsam aus einer allgemein errechneten Formel ableiten zu wollen.

Wir sind auf die schwerere Aufgabe angewiesen, nach dem mehr oder minder zerst?ckelten Material, das uns die geologische Vergangenheit hinterlassen hat, die alten Karten einzeln wieder St?ck f?r St?ck zusammenzusetzen. In vielen F?llen erscheint das ja einfach. Wenn heute in Schwaben unverkennbarer alter schwarzer Faulschlamm einer Meeresbucht mit den h?bsch eingesargten Mumien der an das Leben lediglich im Ozean angepassten Ichthyosaurier aus der ?lteren Jurazeit liegt, so ist f?r diese Ecke die Karte von damals nat?rlich fertig: wir setzen blaue Meerfarbe auf das betreffende heutige Land. Und so kann man noch vieles deutlich verfolgen. Uralte Gebirge, die der Zahn der Zeit, das heisst die unerbittliche Arbeit des Wassertropfens oben l?ngst wieder heruntergebaut hat, deuten sich noch in den Faltenresten der Tiefe an. Die Sandbarren ihres Meeresdeltas, zu Sandsteinbl?cken erstarrt, lehren urweltliche Riesenfl?sse kennen. Salzlager verraten die verdampften Salzpfannen von Binnenmeeren. Im roten Stein ringsum erkennt der Geolog noch den alten W?stenboden. Aber lange nicht alles ist so reinlich geblieben. In nur zu vielen F?llen hat die Regenarbeit die alten Meeresb?den, nachdem sie Land geworden waren, seither v?llig wieder fortgefressen, und sie hat damit f?r unsere geologischen Kartenbilder genau die Rolle gespielt wie die M?use oder Termiten in wirklichen geographischen Archiven, wo nachher bald dieses, bald jenes Blatt im Atlas fehlte. Anderes haben die Faltungen und Senkungen selbst unkenntlich gemacht. Schliesslich sind wir Menschen heute auch noch nicht einmal ganz im Besitz unserer gegenw?rtigen Erdkarte, geschweige denn, dass wir ?berall w?ssten, was f?r Restbl?tter darunter liegen; die geologische Erforschung der grossen Meeresbecken hat eben erst knapp an der Oberfl?che begonnen. So bleibt in jeder geologischen Karte, zumal wenn sie ganze Erdteile wiederherstellen will, viel Fragliches, vieles, das bessere Einsicht bald wieder ebenso fortradieren muss, wie die Arbeit des Regentropfens Teile des Originals wegradiert hat.

Aber andrerseits gibt das Wenige, das heute schon ungef?hr der Kritik standh?lt, eine solche F?lle bereits des Lehrreichen und ?berraschenden, dass sich jeder Rundgang reichlich lohnt. Die grossen Erregungen, die in den Tagen der Kolumbus, Tasman und Cook unsern Vorv?tern noch zu teil wurden: dass ganz neue Erdteile noch in der Phantasie oder Wirklichkeit auftauchten, sind f?r unsern sp?ten Abend der eigentlich heroischen Geographie heute zu Ende. In dieser geologischen Ferne sind dagegen wirklich noch unbekannte Erdteile zu finden oder bereits gefunden; was seit Amerigo Vespuccis Zeiten nicht mehr m?glich gewesen ist, sollte dort wieder schlichten geologischen Fachleuten beschieden sein: einen neuen Namen zu ersinnen f?r einen bisher v?llig unbekannten und unbenannten Erdteil. Das M?rchen, das noch romantischer als das von der Sintflut durch die V?lker geht: von ganzen L?ndern, die irgendwann einmal im Ozean wieder verschollen w?ren, von einer >>Atlantis<<, ?ber deren Grab wir heute mit dem Schiff segelten, viele Tage lang, hat greifbare wissenschaftliche Gestalt dort gewonnen, -- anders, aber noch wunderbarer, als die Phantasie zu tr?umen wagte.

Es w?rde mir nicht einfallen, den Leser so lange auf unserm doch allbekannten Kartenbilde von heute spazieren zu f?hren, wenn nicht der vielleicht verbl?ffende Sachverhalt einfach der w?re, dass mit dieser Betrachtung schon ein ganzer Hauptteil der wesentlichsten Ver?nderungen gestreift ist, die uns der Geolog f?r seine Weltalter gegenw?rtig an dieser Karte aufzuz?hlen weiss. Die eigent?mliche Lage des Stillen Ozeans gegen?ber den andern Meeren und dem Gesamtblock der Landgebiete; die allm?hliche Entstehung des Atlantischen Ozeans; der ungeheure Nordblock; seine Durchkreuzung durch polar gerichtete Meereskan?le; die Zertr?mmerung der atlantischen Landverbindung zwischen Nordeuropa und Gr?nland; Europa als ein Brennpunkt immer erneuter geologischer Unruhe; die M?glichkeit eines S?dblocks und seiner Zersplitterung; das Geheimnis des Indischen Ozeans; Entstehung und wechselnde Schicksale des grossen Mittelmeers; die wahre Rolle Indiens; die Wandlungen des Kartenbildes durch neu aufsteigende Gebirgsfalten: jeder einzelne dieser Punkte bildet ein entscheidendes Kapitel in unserer heutigen Kenntnis vom Wechsel von Wasser und Land in der geologischen Vergangenheit, so weit es sich um halbwegs beweisbare Vermutungen handelt.

So gern der Geschichtsschreiber der Erdkarte m?chte: er kann niemals mit dem wirklichen Anfang beginnen. Wenn eine Anschauung, die wieder mehr astronomisch als geologisch ist, die Erde in ihren ?ussersten Urtagen auch an der Oberfl?che gl?hend fl?ssig sein l?sst, so hat das mit einer Karte noch nichts zu tun. Die ?lteste Erstarrungskruste dieses Glutballs -- dar?ber sind sich heute die meisten Geologen und Mineralogen so ziemlich einig -- kennen wir ebenfalls heute nicht mehr; wir haben keinen Fleck, der in diesem Sinne nachweisbar noch jetzt echtes >>Urland<< w?re. Eine gangbare Vermutung, die nat?rlich von jenem Bilde der gl?henden Urerde abh?ngig ist, l?sst auf dieser zun?chst noch warmen Rinde das Wasser, das bis dahin als Dampf in der Atmosph?re schwebte, sich zum ersten Mal ?berall niederschlagen in Gestalt eines ?ltesten allumflutenden Erdmeeres. Auch ?ber dieses Bild l?sst sich mit Tatsachen noch nichts aussagen. Es muss dahingestellt bleiben, ob wenigstens dieses wahre >>Urmeer<< wirklich zun?chst noch sintfluthaft die ganze Kugel umwogt haben k?nnte oder ob es auch damals sich sogleich schon Unebenheiten, Schollen, Falten, vulkanischen Aufg?ssen der neuen Rinde anbequemen, steile Rindenteile frei lassen und sich in Senkungen sammeln musste; das letztere ist nat?rlich das wahrscheinlichere. Was man aber gelegentlich sonst schon von diesem Urmeer oder diesen Urmeeren zu wissen glaubte, hat sich durchweg als viel zu fr?he Vermutung herausgestellt. Ihre noch heissen, chemisch weit wirksameren Wasser sollten die sogenannten kristallinischen Schiefer als eine Art ersten Heissschlammes abgesetzt haben. Es handelt sich hier um m?chtige Gesteinsschichten der heutigen Erdrinde, die einerseits wie Wasserabs?tze, Meeresschlamm der Vorwelt, aussehen, andrerseits aber im Gegensatz zu sonstigen geologischen Meeresniederschl?gen auch irgendeinen W?rmeeinfluss, der sie innerlich anders gestaltete, verraten. Fr?here Ansicht nahm sie s?mtlich f?r uralt, ?lter als alle sonstigen Schichten jener Art. Da sollte sie dann das heisse Erstmeer unter ganz absonderlichen Verh?ltnissen, die nie mehr so wiedergekehrt w?ren, gebildet haben. Die neuere Geologie glaubt zun?chst nicht mehr an das wirkliche Uralter aller dieser kristallinischen Schiefer; auch viel j?ngere Bodenabs?tze des Meeres k?nnen in solche nachtr?glich verwandelt worden sein, wenn sie durch Senkungen und Faltungen der Erdrinde nachmals noch wieder in das Bereich st?rker erw?rmter Erdentiefen gerieten. Je tiefer andrerseits aber eine Schicht ihrem Alter nach wirklich lag, desto sicherer musste sie dieser nachtr?glichen Umformung im Erdenschosse verfallen. Was also an Schiefern wirklich bis ins Uralter reicht, das muss vermutlich heute samt und sonders kristallinisch ver?ndert sein. Zu ihrer Zeit und in ihrem Urmeer selbst aber k?nnen auch solche Urschiefer genau so entstanden und urspr?nglich beschaffen gewesen sein, wie alle sp?teren nicht kristallinischen. Dann verraten sie uns aber auch nichts ?ber ein heisses Urmeer, m?gen sie so alt sein wie sie wollen.

Da g?hnt in Nordamerika, in der Landschaft Arizona, das Naturwunder des sogenannten grossen Ca?on des Koloradoflusses. Alle Vergn?gungsreisenden dort besuchen und bestaunen es heute schon. An einer weiten Hochebene hat sich eine Reihe von Jahrhunderttausenden lang wieder einmal die Macht des rinnenden Wassers erprobt. Das Stromnetz hat unabl?ssig w?hlend und nagend die Gesteinsschichten zerst?ckelt, eine nach der andern wie Butterbrotscheiben abw?rts wieder erschliessend, wie sie sich in der geologischen Reihenfolge der Perioden einst ?bereinander gestapelt hatten. Zuletzt hat es sich dann noch wie mit dem Messer in den Grund eingeschnitten, schauerliche Spalten von fabelhafter Tiefe bildend, die eher an die Rillen des Mondes erinnern, als an irdische T?ler. Ca?ons, R?hren, nennt sie der Spanier. Jener gr?sste ist 60 Meilen lang und bis 2000 Meter tief. Nackt starren die Schichten aus seiner Wand, in wunderbar grellen Farben gleissend, hinunter und hinunter steigend, als solle es mit dem Wort der Bibel wirklich bis in der Erde Nieren gehen. Schier unglaublich wirkt es schon, was an solchem einzelnen Fleck sich im endlosen Verlauf der Urwelt ?berhaupt alles ablagern konnte. Die Hochebene im ganzen beginnt fern oben mit Gesteinen aus der Terti?rzeit. Dann aber geht es r?ckw?rts buchst?blich durch alle Weltalter. Die eigentliche enge Ca?onspalte muss sich noch durch eine Bergesbreite Kalk und Sandstein der alten Steinkohlenperiode s?gen. Bis sie noch immer tiefer und tiefer st?rzend in ihrem grauenhaften Schlunde endlich auch den uralten Boden des Kambriums schneidet. Selbst dort aber ist diesmal kein Ende. Aufspalten muss sich die noch entlegenere Urerde des Algonkiums. Auf einen einzelnen hellen Augenblick sehen wir in ihre Landschaft. Aber wieviel sieht der Geolog da sogleich.

Zu Stein verbackener Sand mit sogenannten Rippelmarken, rippenf?rmigen Erh?hungen und Furchen, wie sie durch Wellenschlag und Wind an flacher K?ste noch heute entstehen, deutet auf Uferd?nen. Also Grenze, wo Wasser und Land sich schon damals begegneten. Kalk hat sich abgesetzt, wohl aus seichten Seen; also auch so etwas war schon da. Zu andern Malen hat das wirkliche Meer den Fleck ?berflutet, Krebse und beschalte Wurmtiere heranf?hrend. Gelegentlich im Laufe der Zeiten ist ein m?chtiger Lavastrom des Weges geflossen. Also auch schon Vulkanismus. Und wie sollte er nicht? Die ganze Schichtenlage, nachdem sie eine geraume Weile sich so gebildet hatte, ist eines Tages damals schon ergriffen worden auch vom Schaukeln der Steinflut. Spalten sind hindurchgebrochen, von denen wir wissen, dass sie dem Aufquellen gl?hender Massen heute noch so g?nstig sind. An diesen Spalten haben die ganzen Schichten sich zerst?ckelt, verschoben, schief gelagert, steile Blockmassen als Berge und tiefe Senken als T?ler bildend. Auch dieses zeitweise Landschaftsrelief aber ist durch den Kreislauf der Gew?sser abermals abgenagt, gegl?ttet, in ebenen Plan verwandelt worden, ehe noch die folgende kambrische Periode begann. Denn diese konnte ihre eigenen Schichten wieder ganz wagerecht auf solchem Plan lagern. Noch mehr aber verr?t uns das Wunder des Ca?on. Ehe das alles sich bildete im Algonkium, diese Ufersande, Kalke, Lavadecken, hatte an dieser gleichen wandlungsreichen Stelle bereits ein gewaltiges Gebirge gestanden. Kristallinische Schiefer, durchsetzt mit empordr?ngendem Granit, waren durch Faltung der damaligen Erdrinde hoch emporgestaut worden, wie so viel Jahrmillionen sp?ter unsere noch stehenden Alpen oder Kordilleren. Noch zeigt die tragende Masse unter jenen andern Schichten innerlich ganz deutlich die Wellenlinien dieser Faltung. Aber wiederum: noch ehe jene algonkischen Schichten, die heute darauf lagern, sich absetzen konnten, hatte auch an diesem Gebirge die zerst?rende Verwitterung durch den sch?rfenden, sprengenden und schmelzenden Wassertropfen gearbeitet. Und heruntergearbeitet endlich hatte sie noch vorher das ganze, ganze Gebirgsrelief schon so vollkommen, dass auch dieses Gebirge zuletzt wieder einen oben vollst?ndig glatten Plan gebildet hatte, der nur noch in der Tiefe die letzten abgeschnittenen Faltungszacken wahrte. ?ber die flache Platte dieses Blocks aber war dann die Uferwelle dahergekommen, die jene Rippelmarken in den Sand schrieb, -- in den Sand, in dem wohl hier und da noch letzte K?rnchen von diesem abgewaschenen Gebirgsrelief selber lagen. Kein Zweifel: alles, was bis heute eine >>Karte<< auf der Erdkugel gebaut hat, ist schon damals beim Werk gewesen. Und auch das bestand bereits, was in aller Folge so abh?ngig gewesen ist von dieser Erdkarte mit seinen tausend Anpassungen und Entwicklungen, zugleich aber dieser Karte erst noch wieder den eigentlichen Inhalt f?r uns gegeben hat: das organische Leben.

Uns graut heute schon vor der Wasserw?ste, die dieser Stille Ozean etwa zwischen Kalifornien und China bildet. Wer damals dort h?tte segeln d?rfen -- sagen wir in der Phantasie ein Wesen von fremdem Stern, das schon in kambrischen Tagen, f?nfzig und mehr Millionen Jahre vor dem ersten Menschenauge, den Erdball entdeckt und besucht h?tte -- der w?re aber noch auf eine ganz andere Fl?che gestossen. Heute neigen sich doch weiter n?rdlich wenigstens Asien und Amerika in der Beringstrasse eng zu einander. Der kambrische Pazifik trieb dagegen seine ungeheuren Wellen auch hier noch unvergleichlich viel weiter, er rollte sie ?ber den engeren Fleck des heutigen China, ?ber ganz Ostsibirien, wo jetzt die Lena zum Eismeer str?mt, bis hoch hinauf in sieghafter Riesenentfaltung gegen die asiatische Nordspitze, das Kap Tscheljuskin. Am Schlamm, den er dort ?berall abgesetzt und den diese L?nder, nachdem sie l?ngst wirklich >>Land<< geworden, heute noch an ungest?rten Stellen als dicke versteinte Decken tragen, erkennt man deutlich noch seine Spur. Und entsprechend ?berschwemmte er weite Gebiete des heutigen westlichen Amerika. Von Alaska bis San Franzisko w?lzten sich auch hier seine grauen Wellen sintfluthaft. Er stand ?ber der ganzen Breite des unteren, zugespitzten Teils von S?damerika, von Chile und Paraguay bis zum Kap Horn. Man f?hlt sogleich, dass hier die Gebirgsmauer der amerikanischen Kordillere noch fehlen musste, die heute als Felsengebirge und Anden westlich das Land verteidigt; und in der Tat ist auch diese Kordillere erst viel, viel j?ngeres geologische Werk, wie die Anordnung und Faltung ihres Gesteins erweist. Wohl h?tte ein Besucher von damals, der sich wie ein verlorener Schmetterling ?ber diese endlosen Wasser hinausgejagt fand, doch auf eine Weile den Eindruck erhalten k?nnen, er schaue noch ?ber eine Urerde, deren Kugelfl?che ganz anders unter Wasser stand als sp?ter. Und der Eindruck h?tte sich verst?rkt, wenn er inmitten dieser westamerikanischen ?berflutung nun folgerichtig damals auch keinem Isthmus von Panama begegnet w?re, sondern auch dort quer ?ber den Ort des heutigen Mittelamerika hinweg in freier Fahrt ostw?rts in das Gebiet des Atlantischen Ozeans h?tte einlenken k?nnen. Dann erst, bei dem Versuch, dieses Becken zu erforschen, das zun?chst auch nur wie eine offene ?stliche Fortsetzung der bisher durchquerten pazifischen Wasserfl?che aussah, w?re er auf die wahre Sachlage auch der kambrischen Festlandverteilung gekommen. Er musste auf die riesigen inneren K?sten der >>Landseite<< stossen und das jetzt in einer Form, die einerseits ganz entschieden abwich vom heutigen geographischen Sachverhalt, andrerseits aber die wirklich nicht zu verachtende Masse auch des damaligen Landes dartat.

Wenn unser kambrischer Segler nach dem vergeblichen Versuch, dieser einf?rmigen S?dmauer zu entrinnen, sich aber nun quer ?ber das Mittelst?ck des geheimnisvollen Meeres, in das er bei Panama doch so offen eingefahren war, nordw?rts gewendet h?tte, so h?tte er eine neue eigent?mliche Landerfahrung machen m?ssen. Nach ?berquerung des mittleren Teils des heutigen Atlantischen Ozeans w?re er n?rdlich abermals auf eine ungeheure, ebenso endlos und einf?rmig sperrende K?ste gestossen. Sie kam zun?chst etwa aus der Gegend von Mexiko im Bogen herauf. Offenbar also geh?rte sie hier einem ebenfalls damals schon ?ber Wasser stehenden Teil jetzt von Nordamerika an. Genau folgte sie allerdings zwischen Florida und Neufundland nicht dem gegenw?rtigen K?stenrand, sondern schnitt ein gut Teil noch in das heutige Land selber ein. Man merkt, dass auch hier noch eine grosse Gebirgskette fehlte, die Alleghanys, die f?r diese atlantische K?ste Nordamerika jetzt eine ?hnliche Rolle als sch?tzende Mauer spielen wie dr?ben die Parallelfalten der Felsengebirge f?r die pazifische. Dann aber, jenseits von Neufundland, verliess auch diese nordatlantische Sperrk?ste einfach jede Landgrenze von heute. Sie schritt vor der S?dspitze von Gr?nland und Island her abermals ?stlich quer ?ber den ganzen Atlantischen Ozean auf Schottland und Skandinavien zu! Ein zweites, ganz unfassbar riesiges Festland musste hier liegen, an dem diesmal der vorhandene Teil von Nordamerika als Halbinsel hing, wie S?damerika dr?ben an dem andern.

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