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Read Ebook: Der Weihnachtsabend: Eine Erzählung zum Weihnachtsgeschenke für Kinder by Schmid Christoph Von

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Ebook has 205 lines and 27798 words, and 5 pages

Der Weihnachtsabend.

Eine Erz?hlung zum Weihnachtsgeschenke f?r Kinder,

Von dem Verfasser der Ostereyer.

Landshut, 1825. in der Kr?ll'schen Buchhandlung.

Erstes Kapitel.

Das Weihnachtslied.

An dem heiligen Abende vor dem Weihnachtsfeste wanderte der arme Anton, ein holder Knabe von acht Jahren, noch durch die schneebedeckte Gegend hin. Der arme Kleine hatte seine blonden Locken, die von der K?lte angeduftet waren, noch mit dem leichten schwarzen Strohhute vom letzten Sommer her bedeckt, und seine beyden Wangen gl?hten hochroth von Frost. Er war nach Soldatenart gekleidet und hatte eine niedliche scharlachrothe Husarenjacke an. In der Rechten f?hrte er einen dicken Stecken von Schlehdorn, und auf dem R?cken trug er ein kleines Reiseb?ndelein, in dem sich all sein Hab' und Gut befand. Er war aber fr?hlich und guter Dinge, und hatte an der sch?nen weissen Winterlandschaft umher und an den bereiften Hecken und Gestr?uchen am Wege seine herzliche Freude. Indess ging die Sonne gluthroth unter. Die angedufteten Halme und Zweige umher flimmerten wie mit r?thlichen F?nklein bestreut und die Gipfel des nahen Tannenwaldes strahlten im Abendgolde.

Anton dachte das n?chste Dorf, das jenseits des Waldes lag, noch leicht zu erreichen, und ging muthig in den dicken, finstern Wald hinein. Er hoffte in dem Dorfe gute Weihnachtsfeyertage zu bekommen; denn er hatte geh?rt, die Bauern dort seyen sehr verm?gliche und gutherzige Leute. Allein er war noch keine Viertelstunde gegangen, so kam er vom rechten Wege ab, und verirrte sich in die wildeste Gegend des rauhen, bergichten Waldes. Er musste fast best?ndig durch tiefen Schnee waten, und einige Male versank er beynah in Gruben und Schluchten, die unter dem Schnee versteckt waren. Die Nacht brach ein und es erhob sich ein kalter Wind. Wolken ?berzogen den Himmel, und verdunkelten jedes Sternlein, das durch die schwarzen Tannen?ste funkelte. Es ward sehr finster und fing aufs neue an heftig zu schneyen.

Der arme Knabe fand keine Spur mehr von einem Wege, und wusste nicht mehr wo an und wo aus. M?de von langem Umherirren vermochte er nicht mehr weiter zu gehen. Er blieb stehen, zitterte vor Frost, und fing an schmerzlich zu weinen. Er legte sein Wanderb?ndelein in den Schnee, kniete darneben nieder, nahm seinen Hut ab, erhob seine starren H?nde zum Himmel, und bethete unter heissen Thr?nen: >>Ach Du lieber Vater im Himmel! Ach lass mich doch nicht in diesem wilden Walde, in Nacht und Frost umkommen. Sieh, ich bin ja ein armes Waislein, und habe keinen Vater und keine Mutter mehr! Ich habe niemand mehr als Dich. Aber Du bist ja der Vater aller armen Waisen. O lass mich nicht erfrieren; erbarme dich deines armen Kindes. Es ist ja heute die Nacht, in der dein lieber Sohn zur Welt geboren wurde. Um Seiner Willen erh?re mich! Ach, lass nicht in eben der Nacht, da sich alle Welt ?ber die Geburt des g?ttlichen Kindes freut, mich armen Knaben hier einsam im Walde sterben.<< Er legte sein m?des Haupt auf sein kleines B?ndelein, und schluchzte und weinte bitterlich!

Aber horch -- da erklang es mit einem Male, seitw?rts von der H?he herab, lieblich wie Harfent?ne, und ein wundersch?ner Gesang erhob sich und hallte von den Felsen wieder. Dem Knaben war es nicht anders, als h?rte er die heiligen Engel Gottes singen. Er stand auf, horchte und faltete die H?nde. Der Wind hatte sich gelegt, und kein L?ftchen regte sich. Unaussprechlich lieblich erklang der Gesang in der tiefen n?chtlichen Stille des Waldes. Jetzt vernahm er deutlich die Worte:

O sey getrost in jeder Noth, Denn sieh, den liebsten Sohn hat Gott Zum Heiland dir gegeben! Auf Ihn vertrau' und fasse Muth, Was schlimm ist, macht Er wieder gut; Er liebt dich wie sein Leben.

Jetzt war es wieder stille; nur klangen noch wie ein leiser Wiederhall einige sanfte Harfent?ne nach. Dem guten Anton wurde es wunderbar um das Herz. >>Ach, sagte er, so muss es den Hirten zu Bethlehem gewesen seyn, als sie in jener heiligen Nacht den himmlischen Gesang vernahmen. Ich will wieder frischen Muth fassen und fr?hlich seyn. Sicher wohnen gute Menschen in der N?he, die sich meiner annehmen; denn ich hoffe, dass sie nicht nur so sch?n singen, wie Engel, sondern auch so gut und freundlich gesinnt seyen, wie die Engel!<< Er nahm sein B?ndelein, und ging die Anh?he hinauf -- der Gegend zu, woher er den lieblichen Gesang vernommen hatte. Kaum war er einige Schritte durch das Geb?sch gegangen, so gl?nzte ihm ein heller Lichtstrahl entgegen, der sogleich wieder verschwand, ?ber eine Weile aber wieder erschien, dann wieder auf einige Augenblicke verschwand, dann wieder heller gl?nzte, und so wechselweise. Anton ging freudig vorw?rts, und kam an ein Haus, das einsam im Walde stand. Er klopfte zwei, drey Mal an der Hausth?re; er h?rte wohl mehrere fr?hliche Stimmen in dem Hause, aber niemand antwortete ihm. Er versuchte nun die Th?re zu ?ffnen; sie war nur mit der Th?rschnalle geschlossen. Er ging hinein, tappte lange in dem dunkeln Hausgange umher, und suchte die Stubenth?re. Endlich fand er sie, machte sie auf -- und blieb h?chst erstaunt stehen. Ein heller Glanz von mehrern Lichtern strahlte ihm entgegen. Es war ihm nicht anders, als blickte er in das Paradies, in den offnen Himmel.

In der Ecke der Stube, zwischen den zwey Fenstern, war eine ?beraus sch?ne Fr?hlingslandschaft ganz nach der Natur im Kleinen abgebildet -- eine gebirgige Gegend mit hohen bemoosten Felsen, gr?nenden Tannenw?ldern, l?ndlichen H?tten, weidenden Schafen, nebst ihren Hirten, und einer kleinen Stadt oben auf dem Berge. In der Mitte der Landschaft war aber eine Felsenh?hle -- da sah man das Kind Jesu -- die heilige Mutter -- den ehrw?rdigen Joseph -- die anbethenden Hirten, und oben schwebten die jubelnden Engel. Die ganze Landschaft flimmerte von einem wundersamen Glanze; sie war wie mit unz?hligen winzig kleinen Sternlein bes?t, so wie etwa Laub und Moos an B?umen und Felsen schimmern, wenn sie an einem Fr?hlingsmorgen von reichlichem Thaue tr?pfeln.

Die Einwohner des Hauses waren um die sch?ne Vorstellung des Kindes Jesu in der Krippe versammelt. An einer Seite sass der Vater und hatte eine Harfe zwischen den Knieen stehen; an der andern Seite sass die Mutter mit dem kleinsten Kinde auf dem Schoosse. Zwey liebliche Kinder, ein Knabe und ein M?dchen, standen zwischen den beyden Aeltern, blickten and?chtig zur Krippe des Heilandes hinauf und erhoben die H?nde gleich den frommen Hirten, die vor der Krippe knieten. Jetzt griff der Vater wieder in die Harfe und die Mutter sang mit ihrer lieblichen Engelsstimme noch einmal das Lied, von dem Anton jene Worte geh?rt hatte. Die zwey Kinder sangen mit ihren zarten, hellen Stimmchen freudig mit, und der Vater begleitete den Gesang mit seiner angenehmen Bassstimme und dem lieblichen Harfenspiel. Sie sangen:

Vor Dir, Du holdes Himmelskind, Dem Gottes Engel dienstbar sind, Fall' ich anbethend nieder -- Und freue mit Maria mich, Und preise mit den Engeln Dich, Und singe Jubellieder!

In Dir erscheint uns Gottes Heil, Dich lieben -- ist der beste Theil, Du Liebe ohne Gleichen! Zwar spricht noch deine Lippe nicht, Doch sagt dein mildes Angesicht Dem Armen wie dem Reichen:

>>O sey getrost in jeder Noth, Denn sieh, den liebsten Sohn hat Gott Zum Heiland dir gegeben! Auf Ihn vertrau' und fasse Muth, Was schlimm ist, macht Er wieder gut; Er liebt dich wie sein Leben.<<

>>Und k?mmt ein armes Kind in Noth Vor deine Th?r', sag' nicht: Helf Gott! Wollst seiner dich erbarmen! F?hlst du f?r Gottes Liebe Dank, Lass liebreich es bey Speis und Trank An deinem Heerd erwarmen.<<

Anton stand noch immer unter der ge?ffneten Th?re, und hielt die Th?rschnalle in der einen Hand, und Hut und Stecken in der andern. Seine Augen waren best?ndig auf die sch?ne Vorstellung der Krippe Jesu gerichtet, und mit offenem Munde horchte er auf den Gesang und das Harfenspiel. Niemand bemerkte ihn. Jetzt f?hlte aber die Mutter die K?lte, die durch die offene Th?re in die Stube drang und blickte nach der Th?re: >>Lieber Gott, rief sie, wie kommt das Kind in der finstern Nacht durch den dicken Wald hieher? Armer, armer Knabe -- du hast dich gewiss verirrt!<< >>Ach ja, sagte Anton, ich habe mich im Walde verirrt!<< Alle sahen jetzt nach der Th?re. Die zwey Kinder hatten ein herzliches Mitleid mit dem verirrten Knaben, blieben aber etwas scheu stehen, weil er ihnen fremd war. Die Mutter ging mit ihrem Kinde auf dem Arm zu ihm hin, und fragte ihn freundlich: >>Wo bist du denn her, lieber Kleiner, wie heisst du und wer sind deine Aeltern?<< >>O Du lieber Gott, sagte Anton mit Thr?nen in den blauen Augen: Ich habe gar keine Heimath mehr. Ich heisse Anton Kroner. Mein Vater ist in dem Kriege umgekommen und meine Mutter ist den letzten Herbst vor Jammer und Elend gestorben. Ich bin hier im Lande ganz fremd und irre in der Welt umher, wie ein verlornes L?mmlein.<< Er fing an zu erz?hlen, wie er eben jetzt im Walde in so grosser Noth gewesen, wie er da aber ihren Gesang geh?rt und so den Weg zu ihrem Hause gefunden habe. Er wollte weiter reden; allein die Stimme versagte ihm; es fror ihn noch all zu sehr. In der warmen Stube f?hlte er die Wirkungen der K?lte erst recht. Er zitterte vor Frost und klapperte mit den Z?hnen.

>>Ach du armer Anton, sagte die Mutter; du kannst ja vor Frost kaum mehr reden; und hungerig und m?de musst du auch seyn. Leg dein B?ndelein ab, und sitz nieder; ich will dir eine warme Suppe geben, und was sonst noch von dem Nachtessen ?brig ist.<< Die zwey Kinder, Christian und Katharine, nahmen ihm nun voll Mitleid Hut und Stock und das B?ndelein ab. Katharine legte das B?ndelein auf die Bank; Christian legte den Hut oben darauf und lehnte den Stecken in eine Ecke. Hierauf f?hrten sie ihren kleinen Gast an den Tisch. Die Mutter brachte Suppe und ein grosses St?ck Festkuchen nebst gekochten Pflaumen. Sie setzte sich an die andere Seite des Tisches, und l?chelte freundlich, dass Anton es sich so gut schmecken liess. Die Kinder aber theilten ihm reichlich von ihren Weihnachtsgeschenken mit -- sch?ne rothwangige Aepfel, goldgelbe Birnen, und grosse braune N?sse. Sogar das kleine Lieschen auf dem Schoosse der Mutter schenkte ihm, auf Zureden der Mutter, das sch?ne purpurrothe Aepfelein, das sie in dem kleinen H?ndchen hielt, und mit den zarten Fingerlein kaum umspannen konnte.

Die warme Suppe bekam dem erstarrten Anton sehr gut, und die liebliche Stubenw?rme that ihm nunmehr sehr wohl. Er ward wieder munter und fr?hlich. >>Aber was ihr doch da in der Ecke eurer Stube Sch?nes habt!<< fing er jetzt an. Er hatte schon unter dem Essen best?ndig nach der Krippe hin?bergeblickt. >>Das ist ja ein Fr?hling mitten im Winter! sagte er. So etwas Wundersch?nes hab' ich in meinem Leben noch nicht gesehen. Ich muss es doch n?her betrachten.<< Er sprang hin und die zwey Kinder folgten ihm.

>>Weisst du aber auch, was das alles vorstellt?<< fragte Katharine. >>Freylich weiss ich das, sagte Anton. Es stellt die Geburt Jesu vor. Was das f?r ein sch?nes, liebliches Kindlein ist! Sein Angesicht ist so sch?n weiss und roth, wie Lilien und Rosen. Und was es f?r gl?nzende Aeuglein hat, und wie freundlich es l?chelt!<< >>Das ist aber nicht das rechte Jesuskindlein! sagte Katharine. Jesus ist jetzt kein Kind mehr; Er ist schon lange in den Himmel aufgefahren.<< >>Das weiss ich wohl, sagte Anton. Meynst du denn, ich sey ein Heide? Es ist ja schon bald zwey tausend Jahre, dass Jesus als ein Kind in der Krippe lag. Das alles hier ist nur so gemacht, damit wir Kinder uns alles besser vorstellen k?nnen. Das da oben ist, glaube ich, die Stadt Bethlehem. Nicht so?<< Katharine nickte. >>Siehst du nun, sagte Anton, dass ich alles weiss! Ich bin nicht so dumm, als du meynst.<<

Die Kinder lachten und machten nun Anton noch auf allerley Kleinigkeiten aufmerksam, die ihnen aber h?chst wichtig vorkamen. >>Sieh nur, Anton, sagte Katharine, das sch?ne weisse Schaf hier mit krauser Wolle, und die zwey allerliebsten kleinen Sch?flein daneben! Sieh, hier herum graset die ?brige Heerde, und dort steht der Hirt und bl?st auf der Schalmey. In dem niedlichen rothen H?ttchen mit R?dern schl?ft er zu Nacht.<< -- >>Siehst du auch, sprach Christian, wie da aus dem Felsen ein kleines Quellchen, so fein wie ein Silberf?dchen, hervorspringt, und sich in den hellen See ergiesst? Sieh, zwey weisse Schw?ne mit sch?ngebognen H?lsen schwimmen auf dem See und spiegeln sich in dem ruhigen, silberklaren Wasser.<< >>Dort, sagte Katharine, kommt ein Hirtenm?dchen den steilen Weg am Berg herab, und tr?gt ein zugedecktes K?rblein auf dem Kopf. Darin werden wohl Aepfel oder Eyer seyn, die sie zur Krippe tr?gt.<< >>Und sieh, sagte Christian, dort schiebt einer auf seinem Schiebkarren einen Sack die hohle Bergschlucht hinauf. Was aber in dem Sacke ist, weiss ich nicht zu sagen.<< So unterhielten sich die Kinder h?chst angenehm, und kein kleines streifiges Schnecklein, das an dem Felsen klebte, und kein buntes M?schelein am Ufer des Sees blieb unbemerkt.

>>Nun wohl, sagte Anton, das ist alles sehr sch?n. Allein das Sch?nste ist doch die Abbildung des himmlischen Kindes! Das freut mich am meisten. Denn um jenes Kindes willen, das hier abgebildet ist, hat mich der himmlische Vater aus meiner grossen Noth errettet.<<

Zweytes Kapitel.

Geschichte des armen Antons.

Der Hausvater, in dessen Hause Anton so gut aufgenommen wurde, war ein F?rster. Er sass, indessen die Kinder so mit einander plauderten, in seinem Lehnsessel am Ofen, und schien in Gedanken vertieft. Die F?rsterin setzte sich, mit dem kleinsten Kinde auf dem Arm, neben ihn auf einen Stuhl, und sagte ?ber eine Weile: >>Warum bist du so stille, und ?ber was sinnest du nach?<< >>Ich sinne den letzten Reimen nach, die wir gesungen haben, sagte der F?rster. Du hast nun freylich gethan, wie sie lauten, und den armen Knaben gespeiset und erw?rmt. Ich denke aber, wir k?nnten doch noch mehr an ihm thun. Sieh, es ist heute die heilige Nacht. Wir feyern das Andenken jener Nacht, in der das g?ttliche Kind geboren wurde, das zu unserm und aller Menschen Heil in die Welt gekommen. Und nun schickt Gott uns eben heute Nacht ein Kind her, dem wir zum Heile werden k?nnen. -- Der Erl?ser kam als ein Fremdling in die Welt, und hatte nicht, wo er sein Haupt hinlege, als wollte er die Gastfreundlichkeit der Menschen auf die Probe stellen. Die Einwohner von Bethlehem bestanden in dieser Probe schlecht, und verstiessen ihn gleich anfangs zu den Thieren des Stalles; sollten wir den Knaben da auch so verstossen? Sag mir aber deine Meynung aufrichtig, Elisabeth, was wir thun sollen!<<

>>Den Knaben annehmen, sagte die F?rsterin freudig und freundlich. Was ihr einem von diesen Mindesten thut, das habt ihr mir gethan, sagte ja Er, der in dieser Nacht geboren ward. Und der Anton scheint mir ein recht guter, sanfter Knabe, der ein edles Gem?th hat. Er sieht so fromm und unschuldig aus, und, obwohl er bettelt, so ist er doch gar nicht keck und verwegen. Gewiss ist er ehrlicher Leute Kind. Er hat so eine feine Aussprache, und obwohl seine rothe Jacke etwas abgetragen ist, so ist sie doch von recht gutem Tuche. Wo ihrer f?nf essen, essen auch sechs. Wir wollen den Knaben behalten.<<

>>Du bist doch eine gute, liebe Frau, sagte der F?rster, und dr?ckte ihr die Hand. Gott wird es dir vergelten, und was du an einem fremden Kinde thust, unsern eigenen Kindern zu gut kommen lassen. Doch m?ssen wir den Knaben zuvor erst pr?fen, ob er der Wohlthat werth ist.<<

>>Anton, komm einmal daher!<< rief der F?rster jetzt laut. Anton kam und stellte sich vor ihn hin, gerade und aufrecht, wie ein Soldat vor seinem Offizier steht.

>>Dein Vater, fing der F?rster an, war also ein Soldat, und starb den Tod f?rs Vaterland. Nun, das ist wohl traurig f?r dich, allein f?r ihn ist es sch?n und r?hmlich. Aber erz?hle uns doch mehreres von deinen Aeltern. Wo waret ihr vor dem Kriege? Wie kam dein Vater um? Wie starb deine Mutter? Wie kamst du hieher in unsern Wald? Lass einmal h?ren!<<

Anton erz?hlte: >>Meinen Vater, Gott habe ihn selig, nannten die Husaren ihren Herrn Wachtmeister. Unser Regiment lag, so lang ich denke, zu Glatz in Schlessien in Garnison. Meine Mutter n?hte immer sehr fleissig und verdiente vieles. Sie war sehr geschickt. Da kam der Vater eines Tages eilig nach Hause und sagte: >>Es ist Krieg; wir m?ssen morgen fort!<< Er war ein tapferer Mann und wusste sich gut darein zu schicken. Meine Mutter aber hatte einen grossen Schrecken und weinte bitterlich. Sie wollte ihn nicht allein ziehen lassen; der Abschied fiel ihr gar zu schwer. Auf ihr vieles Bitten nahm er uns endlich mit. Wir zogen weit -- weit fort. Mit einmal hiess es: >>Der Feind r?ckt an.<< Mein Vater und die Husaren mussten ihm entgegen. Meine Mutter und ich blieben zur?ck. Da wurde uns nun wohl recht bange, als wir in der Ferne so f?rchterlich schiessen h?rten. >>Ach, sagte die Mutter zu mir, bey jedem Schuss geht mir ein Stich durchs Herz. Denn ich weiss ja nicht, ob die Kugel nicht das Herz deines Vaters durchbohrt.<< Wir weinten und betheten, so lange das Schiessen w?hrte. Doch der Vater kam gl?cklich und unversehrt wieder zur?ck. So ging es nun ?fter. Allein eines Tages kam nach einem Gefechte ein Husar mit des Vaters leerem Pferde in das Dorf gesprengt und sagte, der Vater sey schwer verwundet; er liege eine halbe Stunde vom Dorfe auf der Wahlstatt und werde wohl sterben. Die Mutter und ich eilten sogleich zu ihm. Er lag unter einem Baume. Ein alter Soldat kniete bey ihm und hielt ihn sanft in den Armen, so, dass der Vater den Kopf an die Brust des wackern Kriegers anlehnen konnte. Noch zwey andere Soldaten standen dabey. Mein armer Vater war durch die Brust geschossen und sah bereits so blass aus wie ein Sterbender. Wir sahen es ihm wohl an, dass er uns noch etwas sagen wollte; allein er konnte nicht mehr reden. Da blickte er mich mit seinen sterbenden Augen noch einmal schmerzlich an, dann blickte er auf die Mutter, und dann zum Himmel. Wenige Augenblicke nachher verschied er. Die Mutter und ich weinten uns fast die Augen aus. Die Leiche wurde auf dem n?chsten Kirchhofe begraben. Einige Herren Offiziere und viele Soldaten kamen und begleiteten die Leiche. Die Trompete klang mir so seltsam und so traurig, dass mirs ist, ich h?re sie noch immer. Sie erwiesen ihm noch die letzte Ehre, und schossen ihm noch in das Grab. Meine Mutter und ich wurden von dieser traurigen Ehrenbezeugung so ersch?ttert, als w?rde auf uns selbst geschossen. Viele Soldaten wischten sich die Augen, als sie vom Grabe zur?ckkehrten. Ich und meine Mutter aber zerflossen fast in Thr?nen.

Die Mutter wollte nun wieder in ihre Heimath zur?ck kehren. >>Ich habe dort freylich keine Verwandten mehr, sagte sie, aber doch noch eine gute Bekannte. Sie wird uns wohl in ihr Haus aufnehmen, und ich denke, dort von meiner Arbeit dich und mich zu ern?hren.<< Allein wir hatten kaum einige Tagreisen zur?ck gelegt, da wurde die gute Mutter unterwegs krank. Mit M?he erreichten wir noch ein kleines Weiler. Man wollte uns nirgend aufnehmen; endlich fanden wir in einer Scheure ein Unterkommen. >>Das ist wohl hart, sagte meine Mutter, allein Maria hatte es ja auch nicht besser. Auch sie wurde nirgends hinein gelassen und musste in einem Stalle ?bernachten.<< Meine Mutter wurde indess st?ndlich kr?nker. Sie liess einen Geistlichen rufen und bereitete sich zum Tode. Als es Nacht wurde, sagte die B?urin, der die Scheure geh?rte, zu meiner Mutter: >>Ihr seyd wohl recht krank; ich muss daher schon etwas Uebriges thun.<< Sie ging, brachte eine alte Stalllaterne, in der ein kleines Oellicht brannte, und h?ngte die Laterne an einem Balken auf. Das war alles, was sie that. Sie sagte uns nun gute Nacht und k?mmerte sich weiter nicht mehr um uns. Ich blieb ganz allein bey der Mutter; ich sass so neben ihr auf einem Bund Stroh und weinte bitterlich. Gegen Mitternacht wurde sie, so viel ich bey dem tr?ben Scheine der Laterne sehen konnte, immer bl?sser. Sie seufzte mehrmal sehr tief. Ich weinte immer heftiger. Sie both mir die Hand und sagte: >>Weine nicht, lieber Anton! Bleibe fromm und gut, bethe gern, hab' Gott vor Augen und thu' nichts B?ses; so wird dir Gott einen andern Vater und eine andere Mutter geben.<< So sprach sie. >>Aber lieber Gott, sagte Anton, und die hellen Z?hren flossen ihm ?ber die bl?henden Wangen -- eine solche gute Mutter bekomme ich doch nicht mehr.<< >>Nun, fuhr er fort, sie blickte nun lange zum Himmel, bethete in der Stille, segnete mich mit ihren sterbenden H?nden und verschied. Ich konnte nichts als weinen. Der Bauer und die B?uerin hatten wohl meiner Mutter versprochen, sie wollen mich annehmen und mich wie ihr eigenes Kind halten. Sie nahmen das Wenige, was meine Mutter hinterlassen hatte, ihre Kleider und einiges Geld, auch wirklich zu sich; allein ehe drey Wochen vergingen, schickten sie mich fort, und sagten, ich h?tte schon dreymal so viel verzehrt, als die Hinterlassenschaft meiner Mutter werth sey. Ich ging und nahm mir vor, nach Glatz zu meinen Schulkammeraden zur?ck zu kehren. Allein die Bauern konnten mir nicht sagen, wo der Weg nach Schlessien gehe. Da irre ich nun so im Lande hin und her und bettle; denn was soll ich sonst anfangen?<<

Die F?rsterin war sehr ger?hrt, und sagte mit Thr?nen in den Augen zu ihren Kindern: >>Seht, meine Kinder, so k?nnte es euch auch gehen. Auch ihr k?nnet Vater und Mutter verlieren, und was wollet ihr dann anfangen? Darum bittet Gott doch alle Tage, dass Er euch eure Aeltern erhalte.<<

Der F?rster sprach: >>Du hattest, so viel ich sehe, sehr rechtschaffene Aeltern, lieber Anton. Allein hast du denn gar nichts Schriftliches aufzuweisen?<< >>O ja wohl!<< sagte Anton, und nahm eine Brieftasche aus seinem P?cklein. >>Diese Papiere, sagte er, hat mir meine Mutter noch auf ihrem Sterbebette ?bergeben. Sie befahl mir, wohl darauf Acht zu haben, und sie nicht aus der Hand zu lassen. Euch darf ich sie aber schon sehen lassen.<< Es waren der Trauschein seiner Aeltern, Antons Taufschein und der Todtenschein seines Vaters. Der Todtenschein war von dem Feldprediger ausgestellt. Der Oberst des Regiments hatte aber noch eigenh?ndig ein sehr r?hmliches Zeugniss von dem tapfern, edelm?thigen Betragen des seligen Wachtmeisters und der tadellosen Auff?hrung der hinterlassenen Wittwe beygef?gt.

>>Nun wohl, sprach der F?rster, das ist alles gut. Jetzt sage mir aber, Anton, wie gef?llts dir bey uns?<< >>Sehr gut, sagte Anton freundlich, so gut, dass mir ist, als sey ich bey Euch zu Hause.<< >>M?chtest du wohl bey uns bleiben?<< fragte der F?rster. -- >>O nirgends in der Welt lieber!<< sagte Anton. >>Eure Frau ist gerade so freundlich, wie es meine Mutter war, und Ihr seyd auch recht brav und habt gerade einen solchen Schnurrbart, wie ihn mein Vater trug.<<

Der F?rster lachte, und strich sich den Bart. >>Nun Knabe, sprach er, so bleibe denn bey uns. Ich will dein Vater seyn, und meine Frau wird als Mutter an dir handeln. Sey uns aber auch ein guter Sohn, und habe deine neuen Geschwister lieb und thu ihnen nichts zu leid. H?rst du -- du bist jetzt mein Sohn Anton!<< Der Knabe stand sehr betroffen da, und sah den F?rster mit grossen Augen an, ob das auch sein Ernst sey. Er war der harten Begegnung, die er von vielen Menschen erfahren musste, so gew?hnt, dass ers kaum glauben konnte, der F?rster wolle ihn an Kindesstatt annehmen. >>Nun wie, Anton, sagte der F?rster, und both ihm die Hand, schl?gst du nicht ein?<< Jetzt brach Anton in Thr?nen aus, both dem F?rster die Hand, k?sste darauf die Hand der F?rsterin, und gr?sste beyde Kinder, ja auch das kleinste, wiewohl es noch nicht wusste, was vorging, als seine neuen Geschwister. Christian und Katharine hatten eine grosse Freude, dass Anton da bleiben durfte. >>Jetzt ists erst recht lustig, sagte Christian; jetzt sind wir, wenn wir ein Spiel machen, doch unser drey.<<

Der F?rster fuhr aber ernsthaft fort: >>Sieh Knabe, so sorgt Gott f?r dich. Der Segen deiner guten Aeltern ruht auf dir. Gott erh?rte das Gebeth deiner sterbenden Mutter und -- auch dein Gebeth als du dort im Walde zitternd vor Frost im Schnee knietest. Er lenkte deine Tritte hieher! Er f?hrte dich in unser Haus. Wenn du unsern Gesang nicht geh?rt h?ttest, so w?rest du auf deinem B?ndelein eingeschlafen und erfroren, und ich h?tte dich todt im Walde gefunden. Gott rettete dich gerade noch im rechten Augenblick. Er f?hrte dich gerade in dieser heiligen Nacht, da unsre Herzen von der Liebe des Vaters im Himmel, der den Eingebornen f?r uns dahin gab, besonders ger?hrt waren, zu unserer abgelegenen Wohnung im Walde, die du sonst am Tage kaum gefunden h?ttest. Gott und seinem lieben Sohne, der auch f?r dich armen Knaben vor bald zwey tausend Jahren in der heutigen Nacht geboren ward, und auch f?r dich gestorben ist, hast du es zu danken, dass du jetzt wieder ein Obdach hast. Darum erkenne es, und vergiss es in deinem Leben nicht, und habe immer ein dankbares Gem?th gegen Gott und deinen Erl?ser. Hab' Gott dein Leben lang recht vor Augen und f?hre dich immer christlich auf.<<

Anton versprach es mit weinenden Augen. >>O Du guter Gott, sagte er, indem er zum Himmel blickte, Du hast die letzten Worte meiner sterbenden Mutter treulich erf?llt und mir wieder Vater und Mutter geschenkt. Ich will aber ihre letzten Worte auch erf?llen, deine heiligen Gebothe halten, und besonders das vierte Geboth gegen meine neuen Aeltern recht beobachten.<< >>Bravo, Anton, sprach der F?rster, das thu, und es wird dir wohl gehen.<< Die F?rsterin wies hierauf dem Knaben eine kleine Kammer mit einem reinlichen Bette an, und alle begaben sich vergn?gt zur Ruhe.

Am andern Morgen waren die Kinder sogleich wieder um die Vorstellung des Kindes Jesu in der Krippe versammelt. Sie war an dem heiligen Weihnachtsfeste und den darauf folgenden Feyertagen und Festen ihre einzige Freude. Allein diese unschuldige Weihnachtsfreude w?re bald gest?rt worden. Ein gewisser junger Herr von Schilf, der ein grosser Jagdliebhaber war, und den F?rster ?fter besuchte, kam einmal in die Stube. Er machte ?ber diese Art, den Kindern die Krippe Jesu vorzustellen, allerley sp?ttische Anmerkungen und konnte nicht finden, wozu dergleichen dienen sollte.

>>Wozu? sprach der F?rster. Schauen Sie da einmal zum Fenster hinaus, junger Herr! Sehen Sie, tiefer Schnee deckt die Erde und die B?ume des Waldes krachen unter seiner Last. Man sieht keine Blume; nur hier an den gefrornen Fensterscheiben schimmern Blumen von Eis. An den Obstb?umen, die mein Dach umgeben, h?ngen keine Aepfel und Birnen mehr, und es ist kein gr?nes Blatt mehr daran zu sehen; alle Aeste und Zweiglein sind weiss angeduftet und ganz mit Reifen ?berzogen, und an dem Hausdache h?ngen lange Eiszapfen. Die armen Kinder hier sind in der Stube, gleich Gefangenen, eingesperrt und k?nnen kaum einen Tritt vor die Hausth?re thun. Sollte es denn nun so ?bel seyn, wenn liebende Aeltern ihren Kindern zur rauhen Winterszeit in der w?rmenden Stube gleichsam einen Fr?hling erschaffen? Wirklich ist diese Fr?hlingslandschaft im Kleinen mit den gr?nen W?ldern, blumigen Wiesen, weidenden Schafen und deren Hirten fast die einzige Winterfreude der Kinder.<<

>>Allein das ist noch das Wenigste! Die Hauptsache ist dies: Wir Christen freuen uns zur heiligen Weihnachtszeit, dass uns in Christus die Menschenfreundlichkeit Gottes in Menschengestalt erschienen ist. Und da m?chten wir denn auch unsre Kinder, soviel sie es verstehen, an dieser Freude Theil nehmen lassen. Nun weiss ich zwar wohl, dass die gr?ssten Mahler diese heilige Geschichte in Gem?lden darstellten, die seit Jahrhunderten die Bewunderung der Welt sind. Ich selbst habe, da ich noch auf Reisen war, jenes ber?hmte Gem?lde der Krippe Jesu zu Dresden, die heilige Nacht genannt, mehrmal bewundert. Allein die Einwendungen, die Sie gegen meine, freylich sehr unvollkommene Darstellung der Krippe Jesu hier machen, liessen sich, den Kunstwerth abgerechnet, gegen jenes herrliche Gem?lde auch machen, und sind desshalb keiner Wiederlegung werth. Solche kostbare Gem?lde sind ?brigens nur f?r grosse Herren, und w?ren bey Kindern gar nicht angewendet. Denn ich wette darauf, meine Kinder w?rden ihre Krippe gegen jenes ber?hmte Gem?lde zu Dresden sicher nicht vertauschen.<<

>>Lassen Sie also, mein lieber Herr von Schilf, uns einf?ltige Leute hier im Walde immer bey der alten Sitte unserer V?ter bleiben. Ich erinnere mich noch aus meinen eigenen Kinderjahren, dass die Krippe meine beste Kinderfreude -- und nicht ohne Segen f?r mich war. So m?ge sie denn auch meinen Kindern zur Freude und zum Segen gereichen.<<

Drittes Kapitel.

Die edle F?rsterfamilie.

Der F?rster, der den armen Waisenknaben an Kindesstatt angenommen hatte, war ein sehr rechtschaffener, biederer Mann, und, wie er sich selbst ausdr?ckte, noch von altem Schrott und Korn. Er war sehr gottesf?rchtig, gegen alle Menschen wohlwollend, und in dem Dienste seines F?rsten unerm?det und von unverbr?chlicher Treue. Der ehrliche F?rster hielt sich streng an die frommen Sitten seiner Gross?ltern, die er noch gekannt hatte, und seiner Aeltern, die ganz so wie die Gross?ltern gesinnt waren.

Am Morgen war es immer sein erstes Gesch?ft, mit Frau und Kindern das Morgengebeth gemeinschaftlich zu entrichten; eben so wurde auch der Tag mit dem Abendgebethe gemeinschaftlich beschlossen. >>Wie sollten wir, sagte er, nicht jeden Tag mit dem Gedanken an Denjenigen anfangen und beschliessen, der uns jeden Tag das Leben fristet, und uns Speis und Trank und alles Gute giebt? Es ist wohl auch, denke ich, selbst f?r Engel ein r?hrender Anblick, wenn Vater und Mutter in Mitte ihrer Kinder vor Gott knien, und alle, auch das Kleinste nicht ausgenommen, die H?nde bethend und dankend zum Himmel erheben. Der Vater im Himmel kann nicht anders als segnend auf sie herabblicken.<<

Eben so and?chtig und ehrerbiethig bethete der F?rster mit allen den Seinigen vor und nach dem Tische. Eines Tages brachte er den jungen Herrn von Schilf von der Jagd mit nach Hause und lud ihn, da eben die Suppe aufgetragen wurde, zum Mittagessen ein. Der junge Herr setzte sich sogleich ohne Tischgebeth an den Tisch. Allein der F?rster, der sich, wie er zu sagen pflegte, nie ein Blatt vor den Mund nahm, sagte sehr ernsthaft: >>Pfui, junger Herr! So machen es meine Wildschweine draussen im Walde; die verschlucken die Eicheln, ohne aufzuschauen, woher sie kommen.<< Der junge Herr wollte Einwendungen machen, und meynte, das Tischgebeth sey eben nicht so bedeutend. Allein der F?rster sprach mit grossem Nachdrucke: >>Was uns zu bessern Menschen macht, ist von grosser Bedeutung. Die Gottseligkeit ist zu allem n?tze; von der Gottvergessenheit hingegen habe ich noch keine guten Fr?chte gesehen, wohl aber schon sehr viele schlimme. Bethen Sie mit uns, wie es einem Christen und vern?nftigen Menschen geziemt, oder Sie sind mit mir das letzte Mal auf der Jagd gewesen. Mit einem Heiden m?chte ich nichts weiter zu thun haben. Ich mag nicht einmal mit ihm an Einem Tische essen. Doch, setzte der F?rster gelassener hinzu, ich weiss wohl, dass Sie ?ber die Sache nie nachgedacht haben. Sie sahen etwa einige vornehme junge Herren nicht zu Tische bethen, und machten es ihnen ohne weitere Ueberlegung sogleich nach. Sie glaubten dadurch sich selbst ein vornehmes Ansehen zu geben. Allein, mein lieber junger Herr, obwohl Sie Schilf heissen, so m?ssen Sie desshalb doch nicht dem Schilfe gleichen, das innen leer und ohne Mark ist und sich nach jedem L?ftchen dreht.<< Der junge Herr stand wieder auf und bequemte sich mit zu bethen. Er that es aber nicht aus Andacht gegen Gott, sondern blos aus Liebe zur Jagd.

Am fr?hlichsten war der ehrliche F?rster immer, wenn er sich in der Mitte seiner Familie befand. >>Was soll ich die Freude ausw?rts suchen, sagte er, da ich sie zu Hause besser und wohlfeiler haben kann.<< Er trank daher nach vollbrachtem Tagewerk seinen Krug Bier, und Sonntags sein Glas Wein daheim, f?hrte mit seiner Hausfrau vertrauliche Gespr?che oder erz?hlte den Kindern fr?hliche und lehrreiche Geschichten. Wenn er besonders aufger?umt war, nahm er seine Harfe zur Hand. >>Diese gilt uns, sagte er, bey den langen Winterabenden in unserm rauhen Walde anstatt Konzert und Oper.<< Er hatte in seiner Jugend zwar das Waldhornblasen angefangen; allein da der Arzt ihm es untersagte, so verlegte er sich, als ein grosser Freund der Musik, auf die Harfe. Die F?rsterin wusste mehrere sch?ne Lieder, und der F?rster begleitete sie mit seinem Harfenspiel. Auch die Kinder hatten bald einige ihrem Alter angemessene Liedchen gelernt, und sangen zusammen, gleich den Zeisigen im Walde.

Die Kinder des F?rsters gingen nach Aeschenthal, dem n?chsten Pfarrdorfe, in die Schule. Sobald die Weihnachtsfeyertage vor?ber und die Wege durch den Wald wieder gangbar waren, mussten Christian und Katharine t?glich dahin gehen. Anton ging mit tausend Freuden mit, und ?bertraf bald alle seine Mitsch?ler. Sein Fleiss und seine Talente waren ausnehmend. Wenn der F?rster Abends von der Jagd nach Hause kam und in seinem Lehnstuhle n?chst dem w?rmenden Ofen sass, mussten ihm die Kinder erz?hlen, was sie in der Schule gelernt hatten, und ihm ihre Schriften vorweisen. Anton wusste immer am meisten zu erz?hlen; seine Schriften waren immer die sch?nsten, und in dem Lesen brachte er es bald zu einer grossen Fertigkeit. Nach dem Abendessen mussten die Kinder abwechselnd vorlesen; allein alle im Hause h?rten am liebsten dem Anton zu. >>Er liest am nat?rlichsten, sagte die F?rsterin. Wenn man es nicht s?he, dass er ein Buch vor sich habe, so meynte man sicher, dass er die Geschichte nicht lese, sondern dass er sie einmal geh?rt habe, und sie uns nur so aus dem Kopfe erz?hle.<<

Der fr?hlichste Tag in der Woche war den Kindern immer der Sonntag. An diesem Tage ging der F?rster nicht auf die Jagd und die Kinder konnten den ganzen Tag um ihn seyn. >>Ich bringe, sprach er, die sechs Tage der Woche unausgesetzt und unverdrossen in herrschaftlichen Diensten zu; allein der Sonntag ist dem Dienste eines gr?ssern Herrn gewidmet. Auch ist mir und meinen Holzhauern nach sechs Arbeitstagen wohl ein Ruhetag zu g?nnen.<< Am Sonntage Morgens gingen Vater und Mutter in der lieblichen Sonntagsfr?he mit den Kindern nach Aeschenthal in die Kirche. Das war den Kindern, besonders im Fr?hlinge und im Sommer, eine grosse Freude. Der Weg f?hrte bald ?ber waldichte Bergh?hen hin, bald durch schmale Wiesenth?lchen, die mit buschigen Felsen und hohen B?umen umgeben waren. >>O wie sch?n ists doch im Walde, sprach dann wohl Anton; wie herrlich gr?nen die B?ume im Glanze der Morgensonne! Ja, am Sonntage kommt mir der Wald noch viel sch?ner vor, als sonst. Mir ists, als h?tten alle B?ume ein freundlicheres Gr?n. Die V?gelein auf den belaubten Zweigen singen viel fr?hlicher. Und ausser ihnen schweigt alles! Man h?rt keine Holzaxt, kein Wagenrad und keinen Schuss; nur die Kirchenglocke ert?nt in der Ferne. Es ist alles so still und ruhig, wie in der Kirche.<<

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