Read Ebook: Herrn Dames Aufzeichnungen: oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil by Reventlow Franziska Gr Fin Zu
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Ebook has 884 lines and 40294 words, and 18 pages
>>Es ist so klar, dass es kaum noch einer Auslegung bedurfte -- zudem hatte der Meister den bewussten Ring erst seit einem Jahr getragen, und seine Substanz war zweifellos noch mit fremden fr?heren Substanzen gemischt -- das musste die Beurteilung bedeutend erschweren.<<
Darauf entstand eine Pause, und dann sagte die Dame sehr nachdenklich:
>>H?ren Sie, vielleicht liegt es noch einfacher -- ich habe diesen Mann schon lange im Verdacht, dass er schwarze Magie treibt, und dann l?ge es wohl nahe, dass er alles wirklich Grosse und Sch?ne hassen -- innerlich ablehnen muss. Und wiederum -- dass der Meister nach jener ?usserung die Gesellschaft verliess, beweist doch st?rker wie alles andere, dass er sich mit etwas Unlauterem in Ber?hrung f?hlte und sich dem entziehen musste.<<
>>O, ich glaube,<< warf Sendt sp?ttisch ein, >>auch wenn man ihm von v?llig lauterer Seite derartige Dinge sagte, w?rde er sich zur?ckziehen.<<
>>Warum besch?ftigt man sich denn immer wieder mit ihnen? Ich meine, vor kurzem noch geh?rt zu haben, dass die Beschr?nkung auf die weisse Magie nicht gebilligt wurde?<<
>>Gegen die schwarze sind von jeher schwere Bedenken erhoben,<< antwortete die Dame etwas strafend.
>>Besonders seit jener b?se Magier die Substanz des Meisters so verkannte,<< bemerkte Sendt, w?hrend er ihr in den Mantel half, denn sie hatte sich inzwischen erhoben, um zu gehen.
>>Allerdings,<< murmelte sie vor sich hin, und es klang sehr ?berzeugt. Dann brach sie auf und mit ihr der gr?ssere Teil der Gesellschaft. Nur Doktor Sendt und Susanna blieben noch.
Der Philosoph sah sie an, l?chelte und sagte: >>Mirobuk!<< Ich hatte das Wort noch nie geh?rt, und was es bedeuten sollte, war mir nicht klar, aber Susanna lachte und sagte:
>>Achten Sie nur darauf -- Herr -- Herr Dame, wenn Sendt Mirobuk sagt, so hat es meistens eine gewisse Berechtigung.<<
Ich war ihm recht dankbar f?r diese Aufkl?rung, nur kam es mir befremdlich vor -- nein, befremdlich ist nicht das rechte Wort -- aber jener junge Mann und die Dame hatten eine so verwirrende Art sich dunkel und geheimnisvoll auszudr?cken und dabei, als ob von ganz realen Dingen die Rede sei, dass ich selbst etwas unsicher geworden war. Wie sie von dem Meister als von einem ganz ?bernat?rlichen Wesen sprachen -- von seinem Ring und seiner >>Substanz<< -- am Ende ist er auch ein Magier -- ein Zauberer -- ein Nekromant oder dergleichen -- --
Ich war Susanna im Grunde recht dankbar, dass sie mich auslachte und sagte, es sei leicht zu merken, dass ich mich noch nicht lange hier aufhalte.
Heute wollte ich nicht ins Caf?, aber ich ging doch hin und fand wieder eine ung?nstige Konstellation vor; der Philosoph sass mit der lebhaften ?lteren Dame von neulich zusammen. Ich mochte nicht aufdringlich erscheinen, so setzte ich mich an den Nebentisch, den einzigen, der noch frei war, und las Zeitungen. Sie sprachen aber so laut, besonders die Dame, dass ich nicht umhin konnte, zuzuh?ren, und hinter der Zeitung mein Notizbuch vornahm, denn es schien mir wieder sehr bemerkenswert, was sie da redeten. Die Dame erz?hlte von einem Professor Hofmann, dessen Name neulich schon verschiedentlich erw?hnt wurde -- er habe ihr gesagt, sie s?he ausgesprochen >>kappadozisch<< aus.
Kappadozien kommt, so viel ich weiss, in der Bibel vor, aber ich begriff nicht recht, wieso jemand >>kappadozisch<< aussehen kann, und warum sie das mit solcher W?rme erz?hlte. Woher will man denn wissen, wie die Kappadozier ausgesehen haben? Der Philosoph l?chelte auch.
Nun kam einiges, was ich nicht recht verstand, und dann das, was ich mir notiert habe.
>>Nein, es sollten die Posaunen von Jericho sein -- h?ren Sie nur: sie waren alle bei mir auf dem Atelier --<<
>>War er auch dabei?<< fragte der Philosoph, und die Dame warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu.
>>Aber ich bitte Sie, wenn Sie spotten wollen --<<
>>Nein, nein, ich dachte nur -- aber bitte, fahren Sie fort.<<
>>Also der Professor, seine Frau und einige von den jungen Dichtern. Einer von ihnen ging gleich an meinen Fl?gel, betrachtete ihn von allen Seiten und sagte irgend etwas. Dann fragte die Frau Professor ihren Mann:
>Wollen wir es jetzt sagen?<, und er nickte. Dieses Nicken sehe ich noch deutlich vor mir, aber ich kann es nicht beschreiben, es lag etwas ganz Besonderes darin. Dann war pl?tzlich ein Paket da, es wurde ausgewickelt, und ein K?stchen mit einem Schlauch daran kam zum Vorschein -- es sah etwa aus wie ein photographischer Apparat. Und Frau Hofmann sagte lebhaft, dieses K?stchen habe ein Freund ihres Mannes aus dem Orient mitgebracht, es g?be auf der ganzen Welt nur noch ein ebensolches, und das geh?re dem Oberrabbi von Damaskus. Wenn man es an ein Klavier anschraube, innerlich erhitze und dann hineinbliese, so g?be es genau denselben Ton, wie die Posaunen von Jericho.<<
>>Hatten Sie nicht Angst, dass auch bei Ihnen die Mauern einfallen k?nnten?<< fragte der Philosoph.
>>Nein, von den Mauern war gar nicht die Rede -- ich weiss nur, dass ich dann nach Spiritus suchte, um das K?stchen zu f?llen, und ihn nicht finden konnte, aber mit einem Mal war er doch da, und das K?stchen war auch schon am Klavier angebracht. Der Professor blies in den Schlauch und es gab einen dumpfen Ton -- aber dann muss der Spiritus ausgelaufen sein, und pl?tzlich stand alles in Flammen. Niemand k?mmerte sich darum, und ich dachte an meinen Perserteppich, der unter dem Fl?gel liegt. Sie wissen ja, ich bin etwas eigen mit meinen Sachen. Aber der Professor sagte, es sei gar kein Perser, es sei ein >Beludschistan<, und er habe keine Beziehung zum Wesen der Dinge, -- ist das nicht merkw?rdig? Ja, und nun kam noch etwas ganz Triviales, ich meinte, der Fl?gel w?rde sicher auch anbrennen, und in diesem Moment stand der Professor in seiner ganzen Gr?sse vor mir und sagte:
>Wenn Fr?ulein H... mir ihren Verlust genau beziffert, soll alles ersetzt werden.<<<
>>Und dann?<< fragte der Philosoph.
>>Das weiss ich selbst nicht mehr, es war ganz verschwommen, -- aber sagen Sie selbst, liebster Doktor, ist es nicht wirklich seltsam? Meinen Sie nicht, dass es kosmische Bedeutung hat?<<
Damit brach das Gespr?ch ab, denn Gerhard kam, und die Dame ging bald darauf fort. Ich setzte mich zu ihnen und fragte Sendt, was denn das f?r eine r?tselhafte Geschichte sei, ich h?tte leider nicht vermeiden k?nnen, sie mitanzuh?ren. Und jetzt zweifelte ich nicht mehr daran, dass man hierzulande Zauberei treibt.
>>Haben Sie denn nicht gemerkt, dass die Dame mir einen Traum erz?hlte?<<
>>Nein -- darauf bin ich gar nicht gekommen.<<
>>Lieber Dame,<< sagte Gerhard, und es klang beinah wehm?tig -- er hat ?berhaupt immer etwas Schmerzliches im Ton -- >>Sie machen Fortschritte. Schon k?nnen Sie Traum und Wirklichkeit nicht mehr unterscheiden. Das geht uns allen hier wohl manchmal so -- nicht wahr, ~cher philosophe~?<<
>>Traum oder nicht Traum,<< antwortete der Philosoph nerv?s, >>was sie mir da auftischte, war wieder einmal eine Wahnmochingerei, wie sie im Buch steht.<<
>>Wahnmochingerei -- was ist das?<<
>>Nun, was Sie da eben mitangeh?rt haben.<<
Doktor Gerhard wollte wissen, was f?r ein Traum es gewesen sei.
>>Nat?rlich ein kosmischer,<< sagte der Philosoph, >>sie hoffte es wenigstens und wollte von mir wissen, ob es stimmt. Sonst traut sie sich nicht ihn bei Hofmanns zu erz?hlen.<<
Ich h?tte gerne noch gewusst, was eine >>Wahnmochingerei<< ist und >>kosmische Tr?ume<<. -- Aber der Philosoph schien mir nicht gut aufgelegt, und ich kann doch nicht immer fragen und fragen wie ein vierj?hriges Kind.
Ein komischer Zufall, dass ich Heinz Kellermann hier treffe. Wir haben uns seit dem Gymnasium nicht mehr gesehen. Er behauptet zwar, es gebe nichts Zuf?lliges, sondern was wir Zufall nennen und als solchen empfinden, sei gerade das Gegenteil davon, n?mlich ein durch innere Notwendigkeit bedingtes Geschehen. Man sei nur im allgemeinen zu blind, um diese inneren Notwendigkeiten zu sehen.
Trotzdem schien er ebenso verwundert wie ich und fragte mit der gedehnten und erstaunten Betonung, die ich so gut an ihm kannte:
Ich konnte diese Frage nur zur?ckgeben, und dann sagte er etwas ?berlegen: O, man k?nne nur hier leben und hier lerne man wirklich verstehen, was Leben ?berhaupt bedeute. Ich habe ihm erz?hlt, dass das auch mein sehnlichster Wunsch sei, und wie ich mich mit meiner Biographie herumqu?le -- na Gott ja, -- dass ich eben ein Verurteilter bin und nicht recht weiss, was ich mit mir und dem Leben anfangen soll.
Daraufhin ist er gleich viel w?rmer geworden und lud mich f?r den Abend in seine Wohnung ein, -- es k?men noch einige Freunde von ihm, auf die er mich sehr neugierig machte.
Ich ging hin, und es war auch wirklich der M?he wert. Aber ich werde jetzt wieder ein paar Tage daheim bleiben und mich sammeln. Es sind zu viel neue und verwirrende Eindr?cke von allen Seiten. Wohin ich komme und wen ich kennen lerne -- alles ist so seltsam, wie in einer ganz anderen Welt, und ich tappe noch so unsicher darin herum. -- Ob das nun Zufall ist oder innere Notwendigkeit, dass ich hierher kam und gerade diese Menschen kennen lerne? Aber es lockt mich, ich kann dem allen nicht mehr entfliehen -- ich bin wohl dazu verurteilt, und der Gedanke gibt mir meine innere Ruhe etwas wieder.
Doktor Gerhard r?t mir ja immer wieder, ich solle etwas schreiben -- jeder Mensch habe einiges zu sagen und m?sse, was er erlebt, in irgendeiner Form nach aussen hin gestalten. -- Wenn es auch nur w?re, um meinem Stiefvater Vergn?gen zu machen, er hat ja schon immer gemeint, ich h?tte ein gewisses Talent dazu. -- Und er ist gewiss aufrichtig, denn er h?lt sonst nicht ?berm?ssig viel von meiner Begabung.
Ich weiss nicht recht -- einstweilen mache ich mir Aufzeichnungen und Notizen, besonders wenn ich mit dem Philosophen zusammen bin.
Da war der Abend mit Heinz Kellermann und seinen Freunden. Der eine mit dem scharfen Gesicht sah fast wie ein Indianer aus. Als ich das sagte, wurde Heinz ganz ?rgerlich und behauptete, er sei doch blond, dunkelblond wenigstens und ein absolut germanischer Typus. Es gab eine f?rmliche Diskussion dar?ber, aus der ich entnahm, dass sie die blonden Menschen mehr ?stimieren als die dunklen, und dass das irgendeine besondere Bedeutung hat.
Es war auch ein junges M?dchen dabei -- eine Malerin --, das ?brigens ausgesprochen schwarzes Haar hatte, aber ich wagte keine Bemerkung dar?ber, denn mir schien, dass sie der Unterhaltung etwas deprimiert zuh?rte, und ich muss gestehen, ich freute mich zum erstenmal dar?ber, dass ich blond bin.
Im ganzen hatte ich aber wieder das Gef?hl, nicht recht mitzuk?nnen. Ich weiss nicht, ob man diese Ausdrucksweise eigentlich >>geschraubt<< nennen kann, aber sie kommt einem manchmal so vor, und man muss sich erst daran gew?hnen.
Was meinen sie zum Beispiel damit: man m?sse einen Menschen erst >>erleben<<, um ihn zu verstehen?
Heinz machte manchmal ganz treffende Bemerkungen -- das kann er ?berhaupt sehr gut --, und dann hiess es:
>>Heinz, Sie sind enorm.<<
Nach dem Tee setzte man sich auf den Boden, das heisst auf Teppiche und Kissen. Heinz machte die Lampe aus und z?ndete in einer Kupferschale Spiritus an -- warum auch nicht --, es gab eine sch?ne blaugr?nliche Flamme. Aber dann stand die Malerin auf und hielt ihre H?nde dar?ber, man sah nur die schwarze Gestalt und die H?nde ?ber der Spiritusflamme, die in dieser Beleuchtung ganz gr?nlich aussahen.
Und nun waren alle ganz begeistert und sagten wieder, das sei >>enorm<<. Um auch irgend etwas zu sagen und mich gegen das junge M?dchen h?flich zu zeigen, meinte ich, dieses offene Feuer in der Schale habe etwas von einem alt-heidnischen Brauch. Das war nur so hingesagt, weil mir nichts anderes einfiel, aber sie sahen sich bedeutungsvoll an, als ob ich einen grossen Ausspruch getan h?tte, und Heinz sagte zu dem Indianer: >>Sehen Sie -- und er weiss gar nicht, was er damit gesagt hat.<< -- >>Das ist es ja gerade,<< antwortete der, >>er muss das Heidnische ganz unbewusst erlebt haben.<<
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