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Read Ebook: Streifzüge im Süden: Reiseskizzen aus Italien und Tunis by Freund Erich

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Ebook has 182 lines and 27617 words, and 4 pages

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Erich Freund.

Streifz?ge im S?den.

Streifz?ge im S?den.

Reiseskizzen aus Italien und Tunis.

Von

Erich Freund.

Breslau.

Schlesische Buchdruckerei, Kunst- und Verlags-Anstalt v. S. Schottlaender.

Leipzig: E. F. Steinacker. New-York: Gustav E. Stechert. 1897.

Meinem Onkel J.

Inhalt.

Seite.

Die Bighe-Rennen zu Padua 9

In den euganeeischen H?geln 21

Venetianische Feste 37

R?mische Momentbilder 53

~Napoli in festa~ 69

Wie man in Neapel f?hrt 85

Vom Eiland des Tiberius 101

Ein Ausflug nach Tunis 121

Die Bighe-Rennen zu Padua.

Der ~prato del valle~. -- Die Renngef?hrte und ihre Lenker. -- Dante als Sieger im Wettstreit. -- Wie man in Padua am Totalisator spielt.

Am Renntage ergiesst sich eine wahre Menschenfluth nach dem S?den der Stadt. Dort an der Grenze gegen Bassanello, Paduas lieblichem Bierd?rfchen am Bachiglione, breitet sich der priveligirte Ort f?r alle Volksbelustigungen aus, ~piazza Vittorio Emanuele~ officiell, ~prato del valle~ im Volksmunde benannt. Ein gewaltiger Platz von kolossalen Dimensionen! Viereckig in der Anlage, wird er zumeist von Privath?usern flankirt. Nur an der S?dostecke erhebt sich die majest?tische Kuppelkirche von St. Giustina und, eng an sie geschmiegt die grosse Kaserne der hier garnisonirenden Infanterie-Brigade, geistliches und weltliches Regiment dicht bei einander.

Mitten im Riesenquadrate der ~piazza~ f?llt eine eigenartige Anlage auf: ein kreisrunder Ulmenhain mit schattigen G?ngen und marmornen B?nken. Ringsherum zieht sich ein Wassergraben, von barock verzierten Br?cken ?berschritten und umgeben von einer Doppelreihe steinerner Statuen. Es sind die Standbilder >>ber?hmter<< M?nner, die in Padua gewirkt haben. Diese illustre Gesellschaft, die aus etwa 80 Herren besteht, ist stark gemischt. Neben Tasso, Galilei und Petrarca findet sich auch ein in den weitesten Kreisen unbekannter Heerf?hrer Nursatus, der wie ein Lieutenantsgigerl des 16. Jahrhunderts aussieht, und ein nicht minder obscurer Professor Nonnio, der der Inschrift nach ein verdienstvoller Philologe und die Leuchte eines Paduaner Gymnasii gewesen ist. Das Ganze macht mit seinem ~embarras de richesse~ an Monumentalfiguren einen ?berraschenden, aber ziemlich geschmacklosen Eindruck. Das hindert freilich die Paduaner Blousenflaneure nicht, hier im Schatten von Kunst und Wissenschaft ihre t?gliche Siesta zu halten. Gegen Abend wird es dann auf dem Platze lebendig von eleganterem Treiben. Die ~fine fleur~ von Padua giebt sich hier Rendez-Vous zum Wagen-Corso.

Die wohl unterhaltene, kreisf?rmige Corsobahn dient auch f?r die Rennen. Zwei m?chtige Trib?nen ums?umen den Schauplatz in seiner ganzen Rundung. Der ?ussere Bau ist f?r die Gl?cklichen bestimmt, die sich einen Sitzplatz leisten k?nnen, der innere erwartet die zahllosen Stehplatzg?ste, die nicht mehr als eine Pallanka an ihr Lieblingsvergn?gen zu wenden haben. Heute ist das riesige Holztheater ausverkauft. Nach sachverst?ndiger Sch?tzung sind es ?ber 30000 Menschen, die ungeduldig des Beginnes harren, der auf 6 Uhr festgesetzt ist. Es ist noch nicht 7 Uhr -- f?r italienische Begriffe also sehr p?nktlich -- als die Richter in ihre Logen treten, die wegen der Kreisgestalt der Bahn zahlreich angebracht sind.

Pl?tzlich ein Kanonenschuss. Allgemeines Ah und Bravo. Ohne artilleristische Mitwirkung geht es nun einmal nicht bei italienischen Volksfesten. Aber auch die andern Truppengattungen wollen nicht zur?ckstehen. Infanterie h?lt die Ordnung aufrecht, und jetzt erscheint ein Zug Husaren in ihrer kleidsamen dunklen Uniform. Sie reiten >>Trab! abgek?rztes Tempo<< mit aufgesetztem S?bel und halten famose Richtung. Daf?r lohnt sie seitens des Publicums wohlwollender Applaus.

Nach dieser milit?rischen Abnahme der Bahn knallt es nochmals aus einigen Kanonenschl?nden. Nun richten sich Aller Augen auf ein hohes Ger?st, das in einem Platzwinkel errichtet ist. Durch die geschlossenen Holzgitter des thorartigen Baues kann man die kampfbereit haltenden Gespanne erblicken.

Die Bighen pr?sentirten sich als zweir?drige, niedrige Karren mit hohem bemalten Vorderbord und offener R?ckseite, den altr?mischen Rennwagen nachgebildet. Um den antikisirenden Eindruck zu vervollst?ndigen, erscheinen die Wagenlenker -- Pferdebesitzer aus dem Mittelstande -- in klassischer Tracht, umg?rtet mit der kurzen Tunica, ein buntes Band um die Stirn geschlungen. Zwei Pferde, deren Alltagsmuth durch Spirituosen reichlich angefeuert wird, bilden die Bespannung. Die Wagen, von denen zw?lf gemeldet waren, concurriren zun?chst in vier Abtheilungen. Die Sieger der Einzelrennen werden sich dann zum Entscheidungskampfe vereinigen.

Ein dritter Kanonenschlag durchzittert die Luft. Mit einem Ruck ?ffnen sich Fl?gelth?ren des Startger?stes, und die trunkenen Pferde, befeuert durch Geisselhiebe, st?rzen in rasendem Tempo hervor. Gleich bei diesem Auslaufe f?llt zumeist die Entscheidung. Wer zuerst die Innenseite der Bahncurve erreicht, ist gew?hnlich auch der schliessliche Sieger, denn die unpraktische, kreisf?rmige Anlage der Rennpiste erschwert den nachfolgenden L?ufern das Ueberholen des Vordermanns. Darum wird von Anbeginn wie toll gefahren, und da die Karren schwerf?llig, die Rosse von Wein und Schl?gen w?thend sind, so ereignen sich gar nicht selten Carambolagen, bei denen ganz empfindliche Katastrophen entstehen k?nnen.

Sobald die Bighen zur Trib?nenh?he kommen, erf?hrt der Anfangs entschieden malerische Eindruck eine starke Abschw?chung. Die schnurrb?rtigen Gesichter der Rosselenker nehmen sich gar seltsam aus zu der altr?mischen Gewandung, und dann tragen die Herren zweifelhaft weisse Tricots um die wenig oder gar nicht klassisch geformten Glieder, so dass die Braven nicht wie antike K?mpfer, vielmehr wie moderne Jahrmarkts-Clowns ausschauen. Grotesk wird der Anblick gar, als die Karren vorbeigesaust sind und nun ihre offene R?ckseite zeigen. In den Tuniken der aufrecht stehenden Peitschenschwinger f?ngt sich der Wind und wirbelt das leichte Gewebe in die H?he, so dass die f?r die breitere Oeffentlichkeit nicht bestimmten Intimit?ten der Unterkleider zum Vorschein kommen. Die auf den Trib?nen zahlreich anwesenden Vertreterinnen des zarten Geschlechts nehmen an diesen >>Enth?llungen<< keinen Anstoss. Vielleicht hindert auch der auf den meisten Gesichtern fingerdick aufgetragene Puder das Constatiren eines schicklichen Err?thens.

Die zuschauende Volksmenge ist vollauf mit Johlen und Schreien besch?ftigt. Der Fahrer der zuerst vorbeifliegenden Bighe wird bejubelt. Eine kleine Partei h?lt noch zu Nummer 2 und versucht, sie durch rasende Zurufe anzufeuern. Der dritte, der mit weitem Abstande daherkommt, wird regelrecht ausgepfiffen. Man glaubt gar nicht, welch intensiven H?llenl?rm die Italiener ohne alle Instrumente zu Stande bringen k?nnen.

Nun ist das erste Rennen vor?ber. Sieger ist ein Herr mit dem nicht ?bel klingenden Namen Dante. Dazu stammt er aus Siena, wo man das reinste Italienisch spricht. Eine alte englische Vollblutstute, die durch Zufall in seinen Besitz gelangte, hat ihm den Erfolg verschafft, indem sie sammt ihrem Deichselgenossen allen Concurrenten davonlief. Die ?brigen Rennen bringen keine neuen Momente. Nur die Personen und Pferde wechseln.

Die Pausen werden durch das Volk selbst ausgef?llt, das sich in fortw?hrender Action befindet. Zumeist dienen als Zielscheibe die beiden Stadtb?ttel, die zu Rosse den Verkehr zwischen den Richterlogen vermitteln. Man hat sie in schreiend rothe Postillonsuniformen gesteckt und auf elende Leihklepper gesetzt, die mit Scheuklappen geschm?ckt sind. Sobald sich diese Ritter von der traurigen Gestalt in Bewegung setzen, giebt es einen infernalischen Radau. In allen Tonarten wird getrampelt, gepfiffen, gebr?llt. Die Veranstalter des h?bschen Concerts leben der >>stillen<< Hoffnung, die alten Rosinanten k?nnten doch vielleicht scheu werden und ihre rothbefrackten B?ndiger abwerfen. Polizei und Milit?r ist genug zur Stelle. Aber Niemand hindert das wahrhaft ohrenzerreissende Toben. Das ist hier landes?blich und geh?rt zur Gem?thlichkeit. Im Uebrigen spotten auch die guten R?sslein ihrer fanatischen Verfolger und tragen geduldig und ohrenwackelnd ihre ge?ngstigten Reiter von Loge zu Loge.

Der letzte, der Entscheidungs-Lauf der Bighen, wird wieder durch eine ausgiebige Kanonade und mit Husarenumritt er?ffnet. Auch hier bleibt das Gl?ck dem endgiltig obsiegenden Dante getreu. Der kugelrunde Herr wird sammt seiner Bighe im Triumphaufzuge zu den Preisrichtern geleitet, um einen Geldpreis einzukassiren, den er sicherlich dem sch?nsten, antiken Lorbeerreise vorzieht. Das Volk bereitet dem Sieger im Streite grosse Ovationen, die mit herablassendem Dankesnicken entgegengenommen werden. Da ist jeder Zoll ein Triumphator! Selbstzufriedener ist ganz bestimmt auch der >>grosse<< Dante nicht gewesen, als er die >>~divina commedia~<< beendet hatte.

Wie w?re es, wenn man diesen originellen und wenig kostspieligen Wettbetrieb auch bei uns einf?hrte? Ich glaube, die nicht selten auftretenden Klagen ?ber die zu grosse Wettlust der sportsfreudigen Kreise w?rden mit einem Schlage verstummen.

In den Euganeeischen H?geln.

Topographie der Euganeen. -- Die kleinen Bettler. -- Petrarca's Katze. -- Der Monte Rua und sein Kloster. -- Der Landsmann aus Kattowitz. -- Bataglia, das Schwefelbad. -- Eine >>Rigoletto<<-Auff?hrung.

So malerisch liegen die von blauem H?henschimmer umgebenen Kuppen zur Schau, so lockend winken sie nach Padua her?ber, dass man nicht allzu lange z?gern mag, ihnen einen Besuch abzustatten. Ausserdem habe ich einen lieben Gef?hrten zur Seite, der als authentischer Besteiger des Aetna und des Gross-Glockner keine Bodenerhebung in der N?he wissen kann, ohne den Beruf in sich zu sp?ren, sie von oben zu betrachten. Also klettern wir eines Tages in einen hochr?drigen Kutschirwagen, verlassen Padua durch die alterth?mliche ~porta di Ponte Corbo~ und eilen an den tr?ben Fluthen des Bachiglione entlang gen S?den.

Eine Fahrt durch die oberitalienische Campagna gleicht der Fahrt durch einen endlosen Park. Die Fruchtbarkeit des Landes, in dem haupts?chlich Mais und Wein gedeiht, ist eine ?beraus gl?ckliche. Der gartenm?ssige Eindruck der Landschaft wird durch die Gewohnheit der Bauern vermehrt, ihre Felder mit Zierb?umen einzufassen, und diese durch dichte Kettenranken zu verbinden. In all' dem Gr?n tauchen verfallene Schl?sser auf, die einstigen Landsitze der venetianischen Nobili, dazwischen zerstreut die zahlreichen Bauernh?fe mit stattlichen Hallen- und Backsteinbauten. Bei n?herer Besichtigung verliert freilich solch eine b?uerische ~casa~ Vieles von ihrem wohlhabendem Aussenwesen. Die Bauern des Veneto m?gen t?chtige Landwirthe sein, aber die Schmutzabfuhr scheinen sie nicht zu kennen, und so machen die H?fe einen nichts weniger als appetitlichen Eindruck. Auch die Menschen der verschiedenen Altersstufen haben von dieser allgemeinen Schmutzkruste ihr Theil weg bekommen. Insbesondere die Kinder, unter denen blonde Haare und blaue Augen gar keine Ausnahme sind, lassen sich, wenn sie mit den niedlichen schwarzen Ferkeln im Sande tollen, sehr schwer von ihren Spielgef?hrten unterscheiden.

Das Erscheinen eines mit Fremden besetzten Wagens ist f?r die kleinen Gewohnheitsbettler das Signal, ihre s?mmtlichen K?nste zu erproben. Zuerst versuchen sie es mit der Sentimentalit?t und st?hnen in so herzzerbrechender Weise nach ~carit?~, dass man sie dem Hungertode nahe glauben w?rde, s?hen sie nicht gar so wohl gen?hrt aus. Als diese Trauermimik offenbar ihren Zweck verfehlt, ?ndert sich flugs das Bild. Es wird ein kleiner Wettlauf neben dem Wagen arrangirt, die Augen blitzen, die Z?hne leuchten. Dann geht's an's R?derschlagen, dass die d?rftige Bekleidung, das aus mehreren L?chern bestehende Hemde, in den L?ften fliegt und die braunen K?rper in der Sonne gl?nzen. Dazwischen t?nt unabl?ssig der Ruf nach einem >>~soldino~<<. Vor Angst, die unerm?dlichen J?hren k?nnten sich die Schwindsucht an den Hals laufen oder einige Gelenke brechen, spendet man schliesslich die ersehnten Kupferst?cke. Sofort ist der Schwarm wie weggeblasen. Aber am Strassenrand hocken die kleinen R?uber und ?berz?hlen die Beute. Sie haben auf Theilung gespielt.

So geht es durch Abbano, des Titus Livius uralten Geburtsort, der sich vornehme Villegiaturen und pr?chtige Badeh?user zugelegt hat. Etwas weiter in das Gebirge hinein liegt Arqua, ein kleines D?rfchen, das eine ber?hmte Sehensw?rdigkeit enth?lt: Haus und Grab Petrarca's. In dem gut erhaltenen H?uschen hat der grosse Sonettendichter seine letzten Lebensjahre zugebracht und einen sanften Tod gefunden. F?r sein Grabmal hat er sich selbst das Epitaph geschrieben. Auch eine Genossin Petrarca's ist noch wohleinbalsamirt vorhanden: des Dichters Katze.

Hier oben in der Klosterstille von Rua einen Schlesier und noch dazu einen aus dem ber?hmten Gemeinwesen Kattowitz zu treffen, darauf hatten wir freilich nicht gerechnet. Dem Vereinsamten schien es eine wahre Freude, wieder einmal die Muttersprache reden zu k?nnen. Er erz?hlte, dass er im Polnischen >>hinter Warschau<< in den Orden getreten und alsbald nach Rua verschickt worden sei. Seit sechs Jahren weile er hier und habe nie den Fuss vor das Thor gesetzt. Dann gab er uns eine durch die Anschauung unterst?tzte Erkl?rung des Ruenser Klosterwesens.

Der Klosterbau ist uralt, der Erbe des noch ?lteren, durch Pl?nderung zerst?rten M?nchstifts vom nahen Monte Venda. Die Ruenser Fratres haben Benedictiner Confession und Camaldulenser Regel. Ausser der Kirche befindet sich innerhalb der Mauern eine grosse Anzahl kleiner Siedelh?uschen, die sich terrassenf?rmig ?bereinander an die Berglehne hinlagern. Diese steinernen H?uschen enthalten je eine Kapelle, einen Ess- und einen Schlafraum. Davor ein G?rtchen zur Blumenzucht. Jeder M?nch bewohnt eines dieser Geb?ude f?r sich allein. Gemeinsamer Tisch wird nicht gehalten, ebenso ist an den meisten Tagen das Reden und jegliche Unterhaltung untersagt. Das Innere der Zellen ist sauber, einfach, schmucklos. Den einzigen Aufwand auf Rua macht die Kirche, die einige gute Altargem?lde und kostbare Weihgef?sse besitzt. Ihre Hauptreliquie ist ein in die Wand eingelassenes b?rtiges Marmorgesicht, angeblich die Todtenmaske Johannes des T?ufers. Sie wurde bei einer Pl?nderung des Klosters Venda gerettet und hier her?ber gebracht.

Die beste Zierde von Rua ist seine herrliche Fernsicht. Dicht benachbart ragt der majest?tische Venda empor und hinter ihm ?ffnet sich in Schluchten und H?ngen das gr?nende Bergland der Euganeen. Auf der Nordseite schweift der Blick weit in die sonnige Ebene nach Padua, nach Vicenza und Mestre. In silberne Schleier geh?llt leuchtet am Horizonte das Adriatische Meer und dar?ber bauen sich die Kuppeln und Th?rme der wundersamen Lagunenstadt Venedig empor. Unser Landsmann von Kattowitz ist gegen alle diese Reize g?nzlich abgestumpft. Wenn man sie sechs Jahre hindurch t?glich vor Augen hat, ist es erkl?rlich, dass man selbst solcher Sch?nheit m?de wird.

Gern h?tte ich noch gewusst, was unseren Landsmann veranlasst hat, in so jungen Jahren in diesen strengen Orden zu treten. Das Antlitz eines religi?sen Schw?rmers hat er durchaus nicht. Aber als er der Frage ausweicht, dr?nge ich nicht weiter in ihn. Vielleicht w?ren auch seine Aufschl?sse nichts weniger als romanhaft interessant gewesen. Endlich schieden wir von unserem freundlichen F?hrer, nachdem wir unsern Dank noch mit einer kleinen Geldspende verst?rkt hatten.

Von der Trefflichkeit der Verpflegung konnten wir uns selbst ?berzeugen. Der riesige Speisesaal ist ?berf?llt, das Diner ausgezeichnet. Oben an der Tafel pr?sidirt der joviale Badearzt ~Dr.~ Pezzolo durch seine Anwesenheit gewissermassen die kurgem?sse Unsch?dlichkeit der aufgetragenen Gen?sse verb?rgend. Herr ~Dr.~ Pezzolo ist ein Feinschmecker. Das beweist er ebenso durch die sorgf?ltige Auswahl der f?r seinen Teller bestimmten St?cke, als durch die kluge Disposition, mit der er die beiden h?bschesten M?dchen der Badegesellschaft zu Nachbarinnen bekommen hat.

Nach dem Diner schl?gt die Majorit?t der Kurg?ste den Weg zum Theater ein. Denn Battaglia hat in der ~Sala Marigo~ seine eigene Oper. Man giebt den >>Rigoletto<< und so wandern auch wir zu dem Musentempel, der zwar electrische Lampen, im ?brigen aber das Aussehen eines ziemlich primitiven Tanzsaales aufweist. Die Ausf?hrung der Verdi'schen Schauer-Oper war ?hnlich disharmonisch, wie der Raum in dem sie sich abspielte. Einzelne Leistungen strahlten wie electrisches Licht hervor, der Rest war -- Schmiere.

Das Orchester, mit 25 Mann besetzt und t?chtig geleitet, wurde seiner Aufgabe vollkommen gerecht. Ausgezeichnet war der Bass Campello. Er musste jeden Tact, den er sang, wiederholen. Sehr wacker hielt sich der Vertreter der Titelrolle, Cesarotto, der, ein Sch?ler des trefflichen venetianischen Gesangsmeisters Alberto Selva, eine wohlgebildete, in der h?heren Lage glanzvolle Stimme producirte. Sein Vortrag vibrirte von echt italienischem ~slancio~. Damit war, was der Abend an wirklicher Kunst bot, ersch?pft. Die Gilda, des Narren holdes T?chterlein, war so abnorm h?sslich, dass der herzoglich mantuanische Geschmack ganz unbegreiflich erschien. Leider f?hlte das Fr?ulein auch nicht die Notwendigkeit, ihre ?usseren M?ngel durch guten Gesang vergessen zu machen. So empfand man bei Gildas entsetzlichen Schicksalen nichts als eine gewisse Befriedigung dar?ber, dass es der tremolirenden, falsch singenden Person so miserabel erging. Die Duenna Gildas wurde durch eine ?ltere Dame von unheimlichem Umfang vertreten. Sp?ter t?nzelte dieser selbe Koloss pl?tzlich als zarter Page in himmelblauen Tricots neckisch ?ber die B?hne. Der Herr Herzog hatte vielleicht einstmals in l?ngst verschwundenen Tagen eine Stimme gehabt, jetzt hatte er nur noch auf dem linken Tricot einen gesunden Fettfleck. Die krampfhaften Versuche, dieses Malheur zu verbergen, sch?digten bisweilen die W?rde der herzoglichen Haltung.

Bezeichnend f?r den geringen Ernst, den das italienische Publicum f?r seine musikalischen Kunstwerke ?brig hat, war die >>Bereicherung<<, die der dritte Act erfuhr. Signor Cesarotto hatte n?mlich seine ~serata d'onore~ und anl?sslich dieses Ereignisses erschien er pl?tzlich im Gesellschaftsanzuge ohne Rigoletto-Maske im Herzogspalaste, um aus dem vorgehaltenen Notenhefte einen unglaublich sentimentalen Singsang anzustimmen, in dessen Refrain er stets behauptete: ~la mia sposa sera la mia bandiera~ sein<<). Das sch?ne Lied stammt von Rotoli und ist noch trivialer, als die Leierkastenmusik des Signor Tosti, neben dem f?r einen richtigen Italiener kein anderer Lieder-Componist existirt. Aber da die Nummer der hohen Stimmlage des S?ngers beste Gelegenheit zur Entfaltung gew?hrte, so musste das schaurige Ding gleich mehrmals unter den begeisterten ~Bis~-Rufen der Corona widerholt werden, worauf der gl?ckselig l?chelnde Bariton abtrat und sich die Rigoletto-Maske wieder anschminkte. Derlei Geschmacklosigkeiten werden hier absolut nicht als solche empfunden. Im italienischen Zeitungsstil heisst das >>eine gelungene Episode<<.

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