Read Ebook: Streifzüge im Süden: Reiseskizzen aus Italien und Tunis by Freund Erich
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Ebook has 182 lines and 27617 words, and 4 pages
Bezeichnend f?r den geringen Ernst, den das italienische Publicum f?r seine musikalischen Kunstwerke ?brig hat, war die >>Bereicherung<<, die der dritte Act erfuhr. Signor Cesarotto hatte n?mlich seine ~serata d'onore~ und anl?sslich dieses Ereignisses erschien er pl?tzlich im Gesellschaftsanzuge ohne Rigoletto-Maske im Herzogspalaste, um aus dem vorgehaltenen Notenhefte einen unglaublich sentimentalen Singsang anzustimmen, in dessen Refrain er stets behauptete: ~la mia sposa sera la mia bandiera~ sein<<). Das sch?ne Lied stammt von Rotoli und ist noch trivialer, als die Leierkastenmusik des Signor Tosti, neben dem f?r einen richtigen Italiener kein anderer Lieder-Componist existirt. Aber da die Nummer der hohen Stimmlage des S?ngers beste Gelegenheit zur Entfaltung gew?hrte, so musste das schaurige Ding gleich mehrmals unter den begeisterten ~Bis~-Rufen der Corona widerholt werden, worauf der gl?ckselig l?chelnde Bariton abtrat und sich die Rigoletto-Maske wieder anschminkte. Derlei Geschmacklosigkeiten werden hier absolut nicht als solche empfunden. Im italienischen Zeitungsstil heisst das >>eine gelungene Episode<<.
Trotz dieser unvorhergesehenen Zuthaten fanden auch die blutr?nstigen Morithaten Rigolettos ihr Ende und um einen Kunstgenuss reicher fuhren wir durch die schweigende Campagna nach Padua zur?ck. Frau Luna, hell am sternenklaren Nachthimmel schimmernd, versprach einen wundersch?nen Folgetag. Wie recht aber der Rigoletto-Textdichter mit seinem eben so knappen, als wahren Ausspruche >>~La donna e mobile~<< hatte, sollte sich hier wieder einmal zur Evidenz erweisen, denn Frau Luna hatte gelogen und am n?chsten Tage regnete es scheusslich.
Venetianische Feste.
Die Venetianer als Fischmenschen. -- Das Seebad am Lido. -- M?nnliche Badefrauen. -- Herrenbesuche im Damenbad. -- Die Restaurationsterrasse und Verlobungen bei Musik. -- Der Gondeltenor und seine Potiphar. -- Volksfeste und die Polizei-Spritze. -- Heiliger Marcus, hilf!
Venedig im Sommer ist so recht geeignet, das in Deutschland herrschende Vorurtheil zu widerlegen, Italien sei in der heissen Jahreszeit f?r den Nordl?nder ungeniessbar. F?r Theile des s?dlichen Italiens, speciell f?r Rom, sei gern zugegeben, dass ein Besuch im Fr?hjahr oder Herbst empfehlenswerther ist, obgleich auch dort um diese Zeit das eigentliche Volksleben auf der Gasse fehlt, das in seiner Art mindestens die gleiche Aufmerksamkeit verdient, wie der ?berstr?mende Reichthum an Kunstsch?tzen und Architectur-Sch?nheiten.
Venedig insbesondere belebt sich erst, wenn die Sonne heiss herniederbrennt. Dann steckt die ganze Bev?lkerung vor ihren Th?ren im Wasser. Der Venetianer wird zum Fischmenschen. Die Familie wandelt innerhalb des Hauses im Badeanzug einher, und jede freie Minute wird rasch zu einem Schwimmausflug vor das Haus benutzt. Eine Gondelfahrt durch das Gewirre von Can?len und Can?lchen gew?hrt gegen den Abend hin einen sonderbar belustigenden Anblick. Pustend, schnaubend und spritzend, wie eine Bande ?berm?thiger Wasserthiere, tummeln sich M?nner, Weiber und Kinder in dem belebenden Element. Aller Augenblicke ?ffnet sich eine Th?r, und heraus st?rzt sich eine nothd?rftig bekleidete Menschengestalt im Kopfsprunge. Andere halten es noch bequemer und springen gleich vom Fenster aus, ein paar Stockwerke hoch, in die Fluth. Ein deutsches Schutzmannsherz w?rde sich umdrehen Angesichts dieses ungebundenen Treibens. Die venetianische Polizei erlaubt es sogar officiell und w?nscht nur, dass ein gewisses Minimum von Cost?me stets vorhanden sei. Damit ist freilich nicht gesagt, dass dieser Ukas ?berall und immer befolgt wird.
Die Dampfer, welche viertelst?ndlich den Verkehr zwischen der Riva dei Schiavoni und dem Lido vermitteln, sind stets vollgepfropft mit lustig schwatzendem Badevolke: Die Damen in hellen, lichten, buntfarbigen Toiletten, die Herren in weissem Flanell und englischen Strandm?tzen, die Knaben in kecken Matrosen-Anz?gen, die das gesunde Braun der nackten Waden freilassen, und die kleinen M?dchen in jenen entsetzlichen langen Kleidchen, wie sie die Phantasie der Frau Kate Grenaway und die Mode erdacht haben.
Kaum hat das Schiff an der Nordseite des Lido angelegt, so beginnt der allgemeine Sturmlauf nach den Pferdebahnwagen. Der Tramway, dessen Pferdepark die einzigen Exemplare dieser n?tzlichen Vierf?ssler im Bannkreise von Venedig umfasst, durchf?hrt die villen- und trattorienbesetzte Insel ihrer Breite nach in circa 5 Minuten und setzt seine G?ste direct vor dem riesigen Bade-Etablissement ab. Das Geb?ude mit seinen Vergn?gungs- und Bade-Anlagen, seinen zahllosen Zellen, seinen W?scheausgabe- und Werthaufbewahrungs-Stellen ist so zweckm?ssig eingerichtet, dass mancher deutsche Bade-Commiss?r hier mit grossem Nutzen l?ngere Studien machen k?nnte.
Der eigentliche in der See abgegrenzte Baderaum zerf?llt in zwei benachbarte Theile, von denen der eine den Herren, der andere den Damen reservirt ist. Die Absperrung ist aber nicht so ernst gemeint. Zun?chst hat das sch?nere Geschlecht officiellen Zutritt im Herrenbade, ein Recht, das ebenso von den Damen der besseren Gesellschaft, wie von den Vertreterinnen der pikanten Gattung benutzt wird. Ferner sind die im Damenbad angestellten >>Badefrauen<< -- M?nner, und das inmitten der Abtheilung haltende Wachtboot ist ebenfalls bemannt und nicht beweibt. Man kann sich denken, dass diese wackeren Leute nicht allzu eifrig bestrebt sind, Herrenbesuche vom Gestade der Seligen fern zu halten. Hie und da kommt es freilich vor, dass eine zornige Dame aus jener Altersklasse, nach der sich die b?sen Eindringlinge nicht mehr umzusehen pflegen, so lange L?rm schl?gt, bis die schl?frigen W?chter in ihrem Boote zu ihrer Pflicht erwachen und die unterschiedlichen Adams aus dem Paradiese treiben. Nach einer halben Stunde ist aber regelm?ssig der ~status quo ante~ wieder hergestellt, und der am?sante Flirt im Wasser nimmt seinen ungest?rten Fortgang.
Derartige Beobachtungen entsch?digen reichlich f?r die Zahmheit des Seebades selbst. Das Adriatische Meer weist im Sommer sehr hohe Temperaturen und zumeist wenig oder gar keinen Wellenschlag auf. Besinnt es sich einmal darauf, dass ihm als reputirlichem Meere eigentlich eine wildere Physiognomie geb?hrt, so streikt alsbald das italienische Publicum. Bei etwas k?lterem Wasser oder einem m?ssigen Wellentreiben, das einem Sylter oder Helgol?nder Stammgaste noch wie eitel S?sswasserspielerei erschiene, geht kein Italiener in das balkenlose Element hinein. Dann ist es leer am Lido, und von den wenigen K?hnen, die, von den Badedienern angestaunt, den Kampf mit den Wellen wagen, h?rt man ausschliesslich englische oder deutsche Laute.
Nach dem Bade findet man sich auf dem in's Meer hineinragenden Restaurationspavillon zusammen, wo man bei einem Glase Vermouth das laute Treiben der Badenden, die dicht vor der Terrasse ihre sch?nsten K?nste steigen lassen, beobachten oder aber, wenn man Liebhaber einer schlechten Musik ist, der concertirenden Kapelle seine Aufmerksamkeit schenken kann. F?r Junggesellen ist indessen diese Terrasse nicht ungef?hrlich, denn auf ihr nehmen zahlreiche im Wasser angesponnene Romane ein Ende mit Schrecken. Hier ist das Reich der M?tter, hier verlobt man sich. Die Privatstatistik weiss Wunderdinge ?ber die H?ufigkeit solcher F?lle zu berichten. Es ist recht sonderbar, dass Paolo Mantegazza, der Feuilletonist unter den Medicinern, diese seltsame Erscheinung bisher unbeachtet gelassen und noch kein Buch geschrieben hat mit dem Titel: >>Das Seewasser und sein Einfluss auf den Verehelichungstrieb der Menschen.<<
Mit allen diesen Attractionen sind aber die Reize des Lido keineswegs ersch?pft. Nicht blos der Naturfreund, der Sittenschilderer, der Modeschriftsteller, der Gourmand und die -- Schwiegermutter, auch der Theaterschw?rmer kommt zu seinem Recht. Im grossen Saale des Restaurants ist meist eine Operntruppe installirt, die allerdings keine ?berm?ssige Anziehungskraft aus?bt.
Die musikliebende Fremdencolonie findet man Abends auf dem ~Canale grande~ um die unterschiedlichen >>Serenaten<< der Volkss?nger-Gesellschaften Revue passiren zu lassen. Der beliebteste Gondels?nger ist der Tenor Giacomelli, der mit weicher, schmachtender Stimme seine Liebeslieder voller Verve und Inbrunst vortr?gt. Die in ihren Gondeln lauschenden Missis finden ihn ~very nice indeed~ und bedauern nur, dass er nicht an allen Abenden zu h?ren ist. Bisweilen n?mlich zuckt der Gondelier, dem man zuruft >>~alla serenata Giacomelli~<<, die Achsel und meldet geheimnissvoll, das der Gesuchte heute nicht s?nge. Bei dringender Nachfrage erf?hrt man dann, dass der arme Giacomelli das Schicksal der meisten Ten?re theile und von Frauengunst stark umworben sei. Neuerdings habe ihm eine sch?ne ~principessa~ ihr Herz geschenkt, und dieser Giacomelli sei kein venetianischer Joseph, der den Mantel bei seiner Potiphar lasse, um auf den ~canalazzo~ singen zu gehen. Ist dieser Roman nur Reclame, so ist sie gewiss nicht ungeschickt ersonnen. Denn l?sst der gl?ckliche Tenorist an seinen ~principessa~-freien Abenden die Stimme erklingen, so erscheint er allen Damen noch einmal so interessant als sonst. Rudert nach beendetem St?ndchen die bunt beleuchtete S?nger-Gondel heran, so regnet es blankes Silber in den herumgehenden Sammelhut. Dem Geliebten einer ~principessa~ kann man doch kein Kupfer geben. ~Noblesse oblige!
~Im Uebrigen verl?sst sich die Stadt Venedig nicht allein auf Privatunternehmer, wenn es gilt, den vergn?gungss?chtigen Einheimischen und den schaulustigen Fremden Unterhaltung zu bereiten. Drei grosse >>Nummern<< pflegt das splendide Municipio allsommerlich loszulassen: eine Riesen-Serenata, ein Wohlth?tigkeits-Tombola und endlich, als Culminationspunkt, die altbeliebte Gondel-Regatta.
F?r die Serenate wird ein rundes Holzschiff erbaut und mit farbigen Lampen reich geschm?ckt. Auf dieses schwimmende Podium postiren sich ein Orchester von ca. 80 Mann, ein ebenso starker Chor und mehrere Solisten. Die mannigfachen Vortr?ge bereiten einen wirklichen Kunstgenuss, der im eigenartigsten Concertsaale der Welt mit dem Wasser als Boden, den Gondeln als Logen und dem sternbes?ten Himmel als Decke empfangen wird.
Die Tombola mit ihren Tausenden von Loosen und drei Gewinnen bietet ein Schauspiel, bei dem das Volk von Venedig die Hauptacteure stellt. Zwei pr?chtig decorirte Pavillons, der eine f?r die Ziehung, der andere f?r das Aufziehen der Nummern bestimmt, werden auf dem Marcusplatze errichtet. Dieser einzige Platz, den seine herrlichen Bauten wie eine steingewordene M?rchenphantasie erscheinen lassen, erstrahlt in festlicher Beleuchtung, der gewaltig zum Nachthimmel sich reckende Campanile in bengalischem Lichte. Der Steinboden der Piazza ist zum grossen Theile mit St?hlen bestellt, den ?brigen Raum nehmen in f?rchterlicher Enge stehende Menschenmassen ein. Die zierlichen Tauben, des Marcusplatzes beliebte Pension?rinnen, die doch von den Abendconcerten her an einen sch?nen Durchschnittstrubel gew?hnt sind, schwingen sich aufgeregt in die L?fte empor. Im Handumdrehen haben sich mitten im Gew?hle die landes?blichen Klein-Industrien entwickelt. Eiswasser, Bleistifte, Cigaretten, Citronen und ?hnliche gangbare Artikel werden kreischend feilgeboten, bis ein kr?ftiger Trompetenstoss den Beginn der Ziehung verk?ndet. Dann lebt Alles nur noch den Ereignissen Fortunas. Mit athemloser Spannung wird jede einzelne Nummer begr?sst. Um die Personen, deren Loos-Zettel die Gl?ckszahlen enthalten und die Besitzer dem ersehnten Quaterno n?hert, bilden sich erregt gesticulirende Gruppen. Ein Schrei geht durch alle diese Menschen, als der erste vermeintliche Gewinner im Laufschritt dem Lotteriepavillon zueilt, und schrilles Pfeifen begr?sst den Ungl?cklichem der sich in einer Zahl geirrt hatte und darum schleunigst wieder zum Vorschein kam. Als dann der wirkliche Eroberer des Quaternos erschien und noch dazu ein waschechter Venetianer war, da gab es einen tumultu?sen Applaus.
Die Regatta endlich gestaltet sich zu einem Volksfeste ersten Ranges. Der ~Canale grande~ belebt sich Stunden vor dem Beginn mit einer nicht ann?hernd zu sch?tzenden Zuschauer-Corona. Die pr?chtigen alten Pal?ste an diesem grossen Wasser-Boulevard sind mit Gobelins und Teppichen festlich geschm?ckt und von Neugierigen bis zum Dache gef?llt. Die flankirenden Kais erscheinen mit St?hlen besetzt wie ein riesiges Parterre. Die Hauptmenge aber bewegt sich auf dem Wasser. Neben dem ganzen stattlichen Gondelaufgebot sind unz?hlige Barken und riesige Familienboote zur Stelle, die durch Sessel zu schwimmenden Trib?nen umgewandelt werden. Ein wahrhaft lebensgef?hrliches Gewimmel herrscht um die Zielgegend, am Palazzo Foscari zwischen der Rialto-Br?cke und dem Ponte Ferro. Hier haben die Schaulustigen sogar auf den aus dem Wasser ragenden Gondelpf?hlen und auf den H?userreihen Posto gefasst. Die H?ter des Gesetzes sind eifrig bei der schweren Aufgabe, in dem Gewimmel von Fahrzeugen freie Bahn f?r die Rennenden zu machen. Da die Polizei ebenfalls in Gondeln f?hrt, so ist ihre Actionsfreiheit sehr gehemmt. Die Art, wie die Schutzleute dennoch ihren Anordnungen den n?thigen Nachdruck verschaffen, ist ebenso drastisch wie originell. In jeder Polizeigondel steht ein Feuerwehrmann, der eine direct aus dem Canal gespeiste, riesige Spritze handhabt. Wird den Befehlen der heiligen Hermandad nicht sofort Folge geleistet -- Platsch! ergiesst sich ein m?chtiger Wasserstrahl auf Gondelf?hrer und Insassen. Das Mittel ist nicht fein, aber es hilft.
Ein farbenfroher und gl?nzender Umzug der st?dtischen Festordnergondeln er?ffnet die Regatta. Die Municipal-Fahrzeuge sind wundervoll mit Peluche, Seide, Metallbeh?ngen und phantastischem Figurenaufputze decorirt. Ihre Lenker stecken in pr?chtigen mittelalterlichen Trachten von Sammet- und Brocatstoffen, die mit den Bootsfarben harmoniren. Ein St?ck des alten Venetianer Glanzes aus den Bl?thezeiten der m?chtigen Republik scheint in's Leben zur?ckgekehrt. Einigermassen contrastirt mit der wirklichen feenhaften Ausschm?ckung der Boote ein im Mitteltheile jedes Schiffleins aufgepflanzter Weinzuber, aus dem die romantisch gekleideten, mit blonden Pagenperr?cken versehenen Ruderj?nglinge bei jeder Haltegelegenheit >>Einen nehmen<<. Je Einer trinkt, und drei Andere halten das Ungeth?m von Flasche, das ungef?hr den Umfang eines gr?sseren Luftballons hat. Es ist leicht zu begreifen, dass gegen das Ende des Umzuges der Ruderschlag an Pr?cision Einiges eingeb?sst hat.
Die eigentliche Regatta ist kein allzu aufregendes Ding. Es concurriren mehrere der Gondelform nachgebildete schmale, niedere Rennboote mit je zwei stehend arbeitenden Ruderern. Da die zu durchmessende Strecke weit ?ber eine Wegstunde lang ist und von einem sportsgerechten Training der Gondoliers keine Rede sein kann, so sind die Gestarteten vor dem Ziele so ersch?pft, dass ein ernstlicher Endkampf nicht stattfindet. In weiten Abst?nden kommen die vier Ersten einher, um ihre Siegesfahnen, an die ein stattlicher Geldpreis gekn?pft ist, in Empfang zu nehmen. Dann Tusch, und die Regatta ist zu Ende.
Unter den Zuschauern aber beginnt nun der Kampf um's Wegkommen. Die Polizei und ihre Kanonenspritze w?ren jetzt vortrefflich am Platze, aber Beide sind l?ngst verschwunden. So muss jeder Einzelne sehen, wie er dem Chaos entrinnt. Aller Augenblicke krachen die Boote aufeinander, die Gondoliers fluchen, die Insassen halten bei den fortw?hrenden St?ssen m?hsam Balance. F?r zartbesaitete Gem?ther ist dieses Schlussvergn?gen m?ssig. Immerhin weiss der Festbericht am n?chsten Morgen nur von einem halben Dutzend zertr?mmerter Boote und keinem einzigen ernstlichen Ungl?cksfalle zu berichten. Wahrhaftig, diese Venetianer haben an ihrem heiligen Marcus einen wackeren Schutzpatron.
R?mische Momentbilder.
R?mische Rosselenker. -- In der Villa Borghese. -- K?nig und K?nigin. -- Corso. -- Auf der Piazza Colonna. -- Ben Akiba und die capitolinische Venus.
Ganz anders sein R?mischer Berufsgenosse. Ihm l?sst die Polizei manche Freiheit, und er benutzt sie redlich. Das Institut der Haltepl?tze kennt man auch hier, aber der Kutscher, der keine Lust zur Geselligkeit hat, stellt sich einfach hin, wo es ihm gerade gef?llt. Und nun beginnt die Hauptbesch?ftigung des R?mischen >>Numerirten<<: der Kampf um den Fahrgast. N?hert sich seinem Standorte eine Person, die halbwegs aussieht, als k?nne sie sich den Luxus einer Fahrt leisten, so erhebt sich der Kutscher vom Bocke und winkt mit beiden Armen auf das Lebhafteste, w?hrend ein freundliches L?cheln sein Antlitz ?berzieht. In diesem Augenblicke macht er ganz den Eindruck, als habe er einen alten, lieben Freund wiedergefunden und deute diesem pantomimisch an, dass er leider den Bock nicht verlassen k?nne und daher um einen Besuch bitte. Folgt der also Aufgeforderte der Einladung nicht, so stellt der Kutscher die Diagnose auf Augenschw?che. Denn nunmehr nimmt er die Peitsche und knallt so heftig, dass selbst die an solche Kl?nge gew?hnte Rosinante unruhig die Ohren spitzt. Hilft auch dieses Mittel nicht, so theilt der Unerm?dliche dem unterdess n?her Gekommenen vorwurfsvoll mit, dass hier eine ~carozza~ stehe, und fr?gt in schmeichlerischem Tone >>~vuole~?<< F?r gew?hnlich, d. h. in Stadtgegenden, wo sich keine Sehensw?rdigkeiten befinden, sind damit seine K?nste ersch?pft. Glaubt er aber, einen ~forestiere~ vor sich zu haben, dessen Sch?chternheit einer besonderen Aufmunterung bed?rfe, so setzt er, ganz, wie wenn er gerufen worden w?re, seinen Gaul in Trab und f?hrt dem Dahinschreitenden derart vor die F?sse, dass diesen ein Fortsetzen seines Weges unbedingt in den Wagen f?hren muss. Macht der also Verfolgte geduldig einen Umweg und geht etwa auf eine in der N?he befindliche Omnibus- oder Pferdebahn-Haltestelle zu, so hat er stets die Droschke zur Seite, deren Lenker jetzt allerhand mysteri?se Zeichen zu machen beginnt. Er legt einen Finger quer ?ber die Mitte des anderen, d. h. zeigt seine Bereitwilligkeit an, f?r die H?lfte des Tarifs zu fahren. Oder er unterbietet sich noch weiter und tritt mit den Preisen der Pferdebahn in ernsthafte Concurrenz. Letztere Man?ver sind nat?rlich nur im Sommer, in den Monaten der Fremdend?rre, ?blich. Zu den Zeiten, wo Rom von B?dekern ?berfluthet ist, versucht es der R?mische Automedon eher mit einer eigenm?chtigen kleinen Erh?hung des Tarifes.
An den Gef?hrten selbst, deren Form den Berliner Droschken erster G?te gleicht, f?llt eine merkw?rdige Einrichtung auf. Rechts vom Kutscher befindet sich die Bremse, die bei den 7 H?geln, auf denen Rom, wie jeder Klippsch?ler weiss, erbaut wurde, eine entschiedene Nothwendigkeit ist. Zur Linken des Fahrers aber ragt eine dicke Holzstange von Meterh?he empor. Erst bei Regenwetter enth?llen sich die Zwecke dieses geheimnissvollen Instrumentes. Auf ihm wird dann n?mlich ein riesiger Regenschirm aufgesteckt, gegen dessen Dimensionen sich die umfangreichsten Regend?cher unserer H?kerweiber wie zierliche Entoutcas ausnehmen. Diese sinnreiche Einrichtung hat zweierlei Vortheile: erstens sch?tzt sie den Kutscher vor dem Regen, und zweitens wird der Fahrgast noch weit n?sser als sonst, denn er kommt buchst?blich aus dem Regen in die Traufe.
Die ?ussere Erscheinung der Herren Droschkenkutscher best?tigt den alten Satz: Wie der Herr, so's Geschirr. Auf den Kutschb?cken solcher Wagen, von denen sich der Gast mit Grausen wendet, sitzen Gestalten von wahrhaft imponirender Schmutzigkeit. Daneben ?berwiegt, wie ?berall, die Menge derer, die im Guten wie im Schlimmen den Mittelweg einhalten. Endlich aber giebt es auch >>Zeuge<<, die von Sauberkeit und Frische leuchten und deren Lenker ohne Weiteres als Typen des Bock-Gigerls zu bezeichnen sind. Moderngelbe Schuhe, heller Sommeranzug, schwarzes K?nstlerh?tchen und genial geschlungene Cravatte bewirken, dass der Kutscher bisweilen eleganter ausschaut als sein Fahrgast. Diese noblen Fiaker finden sich am h?ufigsten auf der Piazza di Spagna, dem Mittelpunkte des Fremdenviertels. Sie befleissigen sich besonders Damen gegen?ber einer H?flichkeit, die beinahe an's Courschneiden grenzt. Diese immerhin auff?llige Erscheinung hat ihren guten Grund. Vor wenigen Jahren n?mlich hat sich eine schon etwas angejahrte, aber um so reichere Engl?nderin in einen dieser Rosselenker verliebt und den schwarzlockigen J?ngling als ihren Ehegemahl nach dem Inselreiche entf?hrt, wo der Gl?ckliche, einem ~on dit~ unter seinen fr?heren Collegen zufolge, nunmehr nur noch >>mit Vieren lang<< f?hrt. Seitdem dr?ngt sich die Elite der R?mischen Droschken-Kutscher auf der Piazza di Spagna, und mit schmachtenden Blicken verfolgen sie jedes weibliche Wesen, welches grosse F?sse hat und einen rotheingebundenen B?deker tr?gt. Ob solche Bem?hungen eine zweite Auflage des eben skizzirten Romans gezeitigt haben, dar?ber schweigt meine Quelle.
Die St?tten, an denen der R?mer am liebsten frische Luft sch?pft, sind die Villa Borghese und die Villa Doria-Pamfili. Die erstere, deren f?rstliche Besitzer arg verschuldet sind, steht jetzt unter der Verwaltung der Stadt, die aber wenig f?r ihren Pflegling zu thun scheint. Die riesigen Waldanlagen, die sich am Fusse des Monte Pincio hinziehen, sind ziemlich verwildert, und nur das Casino, in dem sich einige ber?hmte Rafaels, Tizians und Correggios befinden, prangt in altem, unvermindertem Glanze. Weit vortheilhafter pr?sentiren sich die Anlagen der Villa Doria, die, auf den Anh?hen jenseits des Vatican gelegen, wundervolle Ausblicke nach aussen und k?stliche Landschaftsbilder nach innen bietet. Sie ist jedoch schwerer zu erreichen und seltener ge?ffnet, daher nicht so popul?r, wie die Villa Borghese. Beide Parks beleben sich erst gegen Abend, wenn man die Schaaren von Kindern ausnimmt, die auch tags?ber auf den Wiesen ihr lautes, lustiges Wesen treiben. Zur Zeit des sp?ten Nachmittags rollen dann die Wagen in endloser Reihe heran. Die Villa >>Borghese<< erh?lt vor der sch?neren Rivalin schon deswegen den Vorzug, weil der Weg zu ihr durch den Corso, die Hauptstrasse Roms, f?hrt. Kein gr?sseres Vergn?gen f?r den R?mer, der Equipage h?lt oder miethet, als dieser Corso auf dem Corso. Nicht Jeder vermag dieses Vergn?gen nachzuf?hlen, denn der Corso ist eng, staubig und von be?ngstigendem Menschengew?hl erf?llt. Und dennoch ist der Ausflug nach den Alleen der Villa eigentlich nur ein Vorwand, um ein halbes Dutzend Mal ?ber den Corso fahren zu d?rfen. Das Equipagengedr?nge ist hier um die Abendstunden oft so arg, dass die Wagen sich kaum im Schritt vorw?rts bewegen k?nnen. Dem Zuschauer dieses mondainen Schauspiels bleibt somit Zeit genug, die Eleganz der Gef?hrte zu bewundern, die an Pracht der Anschirrung, Correctheit der Dienerschaft und Trefflichkeit des Pferdematerials durchaus mit Paris, ja beinahe mit London concurriren k?nnen. Dieser Equipagenluxus f?llt umsomehr auf, als man fortw?hrend von dem finanziellen Ruin Roms h?ren und lesen muss. Als Erkl?rung solchen Widerspruchs wird vorgebracht, dass die angesehenen Familien lieber an Wohnung und sonstigem Haushalte sparen, ehe sie ihre Equipage aufgeben. Die ungemessene Eitelkeit der Italiener, die Alles auf den ?usseren Schein zu berechnen pflegen, l?sst diese verkehrte Handlungsweise wohl glaublich erscheinen. Das Wagendefil? bietet aber noch ein anderes Interesse. Im Fond der vorbeiziehenden Carrossen erblickt man die vornehme Damenwelt Roms, die sonst nirgends zum Vorschein kommt. In der That zeigt sich die elegante R?merin h?chst selten auf der Strasse. Man kann von jeder distinguirten weiblichen Erscheinung, die man zu Fusse lustwandelnd trifft, mit Sicherheit annehmen, dass sie eine Fremde ist. So ist die abendliche Stunde der Ausfahrt die einzige, in der Rom seine geburts- und finanzaristokratischen Sch?nheiten erblickt.
Die Ankunft der K?nigin erfolgt weniger ?berraschend, als die ihres Gemahls, da ihre Dienerschaft blutrothe, weithin leuchtende Livr?e tr?gt. Um so schlichter ist das Cost?m der hohen Dame selbst, die meist in dunkler Kleidung und schwarzem Capoteh?tchen erscheint. K?nigin Margherita ist nicht mehr die blendende Sch?nheit, die sie einstens war, aber immer noch eine anmuthige Frau mit edlen, ernsten Z?gen. Ihre Popularit?t ist von allen St?rmen der letzten Zeit unber?hrt geblieben. Ist sie doch eine F?rstin, die sich von politischen und staatlichen Angelegenheiten v?llig abseits h?lt und nur in den Vordergrund tritt, wenn es Werken der Wohlth?tigkeit und der Kunstf?rderung gilt.
Die ~piazza colonna~, die den Corso ziemlich genau halbirt, ist das moderne Forum der R?mer. Es hat seit einigen Jahren eine umf?ngliche Erweiterung erfahren, nachdem die Stadt den die Ostseite des Platzes einnehmenden Palast des F?rsten Piombino f?r einige Millionen angekauft und dann niedergerissen hat. Niemand weiss, warum! Augenblicklich sind Bestrebungen im Gange, diese L?cke wieder mit Bauten zu belegen. Aber da nicht allzuviel Gelder, sehr viel sich widersprechende Ansichten und recht m?ssige Projecte vorhanden sind, so d?rften diese Constructionen noch manches Jahr auf sich warten lassen.
Auf der Piazza giebt es des Abends grosses Concert. Bei der Vorliebe, welche die Italiener f?r Musik im Allgemeinen und Gratismusik im Besonderen haben, ist es selbstverst?ndlich, dass der biedere, alte Marc Aurel vor seiner stolzen, den Platz beherrschenden S?ule allabendlich auf ein riesiges Menschenget?mmel herabsehen muss. Der Arbeiter wie der Elegant, der Offizier wie der Rekrut promeniren um die Musiktrib?ne. Auch lichtscheue Elemente giebt es genug im Haufen. Vor Taschendieben wird gewarnt! Nat?rlich fehlen die ambulanten Verk?ufer nicht. Mit kreischender Stimme bieten sie Zeitungen, Hosentr?ger, Wachsh?lzer, Spazierst?cke, Eiswasser und Pfirsiche, kurzum Alles an, was sich nur irgend im Umherziehen transportiren l?sst. Wer das R?mische Volksleben von heute an der Quelle studiren will, der begebe sich zum Abendconcert nach der Piazza Colonna.
Seit Gutzkow seinen >>Uriel Akosta<< geschrieben hat, ist der gute Rabbi Ben Akiba niemals wieder zur Ruhe gekommen. Fast t?glich kann man in den Zeitungen eine unerh?rte, sensationelle Geschichte lesen, der die Bemerkung angeh?ngt ist, dass Derartiges, trotz des alten Ben Akiba noch nicht dagewesen ist. Ebenso regelm?ssig erscheint dann nach wenigen Tagen der unumst?ssliche Nachweis, dass Ben Akiba doch Recht habe und die betreffende Geschichte nicht ohne Pr?cedenzfall dastehe. So ungern ich mich den Gegnern des wackeren Rabbis zugeselle, so kann ich doch nicht umhin, nachfolgenden Vorfalles zu gedenken, zumal ich damit auf eine Merkw?rdigkeit ersten Ranges aufmerksam mache, die noch in keinem Reisehandbuche verzeichnet steht. Am Sonntag ist in allen staatlichen Galerien und Museen Italiens der Eintritt unentgeltlich. J?ngst profitirte ich von dieser Liberalit?t der italienischen Regierung, um der sch?nsten Frau Roms, der capitolinischen Venus, wieder einmal meine Aufwartung zu machen. Als ich von dieser Visite hochbefriedigt zur?ckkehrte, dr?ckte ich dem Galeriediener, der meinen Stock aufbewahrt hatte, das ?bliche Trinkgeld in die Hand. Aber welch Unerh?rtes begab sich -- mit einer stolzen Handbewegung gab mir der Brave die gespendeten Soldi zur?ck. Ein italienischer Galeriediener, der kein Trinkgeld nimmt, der ist -- alle Besucher dieses gesegneten Landes werden es mir best?tigen -- wirklich noch nicht dagewesen.
~Napoli in festa.
~ ~Feste estive.~ -- Der Mercato. -- Konradin und Masaniello. -- Neapolitanische Feuerwerkerei. -- Die Seebade-Saison. -- Die Gassenjungen und die Polizei. -- Die Cloaken als Schlupfwinkel. -- Am Schlosse der >>Donna Anna<<. -- Wie Luigia deutsch spricht.
Neapel im Festgewande ... Kein anderes Land ist so reich an Feiertagen, kirchlichen und nationalen, allgemeinen und localen, wie Italien. Trotzdem begn?gt sich der aus L?rm und Lustbarkeit gerichtete Sinn des S?dl?nders keineswegs, die Feste zu feiern, wie sie fallen. Wo sich irgendwo eine gr?ssere Pause zwischen Feierdaten einschiebt, ist man alsbald dabei, solch unziemliche L?cke auszuf?llen. F?r Neapel bringen haupts?chlich Fr?hjahr und Herbst die traditionellen Vergn?gungstage. So w?rde der Sommer in dieser Hinsicht zur ~saison morte~, wenn eben nicht die Neapolitaner ausgiebig vorsorgten. Da der Kalender keine Feste ansagt, erfindet man welche. Um diese popul?re Arbeit gleich gr?ndlich zu thun, constituirt sich ein Comit? und er?ffnet eine Subscription. Die hier ans?ssige Fremdencolonie spendet einige nette Summen, und auch die wenigen Italiener, die noch Etwas zu verschenken haben, lassen sich nicht lumpen.
Das Resultat dieser Bem?hungen ist zun?chst ein sehr sch?nes buntes Placat, dessen Mitte den feuerspeienden Vesuv zeigt, zu seinen F?ssen eine d?rftig angezogene berittene Sirene aus dem Meere emportauchend. Das Ganze tr?gt die Ueberschrift >>~Feste estive~ ~Napoli~<< und verheisst der Menge Illuminationen und Feuerwerke, S?ngerfeste und Volkslieder-Concurrenzen, Milit?rkapellen-Wettstreit und Bootsturniere, Regatten und Taubenschiessen, Trab- und Velociped-Rennen. Omnibusse, Pferdebahnen und Droschken schm?cken sich mit bunten Fahnen, und die Zeitungen meinen, dass nun f?r ganz Italien und Europa Nichts mehr im Wege st?nde, nach Neapel zu kommen, der sch?nsten, gastfreundlichsten und saubersten Stadt der Welt. Man darf es den Gazetten nicht ?belnehmen, wenn sie den Mund etwas voll nehmen. Die Prahlerei liegt dem Italiener im Blute, und die Journale lassen dabei wenigstens fremden St?dten auch Etwas zu Gute kommen.
Konradin und Masaniello, die Helden des Mercato, sind auch die Helden des j?ngsten Volksfestes. Den Musikpavillon auf dem Mercato ?berragt eine Gypsimitation des Thorwaldsen-Monuments Konradins, und neben dem Orchester auf dem Carmineplatze thronte ein grosser Masaniello aus Majolica, das Beil in der Hand, mit heroischer Geste zum Sturm auffordernd. Zu ihren F?ssen dr?ngte sich eine nach Tausenden z?hlende Menge, die sich an der geschmackvollen, bunten L?mpchen-Illumination des Festraumes, an der elektrischen Beleuchtung, aus der sich der ehrw?rdige Glockenthurm der Carmine-Kirche phantastisch heraus hob, an den Kl?ngen der Musik, vor Allem aber am eigenen Thun und Treiben erg?tzte. An den Borden der Pl?tze waren unz?hlige B?nke und Tische aufgestellt, und an ihnen schmauste man die vielgestaltigen Maccaroni, die nicht immer appetitlich aussehenden ~frutta di mare~ , am Feuer ger?stete Maiskolben und ?hnliche Lieblingsspeisen der Neapolitaner. Das Alles war in Kesseln und Tellern angeh?uft, die von Schmutz und Oel trieften. Aber ein bischen Schmutz, ein bischen viel Schmutz sogar, geh?rt nun einmal zur neapolitanischen Gem?thlichkeit. Man sp?lt ihn mit gutem Wein hinunter, dem feurigen Rothen vom Posilipp und von Salerno. Da f?r diesen Abend kein officielles Feuerwerk angesagt ist, so wird eines improvisirt. Aller Orten l?sst man kleine brennende Papierballons zum Nachthimmel emporsteigen. Der Anblick ist sch?n, aber das Spiel ist nicht ungef?hrlich. Der Wind treibt einen der Ballons in ein offenes Fenster und verursacht einen kleinen Gardinenbrand. Abgesehen von solchem, hier nicht ausrottbarem Unfug und von dem unerh?rten, bet?ubenden L?rm, den die vergn?gte Menge veranstaltet, betragen sich die Massen musterhaft. Betrunkene sieht man hier ebenso wenig wie sonst in Italien. Der Wein, so gut und so billig er ist, wird ?berall in bescheidenen Quantit?ten genossen. Um so fleissiger ist die Zunft der Taschendiebe an der Arbeit.
Noch gr?sseren Zulaufs erfreute sich das um wenige Tage sp?ter stattfindende Feuerwerk auf der Piazza del Plebiscito. Dieser riesige Raum ist der gegebene, vornehme Festplatz f?r Neapel. Seine imponirende Fl?che wird begrenzt von dem gewaltigen K?nigspalaste, der Pr?fectur und der Kirche S. Francesco, die, im Innern dem r?mischen Pantheon nachgebildet, sich hinter einem malerischen Colonnadenvorbau erhebt. Die nach dem Platze f?hrende Hauptstrasse Neapels, der enge Toledo, war pr?chtig illuminirt. Mit farbigen L?mpchen besetzte B?gen ?berspannten in phantastischen Formen den Fahrweg. Selbst die Laternen haben ihr n?chternes Aussehen verloren. Man hat sie mit bunten Transparenten umzogen, in denen der Teufel und seine Grossmutter eine grosse Rolle spielen. Durch den Toledo wogt die unentwirrbare Volksmenge, Droschken und Equipagen mitten im Kn?uel, nach dem Platze, der, bes?t mit Menschen, einem immensen Theatersaale gleicht. Die Ungeduld zu z?geln, spielt dort ein Riesenorchester, aus s?mmtlichen Milit?rkapellen Neapels zusammengesetzt, rauschende Weisen. Endlich giebt ein Kanonenschuss das Zeichen zum ersehnten Beginn. Auf den D?chern der Kirche und den angrenzenden Colonnaden haben die Pyrotechniker ihr Hauptquartier aufgeschlagen, und von dort her leuchtet es pl?tzlich auf. Wohl eine Stunde hindurch schiessen Raketen zum Himmel empor, prasseln Feuerr?der, schwirren allerlei Feuerwerksk?rper durch die Luft. Und als zum Schluss auf der Kuppel der Kirche die in allen Farben strahlende Inschrift emporsteigt >>Es lebe Neapel, die Sirene des S?dens<< -- da bricht donnernder Applaus los, und oben auf der Br?stung der Kirchenkuppel erscheint, winzig anzuschauen', der Obrist-Feuerwerker und verneigt sich mit bewegter Geste vor seiner dankbaren Zuschauerschaft. Kaum ist das pyrotechnische Schauspiel beendet, als sich ein neuer dumpfer Knall vernehmen l?sst. Diesmal ist es der Vesuv, der eine dunkelrothe, m?chtige Feuerlohe zum Nachthimmel schickt, als wollte er ironisch sagen: Was plagt ihr euch mit eurer armseligen Feuerwerkerei, ihr Menschen? Ich verstehe die Sache doch besser, als ihr.
Neben diesen grandiosen Lustbarkeiten, an denen die ganze Stadt theilnimmt, feiert man in einzelnen Vierteln eine Art von Localfesten, meist mit Bezug auf den kirchlichen Patron des Bezirks. Die Gassen sind dann auch hier mit Lampionb?gen bunt decorirt, die Leute sitzen schmausend und zechend vor ihren Th?ren und erg?tzen sich an einem aus Privatmitteln beschafften Feuerwerke. Kurz, diese kleinen Vergn?gungen sehen den grossen recht ?hnlich. Originell an ihnen ist nur, dass eine Musikbande von Th?r zu Th?r zieht, nach eingeholter Erkundigung die Lieblingsst?cke des Hausherrn spielt und zur Freude der umhertanzenden Kinder nicht eher vom Platze weicht, bis sie f?r ihre musischen Thaten entsprechend belohnt worden ist.
Ein sehr umf?ngliches Fest, das ununterbrochen vier Wochen dauert, bedeutet die Seebadesaison. Der Neapolitaner beginnt mit seinen Seeb?dern nie vor dem 15. Juli und beschliesst sie unweigerlich mit dem 15. August. Einen Grund f?r diese Beschr?nkung weiss Niemand anzugeben. Es ist eben eine Sitte, und kein Einheimischer weicht von ihr ab. Daf?r wird in diesem knappen Zeitraume mit vieler Lust und allem Raffinement gebadet, und die kurze Stagione ist f?r den Neapolitaner ein wirkliches Fest, das auch officiell von den vereinigten Besitzern der Bade-Etablissements als solches bezeichnet wird. Die Anstalten, lustige, elegante Holzbauten, erstrecken sich mit kurzen Abst?nden vom Quai S. Lucia angefangen bis nach den Ausl?ufern des Posilipps, den vornehmsten Theil Neapels in L?nge einer halben Meile flankirend. Am bequemsten zu erreichen sind die Stabilimenti l?ngs der Villa Nazionale, der ?ffentlichen Promenade Neapels. Sie haben nur einen sehr grossen Fehler f?r diejenigen, welche beim Baden die -- Sauberkeit lieben. Unterhalb der Villa Nazionale m?nden n?mlich die Kloaken der Stadt und entladen dort ihren unappetitlichen Inhalt, das Meer auf Meter hinaus verschlammend und verseuchend. Man sollte meinen, dass kein vern?nftiger Mensch eine Badeanstalt aufsuchen wird, die in solch' zweifelhafter Fluth errichtet ist. Der Neapolitaner aber wird, wie schon oben bemerkt, niemals in seinen Vergn?gungen durch eine Portion Schmutz gest?rt, und er tummelt sich in den tr?ben Wellen mit unvermindertem Behagen. Wenn schon die Neapolitaner, die ihr Bad bezahlen, wenig skrupul?s sind, so sind es nat?rlich erst recht die Unz?hligen, die gratis dem Meere einen Besuch abstatten. Es wimmelt tags?ber von Knaben und J?nglingen, welche die Kampen und Vorspr?nge zwischen den Anstalten zum Aus- und Ankleiden benutzen und die Schwimmhose als ein h?chst entbehrliches Kleidungsst?ck betrachten. Die Neapolitanischen Gassenjungen sind nicht nur eine auffallend h?bsche, sondern auch ?beraus komische und stets urvergn?gte Rasse. Dazu sind sie alle kleine Schwimmk?nstler, und so entwickeln sich die drolligsten Scenen im Wasser, die am Lande regelm?ssig sehr zahlreiche und sehr dankbare Zuschauer versammeln, unter denen nicht selten die Maler und ihre moderne Concurrenz, die Amateurphotographen, zu finden sind, um einige Genrescenen per Stift oder Apparat zu fixiren.
Nat?rlich ist dieses ungenirte Treiben beh?rdlich verboten, nicht weil man ?berhaupt pr?de ist -- denn die neapolitanische Bev?lkerung l?sst ihre Kinder auch auf der Strasse unbekleidet herumlaufen, ohne dass die Polizei intervenirt -- sondern weil es sich in dem vornehmsten Theile der Stadt entwickelt, in dem die grossen H?tels und die Fremdenpensionen sich befinden. Verbote sind aber in Neapel noch weniger dazu da, befolgt zu werden, als anderswo in Italien. Das Municipium hat erst k?rzlich wieder eine Bekanntmachung erlassen, in der allen ausserhalb der Anstalten Badenden mit Confiscation der Kleider und anderen f?rchterlichen Strafen gedroht wurde. Gefruchtet hat sie aber Nichts, wenigstens nicht f?r die Tagesstunden. Die Polizei hat n?mlich auf eigene Faust einen Compromiss mit dem Badebed?rfniss und der Toilettenfeindseligkeit der Herren Jungens geschlossen. So lange die Sonne ihre Strahlen auf die lustige Gesellschaft niedersendet, l?sst sich kein Polizist an Ort und Stelle blicken. Erst gegen sechs Uhr, kurz vor Beginn des gl?nzenden Wagencorsos, der sich allabendlich auf der Fahrstrasse zwischen dem Meer und der Villa Nazionale abspielt, debouchirt aus den Baumg?ngen der Villa eine Abtheilung Polizei gegen das Meer, um die Misseth?ter zu verjagen. Aber auch dieser Angriff geschieht mit einer Gem?thlichkeit, welche einen deutschen Schutzmann h?chlichst verbl?ffen w?rde. Die scherzhaften Versuche der Polizisten, die am Ufer lagernden Kleiderb?ndel mitzunehmen, werden mit fr?hlichem Lachen oder energischen Wasserspritzern beantwortet. Ein sehr beliebter Witz der lieben Jugend besteht darin, sich in die finsteren Kloaken-M?ndungen zur?ckzuziehen, wohin kein Schutzmann seine Nase -- zum Gl?ck f?r die Nase -- stecken kann, und dann, nachdem die heilige Hermandad sich entfernt hat, mit Jubelgeheul wieder zum Vorschein zu kommen. So hat der Corso oben auf der Via Caracciolo oft schon l?ngst begonnen, ehe es den sanften >>H?tern des Gesetzes<< gelungen ist, alle Badenden aus dem Gesichtskreis der vornehmen Equipagen-Insassen zu vertreiben.
Draussen am Posilipp geht es ruhiger zu und vornehmer. Dort baden neben denjenigen Neapolitanern, die sich in sauberem Wasser zu erfrischen vorziehen, die zahlreichen Angeh?rigen der Fremdencolonie. Hier ist nicht nur das Meer von durchsichtigster Klarheit, man geniesst auch den Blick auf eine Umgebung, deren sich kein zweites Seebad r?hmen kann. Zur Rechten hat man das zerfallene Schloss der >>Donna Anna<< , hinter sich die imposant ansteigende, reich belebte Fahrstrasse und die wilden Felskl?fte des Posilipp. Vor sich erblickt der Schwimmende das weite Meer, aus dem in bl?ulich-rothen Umrissen Capri emportaucht, zur Linken aber das unvergleichlichste Panorama: die amphitheatralisch hingelagerte gewaltige Stadt mit ihren zahllosen, ?bereinander geth?rmten H?usern, daneben die lichtfarbig schimmernden Ortschaften von Portici, Resina und Torre del Greco, im dritten Plane die Berge der Sorrentinischen Halbinsel und als beherrschenden Mittelpunkt des Ganzen den majest?tischen Vesuv.
In diesen B?dern am Posilipp h?rt man mehr deutsch reden, als italienisch, und nicht nur von Deutschen allein. Die deutsche Sprache ist jetzt modern hier zu Lande, und es gilt als unzweifelhaft chic, sie zu sprechen. T?glich erscheinen in den nachmitt?glichen Badestunden die jugendlichen Z?glinge der am Posilipp zahlreich vertretenen, vornehmen M?dchen-Pensionate, selbstverst?ndlich geh?tet und geleitet von ihren respectiven Lehrerinnen. Die obligatorische Unterhaltungssprache im Wasser ist deutsch. >>Maria<<, rief neulich solch eine kleine Wassernixe ihrer Freundin zu, >>ich abe serr gut geschwimmt auf das R?cken, und abe geabt die errliche Anblick von die sch?ne Stadt.<< Leider hatte die begleitende Gouvernante nicht blos grosse F?sse, sondern auch lange Ohren, denn sie antwortete statt der Angeredeten: >>Sie machen so grobe Fehler, Signorina Luigia, dass Sie heute Abend keinen Kaffee zum Pranzo haben werden!<< Mir that die arme Gemassregelte herzlich leid trotz ihres geringen Respects vor der deutschen Grammatik, denn erstens hatte die kleine Luigia wundersch?ne, nachtschwarze Augen, und dann ist man vers?hnlicher Stimmung, wenn man hat >>serr gut geschwimmt auf das R?cken und geabt die errliche Anblick von die sch?ne Stadt<<.
Wie man in Neapel f?hrt.
Neapolitanische Fiaker und Tramways. -- Der Esel als >>Rennthier<<. -- Corso am Kai Caracciolo. -- Der Prinz von Neapel.
In einer fr?heren Skizze habe ich den Typus des r?mischen Droschkenkutschers zu schildern versucht. Sollte dabei irgend etwas Despectirliches gegen die Rosselenker des ewigen Roms gesagt worden sein, so bitte ich sie inst?ndigst um Verzeihung. Ich kannte damals den neapolitanischen >>Edlen vom Bock<< noch nicht. Er fordert nicht, wie sein r?mischer College, den Fussg?nger auf, in seinem Wagen Platz zu nehmen, er will ihn dazu zwingen. Das erste Stadium ist, dass er dem Gehenden zuruft: >>He, Sie, hier steht eine Carrozzelle. Steigen Sie ein!<< das zweite, dass er strassenlang so dicht neben dem f?rbass Schreitenden einherf?hrt, dass er ihn fast an die Mauer dr?ckt , das dritte, dass er seine Peitsche dem Hartn?ckigen um die Ohren sausen l?sst, dass Jenem H?ren und Sehen vergeht. Es fehlt nur noch, dass die Herren Rosselenker Alle, die nicht fahren wollen, einfach durchpr?geln. Selbst haneb?chene Grobheit hilft nicht immer gegen solche Zudringlichkeit, und man sieht nicht selten die geplagten Fremden zu Handgreiflichkeiten ihre Zuflucht nehmen. So wurde neulich ein deutscher Herr, der aus seinem Hotel trat, durch die Dreistigkeit eines Kutschers derart aufgebracht, dass er ihm seinen Cigarrenstummel in's Gesicht warf. Der Effect war ein ?berraschender. Schmunzelnd fing der Numerirte den Stummel auf, steckte ihn in den Mund und verabschiedete sich mit den deutschen Worten: >>Danke sch?n, auf Wiedersehen!<<
Der neapolitanische Droschkentarif ist ungemein niedrig. Er betr?gt f?r die oft sehr ausgedehnte und bergige Strecke innerhalb des Weichbildes 70 Centesimi . Aber innegehalten wird dieser Satz so gut wie niemals. Besteigt man die Droschke, ohne vorher mit dem Kutscher ?ber den Preis zu unterhandeln, so ist sofort die Diagnose auf >>Fremd<< gestellt und regelm?ssig wird dann ein Zuschlag oder ein Trinkgeld so laut und heftig gefordert, dass Viele, ums dem Scandal ein Ende zu machen, das Verlangen erf?llen. Ganz anders, wenn man die einschl?gigen Gewohnheiten kennt und der italienischen Sprache m?chtig ist. Man f?hrt dann stets unter dem Tarif. Man ruft dem Kutscher zu: >>Halbe Taxe<< und fast immer wird auf das Angebot eingegangen. So widerlich das Handeln mit einem Kutscher um eine solche Lappalie ist, so ist es doch kaum zu umgehen. Man wird durch das eben geschilderte Gebahren der Leute einfach dazu gezwungen.
Man f?hrt also nirgends so billig, nirgends aber so unangenehm, wie in Neapel. Das liegt an der Droschke selbst, am Pflaster, an der Eigenart des Verkehrs. Die neapolitanische Carrozzelle ist ungew?hnlich hoch und eng gebaut. Selbst Leute von Mittelwuchs wissen ihre Beine kaum anders unterzubringen, als sie in H?he des Kutschbockes an den Vorderbord aufzustemmen. Da der Fahrgast ungef?hr auf gleichem Niveau mit dem Lenker und dicht hinter ihm sitzt, dieser aber, wie ein Besessener, unaufh?rlich mit der Peitsche knallt, so schwebt man in fortw?hrender Gefahr, empfindlich getroffen zu werden. Das Strassenpflaster wird von den Reiseb?chern als eines der besten der Erde gepriesen. Es sieht mit seinen breiten und glatten Lavaplatten in der That recht stattlich aus und mag vortrefflich gewesen sein, als es noch neu war. Heute aber haben sich l?ngst riesige L?cher gebildet, an deren Reparatur Niemand denkt. Da der Kutscher drauf los f?hrt, ohne eine Umgehung der gef?hrlichen Stellen zu versuchen, so setzt es alle Augenblicke St?sse, die den Wagen umzuwerfen drohen. Endlich bedingt die Eigenart der bergigen Anlage Neapels, das nur wenig bequem fahrbare Strassen besitzt, eine Ueberf?llung dieser Verkehrswege.
So ist der Kutscher, der, so wie er freie Bahn vor sich sieht, eine tolle Pace vorlegt, h?ufig gen?thigt, langsamen Schritt zu fahren. Auch der ?ftere Wechsel zwischen diesen beiden Extremen ist keineswegs erfreulich f?r den Insassen der Droschke.
H?chst merkw?rdig ist die Adjustirung der Droschkeng?ule, die sich zumeist aus der kleinen, z?hen Rasse der Apenninenpferde rekrutiren und im Klettern auf den glatten H?gelstrassen Neapels eine bewundernswerthe Ausdauer und Sicherheit entwickeln. Das Geschirr ist derart mit Kupfer- und Messingplatten ?berladen, dass das Lederzeug v?llig dadurch verdeckt wird. Ausserdem tr?gt das Pferd eine Art Sattel mit einem riesigen Messingaufsatz, der equestrische Scenen darstellt. Die Scheuklappen sind mit bunten Rosetten und F?hnchen verziert, und zwischen den Ohren der Rosinanten ragt ein roth eingebundenes Federb?schel in die H?he, wie es die kupferfarbigen Helden der Lederstrumpf-Erz?hlungen zu tragen pflegen, wenn sie skalpl?stern den Kriegspfad beschreiten. Man sollte meinen, dass der Kutscher sein Pferd, das er so sorgf?ltig schm?ckt, sehr lieb hat. Weit gefehlt: der Neapolitaner ist der r?cksichtsloseste Thierqu?ler, den man sich vorstellen kann. Alle diese Metall- und Bandzierrathen sollen lediglich den Schutz bilden gegen das >>~mal'occhio~<<, den b?sen Blick, vor dem der Neapolitaner, selbst der gebildete, in best?ndiger Furcht lebt und dem er alles ihm zustossende Unheil auf das Conto schreibt.
Eine weitere Specialit?t ist das eigentliche Zaumzeug der Droschkenpferde. Sie tragen n?mlich kein Gebiss -- Trense oder Kandare -- sondern das Maul bleibt v?llig frei. Die Leitz?gel m?nden in grosse Messing?sen, die horizontal zu beiden Seiten der Backenst?cke in H?he des Nasenriemens abstehen. Es ist wunderbar genug, dass der Kutscher trotz dieser primitiven Lenkvorrichtung sein Ross fest in der Hand h?lt und es sicher durch das Gewimmel des Strassentreibens zu leiten im Stande ist.
Ist es kein Vergn?gen, sich einer hiesigen Droschke anzuvertrauen, so ist die neapolitanische Pferdebahn ebenfalls kein ideales Bef?rderungs-Institut. Sie versieht ihren Betrieb nicht nur mit Pferden, sondern mehr noch mit Mauleseln. Diese z?he Mischrasse dient zumeist als Vorspann, und es gew?hrt einen seltsamen Anblick, wenn an den Stellen, wo die Trace schlimme Steigungen zu ?berwinden hat, wie bei dem Anstiege vom Quai S. Lucia zur Piazza del plebiscito die Viererbespannung zur H?lfte aus Pferden, zur H?lfte aus Mauleseln besteht. Die Wagen des Tramway f?hren hier zwei Klassen. Der Tarif richtet sich nach >>Sectionen<< und die zweite Klasse ist durchschnittlich um 1--2 Soldi billiger, als die erste. Letztere bietet gepolsterte Sitze, die erstere blosse Holzb?nke. Vorzuziehen w?re die ungepolsterte Sitzgelegenheit, da die in Neapel so zahlreichen, blutgierigen H?pfer -- ~vulgo~ Fl?he genannt -- ein ungest?rtes Dasein in den Kissen f?hren und mit Vorliebe dem Passagier einen kleinen Besuch abstatten, wenn nicht andererseits das Publikum zweiter Klasse so reich mit diesen Parasiten versehen w?re, dass es ebenfalls gern von seinem Ueberfluss an Bed?rftige abgiebt. Nicht minder l?stig sind die zahlreichen Bettler, die sich ?berall, wo die Pferdebahn Schritt zu fahren durch die Terrain-Verh?ltnisse gezwungen ist, aufhalten und die Wagen so lange mit Winseln und Heulen begleiten, bis der Kutscher seine G?ule wieder in Trab setzen kann. Die fliegenden H?ndler finden sich selbstverst?ndlich auch auf den Trittbrettern der Pferdebahnwagen ein und verst?rken durch ihr misst?nendes Gekreisch den ungeheueren Wirrwarr.
Die naive Unh?flichkeit des Neapolitaners zeigt sich am deutlichsten auf der Trambahn. Die B?nke der Sommerwagen sind auf vier Personen berechnet. Niemals aber werden drei Leute, die es sich bequem gemacht haben, dem aufsteigenden Vierten aus freien St?cken Platz machen. Das einzige Mittel ist, sich energisch auf die Kniee eines der Fahrenden fallen zu lassen und so sein Wegr?cken zu erzwingen. Das Unleidlichste aber ist die Einrichtung, dass nicht nur an den Haltestellen, sondern ?berall auf Verlangen gehalten wird. Der Neapolitaner steigt principiell nur vor seinem Hause auf, resp. l?sst sich bis dorthin fahren. Ob eine Haltestelle zwei Schritte entfernt ist, ob eben eines Anderen wegen gehalten worden ist, das ist ihm sehr gleichgiltig. Niemals nimmt er die Gelegenheit wahr, dem Wagen einen Stillstand zu ersparen, sondern giebt, kaum dass dieser sich wieder m?hsam in Bewegung gesetzt hat, das Zeichen zu erneutem Aufenthalt. So braucht man zu einer Strecke, die unter normalen Verh?ltnissen in f?nf Minuten zu bew?ltigen w?re, oft das Drei- und Vierfache. Dabei macht die Pferdebahn gl?nzende Gesch?fte. Trotz ihres hohen Tarifes, trotz der Concurrenz der Droschkenkutscher, die oft zu Pferdebahnpreisen fahren, sind die Tramwagen ?berf?llt vom fr?hen Morgen bis in die sp?te Nacht.
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