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Read Ebook: Der kleine Dämon by Sologub Fyodor Walter Reinhold Von Translator

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Ebook has 3697 lines and 103009 words, and 74 pages

Er blickte dem eifrig davoneilenden Rutiloff nach und dachte schadenfroh: Mag er nur laufen! Und dieser Gedanke gab ihm ein welkes und schattenhaftes Vergn?gen. Es wurde ihm langweilig, allein zu sein, er dr?ckte den Hut in die Stirn, runzelte die blonden Augenbrauen und ging schnell nach Hause durch ?de, ungepflasterte Strassen, auf denen weissblumiges, kriechendes Mastkraut, Kresse und in Schmutz getretenes Gras wucherten.

Jemand rief ihn schnell und leise.

>>Ardalljon Borisowitsch, kommen Sie zu uns.<<

Peredonoff blickte aus d?stern Augen auf und sah b?se ?ber das Gitter. Hinter einem Zaun im Garten stand Natalja Afanasjewna Werschina, eine kleine, d?rre, dunkelfarbige Person, ganz in Schwarz gekleidet und schwarz waren auch ihre Augen und ihre Brauen. Sie rauchte eine Zigarette aus einem kleinen dunkelfarbigen Weichselrohr und l?chelte so leichthin, als w?sste sie um Angelegenheiten, von denen man nicht spricht, ?ber die man aber l?chelt. Weniger mit Worten, als mit leichten, schnellen Bewegungen rief sie Peredonoff in ihren Garten; sie ?ffnete das Pf?rtchen, trat zur Seite, l?chelte bittend, fast vertrauensvoll und bedeutete mit den H?nden: Tritt doch ein, was stehst du da.

Und Peredonoff trat ein: er f?gte sich ihren magischen, lautlosen Bewegungen. Dann blieb er sofort auf dem Kieswege stehen, auf dem trocknes Reisig umherlag, -- und sah nach der Uhr.

>>Es ist Fr?hst?ckszeit,<< brummte er. Die Uhr geh?rte ihm schon lange, aber wie immer in Gegenwart anderer, blickte er voll Wohlgefallen auf den grossen, goldenen Doppeldeckel. Es war zwanzig Minuten vor zw?lf. Peredonoff entschloss sich, kurze Zeit zu bleiben. Verdriesslich ging er auf den Gartenwegen hinter der Werschina her, vor?ber an kahlen Johannisbeerstr?uchern, an Himbeerb?schen und Stachelbeerstauden. Reifes Obst und sp?te Blumen liessen den Garten ganz bunt erscheinen. Da waren verschiedene Fruchtb?ume, Str?ucher und Laub: niedrige weitverzweigte Apfelst?mme, rundbl?ttrige Birnb?ume, Linden, Kirschen mit ihren glatten, gl?nzenden Bl?ttern, Pflaumen und Je-l?nger-je-lieber. In den Hollunderb?schen leuchteten rote Beeren. Am Zaune wucherte dichtges?tes, sibirisches Geranium: ganz kleine blassrosa Bl?ten mit purpurfarbenem Ge?der. Silberdisteln reckten aus den B?schen ihre dunkelroten, stachligen K?pfchen. Ganz hinten stand ein kleines, graues Holzhaus, ein Einfamilienhaus, mit einem breit in den Garten vorgebauten Flur. Es sah lieb und wohnlich aus. Hinter dem Hause konnte man ein St?ckchen vom Gem?segarten sehen. Da schaukelten vertrocknete Mohnkapseln im Winde, und grosse, gelblichweisse Massliebchen; halbwelke Kronen gelber Sonnenblumen nickten leise. Mitten unter K?chenkr?utern streckten sich weisse Schierlingsdolden und bleicher, purpurfarbener Storchschnabel. Da bl?hte blassgelber Hahnenfuss und niedriger L?wenzahn.

>>Waren Sie im Vespergottesdienst,<< fragte die Werschina.

>>Ja,<< antwortete Peredonoff ?rgerlich.

Im Schatten eines breitastigen Ahornbaumes stand eine ganz alte, graue Laube, -- drei Stufen f?hrten hinauf, -- es war nur eine bemooste Diele, ein niedriges Gel?nder und sechs plumpe, geschnitzte S?ulen, die das sechsseitig abfallende Dach st?tzten.

In der Laube sass Martha, noch im Sonntagskleide. Es war hell, mit B?ndern verziert und stand ihr nicht. Kurze Aermel liessen ihre eckigen, roten Ellenbogen und die grossen, starken H?nde frei. Martha war ?brigens nicht h?sslich. Ihre Sommersprossen verunzierten sie nicht. Sie galt sogar f?r recht h?bsch, besonders unter den Polen, ihren Landsleuten, und Polen gab es nicht wenige in der Stadt.

Martha drehte Zigaretten f?r die Werschina. Ungeduldig wartete sie darauf, dass Peredonoff sie ansehen w?rde, und wie er dann entz?ckt sein w?rde. Dieser Wunsch war in einer Miene unruhiger Liebensw?rdigkeit auf ihrem gutm?tigen Gesichte zu lesen. Das hatte seinen einfachen Grund darin, dass Martha in Peredonoff verliebt war. Die Werschina wollte sie an den Mann bringen, denn Marthas Familie war gross. Schon vor einigen Monaten, bald nach dem Begr?bnis des altersschwachen Mannes der Werschina, war Martha zu ihr gezogen. Sie wollte sich der Werschina dankbar erweisen f?r alle erwiesene Freundlichkeit, auch f?r all das, was f?r ihren Bruder getan wurde. Er war Gymnasiast und lebte ebenfalls als Gast bei der Werschina.

Die Werschina und Peredonoff kamen in die Laube. Peredonoff gr?sste verdriesslich und setzte sich; er suchte sich einen Platz aus, der durch eine der S?ulen Schutz vor dem Winde bot, er wollte seine Ohren vor dem Zugwinde sch?tzen. Er blickte auf Marthas gelbe Schuhe, die mit rosa Ponpons verziert waren und dachte dabei, dass man ihn zum Heiraten einfangen wolle. Das dachte er aber immer, wenn er junge Damen sah, die zu ihm liebensw?rdig waren. An Martha sah er nur Nachteiliges, -- viele Sommersprossen, grosse H?nde, dazu noch die grobe Haut. Er wusste, dass ihr Vater, ein kleiner polnischer Edelmann, sechs Werst vor der Stadt ein Gesinde in Pacht hatte; kleine Eink?nfte und viele Kinder; Martha hatte das Progymnasium absolviert, der Sohn besuchte noch das Gymnasium und die ?brigen Kinder waren noch j?nger.

>>Kann ich Ihnen Bier anbieten?<< fragte die Werschina.

Auf dem Tische standen Gl?ser, zwei Flaschen Bier, Grieszucker in einer Blechdose und daneben lag ein vom Bier benetztes L?ffelchen aus Melchiormetall.

>>Werde trinken,<< sagte kurz angebunden Peredonoff. Die Werschina blickte auf Martha. Martha f?llte ein Glas, r?ckte es zu Peredonoff und dabei spielte auf ihrem Gesicht ein merkw?rdiges L?cheln, halb erschrocken, halb freudig. Die Werschina sagte rasch -- so, als h?tte sie die Worte ausgestreut:

>>Tun Sie Zucker ins Bier?<<

Martha reichte Peredonoff die Blechdose mit dem Zucker. Aber Peredonoff sagte ?rgerlich:

>>Nein, das ist eine Schweinerei, Bier mit Zucker.<<

>>Nicht doch, es schmeckt sehr gut,<< sprach eint?nig und rasch die Werschina.

>>Sehr gut schmeckt es,<< sagte Martha.

>>Es ist eine Schweinerei<<, wiederholte Peredonoff und blickte b?se auf den Zucker.

>>Wie Sie wollen,<< sagte die Werschina und im selben Tonfall, ohne eine Pause zu machen, ohne jeden Uebergang redete sie von anderen Dingen: >>Tscherepin wird langweilig,<< sagte sie und lachte.

Auch Martha lachte, Peredonoff blickte gleichg?ltig drein: er nahm keinen Anteil an fremden Angelegenheiten, er liebte die Menschen nicht und dachte nie anders an sie, als in Verbindung mit seinem eignen Nutzen. Die Werschina l?chelte selbstzufrieden und sagte:

>>Er glaubt, ich w?rde ihn nehmen.<<

>>Er ist ungeheuer frech,<< sagte Martha, nicht darum, weil sie das dachte, sondern weil sie der Werschina etwas Schmeichelhaftes und Angenehmes sagen wollte.

>>Gestern lauerte er am Fenster,<< erz?hlte die Werschina. >>Er hatte sich in den Garten geschlichen, als wir zu Abend speisten. Unter dem Fenster stand eine Wassertonne; wir hatten sie in den Regen gestellt, und sie war voll bis an den Rand. Obendrauf lagen Bretter, so dass man das Wasser nicht sehen konnte. Er kriecht hinauf und guckt durchs Fenster. Bei uns brennt die Lampe, so dass er uns sah, wir ihn aber nicht. Auf einmal h?ren wir ein Get?se. Ganz erschreckt laufen wir hinaus. Und das war er; direkt ins Wasser gefallen. Aber noch bevor wir hingekommen waren, hatte er, nass wie er war, das Weite gesucht, -- und nur auf dem Wege eine feuchte Spur hinterlassen. Und ausserdem erkannten wir ihn noch an seinem R?cken.<<

Martha lachte fein und fr?hlich, so wie ein gut gesittetes Kind lachen muss. Die Werschina hatte alles schnell und eint?nig erz?hlt, als streute sie die Worte, -- so pflegte sie immer zu sprechen, -- pl?tzlich schwieg sie still, sass ganz ruhig da und l?chelte mit dem einen Mundwinkel, dabei legte sich ihr d?rres, dunkles Gesicht in lauter Falten und ihre vom Zigarettenrauchen geschw?rzten Zahnreihen waren leicht ge?ffnet. Peredonoff dachte nach und auf einmal lachte er. Das war immer so. Er verstand einen Witz nie gleich, er war schwerf?llig und stumpf f?r neue Eindr?cke.

Die Werschina rauchte eine Zigarette nach der andern. Ohne Zigaretten konnte sie nicht leben.

>>Wir werden bald Nachbarn sein,<< erkl?rte Peredonoff.

Die Werschina warf einen schnellen Blick auf Martha. Diese wurde ein wenig rot, blickte in banger Erwartung auf Peredonoff und sah dann sofort wieder in den Garten.

>>Sie ziehen um?<< fragte die Werschina, >>warum denn?<<

>>Ich lebe zu weit vom Gymnasium,<< erkl?rte Peredonoff.

Die Werschina l?chelte ungl?ubig. Sie dachte n?mlich, dass Peredonoff in die N?he von Martha ziehen wolle.

>>Aber Sie leben doch schon seit einigen Jahren in der Wohnung,<< sagte sie.

>>Ausserdem ist meine Wirtin ein Aas,<< sagte Peredonoff w?tend.

>>Wirklich?<< fragte die Werschina ungl?ubig und l?chelte schief.

Peredonoff wurde lebendiger.

>>Neue Tapeten hat sie angekleistert, ganz gemeine Tapeten,<< berichtete er, >>kein St?ck passt zum andern. So ist im Speisezimmer ?ber der T?r ein ganz anderes Muster; -- ?berall im Zimmer sind gewundene Linien und Blumen, ?ber der T?r aber glatte Streifen mit Nelken darauf. Ausserdem eine ganz andere Farbe. Wir hatten es zuerst gar nicht bemerkt, da kam eines Tages Falastoff und lacht. Jetzt lachen alle dar?ber.<<

>>Das glaub ich, so eine Gemeinheit,<< stimmte die Werschina bei.

>>Wir sagen ihr nichts davon, dass wir ausziehen,<< sagte Peredonoff, und liess dabei seine Stimme sinken. >>Sobald wir eine Wohnung finden, ziehen wir um, aber sie darf es nicht wissen.<<

>>Das ist selbstverst?ndlich,<< sagte die Werschina.

>>Sonst macht sie uns einen Skandal,<< sagte Peredonoff, und seine Augen blickten furchtsam. >>Da soll man ihr noch f?r einen Monat den Zins zahlen; f?r so ein Loch.<<

Peredonoff lachte aus vollem Halse vor lauter Freude, dass er ausziehen w?rde ohne den Zins bezahlt zu haben.

>>Sie wird ihn eintreiben lassen,<< bemerkte die Werschina.

>>Mag sie, sie bekommt nichts,<< sagte Peredonoff trotzig. >>Wir waren nach Petersburg gefahren und w?hrend der Zeit stand die Wohnung leer.<<

>>Ja, aber die Wohnung geh?rte doch Ihnen,<< sagte die Werschina.

>>Was ist denn dabei. Sie musste renoviert werden; sind wir denn verpflichtet, f?r eine Zeit zu zahlen, in der wir die Wohnung gar nicht benutzen konnten? Und dann vor allem, -- sie ist unglaublich frech.<<

>>Na, frech ist Ihre Wirtin darum, weil Ihr ... Schwesterchen ein etwas zu heftiges Temperament hat,<< sagte die Werschina mit einer leichten Betonung auf dem Worte >>Schwesterchen<<.

Peredonoff runzelte die Stirn und blickte mit halbverschlafenen Augen stumpf vor sich hin. Die Werschina fing von andern Dingen zu reden an. Peredonoff zog aus seiner Tasche ein Bonbon, wickelte es aus der Papierh?lle und kaute es. Zuf?llig blickte er auf Martha und dachte dabei, dass sie ihn beneide, und dass auch sie gern ein Bonbon essen w?rde.

Soll ich ihr geben oder nicht, dachte Peredonoff, -- nein, wozu. Oder soll ich ihr doch geben, sonst denken sie am Ende ich w?re geizig. Sie werden denken: er hat so viele, seine Taschen sind ganz voll.

Und er zog eine Handvoll Bonbons aus der Tasche.

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