Read Ebook: The Great Days of the Garden District and the Old City of Lafayette by Samuel Martha Ann Brett Samuel Ray
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Ebook has 329 lines and 27507 words, and 7 pages
Bunte Steine
Ad. Stifter
Dieses Buch wurde als sechster Band der f?nften Auswahlreihe des Volksverbandes der B?cherfreunde hergestellt und wird nur an dessen Mitglieder abgegeben. Das Nachwort schrieb Dr. Bruno Adler in Weimar. Den Einband zeichnete Adolf Propp.
Bunte Steine
Ein Festgeschenk von Adalbert Stifter
Berlin 1922 Volksverband der B?cherfreunde Wegweiser-Verlag G. m. b. H.
Inhalt.
Seite
Einleitung V
Granit 1
Kalkstein 38
Turmalin 106
Bergkristall 149
Katzensilber 204
Bergmilch 272
Nachwort 303
Einleitung.
Als Knabe trug ich ausser Ruten, Gestr?uchen und Bl?ten, die mich erg?tzten, auch noch andere Dinge nach Hause, die mich fast noch mehr freuten, weil sie nicht so schnell Farbe und Bestand verloren wie die Pflanzen, n?mlich allerlei Steine und Erddinge. Auf Feldern, an Rainen, auf Heiden und Hutweiden, ja sogar auf Wiesen, auf denen doch nur das hohe Gras steht, liegen die mannigfaltigsten dieser Dinge herum. Da ich nun viel im Freien umherschweifen durfte, konnte es nicht fehlen, dass ich bald die Pl?tze entdeckte, auf denen die Dinge zu treffen waren, und dass ich die, welche ich fand, mit nach Hause nahm.
Da ist an dem Wege, der von Oberplan nach Hossenreuth f?hrt, ein ger?umiges St?ck Rasen, welches in die Felder hineinf?hrt und mit einer Mauer aus losen Steinen eingefasst ist. In diesen Steinen stecken kleine Bl?ttchen, die wie Silber und Diamanten funkeln, und die man mit einem Messer oder mit einer Ahle herausbrechen kann. Wir Kinder hiessen diese Bl?ttchen Katzensilber und hatten eine sehr grosse Freude an ihnen.
Auf dem Berglein des Altrichters befindet sich ein Stein, der so fein und weich ist, dass man ihn mit einem Messer schneiden kann. Die Bewohner unserer Gegend nennen ihn Taufstein. Ich machte T?felchen, W?rfel, Ringe und Petschaften aus dem Steine, bis mir ein Mann, der Uhren, Barometer und Stammb?ume verfertigte und Bilder lackierte, zeigte, dass man den Stein mit einem zarten Firnisse anstreichen m?sse, und dass dann die sch?nsten blauen, gr?nen und r?tlichen Linien zum Vorschein k?men.
Wenn ich Zeit hatte, legte ich meine Sch?tze in eine Reihe, betrachtete sie und hatte mein Vergn?gen an ihnen. Besonders hatte die Verwunderung kein Ende, wenn es auf einem Steine so geheimnisvoll gl?nzte und leuchtete und ?ugelte, dass man es gar nicht ergr?nden konnte, woher denn das k?me. Freilich war manchmal auch ein St?ck Glas darunter, das ich auf den Feldern gefunden hatte und das in allerlei Regenbogenfarben schimmerte. Wenn sie dann sagten, das sei ja nur ein Glas und noch dazu ein verwitterndes, wodurch es eben diese schimmernden Farben erhalten habe, so dachte ich: Ei, wenn es auch nur ein Glas ist, so hat es doch die sch?nen Farben, und es ist zum Staunen, wie es in der k?hlen, feuchten Erde diese Farben empfangen konnte, und ich liess es unter den Steinen liegen.
Dieser Sammelgeist nun ist noch immer nicht von mir gewichen. Nicht nur trage ich noch heutzutage buchst?blich Steine in der Tasche nach Hause, um sie zu zeichnen oder zu malen und ihre Abbilder dann weiter zu verwenden, sondern ich lege ja auch hier eine Sammlung von allerlei Spielereien und Kram f?r die Jugend an, an dem sie eine Freude haben und den sie sich zur Betrachtung zurechtrichten m?ge. Freilich m?ssen meine jungen Freunde zu dieser Sammlung bedeutend ?lter sein als ich, da ich mir meine seltsamen Feldsteine zur Erg?tzung nach Hause trug. Es wird der Fall nicht eintreten, dass ein Juwel in der Sammlung sei, so wie kaum die Gefahr vorhanden ist, dass ich unter meinen Steinen einstens etwa einen ungeschliffenen Diamanten oder Rubin gehabt habe und ohne mein Wissen unermesslich reich gewesen sei. Wenn aber manches Glasst?ck unter diesen Dingen ist, so bitte ich meine Freunde, zu denken, wie ich bei meinem Glase gedacht habe: es hat doch allerlei Farben und mag bei den Steinen belassen bleiben.
Wenn man einem Verstorbenen eine Sammlung widmen k?nnte, w?rde ich diese meinem verstorbenen jungen Freunde Gustav widmen. Ich hatte ihn zuf?llig kennengelernt, ihn lieb gewonnen, und er hatte mir wie ein Vater vertraut. Er hatte Freude an Spielereien, so wie er auch gleich einem M?dchen noch immer gelegentlich ein St?ckchen Naschwerk liebte und, wenn er bei mir zu Tische war, auch stets bekam. M?ge er in seiner lichteren Heimat manchmal an den ?lteren Freund denken, der noch immer in dieser Welt ist und noch ein St?ckchen Zeit dazubleiben w?nscht.
Weil es unermesslich viel Steine gibt, so kann ich gar nicht voraussagen, wie gross diese Sammlung werden wird.
Im Herbste 1852.
Granit.
Vor meinem v?terlichen Geburtshause, dicht neben der Eingangst?r in dasselbe, liegt ein grosser, achteckiger Stein von der Gestalt eines sehr in die L?nge gezogenen W?rfels. Seine Seitenfl?chen sind roh ausgehauen, seine obere Fl?che aber ist von dem vielen Sitzen so fein und glatt geworden, als w?re sie mit der kunstreichsten Glasur ?berzogen. Der Stein ist sehr alt, und niemand erinnert sich, von einer Zeit geh?rt zu haben, wann er gelegt worden sei. Die ur?ltesten Greise unseres Hauses waren auf dem Steine gesessen, so wie jene, welche in zarter Jugend hinweggestorben waren und nebst all den andern in dem Kirchhofe schlummern. Das Alter beweist auch der Umstand, dass die Sandsteinplatten, welche dem Steine zur Unterlage dienen, schon ganz ausgetreten und dort, wo sie unter der Dachtraufe hinausragen, mit tiefen L?chern von den herabfallenden Tropfen versehen sind.
Eines der j?ngsten Mitglieder unseres Hauses, welche auf dem Steine gesessen waren, war in meiner Knabenzeit ich. Ich sass gern auf dem Steine, weil man wenigstens dazumal eine grosse Umsicht von demselben hatte. Jetzt ist sie etwas verbaut worden. Ich sass gern im ersten Fr?hling dort, wenn die milder werdenden Sonnenstrahlen die erste W?rme an der Wand des Hauses erzeugten. Ich sah auf die geackerten, aber noch nicht bebauten Felder hinaus, ich sah dort manchmal ein Glas wie einen weissen, feurigen Funken schimmern und gl?nzen oder ich sah einen Geier vor?berfliegen oder ich sah auf den fernen, bl?ulichen Wald, der mit seinen Zacken an dem Himmel dahingeht, an dem die Gewitter und Wolkenbr?che hinabziehen und der so hoch ist, dass ich meinte, wenn man auf den h?chsten Baum desselben hinaufstiege, m?sste man den Himmel angreifen k?nnen. Zu andern Zeiten sah ich auf der Strasse, die nahe an dem Hause vor?bergeht, bald einen Erntewagen, bald eine Herde, bald einen Hausierer vor?berziehen.
Im Sommer sass gern am Abend auch der Grossvater auf dem Steine und rauchte sein Pfeifchen, und manchmal, wenn ich schon lange schlief oder in den beginnenden Schlummer nur noch gebrochen die T?ne hineinh?rte, sassen auch teils auf dem Steine, teils auf dem daneben befindlichen Holzb?nkchen oder auf der Lage von Baubrettern junge Burschen und M?dchen und sangen anmutige Lieder in die finstere Nacht.
Unter den Dingen, die ich von dem Steine aus sah, war ?fter auch ein Mann von seltsamer Art. Er kam zuweilen auf der Hossenreuther Strasse mit einem gl?nzenden, schwarzen Schubkarren heraufgefahren. Auf dem Schubkarren hatte er ein gl?nzendes, schwarzes F?sschen. Seine Kleider waren zwar vom Anfange an nicht schwarz gewesen, allein sie waren mit der Zeit sehr dunkel geworden und gl?nzten ebenfalls. Wenn die Sonne auf ihn schien, so sah er aus, als w?re er mit ?l eingeschmiert worden. Er hatte einen breiten Hut auf dem Haupte, unter dem die langen Haare auf den Nacken hinabwallten. Er hatte ein braunes Angesicht, freundliche Augen und seine Haare hatten bereits die gelblich weisse Farbe, die sie bei Leuten unterer St?nde, die hart arbeiten m?ssen, gern bekommen. In der N?he der H?user schrie er gew?hnlich etwas, was ich nicht verstand. Infolge dieses Schreiens kamen unsere Nachbarn aus ihren H?usern heraus, hatten Gef?sse in der Hand, die meistens schwarze, h?lzerne Kannen waren, und begaben sich auf unsere Gasse. W?hrend dies geschah, war der Mann vollends n?her gekommen und schob seinen Schubkarren auf unsere Gasse herzu. Da hielt er stille, drehte den Hahn in dem Zapfen seines Fasses und liess einem jedem, der unterhielt, eine braune, z?he Fl?ssigkeit in sein Gef?ss rinnen, die ich recht gut als Wagenschmiere erkannte, und wof?r sie ihm eine Anzahl Kreuzer oder Groschen gaben. Wenn alles vor?ber war und die Nachbarn sich mit ihrem Kaufe entfernt hatten, richtete er sein Fass wieder zusammen, strich alles gut hinein, was hervorgequollen war, und fuhr weiter. Ich war bei dem Vorfalle schier alle Male zugegen; denn wenn ich auch eben nicht auf der Gasse war, da der Mann kam, so h?rte ich doch so gut wie die Nachbarn sein Schreien und war gewiss eher auf dem Platze als alle andern.
Eines Tages, da die Lenzsonne sehr freundlich schien und alle Menschen heiter und schelmisch machte, sah ich ihn wieder die Hossenreuther Strasse herauffahren. Er schrie in der N?he der H?user seinen gew?hnlichen Gesang, die Nachbarn kamen herbei, er gab ihnen ihren Bedarf und sie entfernten sich. Als dieses geschehen war, brachte er sein Fass wie zu sonstigen Zeiten in Ordnung. Zum Hineinstreichen dessen, was sich etwa an dem Hahne oder durch das Lockern des Zapfens an den untern Fassdauben angesammelt hatte, hatte er einen langen, schmalen, flachen L?ffel mit kurzem Stiele. Er nahm mit dem L?ffel geschickt jedes Restchen Fl?ssigkeit, das sich in einer Fuge oder in einem Winkel versteckt hatte, heraus und strich es bei den scharfen R?ndern des Spundloches hinein. Ich sass, da er dieses tat, auf dem Steine und sah ihm zu. Aus Zufall hatte ich blosse F?sse, wie es ?fter geschah, und hatte H?schen an, die mit der Zeit zu kurz geworden waren. Pl?tzlich sah er von seiner Arbeit zu mir herzu und sagte: >>Willst du die F?sse eingeschmiert haben?<<
Ich hatte den Mann stets f?r eine grosse Merkw?rdigkeit gehalten, f?hlte mich durch seine Vertraulichkeit geehrt und hielt beide F?sse hin. Er fuhr mit seinem L?ffel in das Spundloch, langte damit herzu und tat einen langsamen Strich auf jeden der beiden F?sse. Die Fl?ssigkeit breitete sich sch?n auf der Haut aus, hatte eine ausserordentlich klare, goldbraune Farbe und sandte die angenehmen Harzd?fte zu mir empor. Sie zog sich ihrer Natur nach allm?hlich um die Rundung meiner F?sse herum und an ihnen hinab. Der Mann fuhr indessen in seinem Gesch?fte fort, er hatte ein paar Male l?chelnd auf mich herzugeblickt, dann steckte er seinen L?ffel in eine Scheide neben dem Fass, schlug oben das Spundloch zu, nahm die Tragb?nder des Schubkarrens auf sich, hob letzteren empor und fuhr damit davon. Da ich nun allein war und ein zwar halb angenehmes, aber desungeachtet auch nicht ganz beruhigtes Gef?hl hatte, wollte ich mich doch auch der Mutter zeigen. Mit vorsichtig in die H?he gehaltenen H?schen ging ich in die Stube hinein. Es war eben Samstag, und an jedem Samstage musste die Stube sehr sch?n gewaschen und gescheuert werden, was auch heute am Morgen geschehen war, so wie der Wagenschmiermann gern an Samstagen kam, um am Sonntage dazubleiben und in die Kirche zu gehen. Die gut ausgelaugte und wieder getrocknete Holzfaser des Fussbodens nahm die Wagenschmiere meiner F?sse sehr begierig auf, so dass hinter jedem meiner Tritte eine starke Tappe auf dem Boden blieb. Die Mutter sass eben, da ich hereinkam, an dem Fenstertische vorne und n?hte. Da sie mich so kommen und vorw?rtsschreiten sah, sprang sie auf. Sie blieb einen Augenblick in der Schwebe, entweder weil sie mich so bewunderte oder weil sie sich nach einem Werkzeuge umsah, mich zu empfangen. Endlich aber rief sie: >>Was hat denn dieser heillose, eingefleischte Sohn heute f?r Dinge an sich?<<
Und damit ich nicht noch weiter vorw?rts ginge, eilte sie mir entgegen, hob mich empor und trug mich, meines Schreckes und ihrer Sch?rze nicht achtend, in das Vorhaus hinaus. Dort liess sie mich nieder, nahm unter der Bodenstiege, wohin wir, weil es an einem andern Orte nicht erlaubt war, alle nach Hause gebrachten Ruten und Zweige legen mussten und wo ich selber in den letzten Tagen eine grosse Menge dieser Dinge angesammelt hatte, heraus, was sie nur immer erwischen konnte, und schlug damit so lange und so heftig gegen meine F?sse, bis das ganze Laubwerk der Ruten, meine H?schen, ihre Sch?rze, die Steine des Fussbodens und die Umgebung voll Pech waren. Dann liess sie mich los und ging wieder in die Stube hinein.
Ich war, obwohl es mir schon vom Anfang bei der Sache immer nicht so ganz vollkommen geheuer gewesen war, doch ?ber diese f?rchterliche Wendung der Dinge und weil ich mit meiner teuersten Verwandten dieser Erde in dieses Zerw?rfnis geraten war, gleichsam vernichtet. In dem Vorhause befindet sich in einer Ecke ein grosser Steinw?rfel, der den Zweck hat, dass auf ihm das Garn zu den Hausweben mit einem h?lzernen Schl?gel geklopft wird. Auf diesen Stein wankte ich zu und liess mich auf ihn nieder. Ich konnte nicht einmal weinen, das Herz war mir gepresst und die Kehle wie mit Schn?ren zugeschn?rt. Drinnen h?rte ich die Mutter und die Magd beratschlagen, was zu tun sei, und f?rchtete, dass, wenn die Pechspuren nicht weggingen, sie wieder herauskommen und mich weiter z?chtigen w?rden.
In diesem Augenblicke ging der Grossvater bei der hintern T?r, die zu dem Brunnen und auf die Gartenwiese f?hrt, herein und ging gegen mich hervor. Er war immer der G?tige gewesen und hatte, wenn was immer f?r ein Ungl?ck gegen uns Kinder hereingebrochen war, nie nach dem Schuldigen gefragt, sondern nur stets geholfen. Da er nun zu dem Platze, auf dem ich sass, hervorgekommen war, blieb er stehen und sah mich an. Als er den Zustand, in welchem ich mich befand, begriffen hatte, fragte er, was es denn gegeben habe und wie es mit mir so geworden sei. Ich wollte mich nun erleichtern, allein ich konnte auch jetzt wieder nichts erz?hlen, denn nun brachen bei dem Anblicke seiner g?tigen und wohlmeinenden Augen alle Tr?nen, die fr?her nicht hervorzukommen vermocht hatten, mit Gewalt heraus und rannen in Str?men herab, so dass ich vor Weinen und Schluchzen nur gebrochene und verst?mmelte Laute hervorbringen und nichts tun konnte, als die F?sschen emporheben, auf denen jetzt auch aus dem Peche noch das h?ssliche Rot der Z?chtigung hervorsah.
Er aber l?chelte und sagte: >>So komme nur her zu mir, komme mit mir.<<
Bei diesen Worten nahm er mich bei der Hand, zog mich sanft von dem Steine herab und f?hrte mich, der ich ihm vor Ergriffenheit kaum folgen konnte, durch die L?nge des Vorhauses zur?ck und in den Hof hinaus. In dem Hofe ist ein breiter, mit Steinen gepflasterter Gang, der rings an den Bauwerken heruml?uft. Auf diesem Gange stehen unter dem ?berdache des Hauses gew?hnlich einige Schemel oder derlei Dinge, die dazu dienen, dass sich die M?gde beim Hecheln des Flachses oder andern ?hnlichen Arbeiten darauf niedersetzen k?nnen, um vor dem Unwetter gesch?tzt zu sein. Zu einem solchen Schemel f?hrte er mich hinzu und sagte: >>Setze dich da nieder und warte ein wenig, ich werde gleich wiederkommen.<<
Mit diesen Worten ging er in das Haus, und nachdem ich ein Weilchen gewartet hatte, kam er wieder heraus, indem er eine grosse, gr?n glasierte Sch?ssel, einen Topf mit Wasser und Seife und T?cher in den H?nden trug. Diese Dinge stellte er neben mir aus das Steinpflaster nieder, zog mir, der ich auf dem Schemel sass, meine H?schen aus, warf sie seitw?rts, goss warmes Wasser in die Sch?ssel, stellte meine F?sse hinein und wusch sie so lange mit Seife und Wasser, bis ein grosser, weiss- und braungefleckter Schaumberg auf der Sch?ssel stand, die Wagenschmiere, weil sie noch frisch war, ganz weggegangen und keine Spur mehr von Pech auf der Haut zu erblicken war. Dann trocknete er mit den T?chern die F?sse ab und fragte: >>Ist es nun gut?<<
Ich lachte fast unter den Tr?nen, ein Stein nach dem andern war mir w?hrend des Waschens von dem Herzen gefallen, und waren die Tr?nen schon linder geflossen, so drangen sie jetzt nur mehr einzeln aus den Augen hervor. Er holte mir nun auch andere H?schen und zog sie mir an. Dann nahm er das trocken gebliebene Ende der T?cher, wischte mir damit das verweinte Angesicht ab und sagte: >>Nun gehe da ?ber den Hof bei dem grossen Einfahrtstore auf die Gasse hinaus, dass dich niemand sehe, und dass du niemandem in die H?nde fallest. Auf der Gasse warte auf mich, ich werde dir andere Kleider bringen und mich auch ein wenig umkleiden. Ich gehe heute in das Dorf Melm, da darfst du mitgehen und da wirst du mir erz?hlen, wie sich dein Ungl?ck ereignet hat und wie du in diese Wagenschmiere geraten bist. Die Sachen lassen wir da liegen, es wird sie schon jemand hinwegr?umen.<<
Mit diesen Worten schob er mich gegen den Hof und ging in das Haus zur?ck. Ich schritt leise ?ber den Hof und eilte bei dem Einfahrtstore hinaus. Auf der Gasse ging ich sehr weit von dem grossen Steine und von der Haust?r weg, damit ich sicher w?re, und stellte mich auf eine Stelle, von welcher ich von ferne in die Haust?r hineinsehen konnte. Ich sah, dass auf dem Platze, auf welchem ich gez?chtigt worden war, zwei M?gde besch?ftigt waren, welche auf dem Boden knieten und mit den H?nden auf ihm hin und her fuhren. Wahrscheinlich waren sie bem?ht, die Pechspuren, die von meiner Z?chtigung entstanden waren, wegzubringen. Die Hausschwalbe flog kreischend bei der T?r aus und ein, weil heute unter ihrem Neste immer St?rung war, erst durch meine Z?chtigung und nun durch die arbeitenden M?gde. An der ?ussersten Grenze unserer Gasse, sehr weit von der Haust?r entfernt, wo der kleine H?gel, auf dem unser Haus steht, schon gegen die vorbeigehende Strasse abzufallen beginnt, lagen einige ausgehauene St?mme, die zu einem Baue oder zu einem andern ?hnlichen Werke bestimmt waren. Auf diese setzte ich mich nieder und wartete.
Endlich kam der Grossvater heraus. Er hatte seinen breiten Hut auf dem Haupte, hatte seinen langen Rock an, den er gern an Sonntagen nahm, und trug seinen Stock in der Hand. In der andern hatte er aber auch mein blaugestreiftes J?ckchen, weisse Str?mpfe, schwarze Schn?rstiefelchen und mein graues Filzh?tchen. Das alles half er mir anziehen und sagte: >>So, jetzt gehen wir.<<
Wir gingen auf dem schmalen Fusswege durch das Gr?n unseres H?gels auf die Strasse hinab und gingen auf der Strasse fort, erst durch die H?user der Nachbarn, auf denen die Fr?hlingssonne lag und von denen die Leute uns gr?ssten, und dann in das Freie hinaus. Dort streckte sich ein weites Feld und sch?ner, gr?ner Rasen vor uns hin, und heller, freundlicher Sonnenschein breitete sich ?ber alle Dinge der Welt. Wir gingen auf einem weissen Wege zwischen dem gr?nen Rasen dahin. Mein Schmerz und mein Kummer war schon beinahe verschwunden, ich wusste, dass ein guter Ausgang nicht fehlen konnte, da der Grossvater sich der Sache annahm und mich besch?tzte; die freie Luft und die scheinende Sonne ?bten einen beruhigenden Einfluss, und ich empfand das J?ckchen sehr angenehm auf meinen Schultern und die Stiefelchen an den F?ssen, und die Luft floss sanft durch meine Haare.
Als wir eine Weile auf der Wiese gegangen waren, wie wir gew?hnlich gingen, wenn er mich mitnahm, n?mlich dass er seine grossen Schritte milderte, aber noch immer grosse Schritte machte, und ich teilweise neben ihm trippeln musste, sagte der Grossvater: >>Nun sage mir doch auch einmal, wie es denn geschehen ist, dass du mit so vieler Wagenschmiere zusammengeraten bist, dass nicht nur deine ganzen H?schen voll Pech sind, dass deine F?sse voll Pech waren, dass ein Pechfleck in dem Vorhause ist, mit Pech besudelte Ruten herumliegen, sondern dass auch im ganzen Hause, wo man nur immer hinkommt, Flecken von Wagenschmiere anzutreffen sind. Ich habe deiner Mutter schon gesagt, dass du mit mir gehest, du darfst nicht mehr besorgt sein, es wird dich keine Strafe mehr treffen.<<
Ich erz?hlte ihm nun, wie ich auf dem Steine gesessen sei, wie der Wagenschmiermann gekommen sei, wie er mich gefragt habe, ob ich meine F?sse eingeschmiert haben wolle, wie ich sie ihm hingehalten und wie er auf jeden einen Strich getan habe, wie ich in die Stube gegangen sei, um mich der Mutter zu zeigen, wie sie aufgesprungen sei, wie sie mich genommen, in das Vorhaus getragen, mich mit meinen eigenen Ruten gez?chtigt habe und wie ich danach auf dem Steine sitzen geblieben sei.
>>Du bist ein kleines N?rrlein,<< sagte der Grossvater, >>und der alte Andreas ist ein arger Schalk, er hat immer solche Streiche ausgef?hrt und wird jetzt heimlich und wiederholt bei sich lachen, dass er den Einfall gehabt hat. Dieser Hergang bessert deine Sache sehr. Aber siehst du, auch der alte Andreas, so ?bel wir seine Sache ansehen m?gen, ist nicht so schuldig, als wir andern uns denken; denn woher soll denn der alte Andreas wissen, dass die Wagenschmiere f?r die Leute eine so schreckende Sache ist und dass sie in einem Hause eine solche Unordnung anrichten kann? Denn f?r ihn ist sie eine Ware, mit der er immer umgeht, die ihm seine Nahrung gibt, die er liebt und die er sich immer frisch holt, wenn sie ihm ausgeht. Und wie soll er von gewaschenen Fussb?den etwas wissen, da er jahraus, jahrein bei Regen und Sonnenschein mit seinem Fasse auf der Strasse ist, bei der Nacht oder an Feiertagen in einer Scheune schl?ft und an seinen Kleidern Heu oder Halme kleben hat? Aber auch deine Mutter hat recht; sie musste glauben, dass du dir leichtsinnigerweise die F?sse selber mit so vieler Wagenschmiere beschmiert habest und dass du in die Stube gegangen seiest, den sch?nen Boden zu besudeln. Aber lasse ihr nur Zeit, sie wird schon zur Einsicht kommen, sie wird alles verstehen, und alles wird gut werden. Wenn wir dort auf jene H?he hinaufgelangen, von der wir weit herumsehen, werde ich dir eine Geschichte von solchen Pechm?nnern erz?hlen, wie der alte Andreas ist, die sich lange vorher zugetragen hat, ehe du geboren wurdest und ehe ich geboren wurde, und aus der du ersehen wirst, welche wunderbare Schicksale die Menschen auf der Welt des lieben Gottes haben k?nnen. Und wenn du stark genug bist und gehen kannst, so lasse ich dich in der n?chsten Woche nach Spitzenberg und in die Hirschberge mitgehen, und da wirst du am Wege im Fichtengrunde eine solche Brennerei sehen, wo sie die Wagenschmiere machen, wo sich der alte Andreas seinen Vorrat immer holt, und wo also das Pech her ist, womit dir heute die F?sse eingeschmiert worden sind.<<
>>Ja, Grossvater,<< sagte ich, >>ich werde recht stark sein.<<
>>Nun, das wird gut sein,<< antwortete er, >>und du darfst mitgehen.<<
Bei diesen Worten waren wir zu einer Mauer aus losen Steinen gelangt, jenseits welcher eine gr?ne Wiese mit dem weissen Fusspfade war. Der Grossvater stieg ?ber den Steigstein, indem er seinen Stock und seinen Rock nach sich zog, und mir, der ich zu klein war, hin?berhalf; und wir gingen dann auf dem reinen Pfade weiter. Ungef?hr in der Mitte der Wiese blieb er stehen und zeigte auf die Erde, wo unter einem flachen Steine ein klares W?sserlein hervorquoll und durch die Wiese fortrann.
>>Das ist das Behringer Br?nnlein,<< sagte er, >>welches das beste Wasser in der Gegend hat, ausgenommen das wundert?tige Wasser, welches auf dem Brunnberge in dem ?berbauten Br?nnlein ist, in dessen N?he die Gnadenkapelle zum guten Wasser steht. Manche Menschen holen sich aus diesem Br?nnlein da ihr Trinkwasser, mancher Feldarbeiter geht weit herzu, um da zu trinken, und mancher Kranke hat schon aus entfernten Gegenden mit einem Kruge hierher geschickt, damit man ihm Wasser bringe. Merke dir den Brunnen recht gut.<<
>>Ja, Grossvater,<< sagte ich.
Nach diesen Worten gingen wir wieder weiter. Wir gingen auf dem Fusspfade durch die Wiese, wir gingen auf einem Wege zwischen Feldern empor und kamen zu einem Grunde, der mit dichtem, kurzem, fast grauem Rasen bedeckt war und auf dem nach allen Richtungen hin in gewissen Entfernungen voneinander F?hren standen.
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