Read Ebook: Zwei Städte by Dickens Charles Browne Hablot Knight Illustrator Seybt Julius Translator
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Ebook has 3421 lines and 141396 words, and 69 pages
Das Klopfen an der Th?r 154
Vierter Theil.
Zwiefaches Erkennen 3
Nach der Verurtheilung 70
Erstes Buch.
Wiederauferstanden.
Erstes Kapitel.
Die Periode.
Es war die beste Zeit, es war die schlechteste Zeit. Es war das Zeitalter der Weisheit, es war das Zeitalter der Thorheit; es war die Epoche des Glaubens, es war die Epoche des Unglaubens; es waren die Tage des Lichts, es waren die Tage der Finsterniss; es war der Lenz der Hoffnung, es war der Winter der Verzweiflung. Wir hatten Alles zu erwarten, wir hatten Nichts zu erwarten. Wir gingen Alle schnurstracks dem Himmel zu, wir gingen Alle schnurstracks den andern Weg -- kurz, die Zeit war insofern der gegenw?rtigen gleich, als einige ihrer l?rmendsten Kenner behaupteten, es k?nnte im Guten oder B?sen nur in Superlativen von ihr gesprochen werden.
Ein K?nig mit einer grossen Unterkiefer und eine K?nigin von gew?hnlichem Aussehen sassen auf dem Throne von England; ein K?nig mit einer grossen Unterkiefer und eine K?nigin mit einem sch?nen Gesicht sassen auf dem Throne von Frankreich. In beiden L?ndern erkannten die Magnaten des Landes, f?r welche die Fische und Brote des Landes aufbewahrt werden, auf das Klarste, dass Alles auf ewig in bester Ordnung sei.
Es war das Jahr unseres Herrn 1775. England kamen in jener gl?cklichen Zeit Enth?llungen aus der andern Welt zu, ebenso wie jetzt. Mrs. Southcott hatte vor Kurzem ihren f?nfundzwanzigsten Geburtstag gefeiert, dessen erhabenes Tagen ein prophetischer Gemeiner aus der Leibgarde durch die Verk?ndigung gefeiert hatte, dass London und Westminster auf dem Punkte st?nden, von der Erde verschlungen zu werden. Selbst das Cock-lane-Gespenst war seit einem vollen Dutzend Jahren zur Ruhe gegangen, nachdem es seine Botschaften durch Klopfen kundgethan, genau wie es die Geister des vorletzten Jahres thaten, so ?bernat?rlich war ihr Mangel an Originalit?t. Einfache irdische Botschaften hatte neuerdings die englische Krone und das englische Volk von einem Congress britischer Unterthanen in Amerika bekommen, die, seltsam genug, viel wichtiger f?r das Menschengeschlecht geworden sind, als alle Botschaften, welche von Geistern aus dem Cock-lane-Gelichter herstammen.
Frankreich, in Sachen der Geisterwelt weniger beg?nstigt, als ihre Schwester mit dem Schilde und dem Dreizack, rutschte ganz gem?chlich bergab, machte Papiergeld und verthat es. Unter der Anleitung seiner christlichen Seelenhirten unterhielt es sich ausserdem mit so menschenfreundlichen Thaten, wie z. B. mit dem Verurtheilen eines J?nglings, dass ihm die H?nde abgehackt, die Zunge mit Zangen ausgerissen und er selbst lebendig verbrannt werde, weil er nicht vor einer Prozession schmutziger M?nche, die in seinem Gesichtsbereich in einer Entfernung von f?nfzig bis sechszig Schritt vorbeigegangen, im Regen niedergekniet war. Es ist wohl m?glich, dass, w?hrend dieser arme Junge hingerichtet ward, in den Waldungen Frankreichs und Norwegens B?ume wuchsen, die der Holzf?ller Verh?ngniss schon gezeichnet hatte, um sie zu f?llen und zu Brettern zu s?gen, um daraus ein gewisses in schrecklicher Erinnerung lebendes bewegliches Ger?st, mit einem Sack und einem Messer daran, zu verfertigen. Es ist wohl m?glich, dass unter dem hinf?lligen Schuppen einiger Bebauer des schweren Bodens um Paris an demselben Tage unbeh?lfliche Karren standen, bespr?tzt mit Strassenschmutz, beschn?ffelt von Schweinen und dem Federvieh als Sitz dienend, welche der P?chter Tod bereits bestimmt hatte, seine Karren in der Revolution zu sein. Aber dieser Holzf?ller und dieser P?chter arbeiteten zwar unaufh?rlich, aber stumm, und Niemand h?rte sie, wie sie leisen Schrittes sich herumbewegten, um so mehr, da es reine Gottlosigkeit und Hochverrath war, nur den Verdacht zu hegen, dass sie th?tig sein k?nnten.
In England war kaum so viel Ordnung und Schutz von Leben und Eigenthum, dass die Nation sich sehr h?tte dessen r?hmen k?nnen. Verwegene Hauseinbr?che von Bewaffneten und Strassenraub kamen alln?chtlich in der Hauptstadt selbst vor; Familien wurden ?ffentlich gewarnt, die Stadt nicht zu verlassen, ohne ihren Hausrath der Sicherheit wegen dem M?belh?ndler zum Aufbewahren zu geben; der Strassenr?uber im Dunkel der Nacht war bei Tage ein ehrsamer B?rger der City, der, wenn er von seinem Gevatter als ,,Capitain" angehalten, erkannt und genannt ward, diesem ohne Weiteres durch den Kopf schoss und davonritt; die Postkutsche wurde von sieben R?ubern angehalten, der Conducteur schoss drei todt und die anderen vier schossen dann den Conducteur selbst todt, ,,weil er alle seine Munition verschossen hatte", worauf die Pl?nderung der Postkutsche in Frieden vor sich ging; den gewaltigen Potentaten, den Lord Mayor von London, hielt ein einziger Strassenr?uber auf Turnham Green an und nahm ihm Angesichts seines Gefolges die B?rse ab; in Londoner Gef?ngnissen kam es zu Gefechten zwischen Gefangenen und Schliessern und die Majest?t des Gesetzes feuerte mit Donnerb?chsen, geladen mit Schrot und Kugeln, unter die Gefangenen; Diebe schnitten an Hofcourtagen Diamantkreuze von dem Halse edler Lords; Musketiere marschirten nach St. Giles, um nach geschmuggelten Waaren zu suchen, und das zusammengelaufene Volk feuerte auf die Musketiere, und die Musketiere feuerten auf das zusammengelaufene Volk; und keines dieser Ereignisse hielt irgend Jemand f?r etwas Ungew?hnliches. W?hrend sie vor sich gingen, war der Henker, immer gesch?ftig, und immer schlimmer als nutzlos, in best?ndiger Arbeit; jetzt hing er ganze Reihen von allerhand Verbrechern auf; dann richtete er Sonnabends einen Hauseinbrecher hin, der Dienstag gefangen worden war; jetzt brandmarkte er in Newgate Leute dutzendweise in die Hand und dann verbrannte er vor der Th?r der Westminster-Halle Flugschriften; heute brachte er einen blutgierigen M?rder vom Leben zum Tode und morgen einen armseligen Wicht, der einem Bauernknecht sechs Pence gestohlen hatte.
Alle diese Dinge und tausend ?hnliche geschahen in und um das liebe alte Jahr 1775. Von ihnen umgeben und w?hrend Holzf?ller und P?chter unbeirrt fortarbeiteten, machten die Beiden mit dem grossen Unterkiefer und die beiden Andern mit dem gew?hnlichen und dem sch?nen Gesicht L?rm genug in der Welt und machten ihre g?ttlichen Rechte mit hochfahrendem Sinne geltend. So f?hrte das Jahr 1775 seine gr?ssten und Myriaden von kleinen Gesch?pfen -- die Gesch?pfe dieser Geschichte unter den ?brigen -- die Strassen entlang, die vor ihnen lagen.
Zweites Kapitel.
Die Postkutsche.
Die Strasse nach Dover war es, die in einer Freitagsnacht sp?t im November vor der ersten der Personen lag, mit welchen diese Geschichte zu thun hat. Die Strasse nach Dover lag f?r diesen Mann vor der Dover Postkutsche, wie sie Shooter's Hill hinauf rumpelte. Er ging wie die ?brigen Passagiere bergab in dem Strassenschlamm, neben der Postkutsche her; nicht, weil sie die mindeste Vorliebe f?r Spazierengehen unter diesen Umst?nden hatten, sondern weil der H?gel so steil, der Schmutz so tief, und das Geschirr und die Kutsche so schwer waren, dass die Pferde schon dreimal stecken geblieben waren und einmal den Wagen quer ?ber die Strasse gezogen hatten, in der meuterischen Absicht, nach Blackheath umzukehren. Z?gel und Peitsche und Kutsche und Conducteur hatten jedoch im Verein den Kriegsartikel verlesen, welcher ein sonst sehr zu Gunsten der Behauptung, dass einige Thiere mit Vernunft ausgestattet sind, sprechendes Thuen verbot; und das Gespann hatte capitulirt und war zu seiner Pflicht zur?ckgekehrt.
Mit gesenkten K?pfen und zitternden Schweifen wateten sie durch den dicken Schlamm und stolperten und wankten zuweilen, als ob sie in den gr?sseren Gelenken in St?cke gehen wollten. So oft der Kutscher ihnen eine kurze Rast gestattete und sie mit einem beruhigenden Brr! So, so! anhielt, sch?ttelte das Handpferd von den beiden Stangenpferden heftig den Kopf mit Allem, was darumhing -- als ein ungew?hnlich emphatisches Pferd entschieden seine Meinung aussprechend, dass die Kutsche gar nicht den Berg hinauf gebracht werden k?nnte. So oft das Stangenpferd sich so klappernd sch?ttelte, fuhr der Passagier zusammen, wie es einem nervenschwachen Passagier wohl geschehen mag und zeigte sich besorgt im Gem?the.
Ein dampfender Nebel lag in allen Tiefen, und er war in seiner Verlassenheit den H?gel hinauf gewandert, wie ein b?ser Geist, der Ruhe sucht und keine findet. Feucht und kalt kam er durch die Luft langsam in kr?uselnden Streifen herangezogen, die sichtbar einander folgten und ?bereinander st?rzten, wie die Wellen eines ungesunden Meeres. Er war dick genug, um Alles, ausser seinem eigenen Wirbel und ein Paar Ellen von der Strasse, von dem Lichte der Kutschenlaternen abzusperren; und der Dunst von den sich abarbeitenden Pferden dampfte, als ob der Nebel erst daraus entstanden w?re.
Zwei andere Passagiere ausser dem einen erstiegen neben der Postkutsche m?hsam den H?gel. Alle drei waren bis an die Backen und ?ber die Ohren eingewickelt und trugen hohe Reitstiefel. Keiner von den dreien h?tte nach dem, was er sah, sagen k?nnen, wie die beiden andern aussahen, und jeder war unter fast so vielen Verh?llungen vor den Augen des Geistes, wie vor den Augen des K?rpers seiner beiden Gef?hrten versteckt. In jenen Tagen h?teten sich die Reisenden gar sehr, nach kurzer Bekanntschaft einander Vertrauen zu schenken, denn Jeder, den man auf der Strasse traf, konnte ein R?uber oder im Bunde mit R?ubern sein. Was das Letztere betrifft, so war es das Allerwahrscheinlichste zu einer Zeit, wo jede Poststation und jede Schenke Jemand aufweisen konnte, der in des Capitains Sold stand; und diese Stufenleiter des Vertrauens ging vom Wirth bis herunter zum niedrigsten Stalljungen. So dachte der Conducteur der Dover-Postkutsche bei sich selbst in jener Freitagnacht im November 1775, wie er auf seinem ihm angewiesenen Posten hinten auf der Kutsche stand, in der eine geladene Donnerb?chse ?ber sechs oder acht geladenen Reiterpistolen und einigen S?beln lag.
Die Dover-Postkutsche war in ihrer gew?hnlichen gem?thlichen Stimmung, wo der Conducteur den Passagieren misstraute, die Passagiere von einander und von dem Conducteur Arges dachten, Alle auf die Uebrigen einen Argwohn geworfen hatten und der Kutscher nur seiner Pferde sicher war; in Bezug auf welche Pferde er mit reinem Gewissen auf beide Testamente h?tte schw?ren k?nnen, dass sie f?r die Reise nicht geeignet waren.
,,Brr!" sagte der Kutscher. ,,Brr! noch einmal ins Geschirr gelegt und ihr seid oben, und dann sollt ihr verdammt sein, denn es hat mir M?he genug gekostet, euch so weit zu bringen! -- Joe!"
,,Heda", erwiderte der Conducteur.
,,Welche Zeit mag's wohl sein, Joe?"
,,Gute zehn Minuten ?ber elf."
,,Teufel!" rief ?rgerlich der Kutscher aus, ,,und noch nicht auf der H?he! Vorw?rts!"
Das emphatische Pferd, von der Peitsche in einer h?chst entschiedenen Verneinung unterbrochen, legte sich ins Geschirr und die drei anderen Pferde folgten. Noch einmal rumpelte die Dover-Kutsche fort und die hohen Reitstiefel der Passagiere wateten neben ihr her. Sie waren stehen geblieben, wie die Kutsche stehen blieb und hielten sich dicht bei einander. Wenn einer von den dreien keck genug gewesen w?re, einem andern vorzuschlagen, im Nebel und in der Nacht ein Wenig vorauszugehen, h?tte er sich der nicht unwahrscheinlichen Gefahr ausgesetzt, auf der Stelle als Strassenr?uber niedergeschossen zu werden.
Die letzte Anstrengung brachte die Postkutsche bis auf die H?he. Die Pferde machten Halt, um zu verschnaufen, und der Conducteur stieg ab, um das Rad f?r die Hinabfahrt zu hemmen, den Kutschenschlag aufzumachen und die Passagiere einsteigen zu lassen.
,,Heda, Joe! Horch, Joe!" rief der Kutscher warnend vom Bock herunter.
,,Was meint Ihr, Tom?"
Sie lauschten Beide.
,,Ein Reiter kommt im Galopp uns nach, Joe."
,,S' ist ein Reiter in gestrecktem Galopp, Tom", gab der Conducteur zur?ck, indem er die Kutschenth?r losliess und rasch auf seinen Platz kletterte. ,,Ihr Herren! In des K?nigs Namen, Alle f?r Einen!"
Nach dieser eiligen, aber eindringlichen Aufforderung spannte er den Hahn seiner Donnerb?chse und stand kampfbereit da.
Der f?r diese Geschichte eingeschriebene Passagier stand auf dem Kutschentritt, im Einsteigen begriffen; die beiden anderen Passagiere waren dicht hinter ihm, um ihm zu folgen. Er blieb halb in der Kutsche und halb ausserhalb derselben auf seinem Platze; die andern blieben auf der Strasse unter ihm stehen. Sie alle sahen abwechselnd den Kutscher und den Conducteur an und horchten.
Der Kutscher sah zur?ck und der Conducteur sah zur?ck, und selbst das emphatische Handpferd spitzte die Ohren und sah zur?ck, ohne zu widersprechen.
Das durch das Aufh?ren des Rumpelns und Polterns der Kutsche eintretende Schweigen, verbunden mit dem Schweigen der Nacht, machte es wirklich still. Das Keuchen der Pferde theilte der Kutsche eine zitternde Bewegung mit, als ob sie sich in einem Zustande der Aufregung bef?nde. Die Herzen der Passagiere schlugen laut genug, um geh?rt zu werden; aber jedenfalls die Ruhepause sprach h?rbar von Leuten ausser Athem und Leuten, die den Athem anhalten und deren Blut vor Erwartung rascher pulsirt.
Der Hufschlag eines scharf galoppirenden Pferdes kam den H?gel herauf immer n?her und n?her.
,,Halloh!" rief der Conducteur, so laut er br?llen konnte. ,,Heda! Steht, oder ich schiesse!"
Das Pferd ward pl?tzlich angehalten und mit vielem Klatschen und Stampfen h?rte man eine Mannsstimme aus dem Nebel herauf t?nen: ,,Ist das die Dover-Post?"
,,K?mmert Euch nicht drum, was es ist!" erwiderte der Conducteur. ,,Wer seid Ihr?"
,,Ist das die Dover-Post?"
,,Warum wollt Ihr's wissen?"
,,Ich suche einen Passagier, wenn sie's ist."
,,Wie heisst der Passagier?"
,,Mr. Jarvis Lorry."
Der uns wohlbekannte Passagier gab sofort kund, dass dies sein Name sei. Der Conducteur, der Kutscher und die beiden anderen Passagiere warfen argw?hnische Blicke auf ihn.
,,Bleibt, wo Ihr seid", rief der Conducteur der Stimme im Nebel zu, ,,weil, wenn ich einen Irrthum beginge, er w?hrend Eurer Lebenszeit nicht wieder gut gemacht werden k?nnte. Der Herr, der Lorry heisst, antworte auf der Stelle."
,,Was giebt's?" fragte darauf der Passagier, mit etwas zitternder Stimme. ,,Wer fragt nach mir? Ist es Jerry?"
,,Mir gef?llt Jerry's Stimme nicht, wenn es Jerry ist", brummte der Conducteur vor sich hin. ,,Er ist heiserer, als mir gef?llt, der Jerry."
,,Ja, Mr. Lorry."
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